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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 7. November 2008 um 9:12 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(AM/WL)
Heute unter anderem mit folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung AM: Hier finden Sie die Bestätigung vieler bisheriger Beiträge der NachDenkSeiten, z.B. siehe hier „Der Machtwahn: Die wirkliche Korruption sieht ganz anders aus“.
Ergänzung WL: Auch in Deutschland kaufen die Banken Politiker und Bankenaufseher auf, siehe z.B. „Ackermann kauft sie alle, ob Finanzstaatssekretäre oder Bankenaufseher“
Anmerkung OP: Also die Geschichte vom viel gerühmten Wohlfahrtsstaat Neuseeland, die der Tagesspiegel auftischt, ist nun wirklich nicht das Thema, mit dem das Land speziell in der wirtschaftspolitischen Debatte Furore machte. Die in den letzten 20 Jahren am stärksten deregulierte und privatisierte Volkswirtschaft der Welt galt als das neoliberale Musterland schlechthin. Inzwischen hat der Staat nicht nur die Eisenbahn wieder zurückgekauft, sondern auch die Fluggesellschaft wieder verstaatlicht, die Studiengebühren reduziert und die Unfallversicherung wieder unter staatliche Kontrolle gestellt.
Anmerkung OP: Zusammen mit dem Hilfspaket für gefährdete Banken wurde zwar ein darauf zugeschnittenes Gesetz verabschiedet, aber Regulierungen, die den verwilderten Finanzsektor an sich resozialisieren könnten, stehen noch aus. Die Schweiz ist, ohne irgendwelche globale Konferenzen abzuwarten, nationalstaatlich vorgeprescht.
Natürlich ist die Schweiz als Volkswirtschaft viel stärker von Finanzdienstleistungen abhängig als Deutschland – unlängst wurde ihre Verletzbarkeit sogar mit derjenigen Islands verglichen-, aber der Hinweis auf den anstehenden Weltfinanzgipfel entbindet die Bundesregierung nicht, ihre Kreativität unter Beweis zu stellen und der besorgten Öffentlichkeit ihre Vorschläge vorzustellen. Zumal sich schon heute abzeichnet, dass der Vorschlag einer globalen Regulierungsinstanz durch den Widerstand der USA und Kanada bereits vom Tisch ist. Man setzt auf einen informellen Informationsaustausch und ist nicht bereit, das Spiel der freien Kräfte nicht durch strengere Vorschriften zu beeinträchtigen.
Damit ist Deutschland aufgefordert, eine Finanzmarktregulierung auf nationaler Ebene umzusetzen. Interessant ist, dass die Schweiz sogar Einfluss auf Bonus-Systeme nehmen wird mit dem Ziel, Anreize für riskante Geschäfte zu minimieren. Man darf gespannt sein, welche konkrete Formen das Vorhaben annimmt. Im Grunde kann ein Bonus nur dann gewährt werden, wenn ein Bankgeschäft der langen Frist Stand gehalten hat. So sollte beispielsweise nicht der Verkauf eines Kredites, sondern die Rückzahlung honoriert werden.
Quelle: swissinfo
Anmerkung: Siehe dazu nochmals: Ein Geschenk für Betuchte
[…]
Besonders ärgerlich an dieser Entscheidung ist, dass sich die Regierung gar nicht erst bemüht, die taktischen Motive dahinter zu bemänteln. Die Bahn-Privatisierung stößt in weiten Teilen der Bevölkerung auf Widerstand – und das umso mehr, seit durch die Bankenkrise der Eindruck entstanden ist, dass es der Staat im Zweifel doch besser richtet als der Markt. Entsprechend gering ist das Interesse von Union und SPD, mit dem Schritt aufs Parkett zu nah an den Wahltermin heranzurücken. Die überstürzte Aufgabe der Börsenpläne auf Jahre hinaus ist deshalb in allererster Linie keine Reaktion auf die Verwerfungen an den Märkten. Die Entscheidung ist eine Kapitulation der Politik vor den Wählern. Das Enttäuschende daran ist, dass nicht einmal eine Große Koalition die Kraft für einen zweifellos unpopulären Schritt aufbringt. Will die Politik jedoch eine Bahn, die im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleibt, führt kein Weg am Kapitalmarkt vorbei. Wer den Stopp des Börsengangs unter diesen Umständen dennoch feiert, hat von
Verkehrspolitik wenig Ahnung – auch wenn es der zuständige Minister ist.
Quelle: FTD
Anmerkung: “Die Bahn-Privatisierung stößt in weiten Teilen der Bevölkerung auf Widerstand… Die Entscheidung ist eine Kapitulation der Politik vor den Wählern.” -Immer wieder spannend, in fremde Gehirne zu schauen. Vielleicht sollte man den Leitartikler mal fragen, ob er die Regierungsform in Deutschland kennt und was “Demokratie” eigentlich bedeutet.
Anmerkung OP: Offensichtlich ist der Widerstand gegen die Bahnprivatisierung immer noch keine grüne Herzensangelegenheit. Peter Hettlich spult so eine Art Pflichtprogramm ab. Er ignoriert völlig, dass es nicht damit getan ist, dass das “Netz in öffentlicher Verantwortung bleibt”. Die Grünen scheinen sich von inhaltlicher Politik verabschiedet zu haben und setzen nur noch auf taktische Spielchen zwecks Stimmenfang. Die Bahnprivatisierung sei im Wahlkampf “kein Winner Point”, da die “Mobilisierungserfolge von Bündnissen wie ‘Bahn für Alle’ … höflich gesagt, sehr verhalten” waren. Finanzkrise sei das Thema, als ob der Börsengang der Bahn und andere Privatisierungen nichts mit den Finanzmärkten zu tun hätten. Und selbst wenn es stimmen würde, dass das das Thema Bahnprivatisierung unpopulär wäre, wo bleibt die Partei, die sich einst dem damals ziemlich unbekannten Thema Nachhaltigkeit verschrieben hatte.
FAZ: ICE-Ausfälle
Feste Fahrbahnen federn nicht
Der Renommierzug ICE 3 und damit die Deutsche Bahn haben ein Problem. Aber die Lösung dieses Problems kann nicht darin liegen, alle 30.000 Kilometer, also alle drei bis vier Wochen, die Radsatzwellen auf Risse zu untersuchen. Vielmehr muss man herausfinden, warum die Radsatzwelle beim ICE 3 im Juli in Köln brach und warum auch bei zwei ICE-T Risse zu finden waren.
(..) Schuld ist die schotterlose Fahrbahn
Ganz anders ist es bei der sogenannten festen Fahrbahn. Sie wurde trotz kritischer Warnungen zwischen Köln und Frankfurt verlegt, um die Instandhaltungskosten des Fahrwegs zu senken. Das von den Reisenden zwischen Köln und Frankfurt beklagte Rütteln und Stoßen zeigt, dass bei der festen Fahrbahn trotz sorgfältiger Verlegung Lagefehler auf Dauer nicht zu vermeiden sind. Die über das Gleis rollenden Züge wirken wie eine Ramme, die den Untergrund unter den Platten der festen Fahrbahn weiter verfestigt. Die Folgen dieses Prozesses verringern sich zwar mit der Zeit. Sie wirken aber besonders fatal zum Beispiel beim Übergang vom relativ weichen Untergrund eines hinterfüllten Brückenwiderlagers auf die sehr starre Betonkonstruktion einer Brücke.
(..) Radsatzwellen werden überbeansprucht
Die Behauptung von Materialkundlern, die feste Fahrbahn verursache keine höheren Beanspruchungen bei den Radsätzen, ist deshalb nicht haltbar. Die feste Fahrbahn hat fast kein eigenes Federungsvermögen. Die unvermeidlichen Lagefehler verursachen Stoßbelastungen. Das Gleis federt nicht mehr zurück, und die Stöße wirken einseitig auf die Radsätze. Deren mechanische Belastung ist dadurch weit größer als beim klassischen Schotteroberbau. Fatal wirkt sich zusätzlich aus, dass Lagefehler der festen Fahrbahn nicht im Rahmen der Routine-Instandhaltung des Oberbaus beseitigt werden können. Ob es inzwischen überhaupt ein Verfahren gibt, die fehlerhafte Lage eines Plattenelements der festen Fahrbahn im eingebauten Zustand zu korrigieren, ist noch nicht bekannt.
Der Einbau der festen Fahrbahn war also ein grundsätzlicher Fehler, der nur durch deren Beseitigung behoben werden kann. Das Ziel dauerhaft höherer Geschwindigkeiten in topographisch schwierigem Gelände ist nachhaltig nur durch Neutrassierung und nicht durch Neigetechnik zu erreichen.
Quelle: FAZ
Anmerkung MM: Ein weiteres Beispiel dafür, wie das Bauunternehmen Hochtief, welches bei den meisten PPP-Projekten in Deutschland zum Zuge kommt, sich aus öffentlichen Geldern, also unserem Vermögen, finanziert. So kann Umverteilung auch aussehen. Die Stadt Hamburg hat einen Vertrag abgeschlossen, dessen finanzielle Auswirkungen sie nicht mehr überblicken kann. Ausgehandelt von der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, welche ebenfalls bei vielen PPP-Projekten zum Zuge kommt und sogar als Berater der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2005 das entsprechende ÖPP-Beschleunigungsgesetz entwarf, um bürokratische Hindernisse zu verringern. Mit anderen Worten: Ausschaltung von parlamentarischer Kontrolle, wie es bereits beim Maut-Projekt Toll-Collect geschehen war.
Berlin – Die russische Antwort auf die US-Raketenschildpläne in Polen und Tschechien seien ein “falsches Signal zum falschen Zeitpunkt”, sagte Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Mittwochabend in der ARD. Russland müsse erkennen, “dass wir uns in diesen Tagen an einer Weichenstellung befinden, dass die wirkliche Chance besteht, das Verhältnis zwischen Russland und Amerika neu zu begründen”, fügte Steinmeier mit Blick auf die Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten hinzu.
Quelle: Spiegelonline
Anmerkung AM: Wo blieben die mahnenden Worte von Steinmeier, als die USA, Polen und Tschechien ohne Absprache mit den anderen NATO-Mitgliedern die Entscheidung trafen, in Polen und Tschechien ein System von Raketen zu installieren?
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins wie erwartet gesenkt. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld werde um 0,50 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent reduziert, teilte die Zentralbank am Donnerstag in Frankfurt mit.
Quelle: Spiegel.de
Anmerkung AM: Jetzt endlich und viel zu spät.
Anmerkung Martin Betzwieser: „Thomas Straubhaar … ist Berater der arbeitgeberfinanzierten Intitiative Neue Soziale Makrtwirtschaft“. Das ist ein ungewöhnliches Pensum an Transparenz beim Stern.
Dazu auch:
Maßnahmenpaket der Regierung „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“
Die Bundesregierung hat am Mittwoch, dem 5. November 2008 ihr „Konjunkturpaket“ verabschiedet. Hier eine detailliertere Darstellung inklusive unserer Kommentierung auf sieben Seiten.
Quelle: ver.di Wirtschaftspolitik aktuell [PDF – 130 KB]
Die Investitionen sind ein Witz
Die Regierung sollte nicht nur 2, sondern 15 Milliarden Euro in Infrastruktur investieren, sagt DGB-Chefökonom Dierk Hirschel. Das jetzt geschnürte Konjunkturpaket drohe hingegen zu verpuffen
Quelle: taz
Thomas Fricke – Wo ist der deutsche Obama?
Der neue US-Präsident könnte von der Rezession mitgerissen werden – oder zum Symbol für ein neues Paradigma nach 30 Jahren Reaganomics werden. Bald könnten die Deutschen wieder ziemlich alt aussehen.
Ganz so unschuldig sind die Deutschen am weltweiten Debakel nicht. Und: Durch die Wahl Barack Obamas könnten die US-Amerikaner weit besser auf den Zeitenwechsel vorbereitet sein als deutsche Großdenker und Abgeordnete.
Es hat etwas grob Fahrlässiges, wenn die Bundesregierung in der aktuellen Krise ein vermeintliches Konjunkturpaket beschließt, dafür aber so gut wie kein Geld ausgeben will. Anders als sie es gern vorgaukelt, hat sie dieses Jahr per Saldo gar nicht für Entlastung gesorgt; nach EU-Rechnung ist trotz Unternehmensteuerreform und sinkenden Abgaben strukturell kein zusätzliches Geld in die Wirtschaft geflossen. Für 2009 droht nach der Diagnose der EU sogar eine steigende Belastung – mitten in der dramatischsten Krise seit Jahrzehnten. Wer so eine Regierung hat, braucht keine Feinde mehr.
Quelle: FTD
Jörg Huffschmid: Die Rückkehr des Staates
Anfang 2007 trat in der EU unter dem Namen „Basel II“ eine Bankenreform in Kraft, die allseits dafür gepriesen wurde, dass sie die direkte staatliche Bankenaufsicht zurückdrängt, die Banken in mehr „Eigenverantwortung“ entlässt und auf die „Marktdisziplin“ statt rechtlicher Vorschriften als Sicherheit gegen Fehlentwicklungen vertraut. Banken ist es seitdem erlaubt, die Risiken der von ihnen vergebenen Kredite weitgehend durch „interne Risikomodelle“ selbst festzulegen und entsprechendes Eigenkapital als Reserve für den Fall des Kreditausfalls zurückzulegen. Diese Teilprivatisierung der Bankenaufsicht hat die Hemmschwelle der Banken gesenkt und ihre Kreditvergabe an Finanzinvestoren und Spekulanten aller Art massiv beflügelt. Gleichzeitig haben sie sich zunehmend selbst in spekulative Geschäfte eingelassen. Das Ergebnis ist zurzeit zu besichtigen.
In dieser Not ist der Staat wieder willkommen. Die Unverfrorenheit, mit der die Verursacher der Krise jetzt staatliche Subventionen zur „Rettung des Finanzsystems“ fordern, ist ebenso atemberaubend wie die staatliche Bereitschaft, diese Forderung zu erfüllen. Dafür stehen plötzlich wie aus dem Hut gezauberte Bürgschaften bereit, von den seitdem erfolgten staatlichen Garantien in zehnfacher Höhe ganz zu schweigen. Und dies, nachdem den Bürgerinnen und Bürgern jahrelang gepredigt wurde, dass angeblich kein Geld vorhanden ist, wenn es um Renten, Bildung und Beschäftigungsprogramme geht.
Der Knüppel, mit dem diese dreiste Forderung gegenüber der Öffentlichkeit durchgeboxt wird, ist die Behauptung, ohne diese Subventionen bräche das gesamte Finanzsystem zusammen, zum Schaden der gesamten Wirtschaft und der „kleinen Leute“. Diese erpresserische Geiselnahme der ganzen Gesellschaft im Interesse der privaten Banken soll Furcht, ein Gefühl der Alternativlosigkeit und daraus resultierend Folgsamkeit erzeugen – gegenüber der Regierung ist dies auch weitgehend gelungen. – In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einen Bluff von Abenteurern, die ihre Felle davonschwimmen sehen.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
Der Spot im Internet:
In Kürze auf der Attac-Sonderseite zur Finanzkrise.
Amy Goodman: Organizer in Chief
There are two key camps that feel invested in the Obama presidency: the millions who each gave a little, and the few who gave millions. The big-money interests have means to gain access. They know how to get meetings in the White House, and they know what lobbyists to hire. But the millions who donated, who volunteered, who were inspired to vote for the first time actually have more power, when organized.
Quelle: truthdig
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3572