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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 3. Dezember 2008 um 9:36 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
(KR/AM)
Heute unter anderem zu diesen Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Kommentar AM: Dieser kleine Film ist sehenswert. Wie wir am 29. Oktober 2008 schon schrieben: Wir sind in den Fängen der Finanzindustrie – beim Bilanzierungsrecht, bei der Fortsetzung der Privatisierung, bei den großzügigen 100-Milliarden-Leistungen für die Banken und gleichzeitiger Weigerung, etwas zur Stabilisierung der Situation aller Beschäftigten zu tun.
Was bedeutet das – “nachvollziehbar bewerten”? Die Staatsanwaltschaften müssen klären und erklären, ob und wie das Strafrecht in diesen Fällen greift. Wenn es nicht greift, muss plausibel erklärt werden, warum nicht.
Aufgabe des Strafrechts ist der Schutz des Zusammenlebens der Menschen; das Strafrecht ist eine Schutz- und Friedensordnung. Kaum etwas anderes aber hat in jüngerer Zeit den inneren Frieden der Gesellschaft so zerrüttet wie die Finanzkatastrophe.
Die Milliardengelder der Steuerzahler, die der Staat nun zur Rettung der Banken einsetzt, fehlen womöglich in den nächsten Jahren, um Bildung und Sicherheit zu finanzieren. Von Heribert Prantl.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Kommentar AM: Auf diese Idee kann man ja kommen. Konsumgutscheine wären immer noch besser als die Senkung der Einkommensteuer, von der vor allem die Besserverdienenden viel und die Rentner und Arbeitslosen und Hartz IV-Empfänger nichts haben. Der Chefökonom von Goldman Sachs, Jim O’Neill, hat schon in einem Interview mit der ZEIT vom August 2004 Steuerschecks zur Ankurbelung des Konsums und damit der Konjunktur gefordert. Damals wäre es übrigens schon nötig gewesen, nicht erst jetzt. Der damalige Konjunktureinbruch war deutlich vom Einbruch des Konsums geprägt. Diese Schwäche hält bis heute an.
Besser wären staatliche Investitionen massiver Art. Zu tun gäbe es genug.
Frontal21 macht die Stichprobe: Unser Tester will angeblich 71.000 Euro in seine Altersversorgung anlegen – ohne jedes Risiko, mit festem Zins. In Dortmund besucht der Tester mit versteckter Kamera mehrere Banken. Anschließend werden die Angebote von Thomas Bieler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen geprüft.
Quelle: Frontal21
Die LHI Leasing GmbH, Pöcking, hat den Neubau für eine Bausumme von rund 30 Millionen Euro im Rahmen einer Public Private Partnership (PPP) errichtet. Das Land hat das Gebäude jetzt für 30 Jahre angemietet. Die Bewirtschaftung des Gebäudes übernimmt für diesen Zeitraum die Müller-Altvatter Gebäudemanagement GmbH, Stuttgart. Mit der Bauausführung waren überwiegend mittelständische Firmen, darunter ein hoher Anteil an regionalen Unternehmen, beauftragt. Auch bei den Leistungen zum Gebäudebetrieb werden überwiegend regionale oder ortsansässige Firmen tätig sein. „Das PPP-Projekt Finanzzentrum Kassel-Altmarkt zeigt erneut, dass PPP ein Erfolgsmodell ist, von dem alle Beteiligten einen Nutzen haben – das Land, die privaten Partner, die Stadt und nicht zuletzt auch die Region“, sagte der Hessische Finanzstaatssekretär Dr. Arnold. „Die Beauftragung vieler regionaler Unternehmen beweist, dass von PPP eben nicht nur Großunternehmen profitieren, sondern ganz entscheidend auch der Mittelstand“, so der Staatssekretär weiter.
Quelle: Hessisches Finanzministerium
Anmerkung Martin Betzwieser: Und bei der Übergabe werden schon Mängel festgestellt. Müller-Altvatter war auch bei PPP des berüchtigten Frankfurter Bildungszentrums Ostend der Bauunternehmer. Aus Schaden werden hessische Finanzpolitiker jedenfalls nicht schlau.
Quelle 2: VDI-Nachrichten
Quelle 3: Kassel-Zeigung [PDF – 140 KB]
So sah es ca. zwei Jahre nach Inbetriebnahme im Bildungszentrum Ostend aus.
Quelle 4: ZDF-Frontal21
Viele CDU-Delegierte haben am Dienstagmorgen die Messehalle in Stuttgart noch nicht erreicht. Doch diejenigen, die im Saal sind, zeigen sich erstmals auf dem Bundesparteitag rebellisch: Sie stimmen für die Aufnahme eines Bekenntnisses zur deutschen Sprache ins Grundgesetz – ein Vorgang, den Parteichefin Angela Merkel überhaupt nicht schätzt. “Ich war dagegen heute”, sagte sie dem RTL-Nachtjournal. “Ich persönlich finde es nicht gut, alles ins Grundgesetz zu schreiben. Wir haben jetzt Anträge auf Kultur, auf Sport, auf die Frage der Familien, auf die deutsche Sprache jetzt, und wir müssen aufpassen, dass das jetzt nicht inflationiert.”
Die Antragskommission unter Generalsekretär Ronald Pofalla hatte sich nicht mit dem Vorschlag durchsetzen können, den aus dem Saarland stammenden Antrag nicht zur Abstimmung zu stellen, sondern ihn an die Bundestagsfraktion zu verweisen. Pofalla wollte, dass die Bundestagsabgeordneten sich erst einmal Klarheit über einige Vorstöße zu Grundgesetzänderungen verschaffen, weil auch aus anderen gesellschaftlichen Bereichen Forderungen kommen, neue Staatsziele in der Verfassung zu verankern – so aus dem Sport und der Kultur.
Doch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller, der im kommenden Jahr einen Landtagswahlkampf zu bestehen hat, widerspricht ihm. Die Sprache sei eines der Dinge, die diesen Staat ausmachten. Der CDU-Parteitag solle hier ein klares Signal setzen, so Müller.
Quelle: Spiegel
Anmerkung Margarethe Gorges:
Als Saarländerin schreibe ich es auf saarländisch- ist ja auch halbwegs deutsch, oder Herr Müller?! Für Sie kam ma sich nur noch in Grund unn Boddem schäme – bei so nem dumme Gelaaber – Geeeh Fortt!
Anmerkung KR: Niemand soll behaupten dürfen, wir würden es ignorieren, wenn Angela Merkel mal etwas Richtiges sagt.
Anmerkung KR: Vielleicht täusche ich mich ja, doch ich habe den Eindruck, dass der Anteil besserer Artikel im Tagesspiegel in jüngster Zeit deutlich gestiegen ist.
Was wie eine Szene aus deutscher Vergangenheit klingt, könnte nach dem Willen der baden-württembergischen Landesregierung eine der Zukunft werden. Die plant ein neues Versammlungsgesetz, das so restriktiv ausgelegt werden kann, dass Vereine, Verbände und Gewerkschaften sich bedroht sehen.
Quelle: Telepolis
Frauen sind besonders stark betroffen. Bei ihnen ist mittlerweile jeder achte Krankentag auf psychische Störungen zurückzuführen. Als sehr gefährdet gelten Telefonistinnen, Krankenpflegerinnen, und Sozialarbeiterinnen. Bei den Männern liegen Lokführer, Fahrbetriebsregler und ebenfalls Krankenpfleger vorn.
Während bei Frauen Depressionen verhältnismäßig stark verbreitet sind, leiden Männer besonders häufig an Suchtkrankheiten, oft in Verbindung mit Alkohol. Generell kommen überdies psychische Erkrankungen in den letzten Jahren vor allem bei Arbeitslosen vor; seit 2004 verdoppelten sich in dieser Gruppe die Ausfalltage. 2007 wurden 14 Prozent aller erwerbslosen Frauen mindestens einmal Antidepressiva verordnet, neun Prozent der Männer.
Quelle: Frankfurter Rundschau
Die Rede ist von Hans Roth, einem hessischen Lehrer, der vor mehr als 30 Jahren zu Unrecht verdächtigt wurde, ein politischer Extremist zu sein. Prominente Fürsprecher hat Hans Roth. Zum Beispiel den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau oder den ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum.
Doch hat ihm diese Fürsprache geholfen?
Quelle: Report Mainz / SWR
Anmerkung KR: Bemerkenswert auch diese Passage:
„Wir wissen: Hessens Ministerpräsident Roland Koch war persönlich mehrfach mit den Vorgängen um Hans Roth befasst. Ein Interview dazu wird abgelehnt. Deshalb fragen wir auf einer Pressekonferenz nach Hans Roth. O-Ton, Roland Koch, Ministerpräsident Hessen: »Ich glaube nicht, dass es ein ganz so spannender Fall ist. Ich jedenfalls kenne den Vorgang im Augenblick nicht. Punkt. «“
Besonders hart könnte die Krise die ohnehin lädierte Forschungslandschaft der Vereinigten Staaten treffen.
Quelle: FAZ
Anmerkung KR: Wer hätte gedacht, so etwas jemals in der FAZ zu lesen: „Hinzu kommt, dass in Nordamerika anders als in Europa ein erheblicher Anteil der Forschung privat finanziert ist. Sowohl Stiftungen wie die großen privaten Universitäten werden unter einer anhaltenden Wirtschaftskrise doppelt zu leiden haben. … Zumindest in Europa könnte die staatlich finanzierte Forschung die Krise dagegen möglicherweise relativ gut verkraften.“
Zum Schluss eine Mail mit interessanten Anlagen zum Thema:
Liebes Nachdenkseiten-Team,
vielleicht sind für Ihre Leser unten angeführter Link und zwei Artikel aus der Süddeutschen zum Thema Anlegerschutz und Beweislastumkehr von Interesse.
Vorab meine Zusammenfassung und Meinung:
Auf dem Anlegerschutztag (30.11.08) hat die Selbsthilfegruppe (Deutsches Institut für Anlegerschutz) die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast bei fehlerhafter Bankberatung gefordert. Im Streitfall seien die Banken – bei Beweislastumkehr – gezwungen, interne Unterlagen bei Gericht vorzulegen, und nur mit diesen sei der Nachweis eines arglistigen Verhalten zu beweisen. Der frühere Bundesinnenminister Gerhardt Baum forderte “Waffengleichheit” zwischen Anlegern und Banken.
Der Deutsche Derivate Verband (DDV) und die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) forderte bereits am 25.11.08 die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Mit der gemeinsamen Kampagne “Checkliste für Zertifikate-Anleger” will sie ebenfalls für mehr Sicherheit sorgen. Anleger sollen nur Zertifikate kaufen, wenn sie die 18 Fragen der Checkliste richtig beantworten. Zur weiteren Beweisbarkeit wird dem Anleger empfohlen, die ausgedruckte Checkliste zum Beratungsgespräch mitzunehmen, da nicht sicher sei, ob alle Banker informiert und im Sinne des Kunden handeln. Für den DSW-Landesgeschäftsführer ist dieser Katalog im “Großen und Ganzen” auch auf andere Finanzprodukte wie Investmentfonds anwendbar.
Zu den Themen Zertifikate und andere Finanzprodukte sind alle Fragen und Antworten unter http://www.dsw-info.de nachlesbar, ich möchte aber auf die Frage 16 als besonders gelungene Tautologie verweisen:
Frage: Haben Sie die Zertifikatsbedingungen gelesen und verstanden?
Antwort: Vor einer Anlageentscheidung sollten Sie die Zertifikatsbedingungen gelesen und verstanden haben.
Ich finde einen solchen Schulterschluss der “Börsengewinnler der letzten Tage” einfach nur toll. Die einen fordern den Schutz des Anlegers und die anderen den Schutz vor dem Anleger. Dies ist kein religiöser Widerspruch, dank ihrer Bildung wissen Ackermann und Co: “Pack schlägt sich, Pack verträgt, doch sitzen wir ewig am Tisch des Herrn und die Henkelsuppe, die löffeln nicht wir, sondern andere aus.”
Mit freundlichen Grüßen
ein treuer Nachdenkseiten-Leser, FV
Belege:
Verbraucherschützer haben auf dem Anlegerschutztag am Sonntag in Berlin die Umkehr der Beweislast bei fehlerhafter Bankberatung gefordert. Hintergrund ist die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, von der zahlreiche deutsche Anleger betroffen sind. Viele von ihnen fühlen sich nun falsch beraten – und wollen ihren Bankberater deshalb auf Schadenersatz verklagen. Bislang sei es aber so gut wie unmöglich, ein Verschulden bei der Beratung nachzuweisen, erklärte der Vorsitzende des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (DIAS), Volker Pietsch, in seiner Rede in Berlin. Bankberater stünden nach wie vor unter einem “immensen Verkaufsdruck” und würden nach DIAS-Erkenntnissen häufig gegen den Grundsatz der anlage- und anlegergerechten Beratung verstoßen, so Pietsch.
Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sagte auf dem Anlegerschutztag, ein Geschädigter müsse, um Ansprüche gegen eine Bank geltend zu machen, arglistiges Verhalten nachweisen. Dafür brauche er aber meist Einblicke in interne Unterlagen der Bank, und die Bank gebe Wissen und Beweismittel nicht freiwillig heraus. Eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast sei “längst überfällig”. Der Gesetzgeber müsse “Waffengleichheit” zwischen Anlegern und Banken herstellen. AFP
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.279, Montag, den 01. Dezember 2008, Seite 23
Manche Fragen sind besonders schwierig zu beantworten, zum Beispiel die nach der Schuld. Vertreter des Deutschen Derivate Verbands (DDV) schweigen lange, als genau diese Frage im Raum steht. Lehman-Zertifikate haben die ganze Branche in Verruf gebracht. Das Geld der deutschen Anleger ist wohl weg, weil die US-Investmentbank insolvent ist. Viele Privatanleger sind schockiert, weil sie jetzt erst merken, welche Risiken mit Zertifikaten einhergehen.
Kann man die Emittenten der Produkte dafür verantwortlich machen? Ist ein Sportwagenhersteller mit schuld daran, wenn der Käufer des Autos einen Unfall baut? Ist diese Analogie überhaupt zulässig? Der Derivate-Verband glaubt jedenfalls nicht, dass er sich viel vorzuwerfen hat, räumt aber ein, dass in der Gesellschaft ein Informationsdefizit besteht: Es gab und gibt Zertifikate-Käufer, die nicht genau wissen, worin sie da eigentlich investiert haben.
Deshalb startet der DDV eine durchaus bemerkenswerte Informationskampagne. “Checkliste für Zertifikate-Anleger” nennt sich das Dokument mit 18 Fragen. “Nur solche Anleger, die alle Fragen mit Ja beantworten können, sollten ein Zertifikat kaufen”, sagt Hartmut Knüppel, Geschäftsführender Vorstand des DDV. Die Fragen haben es in sich (Kasten unten). “Kennen Sie die wesentlichen Einflussfaktoren, die sich auf den Wert des Zertifikats auswirken?”, lautet eine. Kaum auszudenken, wenn Günther Jauch dies als Millionenfrage stellen würde. DDV-Chef Knüppel meint, dass Zertifikate eigentlich gar nicht so kompliziert seien. “Das ist keine schwarze Magie, auch Investmentfonds sind im Detail sehr komplex”, so Knüppel.
Der DDV hat die Checkliste zusammen mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) entwickelt. Die Anlegerschützer sehen den Hauptgrund für das Glaubwürdigkeitsproblem der Branche im Vertriebsgeschäft. Viele Finanzberater würden die Zertifikate selbst nicht richtig verstehen und trotzdem anbieten. Gleichzeitig leben Berater von der Verkaufsprovision, die bei Zertifikaten, gerade bei denen von Lehman Brothers, mitunter exorbitant hoch waren, heißt es aus Branchenkreisen. “Diese Checkliste setzt einen Standard”, sagt DSW-Landesgeschäftsführer Klaus Nieding. “Die Berater am Schalter sollten alle diese Fragen mit dem Anleger durchgehen”, fordert der Anwalt. Und da man nie weiß, ob dem Berater diese Handlungsanweisung vorliegt, sollte der Anleger die ausgedruckte Checkliste mit zum Beratungsgespräch nehmen (www.dsw-info.de).
Der Fragenkatalog ist im Großen und Ganzen auch für andere Finanzprodukte wie Investmentfonds tauglich. Er schärft die Skepsis, an der es allerorten mangelt. Deutsche Anleger sind in Sachen Geld generell zu leichtgläubig. Vor dem Autokauf informieren sie sich ausführlich, ganz anders im Finanzbereich. “Sie sehen im Bankberater immer noch den Bankbeamten – dabei ist er ein Verkäufer”, sagt Rechtsanwalt Nieding.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.275, Mittwoch, den 26. November 2008, Seite 21
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