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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 5. November 2008 um 9:08 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • Das Signal von Hessen
  • Ex-Parteichef Vogel: “SPD ist das Risiko bewusst eingegangen”
  • Zweifel an Landtagsabgeordneter Everts
  • Rezepte gegen die Weltrezession
  • BMW: Wenig Freude am Fahren
  • Bürger entlasten ist Gebot der Stunde
  • WSI-Forscher: Mindestlohn-Pläne der Bundesregierung bringen lediglich Teillösung
  • Hartz-IV-Klagewelle
  • Hartz-IV-Empfänger sollen Organe spenden
  • Selbstbedienungsladen Bahn
  • 77% wollen Strom- und Gaskonzerne verstaatlichen
  • Schöne neue E-Health-Welt – wem nutzt die elektronische Gesundheitskarte?
  • Mehr als 10 Milliarden Euro für Auslandseinsätze der Bundeswehr seit 1992
  • Polen: Ein Tsunami von Bankrotten
  • Die Zocker aus der französischen Provinz
  • Warum in den USA Wahlen eine Zitterpartie sind
  • Uwe-Karsten Heye: “Lafontaine wollte nicht Kanzler werden”
  • „Marat, was ist aus unserer Revolution geworden?“
  • 3. November: Schwarzer Tag für die Bildung in Hessen
  • Berlusconi macht Rückzieher bei Bildungsreform

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Das Signal von Hessen
    Die hessische SPD hat mit dem Scheitern der Regierungsübernahme einen weiteren Schritt dazu beigetragen, die Partei überflüssig zu machen.

    Jubeln wird nicht nur Roland Koch, der, obwohl ihm bei den letzten Landtagswahlen eine vernichtende Niederlage bereitet wurde, weiter als hessischer Ministerpräsident amtieren wird. Jubeln werden auch alle die Zeitungen, die in den letzten Tagen in einer schon beispielhaften Kampagne Ypsilanti vorgeworfen haben, sie würde ihre Interessen über die des Landes Hessen stellen, sie sei machthungrig und denke nur an ihre persönliche Karriere. All die Eigenschaften, die gemeinhin einen guten Politiker ausmachen, wurden Ypsilanti unisono zum Vorwurf gemacht. Der Verdacht, dass man hier einer Frau deutlich machen wollte, dass bei ihr noch lange nicht toleriert wird, was man bei Männern geradezu erwartet, ist nicht von der Hand zu weichen, auch wenn drei der Abweichlerinnen Frauen sind. Roland Koch hingegen wird wegen seines ausgeprägten Machtbewusstseins nicht gescholten, sondern als Macher und Stehaufmann gelobt.
    Quelle: Telepolis

  2. Ex-Parteichef Vogel: “SPD ist das Risiko bewusst eingegangen”
    Der Parteiveteran kritisiert Andrea Ypsilanti: Das gebrochene Wahlversprechen ist schuld an der Misere in Hessen, sagt der frühere SPD-Chef Hans-Jochen Vogel im SPIEGEL-ONLINE-Interview. Er würdigt die Rebellin Dagmar Metzger, rügt ihre drei Mitstreiter – lehnt aber deren Parteiausschluss ab.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkungen AM:

    1. Schuld an der Misere ist nicht der Bruch des Wahlversprechens sondern das Wahlversprechen (keine Duldung durch die Linke) als solches. An diesem Ausschluss jeglicher Option für die Führung im Land war die Gruppe der SPD, zu der Hans Jochen Vogel gehört, wesentlich beteiligt.
    2. Bevor Hans Jochen Vogel ein so eindeutiges Urteil, einen Freibrief quasi, über die Abgeordnete Dagmar Metzger fällt, sollte der ehemalige Vorsitzende vielleicht erst einmal überprüfen, welche Verbindungen es zwischen ihr und der Energiewirtschaft gibt. Man muss den Eindruck gewinnen, dass Hans Jochen Vogel sein Urteil aus alter Loyalität zur Familie Metzger fällt. Damit sind wir bei einer wichtigen dritten Anmerkung.
    3. Hans Jochen Vogel war anfangs der Siebzigerjahre einer der Initiatoren für die Gründung der Seeheimer, zu denen auch die Politiker der Familie Metzger gehörten und gehören (Seeheim bei Darmstadt). Diese Gründung war zugleich der Anfang des Endes guter Wahlchancen für die SPD. Sie haben in den Anfängen Willy Brandt ruiniert. Und sie tun es bis heute nach dem Motto: wenn wir die Macht in der SPD nicht haben, dann braucht die SPD auch nicht die Macht im Staat.
      Jochen Vogel persönlich denkt sicher nicht so. Er ist um vieles klüger als die Mehrheit der Seeheimer und auch um vieles verantwortungsvoller. Aber es ist wohl an der Zeit, dass er sich einmal selbst vor Augen führt, was er der SPD mit der Gründung der Seeheimer und mit dem Ausbau einer eigenständig operierenden und fremd-finanzierten Gruppe in der SPD angetan hat.

  3. Zweifel an Landtagsabgeordneter Everts
    Einige Sozialdemokraten im Kreis Groß-Gerau haben Bedenken, ihre Landtagsabgeordnete Carmen Everts könne bei der Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin am 4. November nicht für die SPD-Frau stimmen. Auf dem außerordentlichen Parteitag des SPD-Unterbezirks am Dienstag entbrannte ein heftiger Streit über einen Antrag, in dem die Delegierten von den beiden Landtagsabgeordneten Everts und Renate Meixner-Römer die Zustimmung zur Ypsilanti-Wahl einfordern wollten.
    Quelle 1: FR
    Quelle 2: FR
  4. Rezepte gegen die Weltrezession
    Rasche Zinssenkungen und höhere Staatsverschuldung sind global nötig, um eine Depression abzuwenden. Doch Euroland ist handlungsunfähig.
    Quelle: FR
  5. BMW: Wenig Freude am Fahren
    Mit Autos verdient der Konzern fast nichts mehr. Die Banksparte erwägt, Hilfe zu beantragen. Im reinen Autogeschäft schmolz der Gewinn im dritten Quartal auf 18 Millionen Euro zusammen; vor einem Jahr waren es noch mehr als 700 Millionen gewesen. Als Reaktion auf die Absatzschwäche drosselt BMW die Produktion um mindestens weitere 40 000 Autos. Sollte es Anfang 2009 nicht aufwärtsgehen, müssten weitere Zeitarbeitsplätze gestrichen werden, kündigte Reithofer an. Am Jahresende sollen noch 3000 Zeitarbeitsplätze übrig sein. Das Stammpersonal zählt derzeit 103 625 Mitarbeiter und muss Kürzungen übertariflicher Leistungen hinnehmen.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Als erste sind natürlich die Zeitarbeitsplätze dran. Erinnern sie sich noch, wie die Ausweitung und Lockerung der Bestimmungen für die Zeitarbeit damit begründet wurden, dass Zeitarbeit den Einstieg in reguläre Arbeit ermöglichen sollte.

  6. Bürger entlasten ist Gebot der Stunde
    “Das geplante Konjunkturpaket darf nicht nur die Wirtschaft fördern, sondern muss auch die Bürger entlasten”, forderte der Bundesgeschäftsführer des Sozial- und Wohlfahrtsverbandes Volkssolidarität, Dr. Bernd Niederland, am Dienstag in Berlin. “Wenn die Bundesregierung morgen das Paket beschließt, darf am Ende nicht nur ein Plus für die Unternehmen herauskommen, sondern muss auch die Kaufkraft der Bürger wieder gestärkt werden.”

    Seit Jahren würden die Unternehmen und die Vermögenden mit Steuergeschenken bedacht, ohne dass die damit versprochenen Effekte eingetroffen seien. Dagegen sei die Kaufkraft der Bürger immer weiter geschwächt worden, u.a. durch die Mehrwertsteuererhöhung, sinkende Realeinkommen sowie steigende Beiträge und Zusatzbelastungen im sozialen Bereich. “Es hat sich längst gezeigt, dass das ein Irrweg ist, der auch zu Lasten der Wirtschaft geht”, so Niederland.
    Quelle: Volkssolidarität

  7. WSI-Forscher: Mindestlohn-Pläne der Bundesregierung bringen lediglich Teillösung
    Sozial angemessene Mindestlöhne und eine Stärkung des Tarifsystems sind angesichts abnehmender Tarifbindung und eines stark expandierenden Niedriglohnbereichs notwendig. Die Bundesregierung verfolgt das richtige Ziel, wenn sie die Voraussetzungen dafür verbessern will. Mit den Gesetzentwürfen für eine Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen wird es aber nur zum Teil gelingen, das Problem von Niedrig- und Armutslöhnen in den Griff zu bekommen. Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Reinhard Bispinck und Dr. Thorsten Schulten in einer Stellungnahme für die heute stattfindende öffentliche Anhörung vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages. “Bereits heute ist absehbar, dass trotz der vorgeschlagenen Maßnahmen große Regelungslücken bestehen bleiben und zahlreiche Beschäftigte nach wie vor ohne einen angemessenen Mindestlohn auskommen müssen”, schreiben die Tarifexperten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, dort auch die Stellungnahme im Wortlauf als PDF-Dokument
  8. Hartz-IV-Klagewelle
    Es wir immer mehr. Man hat ja am Anfang gesagt: ‘Na gut, regt euch nicht auf, das sind so Anfangsschwierigkeiten. Das geht schon vorbei.’ Aber das Gegenteil ist der Fall. Es werden immer mehr Klagen. Wir haben mal zusammengerechnet, früher war das auf zwei Gerichte verteilt, vor der Reform, Verwaltungsgericht und Sozialgericht. Da kamen dann insgesamt 6.500 neue Verfahren pro Jahr. Inzwischen sind es dieses Jahr über 20.000 neue Verfahren. Also mehr als dreimal so viele. Und da ist kein Ende absehbar.
    Quelle: Fakt mdr [PDF – 92 KB]
  9. Ökonom Oberender: Hartz-IV-Empfänger sollen Organe spenden
    Nicht das es schon längst eine “Zwei-Klassen” Medizin gibt, in der besser gestellte bessere medizinische Versorgung erhalten. Nein, nun sollen auch noch Hartz IV Empfänger dazu animiert werden, ihre Organe gegen Geld “zu spenden”. Das meint jedenfalls der Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Bayreuth, Peter Oberender. In einem Interview mit dem Radiosender “Deutschland Radio Kultur” sagte Prof. Oberender: “”Wenn jemand existenziell bedroht ist, weil er nicht genug Geld hat, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu finanzieren, muss er meiner Meinung nach die Möglichkeit zu einem geregelten Verkauf von Organen haben.”
    Quelle: gegen-hartz.de
  10. “Selbstbedienungsladen Bahn”
    Der Bahn-Vorstand genehmigt sich zusätzliche Millionen und die Bundesregierung stimmt zu. Die Kommentatoren haben einen Schuldigen ausgemacht: Verkehrsminister Tiefensee.
    Quelle: FTD

    Anmerkung unserer Leserin H.K.:
    Im Grunde legt die jüngste Bahn-Affäre längst vor der Amtszeit von BVM Tiefensee bestehende gravierende Fehlentwicklungen in der bundesdeutschen und europäischen Verkehrs-, Bahn- und Umweltpolitik symptomatisch offen: fehlende Gesamtkonzepte und Schwäche in politischer Führung, die sich als nicht resistent genug gegenüber der Auto- und Privatisierungslobby erweist. Der immer eigenmächtiger agierende Bahnvorstand des noch bundeseigenen Unternehmens macht weitgehend, was er will und was Politik ihm erlaubt. Einem solchen Selbstbedienungsladen sind straffe Zügel anzulegen. Vor allem fehlt es jedoch an klaren politischen Vorgaben durch den Noch-Eigentümer Bund für konzeptionell eingebettete Unternehmensziele im Rahmen einer Gesamtstrategie. Dafür ist die Legislative verantwortlich und zu parlamentarischen Initiativen aufgerufen.

    Vorausschauende Protagonisten eines grundlegenden bahn- und umweltfreundlichen Kurswechsels, darunter namhafte SPD-Verkehrs- und Umweltexperten, die sich dafür seit den 70-er-Jahren vehement engagierten, waren stets mit einer massiven Abwehrfront organisierter Lobbygruppen und Widerstand mangels parlamentarischer Mehrheiten konfrontiert. Diesen Kampf gilt es weiterzuführen.

    Mit der angestrebten Bahnprivatisierung hat sich Verkehrs- und Umweltpolitik noch mehr als bisher entpolitisiert und aus staatlicher Verantwortung in einem Kernbereich von Daseinsvorsorge zurückgezogen statt die Weichen pro Bürger, Bahn und Umwelt rechtzeitig zukunfts- und gemeinwohlorientiert zu stellen. Die mit der Teil-Privatisierung erzielbaren Erlöse liegen weit unter Vermögenswert und Investitionsbedarf, wirken haushaltspolitisch marginal. Für Kapitalbeschaffung bieten sich dem Staatsunternehmen günstigere Optionen als Privatisierung. Eine Evaluierung der Bahnreform 1993/94 fand nicht statt, die – anders als behauptet – nicht auf Kapitalprivatisierung, sondern vor allem auf die Ablösung der Behördenstruktur durch wirtschaftliche Unternehmensführung in der Rechtsform der AG und darauf abzielte, erheblich mehr Personen- und Güterverkehr – mit besonderem Schwerpunkt beim Güterfern- und kombinierten Verkehr – auf die Schiene zu verlagern.
    Es ist nicht Sache der Bahn, sich als global player – jenseits ihrer vernachlässigten grenzüberschreitenden Kernaufgaben im Transitland Deutschland in der Mitte Europas – aufzustellen und im internationalen Luftfracht- und Speditionsgeschäft zu expandieren. Um die Bahn börsenreif zu machen, wurde das Streckennetz ausgedünnt, auf Verschleiß gefahren, Personal abgebaut, bei der Sicherheit gespart, Bahnimmobilien verscherbelt, Fahrpreise seit 2004 um 25% erhöht – um nur einen Teil des langen bahnpolitischen Sündenregisters anzuführen. Nach der Devise ‚maximale Rendite bei minimalem Service’ haben sich Bahnmanagement und Politik, einseitiger betriebswirtschaftlicher Denkweise im Zeichen des Neoliberalismus folgend, von einer zukunfts-, bürger-, kunden- und gemeinwohlorientierten Bahnpolitik abgewandt – und das trotz vielfach gescheiterter Privatisierungsprojekte und gegen eine Bevölkerungsmehrheit von rd. 70%.

    Spätestens jetzt rächt sich das jahrzehntelange Versäumnis, die Bahn als öffentliches Transport- und Dienstleistungsunternehmen mit seinen gewaltigen Innovationspotentialen durch Stärkung und Ausbau fit zu machen, um für Verkehrsverlagerungen hin zur Schiene gerüstet zu sein. Die volkswirtschaftlichen, die gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zwingen zum Umdenken und Umsteuern. Die Zeit ist überreif für eine verkehrs- und umweltpolitische Grundsatzdebatte, die seit der Bahnreform nicht geführt wurde und endlich auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestags gehört. Uns Bürgern muß klar sein: Eine konservativ-liberale Mehrheit nach der Bundestagswahl 2009 würde die notwendige Öffnung solcher Perspektiven durchkreuzen und weitere Anteile der Bahn wie angekündigt privatisieren. Dann wäre der Zug endgültig mit der Renditebahn in die falsche Richtung abgefahren. Das muß verhindert werden! Wir brauchen ein starkes Bündnis der Bürger für eine Verkehrspolitik der Vernunft, die uns allen dient.

  11. 77% wollen Strom- und Gaskonzerne verstaatlichen
    Nach einer aktuellen von Forsa für die Illustrierte “Stern” durchgeführten Umfrage ist eine große Mehrheit der Bundesbürger für eine Verstaatlichung so genannter Schlüsselindustrien. Am größten sei die Zustimmung zur Verstaatlichung der Strom- und Gaskonzerne, das wünschten 77% der Bürger. Selbst unter CDU- und FDP-Wählern gibt es hier eine deutliche Mehrheit von 73% bzw. 70%. Der Bund der Energieverbraucher hat gute Gründe für eine Verstaatlichung zusammengestellt.

    “Die Bürger haben die Nase voll von den Energiekonzernen, die stets nur ihre eigene Tasche füllen und ihre Verantwortung für Bürger und Gesellschaft noch gar nicht begriffen haben”, kommentiert der Bund der Energieverbraucher, “Der Gesetzgeber ist nun aufgerufen, die misslungene Privatisierung rückgängig zu machen und damit nicht noch Jahre zu warten”. Als verheerend hat der Verbraucherverband die enge Verknüpfung zwischen Staat und Versorgungswirtschaft bezeichnet. Die neue Cheflobbyistin der Stromwirtschaft komme gerade direkt aus dem Kanzleramt.
    Quelle: scharf-links

  12. Schöne neue E-Health-Welt – wem nutzt die elektronische Gesundheitskarte?
    Ende des Jahres könnte es soweit sein: Mit fast dreijähriger Verzögerung beginnt die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Das erklärte Leuchtturmprojekt der Bundesregierung soll landesweit Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken und 80 Millionen Bürger miteinander vernetzen und so die medizinische Versorgung optimieren.

    Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Patienten werden gestärkt und Milliarden Euro eingespart, versprechen die Befürworter. Widerspruch kommt aus der Ärzteschaft und von Bürgerrechtlern. Dient die Karte doch auch als Schlüssel für die geplante Patientenakte, die auf externen Speichern liegen wird. Datenmissbrauch sei vorprogrammiert, die ärztliche Schweigepflicht bedroht und der medizinische Nutzen für die Patienten zweifelhaft. Diese müssen allerdings die Kosten tragen, deren tatsächliche Höhe nicht absehbar ist.
    Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Text, PDF, 50kb)
    Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (Audio-Podcast, ca. 30 min, ca. 13,4 MB)

    Dazu passt:

    Elektronische Gesundheitskarte belastet Gesundheitsfonds
    Nach Ansicht des NAV-Virchow-Bundes der niedergelassenen Ärzte Deutschland müssen die Krankenkassen im Jahr 2009 für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte 660 Millionen Euro aus dem Gesundheitsfonds einplanen. Der Millionenregen aus Fonds-Mitteln soll angeblich die Einführung der Gesundheitskarte beschleunigen. Klaus Bittmann, Vorsitzender des größten deutschen Verbandes niedergelassener Ärzte, forderte die Kassen auf, die Mittel lieber in die medizinische Ausstattung unterversorgter Gebiete zu investieren. Ein chaotisches Projektmanagement und eine unausgegorene Technik werde weiter gefördert, beklagt der Verbandsvorsitzende. Er hält weiterhin für skandalös, dass der Etat der Projektgesellschaft Gematik 2009 auf 85 Millionen steigen soll. (2008: 70 Millionen, 2007: 40 Millionen).
    Quelle: Heise

  13. Mehr als 10 Milliarden Euro für Auslandseinsätze der Bundeswehr seit 1992
    Deutschland hat von 1992 bis 2007 rund 10,58 Milliarden Euro für Auslandseinsätze ausgegeben. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (16/10692) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/10482) hervor. Die Kosten für die internationalen Missionen der Bundeswehr werden nach Auskunft der Regierung aus dem Verteidigungshaushalt, Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes, bestritten. Keine Angaben kann die Regierung laut eigener Aussage über die Kosten für die einsatzbedingte Ausbildung, die laufenden Betriebs- und Personalkosten und die Ausgaben für Versorgungsleistungen an einsatzgeschädigte Soldaten machen, da diese im Haushalt nicht den einzelnen Auslandseinsätzen zuzuordnen seien.

    Die Ausgaben der NATO für ihren Einsatz in Afghanistan (ISAF) seit dem Jahr 2003 werden von der Bundesregierung auf 656,3 Millionen Euro beziffert, für den Einsatz im Kosovo (KFOR) seit 1999 auf 413,8 Millionen Euro.
    Quelle: Deutscher Bundestag

  14. Polen: Ein Tsunami von Bankrotten
    Polens Zentralbankchef machte bis zuletzt auf Optimismus. Die weltweite Finanzkrise werde dem Land kaum etwas anhaben, erklärte Slawomir Skrzypek auch noch, als der Index der Warschauer Börse vor einigen Tagen längst in den freien Fall übergegangen war. Seine Hauptargumente: die polnischen Banken hätten sich kaum an hochspekulativen Geschäften beteiligt, die vor allem den Instituten in den USA zum Verhängnis wurden. Dies ist zwar eine gute Basis, doch hatte der polnische Zentralbankchef die Wucht des Krise unterschätzt und nicht bedacht, wie hoch die Abhängigkeit der polnischen Wirtschaft von seinen Nachbarn ist. Die Einwohner von Posen (Poznan) und Gleiwitz (Gliwice) haben das schnell am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die großen Autowerke von Volkswagen und Opel drosselten wegen sinkender Nachfrage im Westen ihre Produktion im Osten. Inzwischen geht in den beiden Städten die Angst um, dass bei anhaltenden Absatzproblemen die Werke ganz geschlossen werden könnten.

    Doch auch die Banken, von Chefökonom Skrzypek wegen ihrer Vorsicht zu Recht gelobt, gerieten in schwere See. Das Problem ist ein grundsätzliches. Über 70 Prozent der polnischen Banken befinden sich in ausländischer Hand. Aufgrund der Krise ziehen aber die Muttergesellschaften das Geld aus dem Osten ab. Das wiederum hat direkte Folgen für die Verbraucher. Zum einen zögern die Institute, Kredite zu vergeben. Das trifft vor allem Unternehmer, die ihre Aufträge in der Regel durch geliehenes Geld vorfinanzieren müssen. Zbigniew Bachman, Direktor der Polnischen Industrie- und Handelskammer für Bauwesen, befürchtet in den nächsten Monaten bei kleinen Firmen, die nicht von EU-finanzierten Großaufträgen profitieren, „einen Tsunami von Bankrotten“.

    Doch auch Privathaushalte haben zu kämpfen. Der Konsum in Polen ist in vielen Fällen durch Kredite finanziert, die nun nicht mehr einfach zu bekommen sind. Aus diesem Grund ist der Immobilienmarkt bereits dramatisch eingebrochen. Auch haben sich viele Konsumenten, etwa zum Bau eines Hauses, in Fremdwährungen wie dem Schweizer Franken hoch verschuldet. Noch vor wenigen Monaten war das eine gute Idee, denn der Zloty war stark und die Zinsen im Ausland niedrig. Im Zuge der Finanzkrise hat der Zloty jedoch fast 30 Prozent an Wert verloren und die Schuldner müssen ihre Kredite in den aufgewerteten Währungen bedienen.
    Quelle: Tagesspiegel

  15. Die Zocker aus der französischen Provinz
    Banken waren die ersten Opfer der Kreditkrise. Doch jetzt rücken Staaten und Gemeinden in den Vordergrund. In Frankreich stecken viele Kommunen tief im Schlamassel. Im Fall des Département Seine-Saint-Denis bei Paris beispielsweise bestehen die Schulden zu 98 Prozent aus “giftigen” Krediten mit hoch variablen Zinsen. Manche Städte wie Saint-Etienne oder einige Départements haben bei den Banken Darlehen aufgenommen, deren Zinsen an die Entwicklung von Börsen- oder Wechselkursen gekoppelt sind. Seine-Saint-Denis muss deswegen mit einem Anstieg des Schuldendienstes von 3 Mio. Euro 2009 auf 12 Mio. Euro im Jahr 2010 und sogar 17 Mio. Euro 2011 rechnen. Die Ratingagentur Fitch beziffert den Anteil der “strukturierten Produkte” an den 126 Mrd. Euro Gesamtschulden der Gebietskörperschaften auf 20 bis 25 Mrd. Euro.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Da spricht man von deutsch-französischen Differenzen. Im Zocken sind sie alle gleich.

  16. Warum in den USA Wahlen eine Zitterpartie sind
    Von der Registrierung über Wahlmaschinen bis hin zu Wahlfehlern kann die Stimmabgabe behindert oder verfälscht werden.
    Vieles an den amerikanischen Wahlen vom Termin über die Registrierung bis hin zu den Wahlmännern ist anachronistisch. Dazu gehören auch manche Wahlmaschinen, die dann, wenn es knapp wird, zu Problemen führen können, wie dies im Jahr 2000 der Fall war – mit Folgen, die überall auf der Welt bis hin zur Finanzkrise zu spüren waren (George W. Bush ist rechtlich, aber wahrscheinlich nicht faktisch der von der Mehrheit gewählte US-Präsident). Die massive Einführung der Wahlcomputer hat zwar den Maschinenpark technisch modernisiert, die Wahlen aber nicht zuverlässiger gemacht, auch wenn nun häufig ein Papierausdruck verlangt ist (Reform der elektronischen Wahlsysteme). Die langen Schlangen vor den Wahllokalen haben jetzt schon gezeigt, dass man offenbar auch nicht willens ist, Menschen die Teilnahme zu ermöglichen, die nicht stundenlang Zeit haben.
    Quelle: Telepolis
  17. Uwe-Karsten Heye: “Lafontaine wollte nicht Kanzler werden”
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Dieses Interview ist nur interessant, weil es belegt, wie das Sprachrohr Schröders, Uwe-Karsten Heye zusammen mit den Interviewern von der SZ, die Sprache und die Realität verdrehen, um Legenden zu stricken.

    Die SZ spricht z.B. von „Umverteilern“ und „Reformern“ in der SPD und Heye nimmt das allzu gerne auf. Fragen Sie sich einmal selbst und alle Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Umverteilt haben die „Reformer“ und zwar von unten und von der Mitte nach oben. Alle die hier wieder mehr Gerechtigkeit und eine Umkehr wollen, werden als „Umverteiler“ denunziert. So verkehrt man mit Sprache die Wirklichkeit.

    Dasselbe gilt für den Sprech der Reformer von den „neuen Problemen“ im neuen Jahrhundert, etwa dem neu entdeckten „demographischen Wandel“. Sie tun so als wäre das neu. Im vorigen Jahrhundert war die Alterung mit 30 Jahren viel höher als die nächsten 50 Jahre, wo die Menschen nach Schätzungen gerade mal 6 oder 8 Jahre älter werden sollen. Mit dieser Lesart soll verdeckt werden, dass der demographische Wandel als Hebel benutzt wurde um z.B. die gesetzliche Rente zu ruinieren. Kein Wunder, dass Heye abwiegeln muss und behauptet, dass die „Aufregung um die Riester-Rente fast vergessen“ ist. Daran kann man erkennen, dass die Wirklichkeit systematisch verweigert wird.

    Oder auch sehr schön formuliert: Um den „Genossen der Bosse“ (Schröder) hoch zu loben, wir dessen wirtschaftsfreundlicher Kurs so definiert: „Lasst uns die Arbeitsebene zur Wirtschaft nicht zerstören.“

    Eine völlige Verzerrung der Geschichte ist die Behauptung: Lafontaine wollte nicht Spitzenkandidat werden, weil er nicht Kanzler werden wollte. Das begründet Heye pseudopsychologisch mit dem Attentat acht (!) Jahr zuvor. Schröder wurde deshalb zum Kandidaten ausgerufen, weil er in Niedersachsen (überraschend) die absolute Mehrheit holte und damit eine Dynamik ausgelöst hat.

    Auch dass sich die Staatsekretäre von Lafontaine als „Wadenbeißer“ verhalten haben sollen, ist die glatte Verkehrung der Realität. Schröder hatte Bodo Hombach ins Kanzleramt geholt, weil er dessen Fähigkeit zum Intrigieren und Mobben brauchte, um Widerstand auszuschalten. Hombach betrieb seine Intrigen so halbseiden, dass selbst Schröder ihn schließlich entlassen musste.

    Man könnte das gesamte Interview durchdeklinieren. Es zeigt in klassischer Weise Heyes Fähigkeit als sog. Spin-doctor, d.h. als zynischer Techniker der Meinungsmanipulation, indem durch Lügen oder Halbwahrheiten die öffentliche Meinung in eine gewünschte Richtung gelenkt werden soll und damit Mythen und Legenden aufgebaut werden.

  18. Umsturz auf Probe: Auf geht’s! Revolution!
    Führt die Finanzkrise zum Klassenkampf? Am Hamburger Schauspielhaus fordern die Armen schon mal die Superreichen heraus
    Quelle: zeit.de

    Dazu:

    Senatorin von Welck zum Theaterstück „Marat, was ist aus unserer Revolution geworden?“
    “Einzelpersonen an den Pranger zu stellen, ist in meinen Augen eine billige, populistische Form, Kritik auszudrücken. Es ist hoch problematisch und unfair. Ich traue einem Regisseur, der an einem Theater wie dem Deutschen Schauspielhaus inszenieren kann, differenziertere und reifere Möglichkeiten zu, unser Gesellschaftssystem kritisch zu hinterfragen und den Zuschauer zum Nachdenken zu bewegen. Ich freue mich, wenn Kunst Diskussionen auslöst, und ich bin froh, wenn ich dadurch angeregt werde, auch Dinge zu überdenken, die mir selbstverständlich geworden sind. Doch wünsche ich mir dafür eine niveauvolle Basis”
    Quelle: hamburg.de

    Dazu noch:

    Reden, wenigstens das!
    Das Theater an diesem Abend ist ausnahmsweise mal nicht der Ort fabrizierter Surrogat-Skandale und kleinbürgerlicher Provokationen, sondern ein theatralisches Labor, eine kommunikative Utopie vollendeter Gleichheit, in der alle Fragen bewegt und begutachtet und beredet werden können. Die Schönheit dieses Moments ist erarbeitet worden, ist erstritten worden durch die Theater-Kunst.

    Die Magie dieses Theaterabends besteht darin, dass man all diese Elends-Berichte und -Protokolle kennt, aber doch den Eindruck hat: Man hört sie zum ersten Mal. Es sind Stimmen, die in den letzten Jahren verdrängt und unterdrückt wurden, von jedem. Nun sind sie wieder da. Das anschwellende Murmeln.
    Sie werden lauter, und wir wissen alle, dass sie bleiben.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Sollte der neonationale Matthias Matussek ein Anhänger neoliberaler Politik und Fan der Großen Koalition aus dem Theaterstück wirklich etwas gelernt haben. Es wäre großes Theater.

  19. 3. November: Schwarzer Tag für die Bildung in Hessen
    Als schwarzen Tag für die Verwirklichung des „Rechts auf gute Bildung für Alle“, bezeichneten der Vorsitzende des Elternbunds Hessen, Sven Bade, und der Vorsitzende der GEW Hessen, Jochen Nagel, das Scheitern der geplanten Minderheitsregierung von SPD und B90/DIE GRÜNEN unter Duldung der Partei DIE LINKE. Der in der Koalitionsvereinbarung festgelegte und von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Lehrkräften dringend erwartete grundlegende bildungspolitische Aufbruch wird nun nicht kommen. Die gescheiterte Bildungspolitik unter der CDU Regierung wird vorläufig fortgesetzt werden. „Jedes Jahr, das die jungen Menschen auf bessere, sozialere Bildungsangebote warten müssen, ist ein weiteres verlorenes Jahr!“
    Quelle: GEW Hessen
  20. Berlusconi macht Rückzieher bei Bildungsreform
    Die Regierung in Rom macht vor den angekündigten massiven Studentenprotesten einen Rückzieher. Berlusconi handelt unter dem Druck von Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, der nach dem Generalstreik gegen die Bildungsreform am vorigen Freitag die Regierung aufgerufen hatte, sich mit den Forderungen der Protestierenden auseinanderzusetzen. Die Reform sieht beträchtliche Einsparungen im Universitätsbereich vor. Mit der Hochschulreform will die Mitte- Rechts-Regierung Berlusconi die Zahl der Professoren pro Student reduzieren.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung WL: Massenhafter Protest bringt vielleicht doch etwas


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