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Titel: Höhere Rüstungsausgaben wegen Trump? Es ist an der Zeit, die Weichen neu zu stellen
Datum: 19. Januar 2017 um 13:31 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Lobbyismus und politische Korruption
Verantwortlich: Jens Berger
„Europa [sei] alarmiert“, meldete vorgestern nicht minder alarmiert SPIEGEL Online. „Weil Trump die Bündnistreue der USA in Frage stellt“, seien höhere Rüstungsausgaben erforderlich. Ein neuer „Universalkampfjet“ von Airbus käme da zum Beispiel in Frage. Dies ist der jüngste Vorstoß einer ganzen Reihe von Artikeln in den deutschen Massenmedien, die dem Leser weismachen wollen, durch den Sieg Donald Trumps sei eine Erhöhung des deutschen Wehretats im Grunde zwangsläufig, also alternativlos. Doch das ist keinesfalls so. Die Rüstungslobby drängt vielmehr seit Langem darauf, dass Deutschland seine Rüstungsausgaben erhöht. Die Präsidentschaft Trumps ist da nur ein Vorwand von vielen. Gerade im Wahljahr sollten wir da auf der Hut sein! Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Es ist noch gar nicht so lange her, da haben wir noch von Friedensdividende geträumt. Der Kalte Krieg war Geschichte, ein neues friedliches Europa sollte entstehen und Feinde, vor denen unsere Verteidigungsarmee uns beschützen sollte, waren selbst am Ende des Horizonts nicht in Sicht. Und in der Tat – seit 1989 konnte Deutschland seinen Wehretat von 2,7% auf 1,2% des Bruttoinlandsproduktes mehr als halbieren. Damit liegt Deutschland jedoch immer noch sehr deutlich über den Etats unserer „blockfreien“ Nachbarn in der Schweiz und Österreich, die beide bei 0,7% des Bruttoinlandsproduktes liegen. Ohne die „substanziellen Etatsteigerungen“, die Angela Merkel schon im Wahlkampf 2005 „versprochen“ und dann als Kanzlerin an der Seite der SPD auch umgesetzt hat, läge der deutsche Wehretat heute wohl unter der Ein-Prozent-Marke.
Die Milliarden Euro, die der deutsche Wehretat nach Ansicht der Rüstungslobby noch Luft nach oben hätte, wecken natürlich Begehrlichkeiten. Zum Vergleich: Großbritannien gibt 2,0%, Frankreich 2,1% und die USA geben sogar 3,3% ihres Bruttoinlandsproduktes für das Militär aus. Vor allem für Washington ist diese Schieflage immer wieder ein Grund, um über einen „fairen Lastenausgleich“ zu debattieren. Natürlich will man satte Aufträge für die eigene Rüstungsindustrie und möglichst schlagkräftige Truppen unter US-Kommando … aber die Rechnung dafür sollten doch bitte nicht die Amerikaner, sondern die Verbündeten zahlen. „Zum Glück“ kam dann die Ukraine-Krise und die USA konnten 2014 im Zusammenspiel mit der europäischen Rüstungslobby auf dem NATO-Gipfel in Wales eine Zielmarke von 2,0% für die nationalen Militärausgaben durchdrücken. Während Länder wie Kanada (1,0%), Spanien (1,3%) oder Italien (1,2%) die Vorgaben geflissentlich ignorieren, erweist sich Angela Merkel einmal mehr als größte Erfüllungsgehilfin Washingtons und kündigte sehr zur Freude der Rüstungsindustrie im Juni letzten Jahres zum wiederholten Male an, sie wolle sich dafür stark machen, die deutschen Rüstungsausgaben wieder einmal „substanziell“ zu erhöhen. Von derzeit 37 Milliarden Euro sollen sie sich in den nächsten Jahren demnach rund verdoppeln.
Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die neue Konfrontationspolitik hat ebenso wie die von Angela Merkel und den Transatlantikern geforderte Erhöhung der Militärausgaben eine lange Vorgeschichte und ist keine Reaktion auf die Ukraine-Krise und schon gar keine Reaktion auf ein paar vielleicht missverständliche Äußerungen des kommenden US-Präsidenten. Letztere werden, ebenso wie die Ukraine-Krise, vielmehr von interessierter Seite als Vorwand genommen, um vermeintlich neuen Wein in den immer gleichen alten Schläuchen unters Volk zu bringen.
Zu Trumps jüngsten Äußerungen zur NATO, die nun als Begründung für höhere Militärausgaben herhalten müssen, hatte Albrecht Müller gestern schon einiges geschrieben. Im Kontext der Budgetfrage wäre noch zu ergänzen, dass Trumps Aussagen alles anders als neu sind und ziemlich schräg interpretiert werden. Natürlich will Trump die NATO nicht auflösen und natürlich will er die Bündnistreue der USA nicht in Frage stellen, wie es SPIEGEL Online formuliert hat. Trump will ganz einfach eins: Geld. Er hatte im Wahlkampf mehrfach klipp und klar gesagt, dass die „reichen“ Verbündeten der USA künftig bei den Verteidigungskosten stärker herangezogen werden. Damit meinte er vor allem Japan (1,0%) und Deutschland (1,2%), zwei Länder, zu denen die USA zudem ein massives Leistungsbilanzdefizit haben. Nun so zu tun, als brüskiere Trump Merkel, ist freilich absurd, da es ja der dringlichste Wunsch von Merkel, von der Leyen, Özdemir, Steinmeier, Gauck und Co. ist, endlich „wieder“ mitmischen und am Rockzipfel des US-Imperiums Weltpolitik auch militärisch „mitgestalten“ zu dürfen. So gesehen kommt Trump den Transatlantikern sogar sehr gelegen.
Es ist ja nicht so, dass die USA nun abrüsten wollten und Deutschland plötzlich alleine und verlassen und von Feinden umringt dastehen würden. Trump will nicht weniger, sondern viel mehr Geld in Rüstung stecken, er will ein Raketenabwehrsystem bauen und Reagans SDI-Programm neu aufleben lassen. Dass es für diese Pläne sinnvoll ist, Budgets umzuschichten und willfährige Helfer wie Merkels Deutschland stärker zu beteiligen, liegt auf der Hand. Es ist jedoch fatal, hieraus eine Zwangsläufigkeit zu konstruieren. Dass morgen schon der Russe vor der Tür steht, nur weil wir unser Geld in die Bildung und nicht ins Militär stecken, glaubt ja noch nicht einmal Josef Joffe … und das will was heißen.
Bevor wir jetzt unsinnige Automatismen in Gang setzen, nur um noch unsinnigeren Budgetwünschen der Rüstungskonzerne entgegenzukommen, sollten wir lieber für einen Moment innehalten und uns eine grundsätzliche Frage stellen: Trump „droht“ damit, Europa den Europäern zu überlassen? Abgesehen davon, dass dies eher nach einem ziemlich unglaubwürdigen Bluff klingt, wäre dies doch bei nüchterner Betrachtung der Hauptgewinn. Die USA ziehen ab, bauen ihre Star-Wars-Gadgets und Europa kann endlich zusammenwachsen und die Friedensdividende in Anspruch nehmen. Wie stand es so schön im Berliner Programm der SPD: „Unser Ziel ist es, die Militärbündnisse durch eine europäische Friedensordnung abzulösen.“ Das wäre doch mal ein schönes Ziel, das heute in Deutschland jedoch nur noch von Sahra Wagenknecht hochgehalten, jedoch sicherlich auch von sehr sehr vielen Menschen geteilt wird. Schauen wir mal, ob Angela Merkel ihr Militarismus nicht im Wahlkampf noch auf die Füße fällt.
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