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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. November 2008 um 9:12 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • Zum Finanzgipfel: Das wichtigste Ziel verfehlt
  • Jetzt der New Deal – nicht nur in den USA!
  • Bankelite im Büßerhemd
  • Citigroup streicht 50.000 Stellen
  • Handel mit Kreditrisiken geht trotz Finanzmarktkrise munter weiter
  • Die nächste Bilanzbombe tickt
  • Adolf Merckle verzockt eine Milliarde mit VW-Aktien und verhandelt über eine Staatsbürgschaft
  • Europa drängt auf Privatisierung
  • Leistungen für die Allgemeinheit belasten gesetzliche Krankenversicherung
  • Miese Noten für Gesundheit der Deutschen
  • Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden
  • Autos ohne Kunden
  • Die Kehrtwende der Bahn
  • Weniger Spielraum für Jobcenter
  • BKA-Gesetz
  • Özdemir bereitet auf Schwarz-Grün vor
  • Die erschöpfte Republik
  • Staffelt (SPD) wird Lobbyist für Luftfahrtkonzern
  • Bertelsmann mischt sich bei Obama ein
  • Hauptschulstudie
  • VOX: „Mein Restaurant“

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Sebastian Dullien: Das wichtigste Ziel verfehlt
    Einen “historischen Gipfel” nennt die Politik das G20-Treffen in Washington. Der verabschiedete Aktionsplan enthält einen bunten Strauß von Maßnahmen. Eine Antwort auf die drohende weltweite Rezession bleiben die Staats- und Regierungschefs aber schuldig. Selten war ein Abschlusskommuniqué eines Treffens der wichtigsten Industriestaaten so ausführlich wie das Dokument, das an diesem Wochenendeauf dem G-20-Gipfel in Washington verabschiedet wurde. Und schon lange nicht mehr hat ein Kommuniqué solch detailierte Vorhaben enthalten. Mehrere Seiten füllen Ideen, wie man die Finanzmärkte künftig besser im Griff haben will: Praktisch alle wichtigen Teilnehmer von Rating-Agenturen über Hedge-Fonds bis zu Banken sollen künftig besser überwacht und kontrolliert werden. Zur Finanzpolitik heißt es, die Länder sollten Maßnahmen verabschieden, die schnell die inländische Nachfrage ankurbelten – also Staatsausgaben erhöhen oder Steuern senken.

    Länder, die wie mit soliden Staatsfinanzen und riesigen Handelsüberschüssen eigentlich Spielraum für großzügigere Konjunkturprogramme hätten und damit die Weltwirtschaft stützen könnten, aber aus innenpolitischen Gründen davon absehen, haben auch nach dem G-20-Gipfel keinen Anlass, ihr unkooperatives Verhalten zu ändern. Deutschland ist so ein Fall
    Quelle: Stern-online

  2. Jetzt der New Deal – nicht nur in den USA!
    Bis vor kurzem noch wurde der Begriff New Deal in Deutschlands Wirtschaftsmagazinen bestenfalls als museumsreifes Fossil belächelt. In den gleichgetakteten Medien von ARD bis ZDF wurden staatliche Initiativen jahrzehntelang als “retro”, “out of time”, also als rückstandig verunglimpft.

    Immer klarer wird: Mit reiner Kosmetik und Symptombekämpfung ist die Krise nicht zu meistern. Ein radikales Umdenken, ein deutscher New Deal steht auf der Tagesordnung. Das heißt auch in Deutschland, eine deutliche In-die-Pflichtnahme der Millionäre im Lande, so wie Obama sie in den USA plant, also eine spürbare Anhebung der Reichensteuer für große Vermögen ab einer Million Euro aufwärts, eine progressive Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Krösusse ab 500.000 Euro Einkommen jährlich.

    Eine Anhebung auf 3 Prozent würde jährlich rund 55 Millliarden Euro in die Staatkassen spülen und wäre für beschäftigungsintensive Projekte und für Aufträge an heimische Betriebe zwecks Verbesserung der Infrastruktur abrufbar.
    Quelle: Linkszeitung

  3. Bankelite im Büßerhemd
    Auf einer Finanzkonferenz in Frankfurt haben sich Deutschlands Topbanker mit Selbstkritik übertroffen. Am weitesten trieb es Deutsche-Bank-Chef Ackermann, der sagte, sich in Aufsichtfragen “vom Saulus zum Paulus” gewandelt zu haben.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Statt Bankelite im „Büßerhemd“ wäre die Überschrift „Wolf im Schafspelz“ angemessener. Oder: Solange die Banker auf den Staat angewiesen sind, müssen sie eben Kreide fressen. Aber der Wolf wird schon wieder sichtbar, bevor überhaupt irgendwelche Regeln aufgestellt sind, wird schon wieder gewarnt: “Mehr Regulierung ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit besserer Regulierung. So sehr der derzeitige Reformeifer auch gerechtfertigt und begrüßenswert ist – er sollte nicht in eine Überregulierungswut umschlagen.”

  4. Citigroup streicht 50.000 Stellen
    Die US-Großbank will “in naher Zukunft” nur noch 300.000 Menschen beschäftigen, 75.000 weniger als Ende 2007. Sie gehört zu den größten Opfern der Finanzkrise. Die Bank will sich früheren Plänen zufolge zudem von großen Konzernteilen trennen. In Deutschland verkaufte sie bereits ihr Privatkundengeschäft.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung WL: Und wo bleibt nach dem Bankenschirm der Beschäftigtenschirm. Vielleicht wird wenigstens auch die Stelle des Citigroupberaters und ehemaligen Superministers Clement gestrichen.

  5. Handel mit Kreditrisiken geht trotz Finanzmarktkrise munter weiter
    Der Handel mit Kreditrisiken verzeichnete in den vergangenen Jahren massive Zuwächse. Der Nominalwert gehandelter Kreditderivate war nach Angaben der ISDA, also der International Swap Dealer Association, in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres bis auf 62 Billionen Dollar gewachsen.

    Im Rahmen der Kreditkrise und der durch die Bankenpleiten verursachten Turbulenzen ging es in der ersten Hälfte des laufenden Jahres zwar zurück auf 54,6 Billionen Dollar. Allerdings ist der Markt weiterhin sehr aktiv. Das zeigt sich an Daten, die neuerdings von der amerikanischen Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) veröffentlicht werden.

    Danach hatten die Marktteilnehmer in der Woche bis zum 31. Oktober insgesamt knapp 2,5 Millionen Kreditderivate mit einem Nominalwert von 33,56 Billionen Dollar gehandelt. 88,4 Prozent der Geschäfte wurden unter den professionellen Händlern selbst gehandelt, lediglich 11,6 Prozent der Kontrakte gingen im Kundengeschäft über den virtuellen Tresen.
    Quelle: FAZ.Net

    Anmerkung WL: Warum sollte der Handel mit Kreditrisiken auch einbrechen, wenn die Händler damit rechnen können, dass die Staaten für die Verluste bürgen. Da stellen allein die USA 700 Milliarden Dollar und Deutschland mit 500 Milliarden Euro einen Bankenschirm bereit und unterhalb des Schirmes wird mit zweistelligen Billionen (!)- Beträgen munter weiter gezockt. Offenbar ist beliebig viel Geld da um solche Kettenbrief-Spiele weiter zu machen und der Steuerzahler darf für die Risiken gerade stehen. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.

  6. Die nächste Bilanzbombe tickt
    In Rezessionszeiten guckt man gern auf das Kurs-Buch-Verhältnis. Wenn man das Eigenkapital allerdings um den Firmenwert korrigiert, sieht es bei vielen Dax-Werten düster aus.

    Die Industriefirmen können von Glück sagen, dass sich das breite Interesse für Bilanzqualität zur Jahrtausendwende auf die Technologiewerte konzentrierte und jetzt auf die Finanztitel verlagert. Denn von Qualität kann man bei vielen von ihnen nicht mehr reden. Auch hier war das Credo oft, jede Art von Gewinn, auch buchhalterischen, möglichst schnell auszuweisen und gewisse Aufwendungen zu strecken oder völlig zu negieren. Damit haben viele Firmen heute weniger Speck als früher in den Büchern.

    Das Ergebnisglätten, was in guten Zeiten den Aufbau von ausgewiesenen sowie versteckten Reserven mit sich brachte, ist der angelsächsischen Hurra-Bilanzierung geopfert worden (…)

    Und heute reichen teilweise schon ein, zwei Quartale in den Miesen, um die Firmen in die Knie zu zwingen.Kaum eine andere Bilanzierungsnorm hat jedoch dazu beigetragen, dass die Bilanzen heute sehr viel mehr Schein als Sein sind, als die Behandlung des Firmenwerts.

    Ein Blick auf die Bilanzqualität der nichtfinanziellen Dax-Werte lässt einen da erschrecken. Regelmäßig wird die Eigenkapitalquote nach Abzug des Firmenwerts mehr als halbiert (Adidas, BASF, Eon, Telekom, Thyssen), ab und zu gar mehr als gedrittelt (Henkel, Metro, SAP, Siemens), wobei die beiden Letztgenannten immerhin noch auf eine korrigierte Eigenkapitalquote von elf Prozent kommen. Zieht man, noch konservativer, alle immateriellen Vermögensgegenstände vom Eigenkapital ab, so ergibt das bei Bayer, Post, Telekom, FMC und Linde einen negativen Saldo, während man für RWE eine Null errechnet. Potenzielle Anleger sollten genügend Goodwill mitbringen.

    Da ist die deutsche Industrie ja bestens für eine Rezession gewappnet. Hoffen wir, dass keine dieser Firmen liquidiert werden muss.
    Quelle: FTD

  7. Adolf Merckle verzockt eine Milliarde mit VW-Aktien
    Deutschland, deine Milliardäre, es geht ihnen nicht gut. Adolf Merckle ist fünftreichster Deutscher. Der Ulmer Selfmade-Unternehmer, dem unter anderem Deutschlands größter Generika-Hersteller Ratiopharm gehört, hat auf fallende VW-Kurse gesetzt und eine Milliarde verloren.

    Es gibt derzeit viele Beispiele, wie Milliardäre ihre Milliarden verlieren. An ihrem Lebensstandard wird das wahrscheinlich nicht allzu viel ändern, aber sie haben im Moment Stress. Madeleine Schickedanz verlor Milliarden, als der Konzern Arcandor – früher Karstadt-Quelle – über 90 Prozent seines Werts einbüßte und sie auf dem Weg nach unten noch viel Geld aus ihrem übrigen Vermögen einschoss, weil sie ihren Vorstandsvorsitzenden Thomas Middelhoff wohl für einen Magier hielt.

    Im Moment richten sich die Augen auf Maria-Elisabeth Schaeffler. Der Familienkonzern aus Herzogenaurach, auch er bekannt durch seine konservative, traditionelle Haltung, geriet durch die Übernahme von Conti in die Schlagzeilen und siegte über den Abwehrkampf des Managements und der Gewerkschaften. Ein bitterer Sieg. Anschließend kam die Finanzkrise. Schaeffler hatte 75 Euro pro Aktie geboten. Dieser Preis steht fest. Wenn die EU ihr Okay für die Übernahme gibt, wird die Zahlung fällig. Was Schaeffler jetzt hinauszögern will: Die Aktie sank zwischenzeitlich auf 27 Euro und stand gestern bei knapp 39. Zahlen muss die Schaeffler-Familie trotzdem 75 Euro. Berichten zufolge verursacht die Übernahme zehn Milliarden Euro Schulden, die, zusammen mit anderen Schulden, ein explosives Gemisch ergeben.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Wie gewonnen, so zerronnen. Wer solche Milliardenvermögen anhäuft, hat das durch Spekulation oder Firmenübernahmen und ihre nachträgliche Ausfledderei gemacht und nicht (real) erwirtschaftet. Man kann eben im Casino nicht immer gewinnen. Aber angeblich verhandelt Merckle schon über eine Staatsbürgschaft, das ist nur konsequent, denn alle Bankenzocker bekomme diese ja auch.

  8. Europa drängt auf Privatisierung
    Bei der Liberalisierung und Privatisierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge spielt die EU eine entscheidende Rolle: Sie dehnt ihre Regelwerke für die Privatwirtschaft auf immer weitere Teile der Gesellschaft aus.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
  9. Leistungen für die Allgemeinheit belasten gesetzliche Krankenversicherung
    In den vergangenen Jahrzehnten hat die gesetzliche Krankenversicherung immer mehr Aufgaben übernehmen müssen, für die sie eigentlich gar nicht zuständig ist. Eine neue Studie zeigt: Wäre das nicht so, könnte der Beitragssatz von jetzt 14,9 auf 10,35 Prozent gesenkt werden.
    Quelle: Böckler Impuls 18/2008
  10. Miese Noten für Gesundheit der Deutschen
    Gesund und fit alt werden? In Deutschland ist das schwierig, wie eine aktuelle Studie nahe legt: Wer hierzulande 50 Jahre alt ist, hat im Durchschnitt nur noch rund 13 gesunde Jahre vor sich. In der EU liegt Deutschland damit im unteren Mittelfeld – noch hinter einigen osteuropäischen Staaten. Beim Spitzenreiter Dänemark sind es dagegen fast 24 Jahre. Im direkten Vergleich mit den großen und bevölkerungsreichen EU-Staaten Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien schneidet Deutschland bei den so genannten gesunden Lebensjahren über 50 (GLJ) sogar am schlechtesten ab.

    Als wesentliche Einflussgrößen auf die gesunden Jahre über 50 machten die Forscher das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und anteilig daran die Ausgaben für Gesundheit und Pflege im Alter aus. So kann die Spanne der glücklichen Jahre um ein Jahr erhöht werden, wenn der Anteil der Gesundheits- und Pflegeausgaben für Ältere am Bruttoinlandsprodukt um einen Prozentpunkt ansteigt.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Siehe dort die interessante Tabelle.
    Vielleicht liegt die Ursache, dass die Deutschen früher als ihre westlichen Nachbarn krank werden, einfach auch darin, dass die Menschen bei uns mehr „abgearbeitet“ sind. Im Durchschnitt also mit 63 Jahren krank und dennoch wurde das Rentenalter auf 67 hoch gesetzt.

  11. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden
    Neue Studie über die Lebensbedingungen von ALG-II-Empfängern erschienen. Regelsatz viel zu niedrig. Ein Gespräch mit Frank Zach Sekretär beim Landesvorstand des Deutschen Gewerkschafts­bundes (DGB) in Baden-Württemberg.
    Quelle: junge Welt
  12. Ulrike Herrmann: Autos ohne Kunden
    Profitable Opel-Werke, Desaster bei GM: Diese so klare Täter-Opfer-Geschichte überzeugt nicht mehr, sobald man sich die Monatsstatistiken des Kraftfahrt-Bundesamtes ansieht. Dort zeigt sich dann, dass auch Opel in einer tiefen Absatzkrise steckt. Die Neuzulassungen im Oktober beliefen sich auf minus 16,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Andere Konzerne wurden vom Abschwung längst nicht so stark getroffen: VW verbuchte einen Rückgang von 4,6 Prozent, bei Mercedes waren es nur minus 1,6 Prozent.

    Man kann die Opel-Geschichte also auch anders erzählen: Die Staatsbürgschaften würden ein schlecht geführtes Unternehmen päppeln – zu Lasten der Konkurrenz.

    Die deutsche Krisenpolitik setzt an der falschen Stelle an. Sie fördert einzelne Unternehmen und Branchen – aber wo sollen die Kunden herkommen? Die Binnennachfrage wird nicht gestärkt, denn das Konjunkturpaket beläuft sich auf mickrige 6,5 Milliarden Euro jährlich.
    Quelle: taz

  13. Die Kehrtwende der Bahn
    Der Staatskonzern schlägt eine neue Tonlage an. Bisher hat Konzernchef Hartmut Mehdorn die Zukunft des Konzerns bevorzugt in rosaroten Farben gemalt. Doch nach der vorläufigen Absage des umstrittenen Börsengangs wegen der Finanzkrise und wachsender Risiken bröckelt offenbar die Fassade des weltweit zweitgrößten Transportkonzerns.

    Aktuelles Indiz dafür ist ein Schreiben von Personalvorstand Norbert Hansen, das dieser Zeitung vorliegt. Der vormalige Chef der Bahngewerkschaft Transnet, der im Mai die Seite wechselte, räumt darin ein, der Konzern sei “in seinen Kernaktivitäten” von der Finanzkrise und der Rezession betroffen. Die Rahmenbedingungen hätten sich verschlechtert. Dadurch gebe es erhebliche Risiken für “unsere wirtschaftliche Position in 2009 und darüber hinaus”.

    Erstens lässt der weltweite Konjunktureinbruch die wichtigste Ertragssäule des Staatskonzerns wackeln, die Logistik und den Güterverkehr. Hier hat die Bahn massiv investiert: Sie hat den US-Logistiker Bax, die Lkw-Spedition Schenker sowie Gütertransporteure in halb Europa aufgekauft. Ein sinkendes Frachtvolumen im Zuge der Rezession trifft den Konzern daher mit voller Wucht.

    Zweitens hat die Bahn im Personenverkehr so große Sicherheits- und Qualitätsprobleme mit ihren Zugflotten wie nie zuvor. Im Fernverkehr verursachen die bisher beispiellosen Rückruf- und Prüfaktionen wegen Rissen an ICE-Achsen Einnahmeausfälle und hohe Kosten. Mehrere Unfälle von ICE-Zügen rücken zudem die Wartung und das Katastrophenmanagement des Konzerns in schlechtes Licht. Im lukrativen Regionalverkehr wiederum verliert der Ex-Monopolist bei den zunehmenden Ausschreibungen immer mehr Aufträge an Konkurrenten.
    Quelle: FR

    Anmerkung WL: Es kann sich bei dieser Warnmeldung natürlich um den üblichen Trick der Arbeitgeberseite handeln, die Zukunft düster auszumalen. Der ehemalige Transnet-Gewerkschafter und jetzige Personalvorstand Hansen, weiß ja wie man Gewerkschaften in die Knie zwingt. Sollte es aber nicht nur um Stimmungsmache handeln stimme ich der nachfolgenden Anmerkung zu.

    Anmerkung Orlando Pascheit: Natürlich hat Mehdorn vor dem Scheitern des Börsengangs, den gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Trend ausgeklammert, der den Einbruch von Logistik und Güterverkehr mehr als wahrscheinlich macht, ebenso wie der Zuwachs im Personenverkehr etwas mit den Anstieg des Benzinkosten zu tun hatte. Daß eigentlich Unfaßbare ist, daß die dem Allgemeinwohl verpflichtete Bundesregierung die Verantwortung Mehdorns für die katastrophale Sicherheitsprobleme der Bahn ignoriert und ihn nicht schon längst vor die Tür gesetzt hat. Die Expansion der Deutschen Bahn zum weltweit agierenden Logistikkonzern dürfte den total abgehobenen Globalisierungsfetischisten neoliberaler Prägung wahrscheinlich ausnehmend gut gefallen haben. Daß damit ein extrem konjunkturempfindliches Moment den Ertrag der Bahn dominiert, geht der Regierung wohl erst jetzt auf. Diese sollte sich endlich darauf besinnen, der deutschen Bevölkerung einen preiswerten und sicheren Personen- und Güterverkehr zu garantieren, wie es die Schweiz vormacht. Diese hat gerade ihre Fahrpläne ausgeweitet (!).

  14. Weniger Spielraum für Jobcenter
    Den Dschungel der Maßnahmen zu lichten – das ist das Ziel der Reform der “arbeitsmarktpolitischen Instrumente”. Gemeinden, die Arbeitslose in Eigenregie betreuen, protestieren dagegen.

    Das neue Gesetz bedeute mehr zentrale Steuerung der Jobförderung durch die Bundesagentur für Arbeit und damit für viele Maßnahmen “den Todesstoß”.Die geplanten Neuregelungen gingen vielmehr “völlig an den dringlichsten Problemen vorbei”, meint Martin Künkler von der Koordinierungsstelle. So müssten die 1-Euro-Jobs in ihrer heutigen Form abgeschafft und in reguläre Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Eine Evaluation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsbildung kam kürzlich zu dem Schluss, dass 1-Euro-Jobs gerade für die unter 25-Jährigen die Beschäftigungschancen auf dem Arbeitsmarkt nicht erhöhen.

    Mit dem neuen Gesetz werden die bisherigen ABM abgeschafft, deren Zahl sich bereits stark verringert hat. Auch die Personalserviceagenturen, eine Art Leiharbeit via Jobcenter, soll es nicht mehr geben. Die “Jobrotation”, bei der ein Beschäftigter in eine Weiterbildung wechselte, während ein Erwerbsloser zeitweise auf die Stelle rutschte, wird gleichfalls nicht mehr gefördert.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Bis auf Hartz IV werden all die wirkungslosen „Instrumente“ der Hartz-Gesetze wieder kassiert. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Arbeitsmarkt-„Reformen“ gescheitert sind, dann liefert ihn die Bundesregierung mit diesem Gesetz selbst. Es merkt nur kaum einer.

  15. Heribert Prantl: Einen Orden für den Bundesrat
    Das BKA-Gesetz ist kein Segen. Im Gegenteil. Wer immer das Gesetz zum Scheitern bringt: Er macht sich verdient um den Rechtsstaat.Es stimmt nicht, dass dieses Gesetz die Privat- und Intimsphäre schützt so gut es nur geht. Im Gegenteil: Noch nie gab es in der Bundesrepublik so weitreichende Möglichkeiten zur Rundum-Überwachung des Bürgers, wie sie auf der Basis dieses Gesetzes möglich werden.

    Es stimmt auch nicht, dass dieses Gesetz penibel mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgeht. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber lässt Grundrechtseingriffe erst einmal auf breiter Front zu und glaubt, es reiche aus, wenn diese Eingriffe später von vielen Leuten besichtigt und kontrolliert werden. So hat sich Karlsruhe den Grundrechtsschutz nicht vorgestellt.
    Quelle: SZ

    Siehe auch:

    Aufrechte Sachsen
    Die sächsische SPD will das BKA-Gesetz im Bundesrat stoppen. Dafür verdient sie Dank und Unterstützung.
    Quelle: Zeit Online

  16. Özdemir: Es kann im Einzelfall durchaus sein, dass man grüne Inhalte besser mit Schwarz als mit Rot umsetzen kann
    In Hamburg sieht es nach einer Win-Win-Situation für beide aus. Entscheidend ist, dass die grüne Handschrift erkennbar ist.
    Quelle: Passauer Neu Presse

    Anmerkung WL: Immerhin wissen wir jetzt was mit dem neu gewählten Özdemir von den Grünen auf uns zukommt. In Hamburg sieht die Win-Win-Situation so aus, dass die GAL ihre Kernforderung aus dem Wahlkampf in Sachen Kohlekraftwerk aufgibt. Der Gewinn liegt wohl darin in der Regierung zu sitzen. Grüne FDP eben.

  17. Carmen Everts, MdL: Mandatskandidatur durch Sofortmaßnahme der Partei verhindert
    Die SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Carmen Everts, Wahlkreis Groß-Gerau II (Hessen), stellte am Samstag zur Frage der Mandatsbewerbung klar: Ich habe auf meine Mandatsbewerbung nicht aus freier Entscheidung verzichtet, sondern werde von vorne herein daran gehindert. Durch das Ausschlussverfahren des SPD-Bezirks Hessen-Süd mit der sofortigen Aberkennung der Mitgliedsrechte kann ich mich bei dieser Landtagswahl weder für die SPD um ein Mandat bewerben noch auf Parteitagen für einen anderen Kurs bei der Landtagswahl reden oder abstimmen (…)

    Ich kritisiere deshalb scharf, dass der problematische Ausgrenzungskurs meiner Partei meine Mandatskandidatur schon im Vorfeld verhindert, bevor ich überhaupt eine Entscheidung für oder gegen eine erneute Bewerbung treffen oder mich mit Unterstützern meiner Kandidatur in der Partei besprechen konnte. Dies halte ich für höchst undemokratisch, denn eine Kandidatur ist mir derzeit unmöglich. Im Übrigen wirft dies ein auch rechtlich problematisches Licht auf eine freie Kandidaten- und Listenaufstellung in der hessischen SPD. Artikel 76 Abs. 1 der Hessischen Landesverfassung sichert die Wählbarkeit und freie Mandatsausübung mit folgenden Worten: „Jedermann ist die Möglichkeit zu sichern, in den Landtag gewählt zu werden und sein Mandat ungehindert und ohne Nachteil auszuüben.“ Ich frage mich, was das freie Mandat in meiner Landespartei noch zählt, wenn ich als sozialdemokratische Abgeordnete aufgrund meiner verfassungsgemäßen Mandatsausübung keinerlei Recht mehr zur erneuten Bewerbung als SPD-Wahlkreisbewerberin habe.
    Quelle: Frankfurt Live

    Anmerkung WL: Frau Everts posiert mal wieder in der Rolle der Wahrerin der Verfassung. Warum kandidiert sie eigentlich nicht als unabhängige Kandidatin. Das verwehrt ihr niemand, dann könnte man auch erkennen, wie viel Zustimmung sie erfährt.

  18. Die erschöpfte Republik
    Die Deutschland AG ist passé, der Sozialstaat ermattet, den Politikern sind die Hände gebunden: ernüchternden Befunde einer Tagung von Soziologen, Historikern und Genderforschern in Hamburg.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Wir weisen auf diesen Beitrag nur hin, weil er belegt, wie sehr unsere Historiker und Soziologen nur noch dazu in der Lage sind, die neoliberale Welt zu erklären und wie wenig sie noch eine kritische (wissenschaftliche) Distanz oder gar die (schlechte) Wirklichkeit transzendierende Forschungsansätze haben. In ihrer Rat- und Theorielosigkeit findet sich bei ihnen allenfalls noch schlechtes Feuilleton.

  19. Staffelt wird Lobbyist für Luftfahrtkonzern
    Mit Ditmar Staffelt verabschiedet sich einer der bekanntesten Berliner Sozialdemokraten nach mehr als 30 Jahren aus der Politik und wird Lobbyist. Der 59-Jährige legt sein Bundestagsmandat nieder und wird ab 1. Januar 2009 Vorstandsbeauftragter für Politik und Regierungsangelegenheiten beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Das teilte der Konzern mit. Der Neuköllner war bis 2005 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt.
    Quelle: Berliner Morgenpost

    Anmerkung WL: Die Drehtür dreht sich weiter. Als ehemaliger Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt hat er sich das Dankeschön von EADS sicher verdient. Wie ist doch noch unsere These: Bei politischen Entscheidungen sollte man immer zuerst danach fragen, wer früher oder später daran verdient.

  20. Bertelsmann mischt sich ein: “Ringen der großen Mächte”
    Die Bertelsmann-Stiftung legt der künftigen US-Administration einen außenpolitischen Forderungskatalog vor. Ein “Briefing Book”, das in der vergangenen Woche in Washington präsentiert worden ist, fasst der Stiftung zufolge die “Politikempfehlungen für den neuen US-Präsidenten und sein Team aus europäischer Sicht zusammen”. Es behandelt sämtliche zentralen Themen der aktuellen Weltpolitik – von den Kriegen in Afghanistan und Irak bis zur Finanzkrise – und verlangt von den Vereinigten Staaten eine deutliche Aufwertung der EU. Die Regierung in Washington müsse in Zukunft “den richtigen Ton finden”, umschreibt die Bertelsmann-Stiftung die deutsch-europäische Forderung nach stärkerer Einflussnahme. In eine ähnliche Richtung zielt ein Papier der EU-Außenminister, das ebenfalls an die neue US-Administration gerichtet ist. Auch darin steht eine stärkere Machtbeteiligung Europas im Mittelpunkt. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen kooperiert die EU mit Moskau. Die verlangte Aufwertung der EU führt zu einer Verschärfung bewaffneter Konflikte: Die EU-Außenminister kündigen ihre zunehmende Kriegsbereitschaft an. Der vor allem von Berlin betriebene Kampf um seine zukünftige Großmachtrolle findet im Schatten neuer Zusammenbrüche der Realwirtschaft statt.
    Quelle1: German-Foreign-Policy
    Quelle 2: A European Briefing Book for Barack Obama

    Anmerkung WL: Da wir die Obama-Mannschaft aber glücklich sein, dass ihm nun auch noch Bertelsmann seinen Rat anbietet. Es reicht offenbar noch nicht, dass schon die europäischen Außenminister, nach der Pfeife der Gütersloher tanzt.

  21. Hauptschul-Studie: „Dumm, unsozial, faul“ – selbst erfüllende Prophezeiung
    Knigge befragte nun rund 900 Hauptschüler in Berlin, wie die Gesellschaft sie wahrnimmt. Ihre Antwort lässt kräftig schlucken: Dumm, faul, unsozial. So, glauben sie selbst, urteilen andere über sie. “Hirnamputiert und nicht in der Lage, irgendwas zustande zu bringen.” So bringt es einer der befragten Schüler auf den Punkt. “Eigentlich reicht die Skala negativer Beurteilungen, wie sie in meiner Befragung vorgegeben waren, gar nicht aus”, hat Knigge beobachtet. “Sie hätte nach Einschätzung der Hauptschüler noch viel weiter gehen können.”

    Seine Studie zeigt: Je stärker Hauptschüler von ihrem negativen Außenbild überzeugt sind, umso geringer ist ihre Motivation, sich in der Schule zu engagieren und zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, aber auch die Freude auf die Schule. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit wird das Stigma vom schlechten Schüler zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
    Quelle: FR

  22. Peter Hahnes Scheinsolidarisierung
    Der „fortschrittliche“ Peter Hahne, der ganz gegenteilig zur üblichen BILD-Manier, die Schüler nicht ausschimpft, sondern sie als Stolz des Landes hinstellt, versucht in ganz hinterlistiger Art und Weise die wahren Problematiken zu vertuschen und die Motive der Demonstrierenden zu verharmlosen.
    Quelle: ad sinistram
  23. VOX
    Da werden Leute vom Sender angestiftet, ein Restaurant zu eröffnen, mit Mitteln des Senders, der die Sache mit einem Sprecherhansel und einem Team von “Experten” begleitet, welche das Ganze beurteilen. Geld gibt es abgestuft nach Leistungsbeurteilung, u.a. durch Tim Mälzer, den charmanten Starletkoch und zwei anderen unsympathischen Leuten, die auch was zu sagen haben.

    Inzwischen haben eine gute Handvoll (vielleicht sind es auch zehn – was weiß ich) Restaurants eröffnet, alle mit einer Idee, einem Konzept und mehr oder weniger talentierten Teams. Diese Restaurants sind real, mit echten Chefs und Angestellten und aufwendig gestalteten Räumlichkeiten. Der Wahnsinnclou an der Nummer ist nun folgender: Es darf nur eines geben. Am Ende der Reality-Soap soll nur ein Restaurant bleiben dürfen, die anderen müssen dichtmachen (Lest diesen Satz getrost zweimal). Nachdem sich also hundert Leute Hoffnungen auf einen Job oder eine “Existenz” gemacht haben, lässt man sie nach und nach ins Nichts zurücktaumeln. Diese perverse Geschichte begleitet die Sendung mit aberwitzig-infantilen Ritualen: Wenn ein Laden per Telefonvotum ausgeschieden ist, haben die Teams noch 15 Minuten Zeit, ihre privaten Sachen zu packen, die Gäste rauszuschmeißen und abzusperren. Dazu kommentiert die Stimme auf dem Off: “Für immer, für immer… für immer”.
    Quelle: feynsinn

    Anmerkung: Vox gehört übrigens zum ach so gemeinnützigen Bertelsmann-Konzern


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