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Titel: Urban Priol zu Hessen: “Der Wortbruch ist Bestandteil der Politik”

Datum: 16. Januar 2009 um 10:51 Uhr
Rubrik: Das kritische Tagebuch, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Wahlen
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Falls Sie Hessinnen und Hessen kennen, die noch an die Bedeutung des „Wortbruchs“ für Ihre Wahlentscheidung glauben, sollten Sie ihnen vielleicht geben oder mailen, was Urban Priol dazu meint. Vielleicht können Sie damit noch jemanden überzeugen, wählen zu gehen und Koch nicht den Gefallen der Enthaltung zu tun. Urban Priol ist zwar kein Politiker, sondern nur ein kluger Mann. Übrigens: Am 27.1. 23.15 Uhr zusammen mit Georg Schramm wieder auf Sendung. Albrecht Müller.

Hier ein Auszug aus einem Interview mit der Süddeutschen und der Link:

sueddeutsche.de:

SPD-Kandidat Thorsten Schäfer-Gümbel meint, der Wortbruch der hessischen Parteichefin Andrea Ypsilanti war der Fehler.

Priol:

Quatsch, der Wortbruch ist elementarer Bestandteil jeder Politik! Das hat mich geärgert, wie sehr der Wortbruch letztes Jahr verunglimpft worden ist. Als ob nicht jeder Politiker nach der Wahl sein Wort bricht. 2005 hat Angela Merkel auf jedem Marktplatz posaunt: “Eine große Koalition wird es mit mir nicht geben.” Roland Koch fand 2008 nichts wichtiger als die Jugendkriminalität, und jetzt? Wenn alle Politiker, die ihr Wort gebrochen haben, in der Versenkung verschwinden würden, hätten wir keine mehr übrig.

sueddeutsche.de:

Warum hat der Vorwurf des Wortbruchs dann in Hessen funktioniert?

Priol:

Das hat eine Eigendynamik entwickelt. Erst haben sich die Zeitungen mit den großen Buchstaben draufgesetzt und solange von “Lügilanti” geschrieben, bis es keiner mehr hören konnte. Und dann haben sie erfolgreich die Illusion erweckt, dass nach einer rot-rot-grünen Koalition sofort die Bolschewiken am Rhein stehen. Mich erinnert das an die “Dachlattendiskussion”, als in den achtziger Jahren die Grünen auftauchten. Damals hieß es auch, wenn die Grünen an die Macht kommen, schalten sie morgen die Atomkraftwerke ab und übermorgen gehen in Deutschland die Lichter aus.

sueddeutsche.de:

Welche Szene hat Ihnen als Kabarettist am besten gefallen im vergangenen Jahr in Hessen?

Priol:

Eigentlich war alles toll. Das Jahr 2008 in Hessen war wie ein Adventskalender – jeden Monat ein anderer Witz. Am besten war Roland Koch, der einem Journalisten in den Block diktierte, am schlimmsten fände er Politiker, die aus purer Machtgier an ihrem Sessel kleben. Ein schöner Satz aus dem Mund des Generalvertreters von Pattex, oder?

sueddeutsche.de:

Und die zweitschönste Szene?

Priol:

… das war, als Koch Gesine Schwan angegriffen hat, weil sie sich mit Stimmen der Linken zur Bundespräsidentin wählen lassen will. “Solche Aussagen zeigen den charakterlichen Verfall in der Politik”, hat Koch darauf gesagt – das muss ich mir doch nicht von ihm sagen lassen! Von einem Politiker, der mit Hilfe einer Anti-Ausländer-Unterschriften-Aktion an die Macht gekommen ist und der sie trotz einer Spendenaffäre um angebliche jüdische Vermächtnisse behalten hat.

Quelle: Süddeutsche

Nachtrag – eine kleine Differenz: Priols Bemerkung zu Andrea Ypsilantis angeblicher Beratungsresistenz ist nicht leicht belegbar. Von wem hätte sie sich denn besser beraten lassen sollen? Von Müntefering? Von Walter? Von der Bild-Zeitung?


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