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Titel: Deutsche Bank im selbst verschuldeten Niedergang

Datum: 7. Oktober 2016 um 10:58 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise
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Ende letzter Woche hat die Deutsche Bank an den Börsen ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Die Aktie notierte erstmals für wenige Stunden knapp unter der kritischen Symbolmarke von 10 €. Unmittelbarer Anlass für die Spekulatio­nen auf Kursabsturz war die aus dem Justizministerium in den USA bekannt gewordene Strafzahlung von 14 Mrd. $ für mehrfach in Obligationen verpackte, faule Hypotheken. Wie hoch auch immer die Strafe, die derzeit laut Moody`s eher in Richtung von 5,7 Mrd. $ für verhandelbar gehalten wird, entscheidend ist. Die Bank weist bis jetzt insgesamt für ihre Rechtsstreitigkeiten nur 5,5 Mrd. € als Rückstellungen aus. Zusammen mit weiteren Strafen und anderen Risiken wird diesem angeschlagenen Geldhaus die Finanzierung der Rechtskosten nicht zugetraut. Von Rudolf Hickel [*]

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Erschreckender Niedergang in Zahlen

Dabei ist der Niedergang seit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise 2007 die lo­gische Folge des gescheiterten Geschäftsmodells der Deutschen Bank als unse­riöser „Global Player“ im internationalen Kasinokapitalismus. Die ökonomi­schen Eckwerte spiegeln das selbst verschuldete Desaster wider: Vom letzten Hoch Ende April 2007 mit 102,27 € bewegt sich der Aktienkurs derzeit um die 11 €. Der an den Aktien gemessene Marktwert dieses „Global Players“ stürzte gegenüber 2006 um 41% auf 31,1 Mrd. € in 2015 ab. In diesen Tagen verpassen die Aktienmärkte der Deutschen Bank eine dramatische weitere Abwertung. Während in den Büchern der Deutschen Bank das Eigenkapital noch mit 62,7 Mrd. € ausgewiesen wird, wird bei einem Aktienkurs von 11,80 € pro Aktie das Unternehmen nur noch mit 17 Mrd. € bewertet. Im letzten Jahr konnten erst­mals keine Dividenden ausgeschüttet werden. Anstatt eines positiven operati­ven Gewinns wurden 2015 über 6 Mrd. € an Verlusten eingefahren. Aber auch das ist typisch für dieses spekulationsgetriebene Geldhaus: An den hohen Bo­nuszahlungen an diejenigen, die mit ihren Spekulationsgeschäften die Bank ins Minus befördert haben, hat sich bisher kaum etwas geändert. In den letzten 15 Jahren sind geschätzt zwischen 40 und 50 Mrd. € an die Investmentbanker ge­flossen, während sie viel weniger an Wert als vor 2006 abgesichert haben.

Täter und Opfer zugleich

John Cryan, die tragische Führungsgestalt der Deutschen Bank, hat mit seiner Suche nach den Schuldigen für den Aktienkursabsturz eher Spott geerntet als Vertrauen herstellen können. Sein Institut sei das Opfer von Spekulanten. Wäh­rend sich der Bundeswirtschaftsminister auf seiner Iranreise nicht entscheiden kann, ob er darüber weinen oder lachen soll, ist klar, diese Opferideologie ist dumm und dreist. Gehören doch Wetten auf sinkende Kurse zum bisherigen Kerngeschäft der Deutschen Bank. Die Chefstrategen in den beiden Türmen in Frankfurt a. M. sind als brutale Täter jetzt die Opfer ihrer eigenen Profitgier. Jetzt ist auch die Aktie der Deutschen Bank Objekt der Wetten auf Absturz. Heute sind es prominente Spekulanten wie der britische Hedgefonds Marshall Wace. Zeitweilig soll auch George Soros aktiv geworden sein. Dabei ver­schweigt Cryan mit seinem Mitleidsappell für das „Opfer“ eine ärgerliche Wahrheit: Die Deutsche Bank verfügt über den Geschäftsbereich Prime Brokerage. Dieser bietet Hilfen bei der Beschaffung von Liquidität durch Kredite sowie beim Handel und der Verwahrung von Wertpapieren speziell den Hedgefonds an. Bei der Deutschen Bank werden die Gesamtmittel für diesen Geschäftsbereich mit 33 Mrd. € Hilfe für rund 760 Hedgefonds geschätzt. Also, das Opfer finanziert seine Täter.

Die lang angelegte Krise der Deutschen Bank resultiert aus dem Grundfehler der bisherigen Geschäftspolitik: Das hoch gepriesene Investmentbanking brachte mit abenteuerlichen und teils kriminellen Instrumenten lange die ho­hen Spekulationsprofite, während die Geschäfte für den normalen Privatkun­den sowie auch den Mittelstand vernachlässigt worden sind. Jetzt stottert der Motor der Spekulationsmaschine.

Heute werden die zuvor verachteten Kritiker bestätigt. Mit dem Ackermannschen Wahnsinn, eine Rendite von mindestens 25% nach Steuern zu erkämpfen, hat die Deutsche Bank zum Beinahezusammenbruch der Finanz­märkte aktiv beigetragen und die eigene Niederlage produziert. Ein nicht für möglich gehaltenes Fehlverhalten gehört seit Jahren zum Geschäftsmodell.[1] In der Deutschen Bank ist im Klima skrupelloser Profitgier und Bonuszahlungen an die Investmentbanker ein kriminelles Potenzial herangewachsen. Axel Troost hatte im Bundestag mit seiner Bemerkung recht: Viele Jahre war die „Deutsche Bank einer der krimi­nellsten Banken der Welt“. Die Beispiele : Handel mit Ramschpapieren [2], betrü­gerische Karussellgeschäfte, Manipulation der Steue­rungszinssätze Li­bor/Euribor, Devisenkursmanipulationen, Zinswetten etwa mit Städten wie Pforzheim, CumEx-Geschäfte und jüngst der Vorwurf von Geldwaschgeschäften sowie Verstöße gegen Sanktionsregeln in Russland.

Der Niedergang des bisherigen Geschäftsmodells mit dem Schwerpunkt des spekulativen Investmentbankings verlangt eine grundlegende Neuorientierung. Der durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Paul Achleitner geforderte „Kultur­wandel“ impliziert eine allerdings ärgerliche Wahrheit. Die Deutsche Bank hatte in der Phase der Profitjagd keine Kultur, oder besser kein ethisch fundier­tes und gesteuertes Geschäftsmodell. Die Unternehmensverfassung war syste­misch strafanfällig.

Wie geht es weiter? Großfusion, Bankenschrumpfen, Abwicklung

Heute stellt sich die Frage, wie es mit der Deutschen Bank weitergehen soll.
Dabei müssen die Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Überkapazitä­ten („Overbanking“) im deutschen Ban­kensystem sind unübersehbar. Diese werden noch durch die Digitalisierung der Bankengeschäfte verschärft. Daher wird die Deutsche Bank die im Zuge des schrumpfenden In­vestmentbankings nicht mehr benötigten Jobs nicht durch den Ausbau des normalen Un­terneh­mens- und Kundengeschäfts retten können. Cryan erklärt, bei der Fort­führung einer selbständigen Deutschen Bank soll es beim Investmentban­king bleiben. Dagegen wird das vor allem in den Zweigstellen und in den Regionen abge­wickelte Ge­schäft für die normalen Kunden massiv reduziert werden. Diskutiert wird auch eine Großfusion zwischen der Deutschen Bank und der Commerz­bank, in der die Dresdner Bank Anfang 2009 aufgegangen ist. Außer dem In­vestmentbanking wäre mit großen Überschneidungen zu rechnen. Ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen wäre die Folge.

Ausgangspunkt des Versuchs, die Bank im Alleingang zu retten, ist eine Kapital­erhöhung. Durch den realisierten und geplanten Verkauf von Beteiligungen konnte derzeit die für die Überlebensfähigkeit wichtige Kernkapitalquote mit 10,87% noch gehalten werden. Allerdings wird der Abstand zur durch die Regu­lierung vorgegebenen Quote immer geringer. Zudem muss diese Mindestmarke bis 2018 auf 12,5% erhöht werden. Die Deutsche Bank hat sich bereits in einem Vorratsbeschluss eine Kapitalerhöhung (beim Kurs pro Aktie um 11 €) von mehr als 8 Mrd. € genehmigt. Allerdings wird es bei dem derzeit desolaten Image dieses Geldhauses schwierig, Aktienkäufer zu finden. Wohl auch deshalb ha­ben die Chefs wichtiger DAX-Unternehmen unlängst ihre Bereitschaft zum Kauf der Aktien „ihrer“ Bank mit dem Slogan „Leistung aus Leidenschaft“ er­klärt. Sollte jedoch das Kapital nicht mobilisierbar sein, dann setzt die Logik der EU-Bankenunion ein. Die ordnenden Regeln gelten eben nicht nur für die Krisen­fälle in Südeuropa, sondern auch für das deutsche Institut. Die derzeitigen Aktionäre und anderen Gläubiger wären nach der Bail-in-Regel zur Finan­zierung der Rettungsmilliarden dran. Dadurch wird die Sozialisierung der Ver­luste durch Zahlungen aus dem Steuertopf ausgeschlossen.

Sicherlich ist derzeit das Worst Case-Szenario vermeidbar. Aber im Sinne einer Vorbereitung für den Fall der Fälle, muss die staatlich organisierte Abwicklung der Bank, mit dem Ziel, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu sichern, auch durchdacht werden. Der Staat übernimmt nach den EU-Regeln zu Bankenunion die Abwicklung der Bank. Die Abteilung Spekulationsgeschäfte inner­halb des Investmentbankings wird geschlossen und die dort noch gebunker­ten Derivate werden verkauft. Lukrative Bereiche wie die Ver­mögensverwal­tung werden zum Verkauf angeboten. Funktionen im Rahmen der lokalen und regionalen Versorgung mit Bankdienstleistungen, die bisher die Deutsche Bank schon stark reduziert hat, übernehmen die verbleibenden Anbieter. Sie sichern weiterhin die für das deutsche Bankensystem im internationalen Vergleich immer noch geltende effiziente Versorgung in der Region.

Was auch immer von der Deutschen Bank am Markt erhalten bleiben sollte, jetzt kommt es darauf an, ihren systemische Relevanz abzubauen. Keine Bank darf mehr so groß und verflochten sein, dass sie mit ihrem Absturz die Ge­samtwirtschaft und die öffentlichen Haushalte belastet. Also, eine Bank mit dem Systemrisiko „too big to fail“ darf es auch in Deutschland nicht mehr ge­ben.


[«*] Rudolf Hickel ist Wirtschaftswissenschaftler. Er war Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Bremen und von November 2001 bis Oktober 2009 Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW).

[«1] Ausführliche Analyse der Rolle der Deutschen Bank in der Finanzmarktkrise bei Rudolf Hickel, Zerschlagt die Banken – Entmachtet die Finanzmärkte, Berlin 2012

[«2] Mit dem Abschlussbericht einer Kommission des USA-Senats, der auf 650 Sei­ten über 150 Zeugenaussagen akribisch auswertet, wird eine „Anatomie des Finanzkollapses“ in den USA vorgelegt. Ein Abschnitt ist der aggressiv tätigen Deutschen Bank gewidmet. Aufgedeckt werden die Geschäfte vom Deutsche-Bank-Chefhändler Greg Lippman an der Wallstreet. Er hatte frühzeitig die An­weisung gegeben, etwa das als „Mist“ titulierten Gemstone 7-Paket auf Teufel komm raus zu verkaufen. In diesem Paket wurden faule Hypothekenkredite mehrfach verpackt, um Risiken zu vertuschen. Heute sind diese Manipulatio­nen Gegenstand der vom US-Justizministerium angedrohten Geldstrafe.


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