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Titel: Ausgerechnet „Correctiv“ soll Facebook von Falschmeldungen befreien? Da wird doch der Bock zum Gärtner gemacht!
Datum: 16. Januar 2017 um 15:52 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Jens Berger
Die Debatte um „Fake-News“, also Falschmeldungen, auf Facebook nimmt kein Ende. Nun soll ausgerechnet das selbsternannte „Recherchezentrum“ Correctiv für Facebook in Deutschland fragwürdige Nachrichten überprüfen und Falschmeldungen etikettieren. Dafür verlangt Correctiv offenbar von Facebook keinen einzigen Cent. Ein seltsamer Deal. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass Correctiv selbst alles andere als neutral ist und eine fragwürdige Finanzierungsstruktur aufweist. Da wird der Bock zum Gärtner gemacht. Die Beauftragung von Correctiv ist ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Man sei „das erste gemeinnützige Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum“ und „eine von vielen Antworten auf die Medienkrise“ – in seiner Selbstcharakterisierung nimmt Correctiv den Mund jedenfalls schon mal ganz schön voll. Man leiste sich schließlich auch „investigative Journalisten, die gründlich nachhaken, oft jahrelang an einem Thema arbeiten“. Das klingt gut, doch leider klafft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein ganzer Marianengraben. Was Correctiv bislang mit seinem mehrere Millionen Euro schweren Budget „recherchiert“ hat, ist vergleichsweise belanglos. Dafür fällt das „Zentrum“ immer wieder durch kaum verhohlene Kampfrhetorik auf; so beispielsweise als man erst vor wenigen Wochen das Ergebnis einer langen Untersuchung zu den „Medien der Neuen Rechten“ präsentierte und Ken Jebsen KenFM sowie RT Deutsch gleich mit in die braune Schublade packte.
Man muss Ken Jebsen ja nicht gut finden, das ist alles Geschmacksache. Aber „neurechts“? Das ist so dämlich, dass man wirklich nicht weiß, ob man darüber nun lachen oder weinen soll. Gefährlich ist dabei vor allem eins: Was das „Recherchezentrum “ dort macht, ist eine groteske Verharmlosung der echten neuen Rechten. Ein Götz Kubitschek freut sich sicherlich, wenn er in eine Schublade mit Jebsen und RT Deutsch geworfen wird. Diese mehr als fragwürdige Einordnung ist das Eine; dass sie ohne erkennbare Begründungen vorgenommen wurde, das Andere. Man kennt ein solches Vorgehen von Trollen im Kommentarbereich von Facebook. Von einem selbsternannten „Recherchezentrum“ würde man eigentlich mehr erwarten und als Qualifikation, nun auf Facebook als oberster Richter in puncto Faktentreue aufzutreten, taugen derlei Dinge ganz sicher auch nicht.
Und nun soll dieses „Recherchezentrum“, das bislang eher durch fragwürdige Kampfrhetorik denn durch saubere Recherchearbeit aufgefallen ist, also überprüfen, welche Meldungen auf Facebook echt und welche falsch sind? Das ist doch grotesk. Der Internetgigant Facebook, der 1.800 Millionen Nutzer hat, zwei Milliarden US-Dollar Gewinn pro Jahr vorweisen kann und an der Börse auf einen Wert von 330 Milliarden US-Dollar taxiert wird, soll es nicht selbst schaffen, auf einem seiner Kernmärkte zu überprüfen, ob Beschwerden von Nutzern über Falschmeldungen Hand und Fuß haben oder nicht? Correctiv legt übrigens Wert darauf, dass man kein Geld für diese Dienstleistung verlangt. Ein „Recherchezentrum“, das für eines der reichsten Unternehmen der Welt pro bono arbeitet? Das ist schon ziemlich seltsam. Oder doch nicht?
Wer finanziert eigentlich die Arbeit von Correctiv? Offiziell ist Correctiv unabhängig und spendenfinanziert. Das sind die NachDenkSeiten auch. Anders als die NachDenkSeiten finanziert sich Correctiv jedoch zu einem ganz erheblichen Teil über Großspenden von Stiftungen, die nicht unbedingt dafür bekannt sind, im Hintergrund zu bleiben. Vorsitzender des „Ethik-Rates“, der die Arbeit von Correctiv fachlich überwacht, ist übrigens niemand anderes als Bodo Hombach, seines Zeichens ehemaliger Kanzleramtschef von Gerhard Schröder, Chefarchitekt der Agenda 2010 und aktuell Vorstand der Brost Stiftung, die der mit Abstand größte Finanzier von Correctiv ist.
Doch die Brost Stiftung ist nicht der einzige fragwürdige Finanzier dieses „Recherchezentrums“. Wer die Deutsche Bank, George Soros Open Society Foundations, RTL, Google, das ZDF, die Heinrich Böll Stiftung und die Konrad Adenauer Stiftung zu seinen Unterstützern zählt, ist freilich nicht darauf angewiesen, einem „Premium-Kunden“ wie Facebook eine Rechnung zu stellen. Wichtiger dürfte es da schon sein, einen Fuß in die Tür zu bekommen und sich auf dem künftig sicher immer wichtiger werdenden Feld der externen Moderation von nutzergenerierten Inhalten in den sozialen Netzwerken eine Pole Position zu sichern.
Es ist tragisch, dass Facebook den Begehrlichkeiten der deutschen Meinungsmacher nicht widerstehen kann oder widerstehen will. Auf dem Feld der sogenannten „Hass-Kommentare“ arbeitet Facebook mit der umstrittenen Amadeu Antonio Stiftung und der Bertelsmann-Tochter Arvato zusammen. Allein dies zeigt, wie groß das Interesse der „alten Meinungsmacher“ an einem Einstieg in die Inhaltskontrolle bei den sozialen Netzwerken ist.
Es ist ein Unding, dass ein Weltkonzern, der mit der Werbung in nutzergenerierten Meldungen Milliardengewinne erzielt, bereits auf den kleinsten Druck der Politik nachgibt und sich Akteure mit ins Boot holt, denen es mehr um Meinungsmache als um Meinungsfreiheit geht.
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