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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 15. Dezember 2008 um 9:22 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu diesen Themen:

  • Joseph Stiglitz: Zurück aus der Wildnis
  • Politik in der Finanzkrise: Das Publikum wendet sich ab
  • US-Kongress unzufrieden mit dem Banken-Hilfspaket
  • Gustav Horn: Prognostiker des Jahres 2008
  • Gesundbeter am Ende
  • Manhattan Transfer
  • Fall Madoff: Zu schön
  • Industrie greift Banker frontal an
  • Leitartikel zum EU-Konjunkturpaket: Zu kurz gesprungen
  • Das Schweigen der Lämmer: Der deutsche Mittelstand
  • Ziellose Rentenpolitik
  • Das Leben mit Hartz IV : stark gefordert und kaum gefördert
  • Die fatale »Vertafelung der Gesellschaft«
  • Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt fest: Vorurteile gegen sozial Schwache und Behinderte
  • Lehrer: Teure Saisonarbeiter
  • EU-Gipfel: Gefangene der Machtwirtschaft
  • Gesundheitsfonds: Lösung mit Haken
  • Deutsche Energie- und Klimapolitik kann Wachstum und Beschäftigung schaffen
  • Fraunhofer ISI: verbindliche CO2-Grenzwerte dienen der Investitionssicherheit der Autoindustrie
  • Das Manager-Heroin
  • Wir brauchen kein Büro in Jerusalem
  • Patrouillierte griechische Polizei mit Neonazi-Milizen?
  • Kiew hat IWF im Nacken

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Joseph Stiglitz – Zurück aus der Wildnis
    Keynes’ Thesen sind in den Vereinigten Staaten wieder in aller Munde. Die Politik sollte darauf achten, dass die Theorie nicht missbraucht wird.
    Die Erhaltung von Finanzinstituten ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Es ist der Kreditfluss, der wichtig ist. Während der Großen Depression hatte der Konkurs der Banken deshalb eine so große Wirkung, weil sie an der Ermittlung der Bonität beteiligt waren. Sie lieferten die Informationen, die erforderlich waren, um den Kreditfluss aufrechtzuerhalten.
    Heute aber wird zu wenig getan, um Banken zu helfen, die tatsächlich das machen, was Banken tun sollen – Geld leihen und Bonität bewerten.
    Heute besteht die Gefahr darin, dass die neuen keynesianischen Grundsätze dazu missbraucht werden, in einigen Fällen denselben Interessen zu dienen. Haben diejenigen, die vor zehn Jahren auf Deregulierung gedrängt haben, ihre Lektion gelernt? Oder werden sie einfach für oberflächliche Reformen werben – um die etlichen Billionen schweren Rettungspläne zu rechtfertigen?
    Quelle: FTD
  2. Politik in der Finanzkrise: Das Publikum wendet sich ab
    Der Rettungsschirm für die Banken beläuft sich auf 480 Milliarden Euro. Eine Kontrolle der Politiker wäre jetzt nötig, fehlt aber völlig.
    Quelle: SZ
  3. US-Kongress unzufrieden mit dem Banken-Hilfspaket
    Die weitverbreitete Skepsis im US-Kongress gegenüber einer finanziellen Hilfe an den Autosektor hängt einerseits mit den über lange Jahre dauernden Versäumnissen der Detroiter Autobauer zusammen, in nicht geringem Mass aber auch mit den bisherigen Erfahrungen mit der Exekution des 700-Mrd.-$-Hilfspakets für den Finanzsektor. Auch die parlamentarische Zustimmung zu jenem Projekt war damals mit wenig Begeisterung erfolgt; letztlich ging es aber darum, Schlimmeres zu verhindern. Nun betrachten aber die Parlamentarier mit zunehmendem Unwillen, wie das Finanzministerium bei der Durchführung der Hilfe sich von den ursprünglichen Plänen entfernt und letztlich den Kurswechsel vom Aufkauf illiquider Aktiven zur Kapitalisierung der Banken ebenso wenig schlagend begründen will oder kann wie die ursprüngliche Übungsanlage. Zudem wird bemängelt, dass die vom Kongress ins Gesetz geschriebene Hilfe an in finanzielle Bedrängnis geratene Hausbesitzer nicht vom Fleck kommt und die Banken die staatlichen Mittelzuschüsse eher für Akquisitionen und Dividendenzahlungen als für zusätzliche Kreditgewährungen verwenden. Ähnliche Bedenken, wie sie die Parlamentarier hegen, werden in zwei Berichten zur Umsetzung der Finanzhilfe geäussert; es herrscht das Gefühl, zu wenig für das Finanz-Engagement des Staates zu bekommen. Ein ähnliches Szenario ist auch bei der Staatshilfe für die drei einheimischen Autofirmen nicht ausgeschlossen.
    Quelle: NZZ
  4. Manhattan Transfer
    Über Nacht ist ein einst verehrter Name zur Beschimpfung geworden: Bernard L. Madoff – der wohl größte Betrüger der Wall Street, der Mann, der Anleger um geschätzte 50 Milliarden Dollar brachte. „Es ist alles eine große Lüge“, sagte Madoff seinen scheinbar ahnungslosen Söhnen, „im Wesentlichen ein gigantisches Schneeballsystem“. Er habe bei seinen Aktiengeschäften Geld verloren und Investoren mit Geld bezahlt, das es in Wirklichkeit gar nicht gab. Noch kann niemand den genauen Schaden beziffern, den Madoff mit seinen Scheingeschäften anrichtete. Sicher ist nur, dass es sich um eine gigantische Summe handelt – bis zu 50 Milliarden Dollar. Das wären fast zweimal so viel, wie die amerikanische Autoindustrie für ihre Rettung vom Staat haben will.
    Quelle: Der Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Was ist denn da für ein großer Unterschied, wenn Banken bis zuletzt versuchen, schmuddelige Finanzprodukte an den Mann zu bringen, obwohl sie seit längerem wissen, dass die USA auf der der größten kreditfinanzierten Immobilienblase aller Zeiten sitzen? Letztlich lief die moderne Finanzwelt auf eine Art komplexeres Schneeballsystem hinaus. So lange frisches Geld sich von hohen Renditen locken ließ, war man aus dem Schneider.

  5. Fall Madoff: Zu schön
    Es sind vor allem die super-smarten Anleger, die es trifft, sogar andere Hedgefonds, die selbsternannten Könige der Investoren. Es sind diejenigen, die aus Sicht der US-Aufsicht in der Lage sind, ohne Schutz und große Vorschriften Geld anlegen zu können.
    Das Wunderbare an dem Skandal aber ist der Zeitpunkt. Das kann der Debatte um die richtige Regulierung am Finanzmarkt nur gut tun.
    Die Finanzkrise räumt ja schon seit geraumer Zeit mit den falschen Glaubensgrundsätzen auf. An aller erster Stelle mit dem Glauben, freie Finanzmärkte seien effizient und regulierten sich deshalb am besten von selbst. Ein Kommentar von Robert von Heusinger.
    Quelle: FR
  6. Prognostiker des Jahres 2008
    Wie bereits in den Vorjahren hat die FTD auch für das Jahr 2008 wieder den besten Prognostiker gesucht. Gewonnen hat in diesem Jahr Gustav Horn vom IMK.
    Quelle: FTD

    Siehe dazu auch:

    Pessimist zur rechten Zeit
    Wer die Wirtschaftsentwicklung 2008 am besten vorausgesagt hat – und wer daneben lag.
    Als Einziger unter den mehr als 50 Experten, die in der diesjährigen Auswertung der Financial Times Deutschland analysiert wurden, prognostizierte Horn im Dezember 2007 ein Wachstum für 2008 von lediglich 1,5 Prozent. Das ist die Rate, die nach den jüngsten Institutsschätzungen auch tatsächlich herauskommen dürfte. Als einer der wenigen lag er auch richtig mit seiner Vermutung, dass der von fast allen erwartete Konsumschub dieses Jahr ausbleiben werde und die Turbulenzen an den Finanzmärkten dem deutschen Aufschwung ein Ende setzen würden.
    Quelle: FTD

  7. Gesundbeter am Ende
    Dasselbe RWI-Institut, das nun ein Schrumpfen der Wirtschaft von zwei Prozent voraussagt und für 2010 darauf setzt, dass die in anderen Ländern beschlossenen Programme greifen, wandte sich noch im August mit den anderen Instituten gegen den grassierenden Konjunkturpessimismus und erteilte dem Nachdenken über Konjunkturprogramme eine klare Absage. Solcher Rat ist die Millionen nicht wert, die er kostet. Zielgerichtete Maßnahmen zur Konjunkturstabilisierung sind kein Hexenwerk. Von den Instituten hätte man erwarten können, dass sie die Regierung nicht dermaßen ratlos improvisieren lassen.
    In ihrer merkantilistischen Logik ist die deutsche Phobie gegen jedwede Nachfragepolitik erklärbar. Als Exportweltmeister mit unterentwickelter heimischer Nachfrage ist Deutschland stärker von Konjunkturprogrammen anderer Länder als von eigenen abhängig. Die bisher erfolgreiche Strategie setzte alles daran, den Exportsektor wettbewerbsfähig zu machen. Daher darf man über Absatzsubventionen für die Autoindustrie nachdenken, damit diese Kapazitäten durchhalten und den Markt aufrollen, wenn die ausländische Konkurrenz geschrumpft ist. Man darf nach dieser Logik auch über Steuersenkungen nachdenken, weil das die Produktion verbilligt. Aber alles, was Geld kostet und “nur” den Konsum ankurbelt, schwächt danach die Wettbewerbsfähigkeit .
    Doch derzeit schadet das merkantilistische Denken nicht nur Europa, sondern auch Deutschland. Die anderen werden weniger für die Nachfrage tun, wenn die Deutschen nicht mitmachen. Und das, was sie tun, werden sie wohl so gestalten, dass die deutsche Industrie möglichst wenig davon hat.
    Quelle: Handelsblatt
  8. Industrie greift Banker frontal an
    Die restriktive Kreditvergabe der Banken wird offenbar langsam zur unerträglichen Belastung für die Realwirtschaft. In ungewöhnlich scharfer Form griff der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, die Finanzwirtschaft deshalb an.
    Quelle: Handelsblatt
  9. Leitartikel zum EU-Konjunkturpaket: Zu kurz gesprungen
    Mit dem Maastricht-Vertrag ist das größte Hindernis für ausreichende ökonomische Stimuli der Mitgliedstaaten benannt: Die Union will an diesem Regelwerk, das die Neuverschuldung auf drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) begrenzt, unbedingt festhalten. Gleichzeitig sollen die Staaten aber eher mehr als weniger Geld in die Hand nehmen, um ihre Volkswirtschaften anzukurbeln. Das ist nichts weniger als die Quadratur des Kreises.
    Quelle: FR
  10. Das Schweigen der Lämmer: Der deutsche Mittelstand lässt sich klaglos ruinieren
    Es ist schon erstaunlich, wie lautlos weite Teile des deutschen Mittelstands ihren ökonomischen Ruin hinnehmen. Was bindet die Mehrheit dieser diffusen Schicht immer noch an die neoliberalen Denkmuster der Globalisierung und totalen Marktvergötzung? Bei höheren und höchsten Beamten, bei Spitzenpensionären ist die Bindung an die herrschenden Verteilungs- verhältnisse durch ihre Luxusversorgung leicht erklärbar, aber was fasziniert die vielen mittleren und Kleinunternehmer, die Selbständigen und Freiberufler, vom Rechtsanwalt bis zum Gastwirt, vom Arzt bis zum Taxifahrer, noch an diesem erodierenden Finanzsystem? Ein Blick auf ihre Umsätze, auf ihre private Altersvorsorge, die dahinschmelzenden Depots müsste doch ein Umdenken, Protest und Widerstand erzwingen. Doch nichts. Stille.
    Quelle: Linkszeitung
  11. Ziellose Rentenpolitik
    Die Bundesregierung stützt sich in der Rentenpolitik auf zu optimistische Prognosen. Das Armutsrisiko künftiger Rentner wird unterschätzt, der Alterssicherung fehlt ein klares Ziel.
    Die Rentenpolitik der Bundesregierung orientiert sich an wenig aussagekräftigen Daten. Zu diesem Schluss kommen Professorin Barbara Riedmüller und Michaela Willert von der FU Berlin, die den Alterssicherungsbericht der Bundesregierung und die Studie Altersvorsorge in Deutschland (AVID) analysiert haben. Beide Datenquellen hätten inhaltliche Lücken und basierten auf zum Teil problematischen Annahmen. So enthält der Alterssicherungsbericht keine Angaben zu Armut und Sozialhilfebezug von Rentnern. “Es wird ein eher positives Bild gezeichnet, selbst wenn es um die Bezieher von Kleinstrenten unter 250 Euro geht”, stellen die Expertinnen fest. Die Prognosen berücksichtigen nicht, dass Arbeitslosigkeit und geringfügige Beschäftigung die Renten senken. “Die Berechnungsbasis bilden sehr lange Erwerbszeiten von 45 Jahren, die keine Arbeitslosigkeit beinhalten, eine 100-prozentige Abdeckung durch Riester-Vorsorge sowie eine zusätzliche Privatrente”, schreiben Riedmüller und Willert. Solche Annahmen seien zu optimistisch. Der Bericht biete “keine Grundlage für eine transparente Sozialpolitik”.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

    Anmerkung KR: Die Autorinnen bemühten sich sehr um Sachlichkeit. Sagen wir es deutlicher:
    Mit Riester- und Rüruprente subventioniert der Staat die Finanzwirtschaft im Milliardenumfang.
    Für den Vertrieb dürfen Ressourcen der Gesetzlichen Rentenversicherung zweckentfremdet werden (siehe hier und hier). Hinzu kommen die politisch gewollte und geförderte Ausbreitung von Niedriglöhnen sowie (u.a. als „Rente mit 67“ getarnte) Rentenkürzungen. Fazit: CDU, SPD und Grüne haben mit ihren politischen Entscheidungen die Grundlagen für massenhafte, zukünftige Altersarmut geschaffen.

    Siehe dazu auch:

  12. Sozialverbände warnen vor Altersarmut wegen Rente mit 67
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Sozialverbände warnen vor einem beispiellosen Ausmaß der Altersarmut als Folge der Rente mit 67 Jahren. “Die Rente mit 67 wird uns eine Welle von Altersarmut bringen, wie wir sie bisher nicht gekannt haben”, sagte Annelie Buntenbach vom Vorstand des DGB am Donnerstag in Berlin.
    Nur noch 18 Prozent der Arbeitnehmer gingen nach Angaben der Sozialverbände 2007 aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung regulär in die Rente. Das sei eine “verschwindende Minderheit”, betonte der Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Adolf Bauer. Beschäftigte, die nicht die Chance hätten, bis 67 zu arbeiten, müssten immer öfter von ‘Hartz 4’ leben und dabei ihre Ersparnisse für das Alter aufbrauchen. Die Rente mit 67 werde die Lücke zwischen dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben und dem Renteneintritt für viele Menschen weiter vergrößern.
    Buntenbach, Bauer und der Präsident des Sozialverbandes “Volkssolidarität”, Gunnar Winkler, stellten in Berlin eine Studie des “Netzwerkes für eine gerechte Rente” vor, in der die Folgen und Rahmenbedingungen der “Rente mit 67” untersucht wurden. Der stellvertretende Linke-Chef Klaus Ernst erklärte, die Studie zeige “glasklar”, dass die Einführung der Rente ab 67 einer “brutalen Kürzungslogik” entspreche. Er forderte, die Bundesregierung müsse bessere Übergänge in die Rentenzeit schaffen, etwa durch eine weitere Förderung der Altersteilzeit und einen erleichterten Zugang zu Erwerbsminderungsrenten.
    Das “Netzwerk für eine gerechte Rente” ist ein Bündnis von Gewerkschaften und Sozialverbänden, das seit 2006 existiert. Die Mitglieder verlangen eine “Trendwende” in der Rentenpolitik und fordern unter anderem eine Pflicht zur betrieblichen Altersvorsorge.
    Quelle: ihre-vorsorge

    Anmerkung KR: Auch die betriebliche Altersvorsorge ist angesichts der heutigen, von Unterbrechungen geprägten Erwerbsbiographien problematisch.
    Dennoch ein erfreulich kritischer Kommentar dieser Initiative der Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See –
    vor allem im Vergleich zu den schlicht ungehörigen Werbekampagnen der Gesetzlichen Rentenversicherung für staatlich subventionierte Provisionsquellen (die private Altersvorsorge).

    Siehe dazu ferner:

  13. Georg Schramm – Über die Rentenlüge
    „Diese Idee (private Altersvorsorge, KR) soll ja auch gar nicht für Sie hilfreich sein. Das Geld soll nicht Ihnen helfen, das Sie auf die Seite legen. Es soll denen helfen, denen Sie es geben – unseren Banken und Versicherungen (…) Wir dürfen nicht den Fehler machen, diese Politiker für dumm zu halten (…) Diese Politik ist ja nicht einfach falsch. Diese Politik ist für Teile der Bevölkerung richtig – goldrichtig sogar, nur: Sie sind nicht dabei!“
    Quelle: YouTube
  14. Kindergelderhöhung: Kein Cent für Hartz-IV-Empfänger
    Von der geplanten Erhöhung des Kindergelds werden Hartz-IV-Empfänger keinen Cent bekommen. Eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit bestätigte am Freitag auf Anfrage, dass das Kindergeld weiter in voller Höhe als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird.
    Quelle: FR
  15. Das Leben mit Hartz IV : stark gefordert und kaum gefördert
    Die vierte Hartz-Reform sollte Erwerbslose näher an den Arbeitsmarkt bringen. –  Fehlanzeige: Tatsächlich fühlen sich ALGII-Bezieher in vielerlei Hinsicht unter Druck gesetzt, bekommen aber selten einen regulären Job.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung [PDF – 136 KB]
  16. Die fatale »Vertafelung der Gesellschaft«
    Tafeln sind aus dem bundesdeutschen Sozialstaat nicht mehr wegzudenken. Über eine Million Bürger dieses reichen Landes waren allein in diesem Jahr »Gäste« solcher sozialen Einrichtungen. Doch die Solidarität mit Bedürftigen hat Schattenseiten – eine Studie klärt auf.
    Quelle: ND
  17. Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt fest: Vorurteile gegen sozial Schwache und Behinderte
    Menschen, die man gemeinhin als sozial schwach betrachtet, erfahren immer wieder stille Ausgrenzung und offene Feindschaft. Ein Teil der Bevölkerung folgt dabei stereotypen Zerrbildern und pauschalen Urteilen, betrachtet Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Wohnungslose, aber auch Behinderte als Störfaktor in einer auf Leistung und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaft.
    Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

    Anmerkung KR: Alle Achtung, darin findet sich sogar ein Hinweis darauf, dass die zunehmende Armut politisch begünstigt wurde, etwa in Form einer Presseerklärung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom 25. August 2005 mit dem Titel „Kinderarmut mit Hartz IV auf Rekordniveau“.

  18. Lehrer: Teure Saisonarbeiter
    Viele Bundesländer stellen Lehrer nur noch befristet ein, um sie über die Sommerferien zu entlassen und sich so Gehalt zu sparen. Diese Praxis kostet die Arbeitslosenkasse Millionen.
    Quelle: SZ
  19. EU-Gipfel: Gefangene der Machtwirtschaft
    Der Eindruck täuscht: Der Brüsseler Klimabeschluss ist kein bisschen beispielhaft, sondern ein Dokument der Kapitulation der Politik vor den Sachwaltern gut organisierter Wirtschaftszweige. Von Harald Schumann.
    Quelle: Der Tagesspiegel
  20. Gesundheitsfonds: Lösung mit Haken
    Die jüngsten Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung haben einige alte Probleme gelöst. Sie schaffen jedoch auch neue.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung [PDF – 172 KB]

    Anmerkung KR: Eine merkwürdig zurückhaltende Kritik. Eine naheliegende und weitergehende Reform, nämlich die Abschaffung des Nebeneinanders von gesetzlicher und privater Krankenversicherung (eine entbehrliche, deutsche Besonderheit) wird noch nicht einmal erwähnt.

  21. Wirtschaftslehre: Wer kauft die Kartoffeln?
    An den Schweizer Wirtschaftsfakultäten lernt man viel über Mathematik – aber nichts über Wirtschaft. Erinnerungen eines ehemaligen Studenten.
    Diskutiert wurde in den Vorlesungen so gut wie nie. Wie hätte man die ökonomischen Behauptungen diskutieren sollen, wenn kaum jemand im Saal begriffen hatte, welche konkreten ökonomischen Argumente hinter den seitenlangen Modellen steckten? Was wollte man dem Dozenten schon entgegenhalten, wenn sich am Ende herausstellte, dass «g*» grösser war als «g»?
    Auf jede ökonomisch relevante Frage wurde stets nur eine einzige theoretische Antwort serviert. Die Grundlagen der Wirtschaftslehre, wie sie in Bern, aber auch in der übrigen Schweiz und in den meisten Teilen dieser Welt gelehrt werden, bestehen aus einem beinahe einheitlichen Korpus von Modellen.
    Und so wurde mir mit jedem Semester eines immer klarer: Auch wenn die ÖkonomInnen nicht müde werden, die Effizienz des Wettbewerbs zu preisen – bei sich selbst wollen sie den Wettbewerb nicht.
    Warum schauen die ÖkonomInnen so bereitwillig über die enormen Widersprüche zwischen ihrer Theorie und der Wirklichkeit hinweg? Ganz einfach: Kaum eine andere Zunft hat sich dermaßen große ideologische Scheuklappen zugelegt – was nicht ins Weltbild passt, wird ausgeblendet. «He has the wrong beliefs!», er hat den falschen Glauben, pflegte einer meiner Dozenten zu entgegnen, wenn er auf einen abtrünnigen Ökonomen angesprochen wurde. Diskussion beendet.
    Das ideologisch gefärbte Denksystem ist mittlerweile zu einem dermaßen undurchsichtigen Labyrinth angewachsen, dass fast niemand mehr wagt, es infrage zu stellen. Und wer es dennoch tut, hat von Ökonomie nichts begriffen. Wann immer einer meiner DozentInnen sich wieder einmal über einen «Nichtökonomen» lustig machte, der eine andere Position vertrat, dann hatte mitzulachen, wer nicht zu jenen gehören wollte, die keine Ahnung von Wirtschaft haben. Also lachten alle. Die Bilanz der Wirtschaftslehre – in der Schweiz und anderswo – ist ernüchternd: Die StudentInnen lernen nicht selbst zu denken – und am Schluss ihres Studiums «denken» sie alle gleich. Nicht zuletzt wegen dieser Verkümmerung der Wirtschaftslehre war es möglich, dass in den vergangenen Jahren eine riesige Horde von BörsianerInnen auf eine Katastrophe zurannte, ohne dass rote Ampeln zu leuchten begannen.
    Quelle: WOZ Die Wochenzeitung (CH)

    Anmerkung KR: Es soll andere, deutschsprachige Länder geben, in denen die Ausbildung der Ökonomen ähnlich organisiert ist.

  22. Deutsche Energie- und Klimapolitik kann Wachstum und Beschäftigung schaffen
    Im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Poznan stellen das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) die Studie “Investitionen für ein klimafreundliches Deutschland” vor. Von stringenter Energie- und Klimapolitik können demnach positive Impulse für Wachstum und Beschäftigung ausgehen.
    Bis 2020 kann das Bruttoinlandsprodukt um über 70 Mrd. € gesteigert werden und zusätzliche Beschäftigung für rund eine halbe Million Menschen in Deutschland geschaffen werden. Möglich wird dies durch eine Steigerung der deutschen Nettoinvestitionsquote – die im internationalen Vergleich bei rund der Hälfte des EU- bzw. US-Wertes liegt – durch zusätzliche Investitionen in effiziente Energieerzeugungsanlagen, Entwicklung der erneuerbaren Energien, Dämm- und Heiztechnikverbesserung in Gebäuden und Effizienzsteigerungen im Verkehr.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.
  23. Fraunhofer ISI: verbindliche CO2-Grenzwerte dienen der Investitionssicherheit der Autoindustrie
    Im Vorfeld des bevorstehenden EU-Gipfels am 11.-12. Dezember in Brüssel zeigen jüngste Studien des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) die positiven ökonomischen Wirkungen ambitionierter CO2-Emissionsgrenzwerte für neuzugelassene PKW in Europa. Sie widersprechen dabei in wichtigen Punkten den Positionen von Industrievertretern, die zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf eine Abschwächung langfristiger CO2-Reduktionsziele drängen.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.

    Anmerkung KR: Als es in den Achtzigern um die Einführung des geregelten Katalysators ging, leistete die Automobilindustrie ähnlich kurzsichtigen Widerstand. Sie wollen aus ihren Fehlern nicht lernen. Eine Ursache dafür erläutert der folgende Beitrag.

  24. Das Manager-Heroin
    Aktienoptionen setzen Vorständen Anreize für Kurzfristig-Denken und Manipulation.
    Dass Instrumente variabler Vergütung zu besserer Leistung anspornen, ist dagegen in der Managementforschung nicht belegt.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung [PDF – 72 KB]
  25. Wir brauchen kein Büro in Jerusalem
    Mit der Globalisierung wächst der Bedarf nach Wissen über das weltweite Geschehen. In vielen US-Medien verläuft der Trend jedoch gerade umgekehrt: Die Auslandkorrespondenz wird abgebaut.
    Quelle: NZZ
  26. Patrouillierte griechische Polizei mit Neonazi-Milizen?
    Immer wieder wurde in den vergangenen Tagen über die Untätigkeit) und Hilflosigkeit der griechischen Polizei in der Auseinandersetzung mit jugendlichen Demonstranten berichtet. Nach Zeugenaussagen waren die Sicherheitskräfte jedoch weitaus weniger passiv als zunächst vermutet. Bilddokumente belegen die Kooperation uniformierter Beamter mit irregulären Kräften.
    Quelle: Telepolis
  27. Kiew hat IWF im Nacken
    Der Ukraine droht der wirtschaftliche Zusammenbruch. Kredite des Internationalen Währungsfonds gab es nur gegen radikale »Reformen«.
    Wie in solchen Fällen üblich, verknüpfte der IWF den Notkredit mit einer ganzen Reihe von Auflagen, die von der Ukraine in den kommenden Jahren als »Strukturreformen« umgesetzt werden müssen. Ukrainische Medien bezeichneten die Bedingungen des Währungsfonds als eine »IWF-Droge«, die das Land in eine »Schuldknechtschaft« nehme und das »Ende souveräner Wirtschaft« mit sich bringe. Tatsächlich kommen die Bedingungen, unter denen der IWF den Kredit an Kiew gewährte, einer Schocktherapie gleich: Die ukrainische Regierung verpflichtete sich, die Abschaffung aller Subventionen für Privathaushalte und Betriebe schnellstmöglich umzusetzen. Somit sollen flächendeckend ab 2010 die Energie- und Gastreise auf das Weltmarktniveau angehoben werden, was deren Verdopplung bedeuten dürfte. Die Kopplung der Sozialleistungen an die Inflationsrate wird ebenfalls aufgegeben. Im November lag die Teuerungsrate im Jahresvergleich bei 22,3 Prozent. Zudem setzte der IWF durch, daß künftig der Mindestlohn nicht mehr an das Existenzminimum angepaßt wird.
    Im Zentrum der Reformen aber soll der ukrainische Finanzsektor stehen, da ein Großteil der über 180 ukrainischen Banken die Krise nicht überstehen dürfte. Zu diesem – von Sprechern der ukrainischen Notenbank prognostizierten – Massensterben der Kredit­institute dürfte die vom IWF geforderte Freigabe des Wechselkurses der Hrywnja maßgeblich beitragen, die bislang noch durch ukrainische Interventionen gestützt wird. Der Internationale Währungsfonds hofft, vermittels dieser neoliberalen Eingriffe die Inflation im kommenden Jahr auf 17 Prozent begrenzen und das Leistungsbilanzdefizit von derzeit 6,2 Prozent auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) senken zu können. Die Wirtschaft wird laut IWF 2009 um ganze drei Prozent schrumpfen.
    Quelle: junge Welt


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