Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Lucas Zeise: Notenbanker an die Leine!
Der Politik ist die Unabhängigkeit der Bundesbank seit Jahrzehnten heilig. Doch mit diesem Grundsatz sollte jetzt Schluss sein.
Diese Art Zentralbankpolitik hat wesentlich zum Finanzboom beigetragen, dessen Crash wir jetzt erleben dürfen. Diese Art Politik abzuschaffen dürfte eine der wichtigsten Lehren aus der Finanzkrise sein. Wie macht man das? Am besten in einem ersten Schritt die bisher so heilige Unabhängigkeit dieser Institutionen abschaffen. Dann das Personal auswechseln. Schließlich kann man danach einer so reformierten Institution im Sinne Webers die Mitverantwortung für die Finanzstabilität auch gesetzlich formal übertragen.
Quelle: FTD
- Der Absturz des Prekariats
Jetzt rächt sich, dass die Binnennachfrage und vor allem der private Konsum, die einen Ausgleich bieten könnten, von der deutschen Wirtschaftspolitik jahrelang sträflich vernachlässigt wurden.
Jetzt schlägt aber vor allem das zurück, was von ihren Verfechtern als große Erfolgsstory verkauft wurde: die Reform des Arbeitsmarkts. Wenn die Flexibilisierung im Aufschwung die Beschäftigung befördert hat, wird sie bei einer Talfahrt der Konjunktur in umgekehrter Richtung wirken und den Abbau von Stellen beschleunigen. Die Prognose der “Wirtschaftsweisen”, die für 2009 von einer nur leicht von 7,8 auf 7,9 Prozent steigenden Arbeitslosenquote ausgehen, dürfte längst Makulatur sein.
Flexibel sollen immer die anderen sein. Die Bundesregierung bleibt demgegenüber starr und verweigert hartnäckig ein umfassendes Konjunkturprogramm. Diese Ignoranz ist wahrhaft alarmierend.
Quelle: FR
- “Gewinn machen und entlassen verträgt sich nicht”
Die Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann, über die Mentalität der Gier und was Investmentbanker vom Apostel Paulus lernen können.
Käßmann: Genau. Gewinn machen und Mitarbeiter entlassen, das verträgt sich nicht. Es gibt eine soziale Verantwortung von Unternehmen.
SZ: Sie sind aber streng.
Käßmann: Ja. Zu mir kam zum Beispiel mal jemand, der wollte seinen Betrieb in die Ukraine verlagern, weil es da billiger ist.
SZ: Das könnte doch gut für die Menschen in der Ukraine sein.
Käßmann: Könnte sein. Aber dem habe ich gesagt, er möge seinen Familiensitz dann doch bitte auch in die Ukraine verlagern. Ich meine, die Leute leben hier, sie profitieren von kostenfreien Schulen, können in jedes Krankenhaus gehen, die Straßen werden saniert, und dann investieren sie woanders und zahlen hier nicht mal Steuern dafür. Das finde ich unsolidarisch.
Quelle: SZ
Anmerkung WL: Das moralische Urteil der Landesbischöfin ist ehrenwert, aber den kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten ist allenfalls mit Gesetzen und nicht mit Moral beizukommen. Schon in der Denkschrift „Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive“ wird in fast allen Kapiteln die „Verantwortung“ beschworen. Der Verantwortung des Unternehmers kann eben nur durch politisch vorgegebene Regeln und gesellschaftliche Gegenkräfte nachgeholfen werden.
- Ein Mann voller Güte und Barmherzigkeit
Der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann hatte angekündigt, keine Staatsgelder in Anspruch nehmen zu wollen und dieses Jahr auf Bonus-Zahlungen verzichten zu wollen. Das ZDF hat in seinem Internetportal einen offenen Brief seines Börsenexperten Frank Zink veröffentlicht, in dem dieser sich kritisch mit der Haltung von Josef Ackermann auseinandersetzt und ihm Heuchelei und Arroganz vorhält.
Quelle: Medrum.de
Anmerkung KR: Den obigen Hinweis bekamen wir von Orlando Pascheit. Und siehe da: Diesen Brief gibt es tatsächlich auch auf den Webseiten des ZDF (so jedenfalls der Status am 24.11.2008 um 22:04 Uhr).
Das scheint auf eine gewisse Entfremdung zwischen zumindest diesem Fernseh-„Börsenexperten“ und Josef Ackermann hinzudeuten.
Davon würden wir gerne noch etwas mehr sehen.
Siehe dazu auch:
Keine Spur von Angst – Ackermann kündigt Rekordgewinne an
«Einige Neupositionierungen und Anpassungen werden notwendig sein, doch wir haben das Potenzial, langfristig die Rekordergebnisse des Jahres 2007 wieder zu erreichen und auch zu übertreffen», schrieb Ackermann Ende vergangener Woche in einem Brief an die Mitarbeiter der Bank.
Quelle: Tagesanzeiger CH
Anmerkung Orlando Pascheit: Mit anderen Worten, Ackermann strebt eine Rendite (Eigenkapitalrendite vor Steuern) von 26 Prozent an. Dabei hatte Ackermann selbst noch im Dezember 2007 in der NZZ die Sucht nach Rendite kritisiert.
- Zahlreiche NRW-Kommunen mit Anlagen bei Lehman Brothers
Zahlreiche Kommunen haben Geld bei der deutschen Tochter der bankrotten US-Investmentbank Lehman Brothers angelegt. Das teilte das NRW-Innenministerium am Montag (24.11.08) auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion mit. Zur Höhe der Anlagen gab es keine Auskünfte. Zu den betroffenen Kommunen gehörten die Städte Düsseldorf, Frechen, Köln, Münster, Troisdorf, Wuppertal sowie die Kreise Borken und Euskirchen. Die Liste sei aber nicht vollständig. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hatte Mitte November das Insolvenzverfahren über die deutsche Tochter der pleitegegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers eröffnet.
Quelle 1: wdr
Quelle 2: report-k.de
Ähnliches kommt aus Baden-Württemberg:
Freiburg ist alleine mit 47 Millionen dabei.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten
Anmerkung B.V.: Das heißt, wir alle tragen nicht nur das Zocker-Risiko für die Spekulanten über das 480-Milliarden-Paket, wir haben quasi über unsere kommunalen Vertreter mitgezockt. Aber die Kassen der Kommunen sind ja derartig leer, dass nicht einmal die überhöhten Strom- und Heizkosten-Rechnungen von ALG2-Empfängern übernommen werden können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass solche finanziellen und auch flächendeckenden Dimensionen ohne privatwirtschaftliche Einflüsterer möglich sind. Aber ich wundere mich nicht wirklich, denn wie sagen Sie immer so schön: “Für Nachdenkseiten-Leser ist das alles nichts Neues.” Eben. Leider.
- Transnet: Mit neuem Chef aus der Krise
Die Bahngewerkschaft Transnet will mit ihrem bisherigen Tarifexperten Alexander Kirchner aus der größten Krise ihrer sechzigjährigen Geschichte steuern. Die Wahl des 52-Jährigen zum neuen Vorsitzenden war bei Redaktionsschluss noch nicht beendet, sie gilt jedoch als unstrittig.
Man werde die Position zur Privatisierung der Deutschen Bahn überprüfen, kündigte Kirchner an. Die zentrale Frage sei nicht, ob und wann der Staatskonzern an die Börse gehe. Entscheidend sei vielmehr, ob die Schiene genug Geld bekomme, um ihre umwelt- und strukturpolitischen Aufgaben zu erfüllen. Solange das nicht sichergestellt sei, “werden wir zu Nichts eine Zustimmung geben”.
Das sind neue Töne, die in Berlin viel Beifall bekommen. Bei der Bahn, deren Chef Mehdorn den Besuch kurzfristig absagte, wird der Gewerkschaftstag mit Argusaugen verfolgt. Falls die neue Transnet-Spitze den Kurs wechseln und künftig die Bahnprivatisierung wie alle DGB-Gewerkschaften bekämpft, können die Bundesregierung und Bahnchef Hartmut Mehdorn die aufgeschobenen Börsenpläne wohl begraben. Denn Transnet stellt nicht nur den Vize-Aufsichtsratschef im Konzern. Über die Mitbestimmung hat die Gewerkschaft auch großen Einfluss.
Quelle: FR
Siehe dazu auch:
Buhrufe für Exchef Hansen
Die Bahngewerkschaft ändert ihren Kurs und kritisiert die Privatisierungspläne. Transnet kämpft mit Mitgliederschwund und seiner schwachen Position in Tarifverhandlungen.
“Falsch ist, dass Mehdorn den Börsengang wie eine Monstranz vor sich herträgt.” Volksvermögen dürfe nicht an russische, saudische oder chinesische Staatsfonds verscherbelt werden: “Das werden wir so nicht mitmachen.” Transnet sieht allerdings schweren Zeiten entgegen. 2007 verlor die Gewerkschaft rund 10.000 Mitglieder, in den ersten neun Monaten 2008 weitere 9.000. Jetzt dümpelt man bei rund 230.000 Mitgliedern herum.
Quelle: taz
Außerdem:
Transnet bleibt bei zehn Prozent
Bahnchef Mehdorn hatte den Besuch auf dem Gewerkschaftstag laut Kirchner kurzfristig abgesagt. Sein Vorstandskollege Norbert Hansen, der bis Mai Transnet geleitet hatte und danach unter heftiger Kritik die Seiten wechselte, wurde von seinen früheren Kollegen mit gellenden Pfiffen begrüßt.
Quelle: FR
- Lobbyismus gut getarnt: Wie Firmen verdeckt die öffentliche Meinung beeinflussen
Lobbyisten vertreten Interessen – von Wirtschaftsunternehmen, aber auch von Umweltverbänden. In Berlin wirken nach groben Schätzungen 5000 Interessenvertreter, die versuchen, dass ihre Anliegen in entsprechenden Gesetzen Beachtung finden. Das ist in einem demokratischen System im Prinzip legitim und normal – solange allen klar ist, wessen Interessen vertreten werden.
Quelle 1: Deutschlandradio (Text)
Quelle 2: Deutschlandradio (Audio-Podcast)
Dazu passt:
Wirtschaftsverbände kämpfen gegen den Machtverlust
Machtwechsel beim BDI: Bau-Manager Hans-Peter Keitel avanciert zum neuen Chef-Lobbyisten der deutschen Industrie. Leicht wird er es nicht haben – die großen Verbände verlieren zunehmend an Einfluss.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung: Korrekter wäre die Überschrift: Lobbyorganisationen, bezahlte Experten, Bosse der Großkonzerne und Wirtschaftsberater haben gegenüber den Wirtschaftsverbänden an Macht gewonnen.
- Arbeitsvertragsrecht à la Bertelsmann
Die Verfasser eines immerhin 149 Paragrafen umfassenden Entwurfs für ein Arbeitsvertragsgesetz, die Kölner Professoren Ulrich Preis und Martin Henssler, scheuen kein Eigenlob: »In der Fachöffentlichkeit stieß der Entwurf nahezu einhellig auf ein überaus positives Echo. Richterschaft und Anwaltschaft begrüßten die systematische Transparenz und Schlüssigkeit des Vorhabens. Die Tragfähigkeit des Ansatzes wurde im April 2007 seitens der Deutschen Gesellschaft für Gesetzgebung durch Verleihung des Preises für gute Gesetzgebung gewürdigt« (so Preis und Henssler im Vorwort zum Entwurf, Stand November 2007, Beilage zur Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 21/2007).
Was steckt hinter dem Projekt? Es handelt sich – wieder einmal – um ein Auftragswerk der Bertelsmann-Stiftung, die mit über 300 Mitarbeitern und (2006) mehr als 47 Millionen Euro aus Gewinnen der Bertelsmann AG (eines der größten Medienkonzerne weltweit) das »Leitbild« verfolgt, »dass unternehmerisches Denken und Handeln entscheidend dazu beitragen, Problemlösungen für die verschiedenen Bereiche unserer Gesellschaft zu entwickeln und erstarrte Strukturen aufzulösen«.
In dieser Ideenschmiede des Neoliberalismus ist man offenbar angesichts der Widerstände in der Bevölkerung bis weit in die SPD hinein gegen Bemühungen, den gesetzlichen Arbeitnehmerschutz immer weiter zu untergraben, auf den Gedanken gekommen, es mit einer Mogelpackung zu versuchen.
Da kaum angenommen werden kann, dass den Professoren Henssler und Preis die ihren Entwurf prägende massive Einschränkung des Arbeitnehmerschutzes – ganz im Sinne der neoliberalen Geldgeber – entgangen ist, liegt nahe, dass mit der irreführenden Darstellung des Entwurfs als »ausgewogen« versucht wird, politisch bis weit in die SPD hinein »Land zu gewinnen«, zumal Preis in der Vergangenheit eher arbeitnehmerfreundliche Positionen bezogen hat.
Maßgeblich aufgrund der Ablehnung durch die DGB-Gewerkschaften dürfte inzwischen klar sein, dass sich die Bertelsmann-Hoffnungen in dieser Legislaturperiode des Bundestages nicht mehr erfüllen werden. Allerdings ist nun damit zu rechnen, dass versucht wird, den Entwurf als längst überfällige moderne, ausgewogene Reform des Arbeitsrechts in den Bundestagswahlkampf 2009 einzubringen und zum Gegenstand einer Koalitionsvereinbarung zu machen. Gelänge dies, würde der Arbeitnehmerschutz in Deutschland großen Schaden nehmen. Es ist also dringlich, den tatsächlichen Inhalt des Entwurfs möglichst vielen Menschen bekannt zu machen – was die Konzernmedien unterlassen. Die Mogelpackung darf nicht Gesetz werden!
Quelle: Ossietzky
- Der politische Streik
Deutschland hat das restriktivste Streikrecht in Europa. Die deutsche Rechtsprechung schränkt das Streikrecht auf Ziele ein, die nur tariflich geregelt werden können. Im europäischen Vergleich sind politische Streiks, die sich gewöhnlich gegen die Regierungspolitik richten, neben Deutschland nur in Dänemark und Großbritannien verboten. In Italien, Frankreich, Spanien, Portugal und Österreich haben in den vergangenen Jahren Generalstreiks oder ähnliche Aktionen stattgefunden, die sich gegen Rentenreformen, Sparpakete oder gegen die Aufweichung des Kündigungsschutzes richteten. In weiteren europäischen Ländern hat es eine Fülle von politischen Streiks bis hin zu Generalstreiks gegeben. Was in vielen anderen Staaten selbstverständlich ist, wird in Deutschland durch Politik und Rechtsprechung unterdrückt. Das faktische Verbot des politischen Streiks widerspricht nicht nur den Interessen der Bevölkerungsmehrheit, sondern auch der Europäischen Sozialcharta. Und die ist schon vor mehr als 30 Jahren von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt worden.
Quelle: welt der arbeit.de (dort der Link „Zeit für politischen Streik!“)
- Renten belasten Konzerne
Die Finanzkrise reißt Löcher in die Betriebsrenten-Kassen. Die Lücke zwischen Pensionsverpflichtungen und dem dafür zur Verfügung stehenden Vermögen wird größer. Betroffen sind ausgerechnet die Konzerne, die Forderungen von Ratingagenturen folgten und ihre Pensionsverpflichtungen auslagerten. Anstatt Rückstellungen in den Bilanzen für ihre Pensionsverpflichtungen zu bilden, haben sie zur Deckung der Rentenpläne Vermögenswerte wie Immobilien und Wertpapiere in Treuhandgesellschaften oder Pensionsfonds ausgelagert.
Quelle: Handelsblatt
- Falsche Moralapostel
Tillich hat seinen genauen DDR-Posten wohl vernebelt. Ist das ein Rücktrittsgrund? Gemessen an der Anmaßung, die historische Moral gepachtet zu haben: Ja. Man kann Tillich aber auch im Amt halten. Man muss dann nur zugeben, dass man die Verlogenheit und Verharmlosung im Umgang mit der DDR, die man der Linkspartei oft zurecht vorwirft, in Wahrheit teilt
Quelle: FR
- Unverträglich sture Frauen
Andrea Ypsilanti hat schwere politische Fehler gemacht. Das allein aber erklärt nicht das unsolidarische Verhalten gegen sie – und auch nicht die Häme, die ihr entgegenschlägt.
Quelle: TAZ
- Clement verärgert über Beschluss
Weil er seine Äußerungen zum hessischen Landtagswahlkampf ausdrücklich bedauerte, darf der frühere Bundeswirtschaftsminister Clement in der SPD bleiben. Die Bundesschiedskommission bekräftigte aber die erteilte Rüge – zum Verdruss des 68-Jährigen.
“Ich halte eine Rüge für unangemessen und falsch“, sagte Wolfgang Clement dem „Handelsblatt“ vom Dienstag. Gleich nach der Urteilsverkündung am Montagabend bekräftigte er außerdem: „Es bleibt dabei, die Energiepolitik der hessischen SPD ist falsch und in einem Industrieland nicht zu verantworten“, und kündigte an: „Ich werde mich auch in Zukunft an der Debatte beteiligen.“
Quelle: Focus
Anmerkung WL: Ein weiterer Erfolg des rechten Flügels der SPD. Das ist uns keines neuen Kommentars Wert, darum siehe Clement:
- Warum ein Richter am Bundessozialgericht versetzt wurde
Prof. Wolfgang Meyer ist der dienstälteste Richter am Bundessozialgericht (BSG). Dort hat er sich mehr als 18 Jahre vor allem mit Entscheidungen zu Ostrenten beschäftigt. Zu seinen richterlichen Entscheidungen gehören Urteile, die DDR-Akademikern, Ingenieuren oder Wissenschaftlern, ehemaligen Reichsbahnern und Postmitarbeitern der DDR höhere Renten bescherten. Dann folgte der Rechtsstreit um die Anrechnung von Unfallrenten auf Altersrenten. Bei der Verrechnung wurden Ostdeutsche schlechter gestellt als Westdeutsche. Im Frühjahr 2006 ging es um Erwerbsminderungsrenten, die Personen beziehen, die jünger als 60 Jahre alt sind. Ihre Rente wurde um mehr als zehn Prozent gekürzt. Das erklärten Meyer und sein 4. Senat für nicht rechtens.
Plötzlich ist der Richter gegen seinen Willen versetzt worden. Prof. Dr. Meyer meint dazu “Ich fühle mich schlichtweg kaltgestellt!” Er glaubt, seine Versetzung hängt mit seinen Urteilen zusammen: “Es könnte durchaus so sein, dass über die anderthalb Jahrzehnte die Rechtssprechung des 4. Senats manchem einfach zu teuer geworden ist.”
Quelle: MDR
- Die Würde des Kindes scheint antastbar
Aus kleinen Menschenwesen sollen schon unternehmerische Roboter werden. Kindliches Denken, Kindisch- und Kindlichsein ist verpönt. Stattdessen sollen sie kalkulieren und abwägen, sollen, anstatt das zu tun, was sie wollen – was ja Ausdruck kindlicher Selbstfindung ist -, berücksichtigen, was ihre Kunden wollen. Zucht und Ordnung von Kindesbeinen an! Einst lernten sie Disziplin unter Tage, heute sollen sie das als Unternehmer tun. Ihre Individualität, der kindliche Spieltrieb, das Erfahren der Welt durch kindliches Spiel folglich – alles dahin, alles nicht mehr zeitgemäß! Die Würde des Kindes bedeutet heute, dem Kind zu garantieren, ein Leben als Erwachsener führen zu können; ein Leben führen zu können, das vollgepackt mit dem Wahnsinn der erwachsenen Welt ist – mit ihrem Wettbewerbsfetisch, mit ihrem lasziven Hang zum freien Markt und mit der Freude an Ausbeutung, ungerechter Verteilung, Unterdrückung und der Beseitigung jeglichen Solidaritätsgedankens. Dies ist pure Reaktion, Rückwärtsgewandtheit, Ewiggestrigkeit. Das Kind ist wieder, wie schon einst, kleiner Erwachsener, geschrumpfte Variante des Ausgewachsenen. Erneut wird konkret, was sich am herrschenden Zeitgeist immer wieder, mehr und mehr, sichtbar macht: Er ist Ausdruck von Rückschritt, beseitigt was jahrzehnte- und jahrhundertelang als Errungenschaft galt. Hinfort mit Arbeitnehmerschutzgesetzen – die gab es früher doch auch nicht; weg mit Freiheitsrechten – quasi als Hommage an die Karlsbader Beschlüsse; und verdammt sei die kindgemäße und beschauliche Kindheit – arbeiten sollen die faulen Bengel, das tat ihnen in früheren Zeiten doch auch gut!
Quelle: Ad sinistram
- Auch Hartz IV-Kinder brauchen Kindergeld!
Tacheles e.V. fordert, die anstehende Kindergelderhöhung nicht von der Sozialleistung von Kindern aus einkommensschwachen Familien abzuziehen.
Wenn die schwarz-rote Bundesregierung im Januar 2009 das Kindergeld erhöht, gehen die ärmsten Kinder der Republik leer aus. Während andere Familien pro Kind 10 Euro und ab dem dritten Kind 16 Euro monatlich mehr in der Tasche haben, wird das Kindergeld beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld und bei der Sozialhilfe als Einkommen des Kindes oder Einkommen des Kindergeldberechtigten angerechnet und die Leistung um die Erhöhung gekürzt. Das was die Kindergeldkasse auszahlt, sparen Bund und Kommunen an Sozialeistungen wieder ein. Ein Nullsummenspiel, auch für diejenigen, die eine Erhöhung am nötigsten bräuchten.
Der Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. fordert deshalb die Bundesregierung auf, bedürftigen Kindern und deren Familien wenigstens die Kindergelderhöhung zu gute kommen zu lassen.
Quelle: Tacheles. e.V.
- Antreten zum Unterricht
Die Bundeswehr braucht Nachwuchs. Deshalb arbeitet sie nun noch enger mit dem Schulministerium in Nordrhein-Westfalen zusammen.
Quelle: Jungle World
- Britische Regierung plant neue Reichensteuer
Das Kernstücke des geplanten britischen Konjunkturprogramms dürfte nach Medienberichten eine einjährige Senkung der Mehrwertsteuer sein. Die Regierung denkt daran, die Mehrwertsteuer von jetzt 17,5 auf 15 Prozent zu senken, um den Konsum zu unterstützen. Das würde dem Staat Mindereinnahmen von etwa 15 Milliarden Euro bescheren, allerdings würde die Senkung der Mehrwertsteuer allen zugute kommen, während von Steuersenkungen nur steuerpflichtige Arbeitnehmer profitieren würden – und hier diejenigen, die mehr verdienen, am stärksten.
Parallel scheint die Labour-Regierung ab 2011 – nach den nächsten Wahlen – eine Reichensteuer einführen zu wollen, um die erwartete Neuverschuldung des Haushalts zu dämpfen, die für 2009 auf etwa 180 Milliarden Euro geschätzt wird. Das allein würde jeden Haushalt mit 12.000 Euro belasten. Wer mehr als 150.000 britische Pfund (etwa 180.000 Euro) jährlich verdient, soll mit einem Spitzensatz von 45 Prozent zur Kassen gebeten werden. Die Steuer würde 300.000 Menschen betreffen und die Einnahmen immerhin um 1,4 Milliarden Euro erhöhen.
Quelle: Telepolis
- Verstaatlichung von Pensionsfonds: Argentinien beerdigt die Börse
Die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner lässt die privaten Pensionskassen verstaatlichen. Damit fließen Milliarden in das staatliche Rentensystem. Für die Börse und den argentinischen Kapitalmarkt ist die Maßnahme eine Katastrophe.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung KR: Auch in Argentinien hat die private Altersvorsorge nicht funktioniert. Die Beiträge der Rentner müssen mit einer Notmaßnahme gerettet werden.
- Das IWF-Vorzeigemodell Türkei stürzt ab
Keine Pleite – kein Problem: Weil im Land keine Bank bankrottging, sah die türkische Regierung keine Krise. Doch die Zahl der Arbeitslosen steigt, Investoren ziehen ihr Kapital ab. Nun soll der Internationale Währungsfonds helfen
Quelle: taz
- Bangladesch: Geiz ist gefährlich
Discounter und Markenartikler lassen in Bangladesch zu unmenschlichen Bedingungen produzieren. Die Marken heißen Puma, Lidl, KiK oder H&M. Korshed Alam, Mitglied der bengalischen Nichtregierungs-Organisation AMRF, befragte mehr als 130 Arbeiterinnen und Arbeiter in sechs Fabriken, die für Lidl und KiK produzieren. Die Liste der Verstöße gegen nationales Arbeitsrecht und den Verhaltenskodex der beiden Firmen ist lang. Zu den genannten Missständen fügen sie hinzu: Es gebe kaum schriftliche Arbeitsverträge, wer krank wird, verliere den Job, die Arbeiterinnen müssten bei Kontrollbesuchen lügen, die die Einhaltung des Arbeitsrechts und der Verhaltenskodizes prüfen sollen, und in keiner der Fabriken gebe es eine Gewerkschaft oder einen Betriebsrat. Nach Informationen der Kampagne für saubere Kleidung liegt das Problem nicht so sehr im Management der Fabriken, sondern bei den Auftraggebern. “Wenn KiK höhere Preise zahlt, dann könnten die Auftragnehmer vor Ort auch höhere Löhne zahlen.” Stattdessen drohten die großen Unternehmen auch auf politischer Ebene, sich aus dem Land zurückzuziehen, falls die Löhne angehoben werden. Deshalb sei die Politik eher arbeiterfeindlich. So verbot die Regierung im Jahr 2006 Streiks.
Quelle: FR
- Die im Dunkeln sieht man nicht
Die Welt sorgt sich wegen Piraterie am Horn von Afrika um Öltanker und ignoriert die Not der somalischen Bevölkerung.
Quelle: Junge Welt
- Aus vier mach eins – WAZ-Konzern will Zeitungsredaktionen zusammenlegen und eindampfen
Angesichts der Anzeigenkrise müsse man »den Leuten auf dem Sonnendeck sagen, dass sie ihre Liegestühle und Drinks beiseitestellen müssen«, zitiert der Spiegel Bernd Buchholz, Chef der deutschen Zeitschriften bei Gruner + Jahr. Mit diesen Worten soll Buchholz Ende vergangener Woche auf einem Verlegertreffen die Kündigung von 110 Journalisten in München und Köln kommentiert haben. Es handelt sich dabei um die kompletten Redaktionen der Wirtschaftsblätter Capital, Impulse und Börse Online. Ebenfalls Ende vergangener Woche berichtete die Frankfurter Rundschau, dass es auch bei der Süddeutschen Zeitung »knapp 100 Redakteure erwischen« könnte. Bei der WAZ-Mediengruppe, mit rund 500 verlegten Titeln in neun europäischen Ländern das drittgrößte Verlagshaus Deutschlands, stehen ebenfalls Entlassungen im großen Stil an.
Von den fraglichen Blättern soll angeblich nur noch die WAZ schwarze Zahlen schreiben, rechtfertigte der Sprecher des Essener Medienimperiums, Paul Binder, Ende Oktober das geplante »Sparpaket«. Zum Abbau der Verluste wäre ein »deutlicher Personalabbau« unvermeidlich.
Quelle: junge Welt
- Tipp:
Sylvesterpremiere: “Die Spitzeder” von Martin Sperr. Brachiales Volkstheater über das Geld aus fremden Taschen, ausgezeichnet mit dem Mühlheimer Dramatiker-Preis. Kein Volksstück der jüngeren Dramatik ist so sehr geeignet, die Turbulenzen der Finanzwelt so komödiantisch, spitz und unterhaltsam auf die Bühne zu bringen wie „Die Spitzeder“. Als „Vorgriff auf die freie Kapitalwirtschaft“ (Der Spiegel) deutet Sperr die Schwindeleien der Kaufmannsfrau Spitzeder, die als „Engel der Armen“ vom Volk gefeiert wurde. Die „Spitzeder’sche Privatbank“ wurde innerhalb kürzester Zeit vom Geheimtipp zum Großunternehmen. Spitzeder bestach Redakteure mit bis zu fünfstelligen Beträgen für ein positives, mediales Feedback (Rating).
Bauern verkauften ihre Höfe, weil sie glaubten, von den Zinsen leben zu können. In knapp zwei Jahren wurden 31.000 Bürger um Hab und Gut geprellt. Nicht wenige davon begingen Suizid. Ganze Gemeinden waren ruiniert. Als Konkursverwalter trat die Bayrische Hypotheken- und Wechselbank auf, ein Vorläufer der heutigen Hypo Real Estate, und man darf davon ausgehen, dass im Hause viel von Adele Spitzeder gelernt wurde. Wie sagte noch Herr Brecht: Bankraub: eine Initiative von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.
Alle Informationen unter www.spitzeder.de