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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Studiengebühren schrecken ab
Datum: 22. Oktober 2008 um 8:57 Uhr
Rubrik: Chancengerechtigkeit, Hochschulen und Wissenschaft, Soziale Gerechtigkeit
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Sie wollen es ja selbst nicht wahr haben, die Vertreter des Marktliberalismus. Aber sie haben mal wieder recht: Die Nachfrage nach einem Gut ist abhängig von seinem Preis. Verteuert man den Preis einer Ware, so sinkt die Nachfrage danach. Wen wundert es daher, dass junge Leute sich durch Gebühren vom Studium abschrecken lassen? Von Karl-Heinz Heinemann
Im Abiturientenjahrgang 2006 haben rund 18 000 wegen der Gebühren kein Studium begonnen, das waren vor allem junge Frauen und Kinder aus bildungsfernen Schichten. Jahrzehntelang hatten die Gläubigen der Marktwirtschaft gepredigt, dass auch Bildung ihren Preis haben müsse, eben die Studiengebühren, und im gleichen Atemzug hatten sie behauptet, dass die nun überhaupt keine Auswirkungen auf die Nachfrage nach Bildung hätten. Nun werden sie durch die immer noch geheim gehaltene Studie des Hochschulinformationssystems HIS eines Besseren, oder vielmehr: Schlechteren belehrt.
500 Euro im Semester, also 1000 Euro im Jahr – das sind 85 Euro im Monat. Vielleicht nicht viel für einen Durchschnittsverdiener, aber für einen Bafög-Empfänger schon fast 15 Prozent seines Monatseinkommens.
Und es ist Psychologie im Spiel: was bekommt man für das Geld? Nach der Studienreform ein Studium, das mindestens 40 Arbeitsstunden in der Woche erfordert, oft aber 60 und mehr – da kann man nebenher nicht mehr ein bisschen dazu verdienen. Ein Studium mit unsicherem Ertrag. Was aus den Bachelors wird, wissen derzeit weder die Studenten noch die künftigen Arbeitgeber. Kein Wunder also, dass der Anteil der Studienberechtigten, zwar steigt, gleichzeitig aber immer weniger von ihnen wirklich studieren wollen. Sie ziehe eine Lehre vor.
Das Untersuchungsergebnis wird gegen den Willen des Auftraggebers, des Bildungsministeriums, gerade rechtzeitig bekannt, zwei Tage vor dem Bildungsgipfel der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten. Diese 17 Politikerinnen und Politiker könnten etwas lernen: ja, tatsächlich, der Preis bestimmt die Nachfrage. Und wenn wir die Nachfrage nach höherer Bildung erhöhen wollen, was wir ja unisono erklären, dann können wir, ganz im Sinne der Marktideologie, der wir trotz Finanzmarktkrise immer noch vertrauen, doch nur eines tun: Hochschulbildung wieder gebührenfrei zugänglich zu machen. Damit ist sie ja noch immer nicht kostenlos, denn man verdient einige Lebensjahre nichts, sondern muss sich für den Lebensunterhalt verschulden. Wenn wir also etwa mit den skandinavischen Ländern gleichziehen wollen, was die Bildung betrifft, brauche wir einen zweiten Schritt: wir müssen wirksames Stipendiensystem einführen, ein Studiengehalt, wie etwa in Dänemark. Damit privilegieren wir diejenigen, die später mit besserer Bildung mehr verdienen? Unsinn. Wir sorgen dafür, dass diese Leute später mehr Steuern zahlen statt Arbeitslosengeld oder Hartz IV zu beziehen.
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