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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 3. Februar 2017 um 16:48 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. U-Gipfel zu Flüchtlingen: Mauer fürs Mittelmeer
  2. Der Schulterschluss: Merkel besucht Erdogan in Ankara
  3. Außenminister Gabriel in den USA
  4. Junge Erwachsene: Am finanziellen Tropf der Eltern
  5. Jobcenter: Umschichten für eine bessere Betreuung? Klingt plausibel, stimmt aber nicht
  6. Neues BKA-Gesetz: Polizeiarbeit soll Bundessache werden
  7. Kommentar zum Datenschutzabbau der Großen Koaliton: Glaubwürdigkeitsprobe für den Europäer Martin Schulz
  8. Der Staat macht es lieber privat
  9. »Freiheit des Gesetzgebers eingeschränkt«
  10. „Wir lüften nur schmutzige Wäsche“
  11. Obdachlosigkeit in Griechenland: Keine Spur von sozialer Hängematte
  12. Vormarsch nach Osten
  13. Schleichende Offensive: Kiews Flucht nach vorn
  14. Fukushima: Rekordradioaktivität in Reaktor 2 mit 530 Sievert pro Stunde gemessen
  15. Falle Zwangsprostitution
  16. “So kann Inklusion nicht gelingen”
  17. Das Letzte: Schäuble über Griechenland: “Ich bin ganz großzügig”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. U-Gipfel zu Flüchtlingen: Mauer fürs Mittelmeer
    Die EU-Staatschefs beraten über Wege, Flüchtlinge schon in Afrika abzuwehren. Legale Alternativen stehen nicht auf der Agenda. […]
    Mehr als 180.000 Menschen seien im vergangenen Jahr von Libyen über das Mittelmeer nach Italien gekommen. Gleichzeitig habe die Zahl der Toten einen „neuen Rekord“ erreicht, wie es im Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen heißt. Das könne nicht so weitergehen, man müsse Menschenleben schützen.
    Doch statt die Seenotrettung auszubauen, soll nun die libysche Küstenwache ausgebildet und verstärkt werden – um die Flucht zu vereiteln und Bootsflüchtlinge zurück nach Libyen zu schicken. Dazu wird die bereits vor der Küste aktive EU-Marinemission „Sophia“ umfunktioniert: Sie soll nun den Libyern helfen, den „Schleppern das Handwerk zu legen“, wie es im Brüsseler EU-Jargon heißt.
    De facto wird damit die Küste abgeriegelt und die Überfahrt nach Italien verhindert. „Unser Hauptziel ist es, die Zahl irregulärer Migranten zu verringern und die zentrale Mittelmeer-Route zu schließen“, sagt ein EU-Vertreter. Europa will eine Mauer bauen, wenn auch auf See. Doch was wird aus den schutzbedürftigen Menschen?
    Quelle: Eric Bonse in der taz
  2. Der Schulterschluss: Merkel besucht Erdogan in Ankara
    Mit einem klaren Pressestatement hat Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan alle Zweifel ausgeräumt, was Sinn und Zweck ihrer Ankara-Reise war. Sicherlich: Ein wenig Meinungsfreiheit in der Türkei wurde eingefordert, prominenter aber war die Erklärung, gemeinsam mit Erdogan den Kampf gegen den Terrorismus führen zu wollen. Wohl wissend, dass es er selbst ist, der den islamistischen Terror fördert, der nach Angaben der Bundesregierung die Türkei in eine Aktionsplattform des islamistischen Terrors verwandelt hat. Zudem musste Merkel bekannt sein, dass auch ein gemeinsamer Kampf gegen den Terrorismus von Erdogan als Krieg gegen Demokraten und Kurden geführt wird.
    Bereits der Besuch der Kanzlerin vor den Wahlen im November 2015 in der Türkei stärkte dem türkischen Präsidenten den Rücken. Das gleiche gilt für die jetzige Reise so kurz vor dem Referendum, mit dem die Diktatur Erdogans in Rechtsform gegossen werden soll. Doch bei dieser Visite war die Willfährigkeit gegenüber dem Diktator mit Händen zu greifen. So mussten alle Appelle an sie, wenigstens die Freilassung des Oppositionsführers Selahattin Demirtas zu fordern, ins Leere laufen. Merkels Willfährigkeit gegenüber Erdogan ist eiskaltes Kalkül und rücksichtslose Interessenvertretung, auch wenn darüber Demokraten und Kurden zugrunde gehen.
    Quelle: Sevim Dagdelen, junge Welt

    dazu: Drohgebärden aus Ankara
    In Athen hat der Oberste Gerichtshof entschieden: die Offiziere, die nach dem türkischen Putschversuch Asyl in Griechenland beantragt hatten, werden nicht an die Türkei ausgeliefert. Darauf reagiert die türkische Regierung mit der Drohung, das Flüchtlingsabkommen aufzukündigen. Die Stimmung ist gereizt.
    Die griechische Regierung verweist auf die Unabhängigkeit der griechischen Justiz. Trotzdem bereitet ihr der Ausgang dieses Prozesses Kopfschmerzen, stellt Thanos Veremis, Politikprofessor an der Universität Athen, fest:
    “Ich bin mir sicher, dass keiner in der Regierung eine Verschlechterung der Beziehungen mit der Türkei gewollt hat. Und die Situation gerade zeigt, dass die Sorgen der griechischen Regierung durchaus gerechtfertigt sind. Die Türkei glaubt, dass sie mit ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit ihre Nachbarländer unter Druck setzen kann, Gerichtsurteile so zu fällen, wie es der Türkei passt. Es ist kein Zufall, dass die ranghöchsten türkischen Militärs nach diesem Urteil die Imia-Inseln besucht haben und sich vor den Inseln fotografieren ließen.”
    Quelle: Deutschlandfunk

  3. Außenminister Gabriel in den USA
    Wenn sich zwei Konkurrenten am kapitalistischen Weltmarkt treffen
    Eigentlich war das Treffen der Außenminister der USA und Deutschlands ein Routinetermin. Schließlich sind beide Minister neu im Amt und da gehören solche Treffen zum Protokoll. Doch in einer Zeit, in der der US-Präsident schon kurz nach seiner Amtseinführung von der politischen Klasse auf eine Ebene mit Putin gestellt wurde und ein FDP-Politiker sogar ein Einreiseverbot ins Gespräch brachte, hat dieses Treffen doch mehr Aufmerksamkeit erregt.
    Nun sind die Verbalinjurien zwischen Trump und deutschen Politkern das eine, für das alltägliche Geschäft sind dann die Außenminister zuständig. Das zeigte sich schon beim Telefongespräch zwischen Merkel und Trump. Das Presseamt der Bundesregierung erklärte, beide Seiten hätten betont, “wie wichtig eine enge deutsch-amerikanische Zusammenarbeit für Sicherheit und Wohlstand ihrer Länder sei”.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Harmonie, die trügt
    Differenzen? Pah! Bundesaußenminister Gabriel gibt sich bei seiner Washington-Reise harmonisch – das ist jedoch kein Grund zur Freude. […]
    Tillerson selbst ist zum ersten Mal in einem hohen politischen Amt. Internationale Erfahrung konnte er zwar als Ex-Chef eines Ölkonzerns sammeln, doch Diplomatie ist Neuland für ihn. Der zeitgleiche Aufstieg des Chefstrategen Stephen Bannon und des Nationalen Sicherheitsberaters und Ex-Generals Michael Flynn in Trumps engeren Kreis wirft eine keineswegs banale Frage auf: Wie wichtig ist dem Präsidenten sein Außenminister und dessen Ministerium überhaupt?
    Es hat den Anschein, als wolle Trump außenpolitische Entscheidungen in einem möglichst kleinen Kreis fällen. Grundrechte, internationale Gepflogenheiten und diplomatische Konventionen – all das ist für ihn höchstens sekundär, denn sein Slogan ist: „America First“.
    Quelle: taz

  4. Junge Erwachsene: Am finanziellen Tropf der Eltern
    Jugendliche haben gute Jobaussichten – aber langfristige Festanstellungen sind Glückssache. Darauf weist ein Bericht für die Regierung hin: Immer länger leben junge Menschen in Unsicherheit.
    Wie geht es jungen Menschen in Deutschland, wie steht es um ihre Zukunftsaussichten? Darüber gibt der 15. Kinder- und Jugendbericht des Deutschen Jugendinstituts Aufschluss. Und kommt bei den Perspektiven zu einem beunruhigenden Schluss: Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland müssen mit immer längeren Phasen finanzieller Unsicherheit klarkommen. Betrachtet wurde die Lage von 12- bis 27-Jährigen.
    Zwar ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland relativ gering: “Im europäischen Vergleich bestehen für junge Menschen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt sehr gute Bedingungen”, heißt es in dem Bericht. Aber das hat auch damit zu tun, dass die Vergleichszahlen vieler europäischer Länder seit der Finanzkrise sehr hoch sind. Immer häufiger, auch das hält der Bericht fest, sind deutsche Jugendliche prekär beschäftigt: mit Befristung, in Teilzeit, als feste Freie oder in Praktika. Mit solchen Jobs lässt sich nicht langfristig planen.
    Mit dem Ergebnis, dass der Übergang in die finanzielle Selbstständigkeit sich für viele Menschen zeitlich immer weiter ausdehne. Häufig reiche er “teilweise bis weit in das Erwachsenenalter hinein”, so die Autoren des Jugendinstituts: Jugendliche und junge Erwachsene seien “häufiger befristet und mit niedriger Entlohnung beschäftigt”.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Gute Jobaussichten”? Gemeint ist die “gute” Aussicht, unterbezahlt, befristet, prekär in einem Praktikum angestellt zu werden. “rund ein Fünftel der 14- bis 19-Jährigen und etwa ein Viertel der 20- bis 24-Jährigen von Armut [sind] betroffen” – eine Gesellschaft, die ohne Not so asozial mit ihrer Jugend umgeht, hat keine Zukunft.

  5. Jobcenter: Umschichten für eine bessere Betreuung? Klingt plausibel, stimmt aber nicht
    Jobcenter bedienen sich zunehmend am Budget für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, um ihre Verwaltungskosten zu decken. Sie begründen das mit höheren Personalkosten für eine intensivere Betreuung der Kunden. Doch die Argumentation hält einer Überprüfung nicht stand.
    Die Jobcenter zweckentfremden immer mehr Geld, das eigentlich für die Förderung von Menschen im Hartz-IV-System mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gedacht ist, um ihre Verwaltungskosten zu decken. 2015 haben die Umschichtungen einen erneuten Höchstwert erreicht. Mit rund 606 Millionen Euro wurden 17 Prozent des Eingliederungsetats nicht für den ursprünglichen Zweck genutzt – fast jeder sechste Euro. (O-Ton berichtete)
    In einzelnen Jobcentern erreichten die Umschichtungen Ausmaße von bis zu 68 Prozent. Mehr als die Hälfte (241 der 407 Jobcenter) schichteten zehn bis unter 30 Prozent des EGT um. 30 Jobcenter entnahmen mehr als die Hälfte der Mittel aus dem Eingliederungsetat, um damit Verwaltungsausgaben zu finanzieren. Etwa ein Viertel (95 Jobcenter) verwendete 30 bis unter 50 Prozent für ihre Verwaltungskosten. Nur 36 Jobcenter entnahmen weniger als 10 Prozent aus dem Eingliederungstitel, das Jobcenter Wuppertal schichtete als einziges Geld aus dem Verwaltungs- in das Eingliederungsbudget um.
    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt
  6. Neues BKA-Gesetz: Polizeiarbeit soll Bundessache werden
    Man ist vom Bundesinnenminister einiges gewohnt: Seine markigen Sprüche vor den Mikrofonen oder seine pompösen Ankündigungen. Wenn wieder einmal die Sicherheitsbehörden in diesem Land krass versagt haben, kann man auf eines wetten: De Maizière und die Behörden seines Hauses waren nicht schuld. Das war so im Falle NSU, das ist so im Falle Anis Amri. Ja, ganz im Gegenteil:
    Inzwischen begreift de Maizière Fehler als Gelegenheit: Er nutzt sie, um daraus Profit zu schlagen. Auf Kritik des Bundesverfassungsgerichts an Gesetzentwürfen seines Hauses reagiert er mit einem virtuellen Stinkefinger: Das überarbeitete Gesetz, behauptet er, berücksichtige die Kritik, was ja kaum jemand nachprüft. Faktisch kommt eine Fassung raus, die noch weniger verfassungsmäßig ist als die ursprünglich beanstandete Fassung.
    Zu beidem liefert er in diesen Tagen sein Meisterstück ab. Das zunächst harmlos daherkommt in Gestalt einer Presseerklärung des BMI [1] mit dem vollmundigen Titel „Ein übergreifendes Informationssystem in sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten“: Darin wird der Startschuss verkündet für ‚Polizei 2020‘, das Label für eine grundlegende Modernisierung der polizeilichen IT-Systeme. Die ist mit Sicherheit nicht nur notwendig, sondern auch mehr als überfällig. […]
    Dieser Gesetzentwurf ist weitaus mehr als nur „der rechtliche Rahmen für eine grundlegende Modernisierung der polizeilichen IT-Systeme“, wie in der Pressemitteilung behauptet wird. Vielmehr rüttelt der Gesetzentwurf an der bisherigen Architektur und Aufgabenverteilung der Polizeibehörden von Bund und Ländern.
    Quelle: cives
  7. Kommentar zum Datenschutzabbau der Großen Koaliton: Glaubwürdigkeitsprobe für den Europäer Martin Schulz
    Die Bundesregierung schwächt mit ihrem heutigen Kabinettsbeschluss nicht nur den Datenschutz in Deutschland, sondern verstößt auch gegen europäische Standards. Wenn die SPD das Gesetz in dieser Form im Bundestag mitträgt, kratzt das an der Glaubwürdigkeit des Kanzlerkandidaten Martin Schulz. […]
    Strenge Zweckbindung, Selbstbestimmung, Transparenz – der Entwurf des DSAnpUG ist mit diesen Prinzipien, die keine Erfindungen der digitalen Grundrechtecharta, sondern lange geltende Normen des Datenschutzes sind, schlicht nicht zu vereinbaren.
    Wenn Schulz die Initiative ernst nimmt – und das ist er Sascha Lobo und anderen Mitinitiatoren, die das Vorhaben gegen alle Kritik verteidigt haben, allein schon aus Anstand schuldig -, muss er sich dafür einsetzen, dass seine SPD das Gesetz in dieser Form im Bundestag nicht mitträgt. Tut sie es doch, untergräbt das entweder die Glaubwürdigkeit des Hoffnungsträgers oder sein Durchsetzungsvermögen.
    Dabei steht auch sein Image als überzeugter Europäer und Verfechter einer solidarischen EU auf dem Spiel. Erklärtes Ziel der Datenschutzgrundverordnung war es schließlich, ein gemeinsames und einheitliches Datenschutzrecht für Europa zu schaffen. Dass die Datenschutzgegner in der Bundesregierung nun ein Anpassungs- und Umsetzungsgesetz nutzen, um Regeln einzuführen, die sie auf europäischer Ebene nicht durchbringen konnten, stärkt das Bild einer Europäischen Union, deren Gemeinschaftsgedanke nur zählt, wenn Einigungen den eigenen Zielen dienen.
    Quelle: netzpolitik.org
  8. Der Staat macht es lieber privat
    Infrastruktur Wohnungen, Krankenhäuser und jetzt die Autobahnen: Der anhaltende Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge befördert die Ungleichheit. Schluss damit
    Es ist die größte Privatisierung seit 1994, als die Deutsche Bahn AG gegründet wurde. Im Jahr 2017 zielt die Selbstentmachtung des Staates auf die Autobahnen. Die Bundesregierung plant, elf Artikel des Grundgesetzes zu ändern. Danach wird es nicht mehr wie heute der Zustimmung von allen Landesparlamenten und dem Bundestag bedürfen, um zum Bau und Unterhalt der Schnellstraßen flächendeckend öffentlich-private Partnerschaften einzusetzen. Das wird dann allein der Vorstand der neuen, privatrechtlichen Infrastrukturgesellschaft entscheiden können – letztlich autonom und ohne demokratische Kontrolle. […]
    Im Irrglauben daran, dass Privatisierungen Dienstleistungen grundsätzlich billiger und bürgernäher machen, schüttelt der Staat immer mehr Aufgaben ab – wie ein Baum seine Blätter im Herbst. Und wegen klammer kommunaler Kassen setzten auch Städte und Gemeinden auf Entstaatlichung: Privatfirmen bauen, renovieren und betreiben inzwischen in nahezu allen Städten Schulen. Kommunale Krankenhäuser wurden vielerorts an private Klinikbetreiber verkauft. Bei jedem zweiten Haushalt wird der Müll inzwischen von Privatunternehmen wie den Branchenriesen Remondis und Sulo entsorgt. Dabei kann von der in Aussicht gestellten Entlastung der öffentlichen Haushalte keine Rede sein – jedenfalls nicht, wenn man die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zugrunde legt.
    Quelle: der Freitag
  9. »Freiheit des Gesetzgebers eingeschränkt«
    Die Ablehnung von CETA im Europaparlament nimmt zu – auch unter sozialdemokratischen Abgeordneten. Gespräch mit Joachim Schuster
    Am 15. Februar wird sich das Europaparlament mit dem Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada befassen. Sie haben im Handelsausschuss gegen CETA gestimmt und stellen sich damit dem bisherigen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Martin Schulz entgegen. Woran machen Sie Ihre Ablehnung fest?
    Zwar enthält das Abkommen auch Bestimmungen zur Wahrung von Arbeitnehmerrechten. Allerdings gibt es keinen verbindlichen Sanktionsmechanismus, sollte dagegen verstoßen werden. Die Kommission hat zugesagt, daran zu arbeiten. Aber ohne dass die Arbeiten zufriedenstellend abgeschlossen sind, kann ich CETA nicht zustimmen.
    Quelle: junge Welt
  10. „Wir lüften nur schmutzige Wäsche“
    taz: Herr De Masi, Europa will Steuerdumping und Steuervermeidung bekämpfen. Die EU-Kommission hat dazu Vorschläge gemacht. Trotzdem fordern Sie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf zurückzutreten. Warum?
    Fabio De Masi: Ich habe Juncker nie gewählt. Er war der Architekt der Steueroase Luxemburg. Wegen solcher Steuertricks verlieren die EU-Länder jährlich Hunderte von Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Das heißt, Juncker und Co haben den Europäern direkt ins Portemonnaie gegriffen. Als wir die LuxLeaks-Affäre im Parlament aufklären wollten, hat er sich feige hinter seinen Beamten versteckt. Dabei geht es mir gar nicht um seine Person. Es geht darum, dass eine Europäische Union der Banken und Konzerne der europäischen Idee schadet.
    Anfang Januar ist bekannt geworden, dass Juncker auch in der sogenannten Code of Conduct Group zur Unternehmensbesteuerung gemauschelt haben soll. Können Sie uns das erklären?
    Die Gruppe wurde von den EUStaaten ins Leben gerufen, um gemeinsam die schmutzigsten Steuertricks von Konzernen einzudämmen. Doch in der Praxis trinkt man da lieber Kaffee, und die üblichen Verdächtigen blockieren.
    Was ist das Problem?
    Die EU hat keine Kompetenzen bei der Unternehmensbesteuerung. Das Europäische Parlament kriegt nicht einmal alle Protokolle dieser Gruppe von der EU Kommission. Wir können nur versuchen, ein wenig schmutzige Wäsche zu lüften. Ich habe deshalb vor dem EU-Gericht Klage gegen die Kommission eingereicht. Sie ist Teil der Experten-Gruppe, mauert aber. Es gibt offensichtlich etwas zu verbergen!
    Quelle: Fabio De Masi
  11. Obdachlosigkeit in Griechenland: Keine Spur von sozialer Hängematte
    Auf Arbeitslosigkeit folgt für viele Obdachlosigkeit. Der Staat hilft schon lange nicht mehr. Auch den Elektriker Kostas hat es getroffen. […]
    „Ich lebe seit knapp einem Jahr auf der Straße“, berichtet Kostas. Immer wieder schüttelt der in sich gekehrte Mann den Kopf. Nie hätte er gedacht, dass ihm das mal passieren würde. „Ich hatte ein ganz normales Leben“, sagt der 52-Jährige und lächelt leise. Nichts Besonderes, aber ab und zu mal essen gehen, ins Kino, mit Freunden etwas trinken gehen, verreisen – ein Dach über dem Kopf haben. Er hält inne, scheint sich an die Zeit zu erinnern, lächelt wehmütig. Ein Motorrad hatte er! Kostas lacht. Jetzt kommt ihm so etwas unwichtig vor.
    Der gelernte Elektriker ist einer der Tausenden oft gut ausgebildeten Menschen, die infolge der Wirtschaftskrise obdachlos wurden. Das Sozialsystem in Griechenland trägt schon lange nicht mehr. Und so waren bereits im Jahr 2011 rund 20.000 Personen laut einer Studie der griechischen NGO „Klimaka“ obdachlos. Etwa 15.000 von ihnen lebten in der Hauptstadt Athen. Die Organisation betont, dass die Zahl nur als Richtwert gesehen werden soll, denn die genaue Zahl der Obdachlosen sei nur schwer zu ermitteln.
    Quelle: taz
  12. Vormarsch nach Osten
    Die erste stetige Stationierung deutscher Truppen auf dem Territorium der früheren Sowjetunion hat begonnen. Nach einem Vorkommando sind am Mittwoch die ersten 70 deutschen Soldaten in Litauen eingetroffen; dort wird die Bundeswehr eine gegen Russland in Stellung gebrachte NATO-Battle Group führen. Diese ist mit ihren demnächst knapp 1.200 Soldaten Teil eines weitaus stärkeren militärischen Dispositivs, das insgesamt vier verstärkte NATO-Bataillone sowie eine US-Kampfbrigade in Osteuropa umfasst und jederzeit durch eine US-Division ergänzt werden kann, deren einsatzbereite Waffen zum größeren Teil in Deutschland lagern. Die litauischen Einheiten, mit denen die Bundeswehr kooperiert, werden in zunehmendem Maße mit deutschen Waffen ausgerüstet. NATO-Generäle haben schon letztes Jahr gefordert, man müsse die weitere Verstärkung der Truppen ins Auge fassen und die NATO-Bataillone im Baltikum auf Brigadestärke bringen. Auch sei die westliche Militärpräsenz in der Region zu Wasser und in der Luft stark auszuweiten. Russland würde damit an seiner Westgrenze noch viel stärker als bisher unter Druck gesetzt.
    Quelle: German Foreign Policy
  13. Schleichende Offensive: Kiews Flucht nach vorn
    Feuerpause im Donbass nach kurzer Zeit gebrochen. Ukrainische Streitkräfte ohne Rücksicht auf Verluste
    Dass die Intensivierung der Kämpfe im Donbass der Auftakt zu einer größeren ukrainischen Offensive ist, wird auf keiner Seite behauptet. Selbst ukrainische Militärs erklären, beide Seiten hätten im Moment nicht die Kräfte dafür, einen Durchbruch zum Bewegungskrieg zu wagen.
    Der plausibelste Grund für die ukrainischen »Schleichangriffe« zum jetzigen Zeitpunkt ist, dass Kiew möglichst viele vollendete Tatsachen schaffen will, die auch ein neuer Waffenstillstand nicht wieder ändern kann. Dabei ist offenbar weniger an ein »Minsk III« gedacht, von dem Russland seit Monaten betont, es bestehe kein Anlass dazu, solange das »Minsker Abkommen« (Minsk II) nicht erfüllt sei.
    Vielmehr scheint die ukrainische Seite ernsthaft besorgt zu sein, im Rahmen einer amerikanisch-russischen Globalvereinbarung »geopfert« zu werden. Ob sich, wie manche Kiewer Kommentatoren meinen, die neue US-Administration von aktuellen Kämpfen in der Ostukraine zu einem stärkeren Bekenntnis zur Kiewer Regierung bewegen lassen könnte, ist dabei zweifelhaft. Auch die Bundesregierung scheint von der aktuellen Situation mehr genervt als besorgt zu sein. Hierfür spricht die Formulierung von Regierungssprecher Steffen Seibert, beide Seiten sollten »wechselseitige Provokationen« unterlassen.
    Quelle: junge Welt
  14. Fukushima: Rekordradioaktivität in Reaktor 2 mit 530 Sievert pro Stunde gemessen
    Aufnahmen zeigen, dass die Kernschmelze nicht nur ein Loch im Druckbehälter, sondern auch im Sicherheitsbehälter verursacht hat
    Vor fast 6 Jahren hat sich die Nuklearkatastophe im AKW Fukushima ereignet, im Verhältnis zur Halbwertszeit des radioaktiven Materials ist das praktisch nichts. Im März 2011 fiel durch den Tsunami die Kühlung des AKW aus. Als Folge ereignete sich eine Kernschmelze in drei Reaktoren.
    Am Montag gelang es dem praktisch verstaatlichten Betreiberkonzern Tepco erstmals, Bilder mit einer ferngesteuerten, auf einem Teleskop montierten Kamera aus dem Inneren des Reaktors Nr. 2 zu machen. Dabei wurde klar, dass die Situation viel schlimmer ist, als man bislang – optimistischerweise – angenommen hatte. Das könnte auch der Abe-Regierung, die auf den Wiederstart der seit Jahren abgeschalteten AKWs dringt, einen herben Schlag versetzen, zudem könnten die Kosten, die Jahr für Jahr steigen, noch höher schnellen.
    Quelle: Telepolis
  15. Falle Zwangsprostitution
    Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel im Asylverfahren: Acht solcher Stellen gibt es in Nordrhein-Westfalen von Aachen bis Herford – eine davon ist die Dortmunder Mitternachtsmission. Veronika Bock hat sie besucht.
    Quelle: WDR

    dazu: Frauenhandel in NRW
    Fachberatungsstellen sehen Deutschland als Drehscheibe der Prostitution und des Menschenhandels. Wir sprechen mit Pfarrerin Birgit Reiche, Leiterin der Frauenberatungsstelle Nadeschda.
    Quelle: WDR

    Anmerkung Christian Reimann: Leider ist dieses Phänomen vermutlich nicht lediglich in NRW, sondern bundesweit zu beobachten.

  16. “So kann Inklusion nicht gelingen”
    In Politik und Gesellschaft gilt Inklusion – also das gemeinsame Lernen von Schülern mit und ohne Behinderungen in einer Klasse – bei vielen als vorbildlich und erstrebenswert. Der Vorsitzende des Gewerkschafts-Verbands Bildung und Erziehung – VBE – Udo Beckmann erhebt im Deutschlandfunk schwere Vorwürfe. So wie es jetzt sei, könne Inklusion nicht gelingen. […]
    Inklusion werde zwar von Politik und Gesellschaft stark befürwortet, wenn Schulen aber die nötigen Konsequenzen einforderten, würden sie von der Politik im Stich gelassen, so Beckmann weiter. Die Politik habe es sich zu einfach gemacht. Sie habe die UNO-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was das für den Schulalltag bedeute und welche Ressourcen dafür nötig seien.
    Quelle: Deutschlandfunk
  17. Das Letzte: Schäuble über Griechenland: “Ich bin ganz großzügig”
    Der Streit um Finanzhilfen für Griechenland droht erneut zu eskalieren, auch innerhalb der Bundesregierung. Finanzminister Schäuble wehrt sich gegen Kritik von Vizekanzler Gabriel – und wirft Griechenland Unzuverlässigkeit vor. […]
    Das “Handelsblatt” hatte zuvor von einem Brief von Vizekanzler Sigmar Gabriel an Kanzlerin Angela Merkel berichtet, in dem sich Gabriel sich noch in seiner Funktion als Wirtschaftsminister über Schäubles harte Haltung bezüglich der Schulden und Haushalts-Auflagen für die Griechen beschwert habe.
    Gabriel forderte demnach eine “konstruktive Rolle” Deutschlands im Streit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Er schlug vor, das Primärüberschuss-Ziel ab 2018 für Griechenland von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf drei Jahre zu begrenzen. Danach könnte es reduziert werden, ohne dass ein Schuldenschnitt für das Land nötig werde, so der heutige Außenminister.
    Schäuble reagierte dem Bericht zufolge ebenfalls mit einem Brief. Darin heiße es, die geforderten Reformen und Budgetüberschüsse seien notwendig, um Griechenlands Schuldenstand zu stabilisieren.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung André Tautenhahn: Das ist Große Koalition auf ganz niedrigem Niveau. Der eine hält die Begrenzung eines Primärüberschusses für konstruktiv, über den der internationale Währungsfonds schon lange sagt, er sei unmöglich zu erreichen und die Forderung danach deshalb falsch. Der andere meint, dass Griechenland mindestens die Steigerung des Unmöglichen schaffen müsse, um seinen Schuldenstand zu stabilisieren und findet sich dabei auch noch großzügig. Unfassbar. Unverständlich bleibt, warum Gabriel in seiner Rücktrittserklärung im vorwärts schrieb:

    Die bisherige Politik von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble hat entscheidend zu den immer tieferen Krisen in der EU seit 2008, zur Isolierung einer dominanten deutschen Bundesregierung und – durch das unerbittliche Festhalten an der Austeritäts-Politik – zur hoher Arbeitslosigkeit außerhalb von Deutschland beigetragen.

    Dabei hat er selber keinen besseren Vorschlag als die Fortsetzung von Austerität anzubieten.


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