Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (PS/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Wenn Demokratien kippen: Über den bedrohlichen Präsidenten Donald Trump und die Medien
Wenn Demokratien kippen, geht das selten schnell. Nur den einen Augenblick, in dem es konkret wurde, den kann man in der Rückschau gut festmachen, denn meist war es eine Wahl. Wie konnte die Türkei Erdogan wählen, Russland Putin, Ungarn Orbán, wie konnte sich Amerika klaren Verstandes für Donald Trump entscheiden? Wenn politischer Diskurs dazu führt, dass dieser Diskurs sich selbst durch Demagogie ablöst, und wenn dann der Demagoge durch den demokratischen Prozess an die Macht gebracht wird, ersetzt sich die Demokratie womöglich selbst durch die Autokratie. (…) Donald Trump verachtet und gefährdet die liberale Demokratie, er verachtet und gefährdet die Weltordnung, er ist der mächtigste Mann der Welt. Der Ernstfall ist da.
Quelle: Klaus Brinkbäumer bei Spiegel Online
Anmerkung unseres Lesers M.K.: Da inszeniert man sich jetzt als heroischer Kämpfer für die Demokratie. Ich frage mich: Wo war die klare Haltung, als die herrschenden Eliten die Basis zur Aushöhlung der Demokratie gelegt haben, in dem sie über Jahrzehnte eine Politik betrieben haben, die gegen weite Teile der Bürger gerichtet war? Natürlich: die Medien haben im Sinne eines Legitimationsjournalismus und entgegen ihres Auftrages, die Herrschenden kritisch zu betrachten, dieser Politik publizistisch den Weg geebnet.
Anmerkung Paul Schreyer: Der rote Faden im Kommentar des Spiegel-Chefredakteurs scheint zu sein, dass der Spiegel (mal wieder) alles richtig gemacht hat. Dabei wären gerade jetzt ein paar Selbstzweifel vielleicht angeratener, als dieser sehr selbstgerechte „heilige Kampf“ gegen den „Unmensch“ Trump. Kritik am neuen US-Präsidenten tut Not – doch dieser fatalistische, fast fundamentalistische Tonfall irritiert. Demokratische Überzeugungen beginnen nicht zuletzt beim Respekt vor Wahlergebnissen. Die Radikalität und Maßlosigkeit, die man Trump (zurecht) vorwirft, praktiziert man hier selbst.
- How Corporate Media Paved the Way for Trump’s Muslim Ban
President Donald Trump’s executive order banning travel from seven predominantly Muslim nations justifiably led to much outcry from activists, politicians and foreign leaders. The list – currently struck down by a federal judge in Seattle – was arbitrary, motivated by disjointed racist panic and was reportedly causing deaths worldwide. But while it’s important to lay primary blame for the ban at the feet of the man who signed it, years of Islamophobic coverage in corporate media – right-wing, centrist and “liberal” – laid the propaganda groundwork to get us here.
Quelle: FAIR
- For Germany, Trump Poses a Problem With No Clear Solution
As allies across Europe and Asia adjust to changes brought by President Trump, Germany is in a uniquely difficult position.
Its economy and national security are particularly reliant on American support, which now seems in doubt, and on European unity, which is under attack and increasingly up to Germany to maintain.
Yet Germany is constrained by the growing shakiness of allies like Britain and perhaps even France, by the rise of its own far-right populist movement and by lingering cultural sensitivities about any policy that feels militaristic or hegemonic. These dynamics are not new, but there is a growing tension between the role Germany feels comfortable with, and the one it feels it needs to play on the world stage.
A growing number of officials in Germany are asking whether they need a Plan B for a post-American Europe. But they are finding that any such plan would require costs and sacrifices almost as great as the consequences of inaction. […]
And past exercises of power, like pushing austerity plans that benefited Germany’s own economy at the expense of its poorer neighbors, have not enhanced its regional leadership.
Quelle: New York Times
Anmerkung unseres Lesers W.B.: Die zitierte Passage finde ich beachtlich, da man sie in deutschen Medien in dieser Deutlichkeit nicht finden wird, wenn es sich nicht gerade um ein Interview mit Oskar Lafontaine oder Sahra Wagenknecht handelt. Die NYT hat also kein Problem damit zu schreiben, dass die Bundesregierung in Europa viel Porzellan zerschlagen hat!
- Deutsche Export-Lobby warnt: „Hart auftreten ist das Einzige, was Trump beeindruckt“
Der deutsche Außenhandelsverband BGA hat in ungewöhnlich scharfer Form den neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump kritisiert und vor einem wirtschaftlichen Niedergang gewarnt. Trump sei ein „von sich absolut überzeugter und machtbesessener“ Familienunternehmer ohne Bindung zur sozialen Marktwirtschaft, sagte BGA-Präsident Anton Börner an diesem Dienstag in Berlin. (…) Vor rund zwei Jahren lösten die Vereinigten Staaten nach Angaben des BGA Frankreich als wichtigstes Zielland für deutsche Ausfuhren ab. Im Jahr 2015 hat sich der Wert deutscher Ausfuhren in die Vereinigten Staaten demnach auf 113,7 Milliarden Euro summiert. Dies seien 9,5 Prozent der Gesamtexporte.
Quelle: FAZ.net
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Exportlobbyisten, die die deutsche soziale Marktwirtschaft (“Wohlstand für alle”) schon vor vielen Jahren beerdigt haben, wollen Donald Trump mit Küchenpsychologie und dummen Sprüchen besiegen – das hört sich nach einem erfolgversprechenden Rezept an. Trump wird sich sicher beeindrucken lassen, obwohl er die Fakten über die krassen deutschen Außenhandelsüberschüsse eindeutig auf seiner Seite hat.
- Neue Zürcher Zeitung schließt Kommentarspalte
“Am Mittwoch, dem 8. Februar, werden wir die Kommentarspalte auf NZZ.ch bei den meisten Artikeln deaktivieren.” Mit diesen Worten wendet sich die Redaktion der Neuen Zürcher Zeitung an ihre Leser. Damit entscheidet sich das Schweizer Traditionsblatt zu einem Schritt, den auch anderen Medien, wie etwa die Süddeutsche oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits unternommen haben: Die Meinung des Lesers innerhalb der Plattform wird nicht mehr oder nur noch in einem beschränkten Umfang zugelassen. (…) Wenn reichweitenstarke Medienplattformen ihre Leserforen schließen, dann verhindern sie nicht nur, dass unflätige Kommentare veröffentlicht werden. Sie verdrängen mit diesem Schritt auch unerwünschte politische Diskussionen und Ansichten aus jener Öffentlichkeit, die die Plattform bietet. (…) Angenommen werden darf: So agieren Medien, die neben Journalismus auch noch Politik machen wollen.
Quelle: Marcus Klöckner bei Telepolis
- Frauke Petry und die Bots
Noch nie hatte das Internet für eine deutsche Wahl eine so zentrale Bedeutung. Nutzt die AfD trotz gegenteiliger Aussagen bereits eifrig automatisierte Methoden der Wählerbeeinflussung? FAZ.NET-Recherchen legen nahe, dass der schmutzige Wahlkampf gerade begonnen hat. […]
Im Oktober äußerte sich auch die AfD zum Thema. Verschiedene Medien berichteten, die AfD wolle Bots im Wahlkampf einsetzen, dem Magazin „Der Spiegel“ sagte das AfD-Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel: „Gerade für junge Parteien wie unsere sind Social-Media-Tools wichtige Instrumente, um unsere Positionen unter den Wählern zu verbreiten.“ Zwei Tage später sammelte die AfD die Aussage wieder ein: Weidel verkündete über die Nachrichtenagentur Reuters, zwar gebe es „Analyse- oder Hilfsprogramme, die die tägliche Arbeit erleichtern könnten“, doch werde man „keine Social Bots einsetzen, die auf Seiten Dritter im Namen der AfD automatisiert posten oder ähnliches“.
Nun allerdings sind bei Facebook eine Reihe von Nutzerprofilen aufgefallen. Sind sie Bestandteile eines Bot-Netzwerkes, das mit Wissen oder Mitwirkung von AfD-Mitgliedern betrieben wird? Etliche Indizien deuten darauf hin, dass Unterstützer und Mitglieder mit den Methoden eines automatisierten Wahlkampfs zu arbeiten begonnen haben. Das bedeutet nicht, dass die AfD als Partei selbst der Betreiber dieses Netzwerkes ist, wohl aber, dass sie davon profitiert.
Die Recherchen zeigen, dass ein riesiges Netzwerk auf Facebook von einigen zentralen Accounts beeinflusst wird, die Namen tragen wie „Anja Bahl“, „Norbert Bill“ oder „Maik-Brain Stahl“. Es sind Profile, die anders als von Menschen betriebene Accounts einen äußerst unpersönlichen Charakter haben. Weder gibt es ein Profilbild mit einem echten Menschen noch Angaben zur Person. Stattdessen: Symbolbilder mit dem AfD-Parteilogo und Wahlkampfplakate der AfD unter den Postings.
Quelle: FAZ
Lesen Sie dazu bitte auch „Die Meinungsroboter kommen – die nächste Eskalationsstufe im Propagandakrieg um unsere Köpfe ist erreicht“ auf den NachDenkSeiten.
- Zwei Partner entzweien
Die von Berlin mitgetragene NATO-Strategie zur Entzweiung von Belarus und Russland trägt zum ersten Mal offen erkennbare Früchte. Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat jüngst belarussische Pläne kritisiert, mit EU-Geldern Flüchtlingslager zu bauen. Hintergrund ist, dass die einseitige Kooperation der belarussischen Regierung mit der EU bei der Abwehr von Geflüchteten der seit über 20 Jahren gepflegten engen Zusammenarbeit im Rahmen der Belarussisch-Russischen Union zuwiderläuft. Die Verstimmungen kommen der Bundesregierung gelegen, da sie – wie auch die US-Regierung unter Barack Obama – seit geraumer Zeit darauf setzt, einen Keil zwischen Moskau und Minsk zu treiben, um Russland zu schwächen. Zwischen den beiden Gründungsmitgliedern der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) sind in den vergangenen Jahren ohnehin erhebliche Spannungen aufgekommen; so lehnt der belarussische Staatspräsident Alexander Lukaschenko die russische Ukraine-Politik ab und verweigert Moskau den Bau einer russischen Luftwaffenbasis auf belarussischem Staatsgebiet.
Quelle: German Foreign Policy
- Staatseinnahmen: So viel brachte die Mehrwertsteuererhöhung
Vor genau zehn Jahren wurde die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent angehoben. Die Bundesregierung hat nun bekannt gegeben, wie hoch die Mehreinnahmen ausgefallen sind. Die Mehrwertsteuererhöhung vor zehn Jahren brachte dem Staat Mehreinnahmen von 275 Milliarden Euro ein. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. (…) Die Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, kritisierte, die Mehrwertsteuer belaste gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. „Damit wurden die Steuersenkungen für Spitzenverdiener und Unternehmen ausgeglichen“, sagte Zimmermann. Künftig müssten hohe Einkommen und Vermögen wieder stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden.
Quelle: FAZ.net
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ab 2001 wurde der Körperschaftsteuersatz von 39 auf 25 Prozent reduziert, 2008 auf nur noch 15 Prozent; von 1999 bis 2005 der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent; die Erbschaftsteuer für große Unternehmen wurde 2008 praktisch abgeschafft; usw. Im Ergebnis zahlen Vermögende und Gutverdiener etwa 50 bis 60 Milliarden Euro Steuern im Jahr weniger, über den ganzen Zeitraum vielleicht 600 Milliarden Euro. Damit waren Hartz-IV-Betroffene, prekär Beschäftigte und Minijobber so frei, mit ihren Mehrwertsteuerzahlungen wenigstens knapp die Hälfte der unverantwortlichen Steuergeschenke an Reiche und Superreiche zu finanzieren.
- Großbritannien mit seinen Überseegebieten die größte Schattenfinanzoase der Welt
Steuerexperte Markus Meinzer über Theresa Mays Drohung, die Steuern zu senken, und den Mythos, dass weniger Steuern mehr Wachstum schafft
Markus Meinzer ist Steuer- und Finanzanalyst und Vorstandsmitglied im Tax Justice Network, einem internationalen Netzwerk, das sich seit 2003 gegen Steueroasen engagiert. Er ist Autor des bei C.H. Beck erschienenen Buches “Steueroase Deutschland: Warum bei uns viele Reiche keine Steuern zahlen”.
Quelle: Telepolis
- Schweizer Whistleblower: Der Mann, dem Betrüger vertrauten
Der Ex-Bank-Manager Rudolf Elmer kämpft gegen Bankgeheimnis und Steuerbetrug und beging dabei selbst Straftaten Wien – Sind Whistleblower Helden oder Kriminelle? Generalisierend lässt sich diese Frage nicht beantworten, und auch im Einzelfall nur selten. Wie nah Licht und Schatten bei Hinweisgebern liegen, deren Informationen zur Aufdeckung von Missständen führen, zeigt eindrucksvoll der Fall Rudolf Elmer. Jahrelang war der Schweizer für die Bank Julius Bär tätig, unter anderem als Leiter der Niederlassung auf den Cayman Islands. Dort war er Vertrauensmann für tausende wohlhabende Kunden, denen er half, Geld an den Steuerbehörden in ihrem Herkunftsland vorbeizuschleusen. Nach seiner Entlassung im Jahr 2002 wurde er hingegen zum Fall für die Justiz. Er gab Bankdaten an Steuerbehörden und die Enthüllungsplattform Wikileaks weiter. Sein Strafverfahren läuft seit mittlerweile zwölf Jahren. Zur Premiere des Dokumentarfilms Offshore am Dienstagabend kam der Schweizer nach Wien. Darin bekommt er Gelegenheit, seine Version der Geschichte ausführlich zu erzählen – eine andere als jene der Zürcher Staatsanwaltschaft. Die sieht in Elmer einen Mann, der in krimineller Absicht Daten stahl, Exkunden bedrohte und das Schweizer Bankgeheimnis brach, weil er Rache an seinem früheren Arbeitgeber nehmen wollte. Elmer kämpft seit Jahren öffentlichkeitswirksam gegen diese Darstellung – und für die Abschaffung des Schweizer Bankgeheimnisses.
Quelle: derStandard.at
- Hartz IV: „SGB II-Gesamtverwaltungskosten“ stiegen 2016 auf über 6 Milliarden Euro
Die „Gesamtverwaltungskosten für die Durchführung des SGB II“ (Hartz IV) stiegen 2016 nach Berechnung des Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) auf über 6,0 Milliarden Euro – gemessen am jahresdurchschnittlichen Bestand der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auf nahezu 1.400 Euro pro ELB. Der Betrag in Höhe von 6,019 Milliarden Euro setzt sich zusammen aus den Ausgaben des Bundes für „Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ in Höhe von 5,131 Milliarden Euro und dem „kommunalen Finanzierungsanteil“ (KFA) in Höhe von 888 Millionen Euro. Im Verlauf der vier Jahre von 2012 bis 2016 stiegen die Ausgaben des Bundes und der Kommunen für die „Gesamtverwaltungskosten für die Durchführung des SGB II“ um 5,1 Prozent pro Jahr.
Quelle: BIAJ
- Ministerien Spitzenreiter bei prekärer Beschäftigung
In den Geschäftsbereichen aller Ministerien und des Kanzleramts haben sich Anzahl und Anteil der befristet Beschäftigten von 2007 bis 2015 im Durchschnitt verdreifacht – unabhängig davon, ob die Gesamtzahl der Beschäftigten in diesem Zeitraum zu- oder abgenommen hat. Im Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben sich Befristungen gar versechsfacht. “Wer ernsthaft etwas gegen prekäre Beschäftigung tun will, der sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Stattdessen übertrifft die Bundesregierung als Arbeitgeberin in puncto Befristung noch die Privatwirtschaft”, erklärt Bernd Riexinger, der Vorsitzende der Partei DIE LINKE. (…) Die vollständigen Zahlen gehen auf eine aktuelle Anfrage der Bundestagsabgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) zurück und können auf Anfrage gerne eingesehen werden.
Quelle: Die Linke.
Anmerkung Christian Reimann: Das sollte insbesondere für die beiden erwähnten SPD-Bundesministerinnen peinlich sein. Oder denken die, erst mit Martin Schulz als Bundeskanzler werde alles besser?
- EU beschließt Programm gegen Migration aus Nordafrika
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten haben sich auf ihrem Gipfel in Malta auf einen Zehnpunkteplan geeinigt, der das Ziel hat, die zentrale Mittelmeerroute zu schließen, über die zunehmend Flüchtlinge in die Europäische Union gelangen. Der Weg führt sie vor allem von Libyen aus über das Mittelmeer nach Malta und Italien. Der Plan sieht daher insbesondere eine stärkere Zusammenarbeit mit dem nordafrikanischen Land vor. So soll vor allem die libysche Küstenwache so schnell wie möglich so ausgebildet und ausgerüstet werden, dass sie von Schleuserbanden organisierte Überfahrten in Richtung Europa verhindern kann.
Quelle: Zeit Online
Anmerkung unseres Lesers H.K.: So sehen moderne Mauern aus.
Dazu: Libyen: Abschieben in den Tod
Entsprechen »KZ-ähnliche Verhältnisse« in libyschen Internierungslagern den »Werten und Interessen Deutschlands«? Die Regierung meint: Ja. Die Bundesregierung will die Pläne der EU zur Abschottung Europas umsetzen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin mit. Kern der Vorschläge, die am Freitag auf dem EU-Gipfel in Malta ersonnen wurden, ist die Einrichtung von Internierungslagern in Afrika. Dies bekräftigten die EU-Außenminister am Montag in Brüssel. Migranten sollen gar nicht erst das Mittelmeer erreichen, um eine Flucht nach Europa zu wagen. (…) Das Auswärtige Amt hatte die Zustände in den libyschen Lagern als »KZ-ähnliche Verhältnisse« bezeichnet. Nach einer Korrespondenz der deutschen Botschaft in Niger werden in libyschen Flüchtlingslagern »allerschwerste, systematische Menschenrechtsverletzungen« begangen, berichtete die Welt am Sonntag am 29. Januar. »Authentische Handyfotos und -videos belegen die KZ-ähnlichen Verhältnisse in den sogenannten Privatgefängnissen.« Dort würden Schlepper Migranten gefangenhalten. »Exekutionen nicht zahlungsfähiger Migranten, Folter, Vergewaltigungen, Erpressungen sowie Aussetzungen in der Wüste sind dort an der Tagesordnung«, heißt es weiter. »Augenzeugen sprachen von exakt fünf Erschießungen wöchentlich in einem Gefängnis – mit Ankündigung und jeweils freitags, um Raum für Neuankömmlinge zu schaffen (…) und damit den Profit der Betreiber zu erhöhen.« (…) Oppermann ruderte schließlich zurück: »Ich rate dazu, auch in und mit Libyen nach Wegen zu suchen, wie wir die unerträgliche Situation der Flüchtlinge dort verbessern können«, sagte er am Montag gegenüber Reuters. »Völlig klar ist, dass wir derzeit keine Flüchtlinge dorthin zurückschicken können«. »Derzeit«: Die Halbwertszeit solcher Aussagen im politischen Berlin ist bekannt.
Quelle: junge Welt
Und: Afghanistan: Bund pocht auf Abschiebungen
Die Zahl ziviler Opfer in Afghanistan hat laut UN einen neuen Höchststand erreicht. Immer mehr Bundesländer wollen vorerst keine abgelehnten Asylbewerber dorthin zurückschicken. Die Bundesregierung will aber an der bisherigen Praxis festhalten. Trotz einer zunehmend angespannten Lage in Afghanistan hält die Bundesregierung an Abschiebungen in das Land fest. Außenamtsprecher Martin Schäfer sagte, natürlich sei die Lage in Afghanistan nicht gut, und es gebe Regionen, in denen die Taliban in den vergangenen Monaten militärische Fortschritte gemacht hätten. Er glaube aber nicht, dass dies aus Sicht der Bundesregierung eine generelle Neubewertung innenpolitischer Maßnahmen nach sich ziehen müsse. (…) Doch in den Ländern wachsen die Bedenken. Neben Schleswig-Holstein und Berlin zweifeln auch Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz an der Sicherheitslage in dem Land, wie Zeitungen der Funke Mediengruppe berichten. So habe das Innenministerium in Hannover auf Anfrage mitgeteilt, dass derzeit aufgrund der “nicht hinreichend geklärten Sicherheitslage” Rückführungen nach Afghanistan “im Zweifel bis zur Klärung der Sicherheitslage zurückgestellt werden”. Dies gelte nicht für ausreisepflichtige Straftäter.
Quelle: tagesschau.de
- Ausbeutung in Afrika: Tom Burgis analysiert die Komplizenschaft des Westens
Der Journalist Tom Burgis recherchiert dort, wo es weh tut: Über die Armut der afrikanischen Massen, den Reichtum einer kleinen, korrupten Elite, aber auch über multinationale Konzerne und gierige Politiker aus dem Westen und anderswo, die mitmischen bei der Ausbeutung des Kontinents. (…) Doch so sehr er Details erklärt – er verliert nie den Blick für das Ganze, für die Tatsache, dass er und jeder Leser indirekt selbst mitverantwortlich dafür ist, dass Afrika ausgeplündert wird: “In den verschlungenen Lieferketten der Weltwirtschaft vermischen sich Rohstoffe aus allen Kontinenten, und man kann sich sicher sein, dass in meiner Einkaufsstraße in East London ebenso wie in den Malls von Los Angeles und den Boutiquen von Rom Preziosen aus Afrika zum Verkauf stehen, deren genaue Herkunft niemand kennt. Und was die riesigen Konzerne der Öl- und Minen-Industrie betrifft, haben wir über die Investitionen, die unsere Rentenfonds dort tätigen, alle an ihren Profiten teil. Wenn aber statt Wertgegenständen etwas Unerwünschtes aus Afrika bei uns eintrifft, ist das Geschrei groß. Jedes Jahr sterben afrikanische Migranten – einige Flüchtlinge, andere durch Armut zu enormen Risiken getrieben – bei dem Versuch, in jämmerlich seeuntüchtigen Booten übers Mittelmeer nach Europa zu kommen.”
Quelle: Deutschlandfunk
- USA stationierten Geheimtruppe in Frankfurt
Sie operierte getarnt auf der Rhein-Main Air Base bei Frankfurt: US-Präsident Ronald Reagan schickte 1986 nach Informationen des SPIEGEL eine geheime Antiterroreinheit nach Deutschland. Die USA unterhielten offenbar jahrelang eine geheime Antiterroreinheit auf deutschem Boden. Die Zustimmung dafür gab 1986 der damalige Kanzleramtschef und heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble. Das geht aus Dokumenten des Auswärtigen Amts hervor, die dem SPIEGEL vorliegen. Die Einheit dürfe nur nicht “die Bundesregierung in politisch unangenehme Situationen” bringen, mahnte Schäuble damals. Stationiert war die Truppe auf der Rhein-Main Air Base bei Frankfurt. Den Akten zufolge, die das Institut für Zeitgeschichte nach Ablauf der Geheimhaltungsfrist veröffentlicht, verfügte das “Foreign Emergency Support Team” (“Fest”) aus Soldaten und Geheimdienstlern über ein Flugzeug. Das Team unterstand dem US-Botschafter in Bonn. Präsident Ronald Reagan etablierte die “Fest”-Einheit nach etlichen Anschlägen, darunter im April 1986 auf die Westberliner Diskothek La Belle, in der GIs verkehrten. Nach US-Angaben bestand das Team aus bis zu 14 “Spezialisten für (die) technische Bewältigung von Krisensituationen”, zu deren Aufgaben “Fernmeldewesen und ND-Tätigkeit”, also Geheimdienstarbeit, zählten. Den Standort Frankfurt begründeten die Amerikaner damit, dass sie die Männer auf dem riesigen Stützpunkt besser verbergen könnten. (…) Wann das Frankfurter Team abzog, ist unbekannt.
Quelle: Spiegel Online
Dazu: A-Team in Frankfurt
FEST soll dem US-Botschafter in Bonn unterstanden haben. Beunruhigend ist, dass dieser zwischen 1989 und 1991 General Vernon Walters hieß, der als Vizepräsident der CIA zwischen 1972 und 1976 die Abteilung für Operationen geleitet hatte. Der fanatische, streng-katholische Antikommunist wird als der Drahtzieher für geheimdienstliche Destabilisierung an etlichen Krisenherden der Welt gesehen und gilt als verantwortlich für politische Morde, Todesschwadronen und faschistische Diktaturen (“Meine Geschäfte erledige ich am liebsten fernab der Öffentlichkeit”). Mancher bis heute mysteriöse Vorfall, den man den RAF-Terroristen zuschreibt, könnte auch ganz anders zu erklären sein.
Quelle: Telepolis
- Aufruf zum Umsturz: Seid rebellisch!
Alain Badiou galt lange Zeit als einer der führenden Köpfe des französischen Maoismus. Heute bezeichnet er sich selbst als unorthodoxen Kommunisten. Zweifellos gehört der Philosoph und Mathematiker zu den prominentesten französischen Intellektuellen. Sein neuestes Buch ist ein “Versuch, die Jugend zu verderben” – ein Appell, die Welt zu verändern. (…) Die Jugend von heute sei zwar freier aufgewachsen als alle Generationen vor ihr, stellt Badiou fest, allerdings bringe die spätkapitalistische Bindungslosigkeit, in der der heutige Nachwuchs lebt, auch Probleme mit sich. Der Pariser Philosoph sieht die nachwachsenden Generationen zweierlei Gefährdungen ausgesetzt: anarchischem Hedonismus auf der einen und marktschlüpfrigem Karrierismus auf der anderen Seite.” (…) Für Alain Badiou sind beide Optionen problematisch. (…) “Es gibt die Dinge, zu denen man fähig ist […] Und es gibt die Dinge, von denen man noch gar nicht weiß, dass man zu ihnen fähig ist. Diese Dinge sind für die zukünftige egalitäre Symbolisierung die wichtigsten. Auf sie stößt man, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. […] Diese Einsicht, dass man Dinge tun kann, von denen man nicht geglaubt hat, dass man sie tun kann, kommt einem auch, wenn man an einem Aufstand teilnimmt, um eine neue Vorstellung vom kollektiven Leben zu unterstützen.”
Quelle: Deutschlandfunk
- Wie Russland Vergangenheit schreibt
Geschichte ist Selbstvergewisserung. Jedenfalls die Art, wie man sich an sie erinnert. Russland erzählt sie sich deshalb trotz stalinistischem Terror als Opfererzählung oder Erfolgsgeschichte von Heroen. Könnten das die Deutschen auch? Christine Hamel entzaubert die russische Erinnerungspolitik.
Der Staat ist immer noch der mächtigste geschichtspolitische Akteur. Er versteht die stalinistische Gewalt nicht als Gesellschaftsverbrechen, das eine selbstkritische Aufarbeitung erfordert. Die Schrecken der Stalin-Zeit werden vielmehr in eine nationale Opfererzählung eingebettet, die keine Fragen nach der Ursache stellt. Man bietet den Menschen die Idee eines schon immer von Feinden umzingelten Landes an. Das stärkt den inneren Zusammenhalt. Überhaupt wird Geschichte vom Kreml je nach Zielpublikum instrumentalisiert, ideologisiert und in eine Erfolgsgeschichte voller Heroen verwandelt. So lässt sich die Kränkung überwinden, nicht mehr ein Imperium zu sein.
Manifestationen dieser Erinnerungspolitik gibt es viele: Immer noch hat der Geheimdienst seinen Sitz im Gebäude an der Lubjanka, wo in den 30ern Zehntausende vom NKWD erschossen wurden. Die traditionelle 9. Mai-Parade auf dem Roten Platz ist Staatsschauspiel und Re-Inszenierung vergangener Größe, die an das unmittelbare Gefühl appelliert und Geschichte Atemzug für Atemzug in die Gegenwart holt. Ein historisches Reenactment.
Was wäre, wenn die Deutschen den Holocaust und den Vernichtungskrieg als „Bewegung der Geschichte“ begreifen würden? Was wäre, wenn es in Deutschland seit dem Nationalsozialismus eine Kontinuität der Eliten gäbe wie in Russland seit dem Stalinismus? Kann man sich vorstellen, dass in Deutschland eine „Kommission zur Verhinderung der Fälschung der Geschichte zum Schaden der Interessen Deutschlands“ ins Leben gerufen wird? Ihre Aufgabe: Das Abfangen gemeiner Geschichtsklitterung, die es auf den Kern des deutschen Staates abgesehen hat. In Russland gibt es so eine Kommission.
Quelle: Bayrischer Rundfunk
Anmerkung JK: In der Sendung wird Russland vorgeworfen es betreibe keine “selbstkritische Aufarbeitung” der Terrorherrschaft Stalins und es wird die Erinnerung an den Krieg gegen die Nazis als “historisches Reenactment” verhöhnt. Während so getan wird als habe Deutschland seit jeher seine Geschichte perfekt aufgearbeitet. Das von einer deutschen “Qualitätsjournalistin” also einer Angehörigen der Nation, die selbst ungeheure Verbrechen begangen hat, einer Angehörigen der Nation, welche die Sowjetunion überfallen hat und deren Soldaten 20 Millionen Bürger dieses Landes getötet haben.
-
„Man wollte mit Beginn des Krieges keine Musikvideos zeigen, die etwas mit Krieg zu tun haben“
Anmerkung Albrecht Müller: Der NachDenkSeiten-Leser Christian Werpup hat uns eine Mail zu Musikvideos am Beginn des Irak-Krieges 2003 geschickt. Das scheint mir so interessant für viele unserer Leserinnen und Leser zu sein, dass wir seine Mail hier wiedergeben.
Liebes Nachdenkseiten – Team,
ich lese täglich auf den Nachdenkseiten und ich möchte ein Erlebnis, was ich an Silvester hatte, teilen.
An Silvester habe ich auf YouTube Musikvideos aus meiner Jugend geschaut. Da stieß ich auf das Lied “Boom” von System of a Down. Damals fand ich die Band und das Lied schön anzuhören und freute mich schon, als ich es wiederentdeckt hatte. Das Musikvideo lief keine 30 Sekunden, da flossen mir die Tränen die Wangen runter. Zu dem Lied wurde im Rahmen der weltweiten Demonstrationen gegen den Irakkrieg 2003 ein Musikvideo von Michael Moore produziert. Das Video beinhaltet Szenen der Demonstrationen und Kurzinterviews von Demonstranten wurden in die Tonspur des Liedes integriert.
Damals waren mir die Rahmenbedingungen, die Intention und die Tragweite des Krieges nicht bewusst. Als ich an Silvester das Musikvideo mit meinem jetzigen Wissen erneut sah, bekam es für mich einen ganz neuen Stellenwert. Ich habe das Gefühl, dass so ein künstlerisches Produkt gegen Krieg einzigartig ist, da der Text sehr eingängig, treffend und emotional gut durch die Musik unterlegt ist. Zudem war das Lied und die Band damals richtig populär. Leider wurde das Video erst mit Beginn des Krieges veröffentlicht und nach kurzer Zeit bei MTV Europe wieder aus dem Programm genommen.
Man wollte mit Beginn des Krieges keine Musikvideos zeigen, die etwas mit Krieg zu tun haben. In der heutigen Zeit finde ich es unvorstellbar, dass so ein Lied/Musikvideo kommerziell veröffentlicht wird und das stimmt mich traurig. Gegen den Krieg zu sein, scheint nicht mehr so “populär” zu sein wie damals.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Werpup
Quelle: YouTube