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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Die richtigen Antworten auf „Berlin“
Datum: 20. Dezember 2016 um 12:52 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Innere Sicherheit, Militäreinsätze/Kriege, Terrorismus
Verantwortlich: Jens Berger
Noch wissen wir nicht mit Sicherheit, was genau gestern Abend mitten in Berlin passiert ist. Sollten sich die Hinweise bestätigen, die von den Berliner Sicherheitsbehörden auf der heutigen Pressekonferenz vorgebracht wurden, deutet alles auf einen Terroranschlag hin. Ein „feiger“ Terroranschlag, gerade so als seien die Drohnenpiloten, die ihr tödliches Geschäft mit Billigung der Bundesregierung in Ramstein und Stuttgart ausüben, edle Ritter, die ihrem Feind Aug´ in Aug´ entgegentreten. Fragen gibt es viele, Antworten noch mehr – mehr Polizei, Verschärfung des Asylrechts, Anti-Terror-Poller … nur eine Antwort fällt Politik und Medien seltsamerweise nicht ein: Macht Schluss mit der Gewalt, Schluss mit den Kriegen! Dazu ein Leserbrief und ein minimal aktualisierter Artikel, den ich vor knapp einem Jahr anlässlich der Anschläge in Istanbul geschrieben habe. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Anhang I: Unser Leser Walid R. schreibt uns …
Impression de déjà-vu!
Nach jedem Terroranschlag, egal, ob dieser Anschlag in Berlin, Paris oder Brüssel verübt wurde, und egal, ob der Täter ein Syrer, ein Nordafrikaner, ein Afghane oder ein „Pole“ ist, hört man immer bloß die gleiche klassische Symphonie: „Flüchtlinge”, „Muslime”, „Araber“, „Terrorismus“, „Abendland“, „westliche Werte“, „Islamisierung“.
Nun gut. Hier werde und will ich mich nicht näher mit diesen Begriffen und Phrasen auseinandersetzen, denn erstens ist mir völlig klar, dass wir sehr genau wissen, was man damit ausdrücken will (besonders die Trump Fans, die Anhänger der AFD in Deutschland und der Front National in Frankreich!), aber vor allem, weil wir schon die Nase voll haben, diesen Unfug immer wieder zu hören und es reine Zeitverschwendung ist, diese hier noch mal zu formulieren.
Meine Antwort gegen diese Vorwürfe wird immer nur lauten:
Ich glaube… nein ich bin mir sicher … dass eine Antwort auf diese Fragen eine sehr deutliche und ausreichende Erklärung für unsere heutige kritische Situation und die weltweit herrschende Instabilität liefert.
Kurzum: Ich möchte angesichts der barbarischen Ereignisse in Berlin mein tiefempfundenes Beileid und meine Solidarität aussprechen. Man darf aber auch niemals vergessen, dass wir genau so wie Ihr auch Opfer dieses Krieges sind und vor allem, dass wir mit unserem Blut täglich eine sehr hohe Rechnung dieses dreckigen Interessenkonflikts bezahlen.
( Unser Mitleid und Mitgefühl aller Opfer des verräterischen Terrorismus) الرحمة ثم كل الرحمة لكل ضحايا الإرهاب الغادر من المحيط الى الخليج.
( von Syrien über Tunesien bis Deutschland ) من سورية المنكوبة مرورا بتونس المفجوعة وصولا لألمانيا الملكومة! – Walid R.
Anhang II: C´est la guerre – Willkommen im Krieg
Deutschland ist geschockt. Bei einem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt kamen gestern zwölf Menschen ums Leben. Der Tatverdächtige stammt den Behörden zufolge aus Pakistan, einem Land, das im Fokus des Drohnenkrieges steht, den die USA auch über ihre Stützpunkte in Ramstein und Stuttgart führen.
Auch wenn viele Schreibtischgeneräle dies nicht gerne hören wollen: Im 21. Jahrhundert wird der Krieg nicht nur nach militärischen Regeln von regulären Verbänden geführt. Selbstmordanschläge und Terrorismus gehören – ob wir das nun wollen oder nicht – zum Krieg dazu. Und wenn wir völkerrechtswidrige Kriege auf der ganzen Welt führen wollen, dann müssen wir leider auch dafür Opfer bringen. Diese bittere Wahrheit muss endlich verstanden werden. Nur dann kann man die richtigen Schlüsse ziehen.
Es ist schon seltsam. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt zum zweiten Mal in ihrer jungen Geschichte an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg teil und kaum ein Deutscher ist sich wirklich darüber im Klaren. Natürlich, der IS ist nicht unbedingt dafür verdächtig, einen Sympathiepreis einzuheimsen und so mancher unserer Mitbürger mag sich denken „In Syrien herrscht doch eh das komplette Durcheinander, Jeder gegen Jeden, da stört es doch auch nicht, wenn deutsche Tornados sich auch noch beteiligen“. Das mag vom deutschen Sofa aus ja durchaus „logisch“ klingen. Der IS und die Angehörigen ziviler Opfer der von Deutschland mitverantworteten Luftschläge werden dies jedoch ein wenig anders sehen. Machen wir uns doch bitte nichts vor: Unser Land führt Krieg und da wir als erwachsene Bürger die volle Verantwortung für unser Handeln tragen, müssen wir auch die Risiken und Nebenwirkungen, die Kriege im Gemeinen mit sich bringen, akzeptieren.
Die Alternative wäre es, keine Kriege zu führen. Da die Deutschen aber an der Wahlurne ihre Stimmen stets mit übergroßer Mehrheit den „Kriegsparteien“ geben und auch Wähler erwachsene Menschen sind, die die volle Verantwortung für ihre Handlungen tragen, kann man auch postulieren, dass die Kriegsführung unseres Landes demokratisch legitmiert ist. Auch ich wäre froh, wenn ich dies nicht so schreiben müsste.
Was denken sich unsere Politiker und Mitbürger, die den Krieg gutheißen, eigentlich? Denkt man, dass Krieg im 21. Jahrhundert ein klinisch reines Computerspiel sei? Klar, unsere Väter, Großväter und Urgroßväter haben in den Schützengräben und Ruinen von Stalingrad einen „echten“ Krieg geführt; einen „bösen“ Krieg, bei dem man seinem Feind Aug´ in Aug´ gegenübersteht und die Folgen kriegerischen Tötens sieht, riecht und schmeckt. Wenn heute deutsche Torndaos digitale Aufklärungsdaten an Kampfbomber anderer Nationen weitergeben, ist dies ein moderner Krieg; ein Krieg, bei dem das eigene Handeln seltsam alltäglich erscheint und die Opfer weit, weit weg sind. Doch Mord ist Mord, Töten ist Töten; egal, ob man seinem Gegner mit dem Bajonett ins Auge sticht oder ihn mit einer Cruise Missile vom Erdboden tilgt.
Wenn die Kriegsgegner westlicher Staaten sich zur Wehr setzen, so wird dies von der Politik und den Medien meist als „feiges Handeln“ bezeichnet. Oh ja, es ist überhaupt nicht ritterlich, sich auf einem stark besuchten Platz selbst in die Luft zu sprengen. So etwas hätte Sir Lancelot nie getan. Wirklich? Niemand weiß, was die Sagenfigur Sir Lancelot getan hätte, hätte er einem militärisch hoffnungslos überlegenem Gegner gegenübergestanden. Das Ideal vom „ritterlichen Krieg“, den es so natürlich nie gegeben hat, starb bereits 1346, als tausende englische Bogenschützen das noble französische Ritterheer in der Schlacht von Crécy niedermachten. Spätestens seit den Napoleonischen Kriegen auf der iberischen Halbinsel ist zudem die asymetrische Kriegsführung auch bei den europäischen Großmächten angekommen. Damals kämpften irreguläre spanische Truppen, die sogenannten Guerilla, hinter den Linien auch mit Anschlägen gegen zivile Ziele gegen das übermächtige französische Besatzungsheer. Die Spanier sahen sich als Freiheitskämpfer, für die Franzosen waren sie Terroristen. An dieser Systematik hat sich bis heute nichts geändert und auch die Deutschen waren in Form der „Organisation Werwolf“ im Jahre 1944, als es gegen die militärisch hoch überlegenen Alliierten ging, schon einmal Terroristen – zumindest nach Ansicht der Siegermächte.
Doch so etwas vergisst man bekanntlich schnell. Heute gehören „wir“, also vor allem die Koaltion rund um die militärisch haushoch überlegenen USA, zu der Kriegspartei, die auf dem Felde unschlagbar ist, dafür aber ihre Achillesferse in der asymetrischen Kriegsführung hat. Aus ritterlicher Sicht sind Anschläge auf Zivilpersonen natürlich immer feige; im 21. Jahrhundert hilft uns diese Erkenntnis jedoch auch nicht weiter.
Deutschland rückt durch seine Beteiligung an den Kriegen im nahen und mittleren Osten immer stärker ins Visier des IS und anderer radikalislamistischer Gruppierungen. Wir werden uns daher an Opfer gewöhnen müssen. C´est la guerre und wir befinden uns im Krieg. Natürlich merken wir das nicht, da unser Gegner im klassischen militärischen Kräftevergleich hoffnungslos unterlegen ist und daher weder in Berlin, noch in Frankfurt oder Mannheim die Sirenen heulen und niemand von uns in die Luftschutzbunker muss. Das heißt jedoch nicht, dass wir immer und überall zu 100% sicher sind, kein Opfer dieses Krieges zu werden. So zynisch sich dies anhört: Daran müssen wir uns gewöhnen, wenn unsere Regierung auch künftig weltweit Kriege führen will.
Und wer – was absolut verständlich und begrüßenswert ist – diese Opfer nicht bringen will, der hat dazu ein sehr einfach verständliches Instrument: Er muss Parteien, die Kriege nach Clausewitz als Fortführung der Politik ansehen, die rote Karte zeigen.
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