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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 6. November 2008 um 9:37 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(WL)
Heute unter anderem mit folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Kommentar AM: Ich bin skeptischer als Fricke, vor allem was Deutschland und Europa betrifft. Die ideologische Verhärtung ist riesengroß. Und es sind immer noch die gleichen Leute am Drücker. Mit einem Wendehals oder Einsichtigen – je nachdem – wie Straubhaar alleine ist noch keine vernünftige Konjunkturpolitik zu machen.
SPIEGEL ONLINE: Wie sind die Maßnahmen inhaltlich zu bewerten?
Zimmermann: Sie könnten die Konjunktur eher mittelfristig beleben – falls überhaupt. Das Konjunkturpaket stützt Branchen wie das Handwerk oder den Bau, die ohnehin stark ausgelastet sind und die Zusatzaufträge vielleicht gar nicht abarbeiten können. Dazu müssen die Kunden die gebotenen Vergünstigungen erst einmal annehmen. Kommt die schwere Rezession, werde ich mein Geld wahrscheinlich nicht zuerst in eine staatlich geförderte Häusersanierung investieren.
SPIEGEL ONLINE: Wirtschaftsminister Glos hat versprochen, der 16-Punkte-Plan der Regierung sichere oder schaffe eine Million Jobs. Ist das naiv?
Zimmermann: Ich halte diese Zahl für stark übertrieben. Das Paket ist zu uneffektiv geschnürt, um eine solche Menge an Arbeitsplätzen zu sichern.
1000 zusätzliche Arbeitsvermittler und ein paar Subventionen können das nicht leisten. Der Ausspruch ist wie das Paket selbst als Symbol zu verstehen.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung WL: Eine Mehrwertsteuersenkung oder andere die Kaufkraft steigernde Steuersenkungen sind sicherlich sinnvoll, allein damit wird jedoch die Konjunktur nicht wieder angekurbelt werden können, dazu braucht es auch einen kräftigen Impuls durch staatliche Investitionen.
Siehe dazu:
Investitionen bringen stärksten Impuls
Ein Konjunkturprogramm würde helfen, den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung Deutschlands zu dämpfen, zeigt eine Modellrechnung der Universität Leipzig. Am wirksamsten wären höhere öffentliche Investitionen. Und: Es muss schnell gehen.
Quelle: Böckler Impuls 17/2008
Dieses lautet: Oma ihr klein Häuschen darf nicht der Erbschaftsteuer unterliegen. Vorgebracht wird es von Politikern jeglicher Couleur. Sie fordern deshalb für private, selbstgenutzte Immobilien einen üppigen Freibetrag. 1,5 Millionen Euro soll dieser nach dem Willen der CSU betragen. Das klingt sozial, ist in Wahrheit aber höchst unsozial.
Denn wer ein Haus erbt, dem geht es ohnehin besser als den meisten anderen. 70 Prozent aller Bundesbürger haben praktisch kein Vermögen:
kein Geld, keine Aktien, keine Immobilie. Sie vererben nichts – und erben meist nichts. Ein Freibetrag auf Omas Häuschen nutzt also vor allem jenen, die sowieso reicher sind als die Durchschnittsdeutschen.
Wer für einen solchen Freibetrag kämpft, will umverteilen: nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben; nur gibt er dies nicht zu.
Ein Freibetrag von 1,5 Milionen Euro für einen Erben bedeutet, dass selbst stattliche Villen nicht der Steuer unterliegen würden. Erben zwei oder drei Kinder gemeinsam ein Haus, wären sogar Villen im Wert von drei oder gar 4,5 Millionen Euro steuerfrei.
Quelle: SZ
Anmerkung AM: Vielleicht ist das aber auch ein Schachzug der Privatisierungsbefürworter, um dann später nach der Wahl leichter über die 49,5 % hinausgehen zu können.
Die WestLB-Investmentbanker hatten die hochkomplexen Kreditpapiere nicht nur vertrieben, sondern selbst strukturiert. Die Fehlspekulationen nagen am Ruf der Sparkassen, die im Vergleich zu den privaten Großbanken bislang glimpflich durch die Finanzkrise zu kommen scheinen. Dem Vernehmen nach prüfen einige Sparkassen rechtliche Schritte gegen die WestLB. Sie werfen der Landesbank vor, sie bei dem Verkauf der Papiere falsch beraten zu haben. “House of Europe” sei ein Vertriebsschlager der WestLB gewesen. Die Düsseldorfer hätten das Programm “aggressiv vermarktet”, sagte ein Sparkassenvorstand. Dass die kommunalen Institute ihre Landesbank tatsächlich verklagen, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Schließlich, so wird argumentiert, müssten die Vorstände dann eingestehen, dass sie das Produkt nicht verstanden hätten.
Quelle: FTD
Anmerkung AM: Die WestLB im Kettenbriefsystem. Ganz klar ein krimineller Akt. Wo blieb eigentlich die Banken-Aufsicht und die Aufsicht über die Sparkassen?
Schließlich haben die Medien diese Kampagne in einer Weise mitgemacht, dass man den Verdacht haben muss, dass einige Spindoktoren daran gut verdient haben. Wie man der deutschen Öffentlichkeit gegen jede Vernunft weisgemacht hat, ihre Rente könnte wegen der Alterung nur mit dem großen Spiel an den Finanzmärkten sicher gemacht werden, war wahrlich genial. Dass auch öffentlich-rechtliche Sender dazu übergegangen sind, jeden Abend mehrfach in den Nachrichten dümmliche Meldungen aus dem Kasino zu übertragen, spricht Bände.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
Angesichts des 70ten Jahrestags der Reichspogromnacht wollte das Parlament eigentlich Einigkeit demonstrieren. Heraus kamen nun zwei gleichlautende, aber getrennte Erklärungen. Eine von der Linken und eine von allen anderen Parteien. Dabei war seit Monaten an einer parteiübergreifenden Erklärung gearbeitet worden, in der dieses Jubiläum als Mahnung und Verpflichtung gegen jede Form von Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens in Deutschland bezeichnet werden sollte. Doch mit der parteiübergreifenden Einigkeit wurde es dann doch nichts.
Quelle: Telepolis
Zur Legende vom Widerstandsverlag, die er verbreitet hatte, um nach dem Krieg an eine Lizenz zu kommen, äussert er sich nicht. Enttäuschend auch, dass er nichts zu seinem Vater Heinrich schreibt, der den Reisebuchhandel und die Feldpostreihen für die Wehrmacht ausbaute – angeblich, um das theologische Programm zu schützen, wie er selbst behauptete. Er habe die Aufarbeitung unterstützt, will aber «der Perspektive meiner persönlichen Erinnerung treu bleiben und die rückblickende Einschätzung des Erlebten daran ausrichten», schreibt Mohn. Das ist eigenartig, denn Mohn hat damals viele Notizen über seine Verhandlungen mit den Lizenzbehörden verfasst, die die Historiker teilweise auswerteten. Will er diese Notizen heute nicht mehr als persönliche Erinnerung gelten lassen?
Quelle: NZZ
Anmerkung WL: Interessant auch: „Zeitungen und Verlagen fällt es schwer, gegenseitig über sich aufzuklären.“ Der Autor Thomas Schuler berichtet auch, über fehlende Vergangenheitsbewältigung anderen großen Verlagen (Spiegel, Burda, Holtzbrinck, DuMont) und erklärt damit, warum so wenig über die Vergangenheit der Großverleger geschrieben wird.
In Schweden wird deshalb gefordert, die Konsequenz aus dem Fall Vaxholm sollte deshalb sein, dass die Gewerkschaftsbewegung und die Sozialdemokratie ihre Unterstützung des Lissabon-Vertrages überprüfen. Aber auf jeden Fall sollte man eine Neuverhandlung verlangen, dass Schweden im Vertrag eine juristisch bindende Ausnahme garantiert wird, die ausländischen Lohnempfängern, die in Schweden arbeiten, garantiert, dass sie denselben Schutz der Gesamtarbeitsverträge genießen wie ihre schwedischen Arbeitskollegen.
Quelle: Zeit-Fragen
Anmerkung WL: Wie viele Belege dafür, dass Studiengebühren eine Barriere für die Aufnahme eines Studiums sind bedarf es eigentlich noch.
Zu guter letzt:
Amerika hat den ersten schwarzen Präsidenten. Die Zeit des Sklavenhandels liegt noch nicht so weit zurück.
Dazu
Das Sklavenschiff
Von Heinrich Heine
I
Der Superkargo Mynheer van Koek
Sitzt rechnend in seiner Kajüte;
Er kalkuliert der Ladung Betrag
Und die probabeln Profite.
»Der Gummi ist gut, der Pfeffer ist gut,
Dreihundert Säcke und Fässer;
Ich habe Goldstaub und Elfenbein –
Die schwarze Ware ist besser.
Sechshundert Neger tauschte ich ein
Spottwohlfeil am Senegalflusse.
Das Fleisch ist hart, die Sehnen sind stramm,
Wie Eisen vom besten Gusse.
Ich hab zum Tausche Branntewein,
Glasperlen und Stahlzeug gegeben;
Gewinne daran achthundert Prozent,
Bleibt mir die Hälfte am Leben.
Bleiben mir Neger dreihundert nur
Im Hafen von Rio-Janeiro,
Zahlt dort mir hundert Dukaten per Stück
Das Haus Gonzales Perreiro.«
Da plötzlich wird Mynheer van Koek
Aus seinen Gedanken gerissen;
Der Schiffschirurgius tritt herein,
Der Doktor van der Smissen.
Das ist eine klapperdürre Figur,
Die Nase voll roter Warzen –
»Nun, Wasserfeldscherer«, ruft van Koek,
»Wie geht’s meinen lieben Schwarzen?«
Der Doktor dankt der Nachfrage und spricht:
»Ich bin zu melden gekommen,
Daß heute nacht die Sterblichkeit
Bedeutend zugenommen.
Im Durchschnitt starben täglich zwei,
Doch heute starben sieben,
Vier Männer, drei Frauen – Ich hab den Verlust
Sogleich in die Kladde geschrieben.
Ich inspizierte die Leichen genau;
Denn diese Schelme stellen
Sich manchmal tot, damit man sie
Hinabwirft in die Wellen.
Ich nahm den Toten die Eisen ab;
Und wie ich gewöhnlich tue,
Ich ließ die Leichen werfen ins Meer
Des Morgens in der Fruhe.
Es schossen alsbald hervor aus der Flut
Haifische, ganze Heere,
Sie lieben so sehr das Negerfleisch;
Das sind meine Pensionäre.
Sie folgten unseres Schiffes Spur,
Seit wir verlassen die Küste;
Die Bestien wittern den Leichengeruch
Mit schnupperndem Fraßgelüste.
Es ist possierlich anzusehn,
Wie sie nach den Toten schnappen!
Die faßt den Kopf, die faßt das Bein,
Die andern schlucken die Lappen.
Ist alles verschlungen, dann tummeln sie sich
Vergnügt um des Schiffes Planken
Und glotzen mich an, als wollten sie
Sich für das Frühstück bedanken.«
Doch seufzend fällt ihm in die Red’
Van Koek: »Wie kann ich lindern
Das Übel? wie kann ich die Progression
Der Sterblichkeit verhindern?«
Der Doktor erwidert: »Durch eigne Schuld
Sind viele Schwarze gestorben;
Ihr schlechter Odem hat die Luft
Im Schiffsraum so sehr verdorben.
Auch starben viele durch Melancholie,
Dieweil sie sich tödlich langweilen;
Durch etwas Luft, Musik und Tanz
Läßt sich die Krankheit heilen.«
Da ruft van Koek: »Ein guter Rat!
Mein teurer Wasserfeldscherer
Ist klug wie Aristoteles,
Des Alexanders Lehrer.
Der Präsident der Sozietät
Der Tulpenveredlung im Delfte
Ist sehr gescheit, doch hat er nicht
Von Eurem Verstande die Hälfte.
Musik! Musik! Die Schwarzen soll’n
Hier auf dem Verdecke tanzen.
Und wer sich beim Hopsen nicht amüsiert,
Den soll die Peitsche kuranzen.«
II
Hoch aus dem blauen Himmelszelt
Viel tausend Sterne schauen,
Sehnsüchtig glänzend, groß und klug,
Wie Augen von schönen Frauen.
Sie blicken hinunter in das Meer,
Das weithin überzogen
Mit phosphorstrahlendem Purpurduft;
Wollüstig girren die Wogen.
Kein Segel flattert am Sklavenschiff,
Es liegt wie abgetakelt;
Doch schimmern Laternen auf dem Verdeck,
Wo Tanzmusik spektakelt.
Die Fiedel streicht der Steuermann,
Der Koch, der spielt die Flöte,
Ein Schiffsjung’ schlägt die Trommel dazu,
Der Doktor bläst die Trompete.
Wohl hundert Neger, Männer und Fraun,
Sie jauchzen und hopsen und kreisen
Wie toll herum; bei jedem Sprung
Taktmäßig klirren die Eisen.
Sie stampfen den Boden mit tobender Lust,
Und manche schwarze Schöne
Umschlinge wollüstig den nackten Genoß –
Dazwischen ächzende Töne.
Der Büttel ist Maître des plaisirs,
Und hat mit Peitschenhieben
Die lässigen Tänzer stimuliert,
Zum Frohsinn angetrieben.
Und Dideldumdei und Schnedderedeng!
Der Lärm lockt aus den Tiefen
Die Ungetüme der Wasserwelt,
Die dort blödsinnig schliefen.
Schlaftrunken kommen geschwommen heran
Haifische, viele hundert;
Sie glotzen nach dem Schiff hinauf,
Sie sind verdutzt, verwundert.
Sie merken, daß die Frühstückstund’
Noch nicht gekommen, und gähnen,
Aufsperrend den Rachen; die Kiefer sind
Bepflanzt mit Sägezähnen.
Und Dideldumdei und Schnedderedeng –
Es nehmen kein Ende die Tänze.
Die Haifische beißen vor Ungeduld
Sich selber in die Schwänze.
Ich glaube, sie lieben nicht die Musik,
Wie viele von ihrem Gelichter.
»Trau keiner Bestie, die nicht liebt
Musik!« sagt Albions großer Dichter.
Und Schnedderedeng und Dideldumdei –
Die Tänze nehmen kein Ende.
Am Fockmast steht Mynheer van Koek
Und faltet betend die Hände:
»Um Christi willen verschone, o Herr,
Das Leben der schwarzen Sünder!
Erzürnten sie dich, so weißt du ja,
Sie sind so dumm wie die Rinder.
Verschone ihr Leben um Christi will’n,
Der für uns alle gestorben!
Denn bleiben mir nicht dreihundert Stück,
So ist mein Geschäft verdorben.«
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