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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 3. November 2008 um 5:33 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(KR/WL)
Heute unter anderem zu diesen Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Abgesehen von solchen Stellschrauben in der Verantwortung der BA sorgt die anhaltende Einstellungsbereitschaft vieler Arbeitgeber dafür, dass der Arbeitsmarkt “flüssig” bleibe, meint Weise. Gut die Hälfte der neu eingestellten Arbeitnehmer übe in Zukunft eine so genannte sozialversicherungspflichtge Vollzeit-Tätigkeit aus. Der Rest entfällt auf Teilzeit- und Mini-Jobs.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit “nur auf den ersten Blick” eine gute Nachricht: Viele Arbeitssuchende – darunter zunehmend Hartz IV-Empfänger – würden nicht mehr als Arbeitslose gezählt, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki. Die Aussagekraft der Nürnberger Arbeitslosenstatistik sei wegen dieser “kreativen Buchführung” beschränkt, so Matecki.
Quelle: FR
Anmerkung WL: Zur Erinnerung: Am 16. August 2002 legte der Ex-VW-Manager Peter Hartz den Bericht der Hartz-Kommission vor. Erklärte Absicht war, die registrierte Arbeitslosigkeit von über 4 Millionen innerhalb von drei Jahren zu halbieren. Inzwischen sind 6 Jahre, also mehr als doppelt soviel Zeit vergangen und es wurde trotz aller statistischer Korrekturen, trotz der explosionsartigen Ausweitung des Niedriglohnsektors, trotz verschärften Drucks auf die Arbeitslosen das Versprechen nicht annähernd erreicht. Wir haben zur Zeit etwa 5,4 Millionen arbeitslose und als nicht arbeitslos gezählte Arbeitslose. Und es ist eher wieder ein Anstieg der (statistisch erfassten) Arbeitslosenzahlen zu erwarten.
Und trotz dieser miserablen Bilanz reden die „Reformer“ ständig vom Erfolg der „Reformpolitik”. Die anstehende Rezession wird sie vielleicht endlich darüber belehren, dass die Nachfrage nach Arbeit vor allem von der Konjunktur abhängt.
Siehe:
Das 16-Punkte Konjunkturprogramm
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung Orlando Pascheit: Man mag gar nicht daran denken, wenn die heutigen Niedriglöhner, Hartz-IV-Bezieher und Aufstocker in Rente gehen – einmal abgesehen davon, dass die Durchschnittsrente dann wahrscheinlich auf das Niveau der Grundsicherung abgesunken sein wird. Die Altersarmut kommt mit großen Schritten – und wir diskutieren über Boni für Millionäre.
Die Bundesregierung möchte in diesem Zusammenhang auch die Frage klären, inwieweit Verpflegung, die ein Arbeitnehmer als Bezügebestandteil oder gar anstelle von Arbeitsentgelt gewährt, als Einkommen zu berücksichtigen ist.
Quelle: Deutscher Bundestag
Bankenkrise – das Versagen der Wirtschaftsprüfer
Beispiel Hypo Real Estate. Wirtschaftsprüfer hier: Das renommierte Unternehmen KPMG.
12. August 2008. Der Zwischenbericht des Bankenvorstands wird von den Wirtschaftsprüfern durchgesehen. Diese weisen zwar auf Risiken hin, bescheinigen der
Bank aber: “Selbst bei einem Worst-Case-Szenario ist sichergestellt, dass die Hypo Real Gruppe und ihre Tochterunternehmen jederzeit uneingeschränkt zahlungsfähig sind.” Beispiel Sachsen LB. Hier waren die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers zuständig. 21. März 2007. Auch der Jahresbericht dieser Bank wird mit einem uneingeschränkten Testat abgesegnet. Gerade fünf Monate später: 17. August 2007. Der Sachsen LB droht die Pleite. Völlig fehlerfrei – so präsentiert sich die Branche. Sie kontrollierten die Banken – doch mit deren Zusammenbrechen haben sie angeblich nichts zu tun.
Quelle: Das Erste – Panorama [PDF – 48 KB]
Der Weltwährungsfonds hat bereits einen zweijährigen Kredit von 2,1 Milliarden gebilligt, offenbar unter der Auflage, dass die die Zentralbank die Zinsen drastisch erhöht. Die wurden nun auch auf 18 Prozent erhöht, vor allem um die Krona zu stabilisieren und den Abfluss von Geldern einzudämmen.
Die Zahlungsunfähigkeit von Island als einer – jetzt wohl für längere Zeit – ehemaligen Finanzhochburg, die sich an den internationalen Wettströmen bereicherte, lässt auch Fragen aufkommen, wie die Situation bei anderen kleineren Ländern aussieht.
Die britische Zeitung Independent hatte schon Mitte Oktober gefragt: Ist die Schweiz das nächste Island? Auch die Schweiz musste für die Großbank UBS ein 68-Milliarden-Franken-Rettungspaket schnüren. Und die in der Schweiz befindlichen Bankeneinlagen von 3,46 Billionen Schweizer Franken übersteigen das BIP um das Siebenfache.
Deshalb hatte Richard Portes von Londoner Business School und Präsident des Centre for Economic Policy Research neben Island auch die Schweiz und Großbritannien als gefährdet betrachtet. Portes hat dies gegenüber swissinfo, wo man das Thema aufgegriffen hat, noch einmal begründet und kommt zu einer noch größeren Schieflage:
“Kurzfristige Verpflichtungen der Schweizer Banken, das heißt diejenigen mit dem höchsten Risiko, machen 13 Mal das Schweizer BIP aus. Im Fall von Island betrug der Faktor 5, war also weniger hoch. Diese Situation ist für die Schweiz potentiell gefährlich. Ihr Bankensektor ist zum jetzigen Zeitpunkt zu groß, als dass er von der Schweizerischen Nationalbank gerettet werden könnte.
Quelle: Telepolis
Die oft bemühte Villa am Starnberger See soll nach dem Willen der Union steuerfrei vererbt werden. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagt, dass es in ganz Deutschland einen Freibetrag von 1,5 Mio. Euro für selbst genutzte Immobilien geben soll. Das ist für die SPD eine offene Provokation.
Auch beim Thema Betriebserben wird ein Kompromiss mit dem Koalitionspartner nicht leichter. Die Lösung, die bisher im Raum stand, nämlich eine Steuerfreistellung zu 85 Prozent, wenn die Erben den Betrieb mindestens zehn Jahre fortführen, war schon sehr großzügig.
Jetzt will die Union die sogenannte Behaltefrist sogar auf sieben Jahre drücken oder aber eine Steuerfreistellung für Betriebsvermögen zu 100 Prozent durchsetzen. Eine so weitgehende Befreiung werden die Sozialdemokraten ebenfalls nicht mitmachen.
Quelle: FTD
Anmerkung J.A.: Die CSU gibt wirklich alles für die armen Multimillionäre. Eine Villa am Starnberger See sofort, ein Multimillionen-Euro-Familienunternehmen nach 10 Jahren erbschaftsteuerfrei? Irre.
Siehe dazu auch:
Markus Sievers: Die Lobby der Erben
Wer die Debatte über diese Reform verfolgt hat, musste denken, es gebe in Deutschland nichts Schlimmeres als zu erben. Völlig aus dem Blickfeld geriet, dass die Koalition eine große Steuersenkung plant. Eigentlich müssten die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer kräftig steigen, schon weil künftig mehr und größere Erbschaften anfallen. Außerdem hat das Verfassungsgericht verlangt, die willkürliche Privilegien für Haus- und Betriebserben abzuschaffen. Nun will die Koalition die willkürliche durch eine geregelte Vorzugsbehandlung ersetzen, um Karlsruhe zu genügen. Es ist bizarr, wie die Begünstigten trotz einer Besserstellung dagegen Sturm laufen. Unglaublich ist, dass sie dafür politischen Rückhalt finden.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: Dass Mehdorn die Probleme allein an den Herstellern festmachen will, ist die übliche Ausweichstrategie. Deshalb müssen Journalisten das Spiel nicht mitmachen. Wozu hat man Archive. Nach dem Fast-Unglück eines ICE in Köln Anfang Juli beklagte sich Mehdorn in einem Brief an Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee über die “unverhältnismäßigen Forderungen” das Eisenbahnbundesamts (EBA), das eine Verkürzung der Wartungsintervalle (Ultraschalluntersuchung auf Risse) für den ICE forderte.
Während die Bahn den Achsenbruch als “einen Einzelfall, der noch abschließend geklärt werden muss”, behandelte, hatte das Bundesamt für Materialforschung festgestellt, dass die angetriebene zwölfte Achse des Zuges direkt am hoch belasteten Radansatz brach. Was in einem sicherheitsinteressierten Bahnchef den Verdacht hätte aufkommen lassen müssen, dass es sich um einen Konstruktionsfehler handeln könne. Unabhängig von der Verantwortung der Hersteller hätte sich Mehdorn sofort um die Entwicklung dauerfester Antriebsachsen für die 54 ICE-3-Züge bemühen müssen, statt Widerspruch gegen die Sicherheitsanforderungen des EBA einzulegen und von interessierten Kreisen zu schwafeln, die lediglich Schlagzeilen produzieren wollten.
Die Anforderung an die Bahnindustrie ist eine Sache, Mehdorn ist aber schon längst untragbar geworden. Bereits nach Eschede hatte das Fraunhofer-Institut Darmstadt in einem Gutachten über den gebrochenen Radreifen die systematisch heruntergefahrenen Sicherheitsstandards bei der Bahn beklagt. Diese Tendenz hat sich unter Mehdorn im Zeichen des Börsengangs verschärft. Der Börsengang der Bahn sorgt nicht nur für einen Abbau der Grundversorgung in der Fläche, sondern für enorme Sicherheitsprobleme.
Bei der „Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“ handelt es sich nicht um eine tariffähige Gewerkschaft. Denn dazu fehlten „einige Voraussetzungen“. Poeche: „Wir können nicht erkennen, dass die GNBZ gegnerunabhängig ist.“ Nicht nur die Satzung sei problematisch. So habe es sowohl „personelle Verflechtungen“ mit als auch „erhebliche Zuwendungen“ von der Arbeitgeberseite gegeben, es fehle ihr also offenkundig an der notwendigen Unabhängigkeit. Damit gibt das Gericht in vollem Umfang dem Antrag von Ver.di statt.
Quelle: taz
Der weltgrößte börsennotierte Ölkonzern Exxon Mobil hat im dritten Quartal dank der hohen Ölpreise das neue Rekordergebnis von 14,83 Milliarden Dollar eingefahren – ein Plus zum Vorjahr von fast 60 Prozent. Damit hat das Unternehmen seinen eigenen Rekord eingestellt, noch niemals zuvor hat ein US-Unternehmen in einem Dreimonatszeitraum derart hohe Gewinne verzeichnet. Bereits im zweiten Quartal machte Exxon einen Rekordgewinn von 11,68 Milliarden Dollar.
Quelle: SPIEGEL
Anmerkung WL: Sinn belegt einmal mehr die eindimensionale Sicht eines „Angebots“-Dogmatikers, der ausschließlich die Angebots- bzw. die Investitionsseite betrachtet und für den die Nachfrageseite im ökonomischen Kreislauf vernachlässigbar ist.
Dieses Dogma ist nicht nur primitiv, es ist auch empirisch falsch wie Gustav Horn vom IMK nachgewiesen hat: “Trotz der deutlich erhöhten Profitabilität der deutschen Unternehmen im Aufschwung waren die Investitionen nicht höher als in den vorangegangenen Aufschwungsphasen.”
Anmerkung: Originalzitat aus der HIS-Studie: (S.1)
“Durch die Einführung von Studiengebühren verzichtet eine nennenswerte Zahl von Studienberechtigten auf das ursprünglich beabsichtigte Studium (Jahrgang 2006: zwischen 6.000 und 18.000). Insbesondere Frauen und Studienberechtigte aus hochschulfernen Elternhäusern entscheiden sich aufgrund von Studiengebühren gegen ein Studium.
Die Studiengebührendiskussion hat auch in den Ländern, die bislang keine Studiengebühren planen, zu einer erheblichen Verunsicherung der Studienberechtigten geführt. Jede/r fünfte ostdeutsche Studienberechtigte, die/der sich hinsichtlich einer Studienaufnahme noch unsicher ist,gibt an, das gewünschte Studium aufgrund von Studiengebühren bzw. der Angst vor deren Einführung (voraussichtlich) nicht aufzunehmen. […]
Finanzielle Restriktionen bilden eine zentrale Motivgruppe unter den Gründen, die von der Aufnahme eines Studiums abhalten.”
Daraus macht das BMBF:
“Die Gründe für oder gegen ein Studium sind vielschichtig, Studiengebühren spielen dabei eine untergeordnete Rolle.”
Die FTD und das CHE-Centrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmann-Stiftung küren am 14. November den Hochschulmanager des Jahres, damit wird in Deutschland erstmals ein Preis an hervorragende Präsidenten oder Rektoren vergeben. Die Kandidaten wurden in den Kategorien Strategisches Management, Finanzierung, Organisation und Leitung, Personalmanagement, Internationalisierung sowie Qualitätsmanagement untersucht. Die sechs Finalisten stellt die FTD in einer Serie vor. Diesmal Dieter Lenzen von der FU Berlin.
Quelle: FZD
Anmerkung: Siehe dazu: Bodo Zeuner „Die Freie Universität vor dem Börsengang? – Bemerkungen zur Ökonomisierung der Wissenschaft“
Anmerkung: Der Beitrag gibt einen guten Überblick über die Methoden und die Praxis der Leistungsbewertung in den Wissenschaften. Er stellt die verzweifelten und zum Scheitern verurteilten Versuche dar, wie man durch quantitative Messungen Qualität messen will. Ein klassisches Beispiel für den Verlust von Urteilskraft und dessen Ersatz durch Messverfahren.
Familie Brünnicke hatte 2003 ein Fertighaus gekauft. Große Freude, bis die Familie krank wurde. Experten stellten eine hohe Konzentration an giftigen Holzschutzmitteln fest. Familie Brünnicke zog aus, riss das Fertighaus ab. Hatte nicht der Holzschutzmittelprozess der 90er-Jahre die Gefahr sozusagen gebannt?
Zwei Chemiemanager waren verurteilt worden. Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil später auf. Staatsanwalt Erich Schöndorf, damals Ankläger, sagt heute: “Die Geschichte geht weiter und fängt wieder von vorne an”.
Es gibt Tausende von Holzschutzmittelgeschädigten, die damals krank wurden. Und es gibt neue Opfer. Der Film schlägt einen Bogen vom Frankfurter Holzschutzmittelprozess bis heute und beleuchtet anhand konkreter Beispiele die Auswirkungen und Folgen moderner Holzschutzmittel. “Was zählt, ist nicht, ob unsere Mittel krank machen, sondern ob wir dafür haften” wird einer der damals im Frankfurter Holzschutzmittelprozess verurteilten Manager zitiert. Mirko Tomic prüft nach, ob Behörden, Industrie und Politik die Lehren aus einem der größten Umweltskandale der Bundesrepublik gezogen haben.
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