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Titel: Zerstörte Ordnung am Arbeitsmarkt (2): Flexibilisierung, Senkung der Löhne und „Lohnnebenkosten“
Datum: 22. September 2016 um 9:11 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Audio-Podcast, „Lohnnebenkosten“, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Sozialstaat
Verantwortlich: Jens Berger
Mehr Flexibilität! Weniger Kosten! Weg mit der sozialen Hängematte! Aktiviert die Faulen! Die Forderungen neoliberaler Wissenschaftler und Arbeitgeber-Vertreter waren und sind eindeutig: Arbeitskraft sollte in ihren Augen so billig und flexibel wie irgend möglich zur Verfügung stehen. Entsprechende politische Maßnahmen ließen in Deutschland nicht allzu lange auf sich warten, wie Teil 2 der Artikelreihe von Patrick Schreiner[*] zeigt.
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Eine besonders häufig genannte Maßnahme, wenn es um die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes geht, ist die Schwächung des Kündigungsschutzes. Sie ist seit mindestens den 1980er Jahren ein Dauerbrenner neoliberaler, arbeitgeberfreundlicher Arbeitsmarktpolitik – die derzeitigen Debatten und Politiken in Frankreich und Italien zeigen dies beispielhaft. Wie einst in Deutschland, ist es auch dort die Sozialdemokratie, die Axt an eine grundlegende Errungenschaft der Arbeiterbewegung legt.
Die Kritik am Kündigungsschutz beruht auf der Annahme, dass Unternehmen die durch Kündigungsschutz entstehenden Kosten schon bei der möglichen Einstellung von Beschäftigten im Blick hätten. Je höher der Kündigungsschutz, desto höher fielen entsprechend die späteren Kosten aus – was wiederum dazu führe, dass die Unternehmen in vielen Fällen von Einstellungen gänzlich absehen. Insbesondere ein drohendes Arbeitsgerichtsverfahren und eine mögliche Verurteilung zu Entschädigungszahlungen trieben dabei angeblich die Kosten in die Höhe (Bothfeld/Ullmann 2003: 262-263).
Wie so oft, sieht die Realität in den Betrieben in vielerlei Hinsicht anders aus, als es politische Debatten nahelegen. So zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass die Kosten durch Kündigungsschutz weit überschätzt werden und Unternehmen ihr Einstellungsverhalten nicht von Kündigungsschutzregelungen abhängig machen. 2013 hat zudem der italienische Wirtschaftswissenschaftler Paolo Pini darauf hingewiesen, dass eine höhere Flexibilität des Arbeitsmarkts zu einer geringeren Produktivität und damit zu einer geringeren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft führt (Pini 2013). Der niederländische Wirtschaftswissenschaftler Alfred Kleinknecht schlug mit guten Argumenten und Zahlen in die gleiche Kerbe; er zeigte zudem gemeinsam mit einigen Kollegen, dass die Arbeitslosigkeit in Ländern mit höherer Flexibilität des Arbeitsmarkts höher ist und die Arbeitgeber weniger in die Kompetenzen ihrer MitarbeiterInnen investieren (Kleinknecht 2013).
Trotz guter – auch ökonomischer – Argumente für den Kündigungsschutz und gegen Arbeitsmarktflexibilisierung kam es in den vergangenen 35 Jahren zu deutlichen Verschlechterungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im sogenannten “Lambsdorff-Papier” von 1982, das das Ende der sozialliberalen Koalition und die neoliberale Wende der FDP bedeutete, hieß es noch recht vorsichtig: “Keine Erweiterung des Kündigungsschutzrechtes”. 1985 beschloss die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Helmut Kohl dann ein “Beschäftigungsförderungsgesetz”, das Leiharbeit (auf niedrigem Niveau allerdings) ausweitete und „kapazitätsorientierte, variable Arbeitszeit“ („KAPOVAZ“) sowie die Befristung von Arbeitsverhältnissen erleichterte. Außerdem wurden Sozialpläne, die bei betriebsbedingten Massenentlassungen beachtet werden müssen, für die Arbeitgeber günstiger gestaltet.
Die Gewerkschaften hat man in jener Zeit gezielt und bewusst geschwächt: Das Streikrecht wurde 1986 empfindlich eingeschränkt; durch eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes erhielten zudem kleine Gewerkschaften und Listen besseren Zugang zu den Betriebsräten.
Die FDP hatte dabei noch deutlich weitergehende Forderungen. Mitte der 1990er Jahre ging die Regierung Kohl dann auch tatsächlich einige Schritte weiter. Mit ihrem “Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung” wurde der Kündigungsschutz für kleine Unternehmen gelockert, zudem hat man die Befristung von Arbeitsverhältnissen sowie einmal mehr Sozialplanregelungen für Arbeitgeber günstiger gestaltet (Zohlnhöfer 2001: 110-116 und 281-284). Das Arbeitszeitgesetz von 1994 flexibilisierte gegen den energischen Widerstand der Gewerkschaften die gesetzlichen Regelungen zu den Arbeitszeiten in Deutschland.
Der Kündigungsschutz im engeren Sinne blieb in den 1980er Jahren noch unangetastet, in den schwarz-gelben 1990er Jahren kam es nur zu vorsichtigen Einschränkungen, mit der rot-grünen Agenda 2010 zu einer weiteren „Lockerung“. Die wesentlichere Strategie der Kohl-Regierung – wie auch nachfolgend der rot-grünen Schröder-Regierung – war eine andere: Man schuf Flexibilisierungsmöglichkeiten und reduzierte Kosten für Arbeitgeber durch Maßnahmen, die nur einen Teil der Beschäftigten negativ trafen (Leiharbeit, befristet Beschäftigte, Beschäftigte in einfachen Dienstleistungen, Entlassene; die Möglichkeit, durch den Missbrauch von Werkverträgen die Rechte abhängig Beschäftigter zu umgehen, entwickelten die Arbeitgeber ab den 1990er Jahren hingegen eigenständig.)
Auf diese Weise blieben die Stammbelegschaften zunächst von direkten negativen Auswirkungen verschont. Spätestens in den 2000er Jahren aber sollte sich zeigen, dass es indirekte Auswirkungen auf sie sehr wohl gab: Die neuen, flexiblen Randbelegschaften traten in Konkurrenz zu den Stammbelegschaften; ihr Einsatz diente den Arbeitgebern als Disziplinierungsinstrument.
Eine etwas andere Zielrichtung hatten Debatten um angeblich (zu) hohe “Lohnnebenkosten” in Deutschland. Auch diese Diskussionen setzten in den 1980er Jahren ein, sie verschärften sich in den 1990er Jahren und fanden in den frühen 2000er Jahren ihren Höhepunkt. Nicht zuletzt die rot-grünen Reformen der “Agenda 2010” sind ganz wesentlich als Reaktion auch auf diese „Lohnnebenkosten“-Debatte zu verstehen. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre galten die auf Löhne und Gehälter durch Arbeitgeber und Beschäftigte zu entrichtenden Sozialbeiträge als eines der zentralen arbeitsmarktpolitischen Probleme; in Umfragen nannten (teils deutlich) mehr als die Hälfte der Befragten deren Senkung als notwendiges Ziel. Es verging in den Jahren um die Jahrtausendwende kaum ein Tag, an dem nicht ein Politiker – welcher Partei auch immer – eine Senkung der “Lohnnebenkosten” forderte oder versprach (Trampusch 2009: 120-122).
“Lohnnebenkosten” werden je nach Zweck und politischem Interesse unterschiedlich definiert. Allgemein werden darunter jene Kosten des Arbeitgebers verstanden, die nicht in direkte Lohnzahlungen an die Beschäftigten fließen. Dies schließt keineswegs nur gesetzliche „Lohnnebenkosten“ (wie insbesondere die Arbeitgeberanteile an den Sozialversicherungen) ein, gleichwohl bildeten diese den Schwerpunkt der Debatte und der von interessierter Seite geübten Kritik. Damit war es letztlich der Sozialstaat, der unter Beschuss geriet.
Schon diese Definition und Sichtweise ist allerdings problematisch, nimmt sie doch ausschließlich die Perspektive der Arbeitgeber ein. “Lohnnebenkosten” sind aber immer auch indirekte Einkommen der Beschäftigten, sie sind Löhne. Damit sind sie zugleich volkswirtschaftliche Nachfrage, da mit ihnen etwa Gesundheitsleistungen, Renten oder Arbeitslosengeld finanziert werden. Dieser Zusammenhang aber gerät rasch aus dem Blick, wenn man nur von “Kosten” spricht und nur die „Kosten“-Seite sehen möchte.
Tatsächlich spielte dieser Zusammenhang für die Mehrheit in Politik, Wissenschaft und Medien während der Debatte um “Lohnnebenkosten” keine Rolle. Argumentiert wurde vielmehr, dass diese die Produktionskosten in Deutschland übermäßig in die Höhe trieben. Der bevorstehende demografische Wandel verschärfe dieses Problem nochmal drastisch. Deutschland verlöre an Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen unterblieben, Einstellungen würden nicht getätigt. Der Sozialstaat erweise sich zunehmend als unfinanzierbar.
Die empirischen Daten schienen diese Analyse zu untermauern: Während die Beitragssätze zur Sozialversicherung in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren tendenziell anstiegen, wenngleich seit Mitte der 1980er nur noch vergleichsweise leicht, erreichten die Arbeitslosenzahlen Rekordwerte. Bei den Sozialkassen standen den zu geringen Einnahmen (aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit) wachsende Ausgaben (aufgrund der Wiedervereinigung und einmal mehr hoher Arbeitslosigkeit) gegenüber. Zugleich verzeichnete Deutschland ein Defizit in seiner Leistungsbilanz, Überschüsse im Außenhandel brachen Anfang der 1990er Jahre deutlich ein. Auch dies war zwar im Wesentlichen auf die Wiedervereinigung und damit einhergehende Investitions- und Konsumbedarfe zurückzuführen (Beck 2014: 266-267 und 285), in der öffentlichen und politischen Debatte aber wurden Sozialleistungen, hohe “Lohnnebenkosten” sowie ein “sklerotischer” Arbeitsmarkt für die Misere verantwortlich gemacht (Trampusch 2009: 116-122; Bontrup 2004).
So hieß es etwa bei dem um die Jahrtausendwende in der Sozialdemokratie einflussreichen Soziologen Wolfgang Streeck (2001):
Dass hohe Lohnnebenkosten vor allem am unteren Ende des Arbeitsmarkts ein gravierendes Beschäftigungshindernis sind, ist unbestritten und wird von OECD, EU, Weltbank usw. einhellig so gesehen; dieselbe Einsicht findet sich auch in zahlreichen von dieser und der vorigen Bundesregierung unterzeichneten Dokumenten im Rahmen der europäischen Beschäftigungspolitik.
Und mehr als 15 Jahre zuvor hieß es schon bei Helmut Kohl (Bertram/Zundel 1985):
Wir sind ein rohstoffarmes Land, wir haben, von der Kohle abgesehen, keine eigenen Ressourcen. Wir müssen das alles draußen in der Welt häufig für viel Geld kaufen. Und wir müssen die Rohstoffe verarbeiten, veredeln, in Produkte umsetzen. Folglich sind bei uns die Löhne und die Lohnnebenkosten von größter Bedeutung. Das ist eine einfache Rechnung. Und wenn die Rechnung richtig ist, dann muß ich mich doch fragen, wie wir in Zukunft bestehen wollen. Wir haben alle Chancen, aber: Wir müssen umdenken. Das wichtigste ist nicht mehr die Freizeit, sondern die Sicherung unserer Zukunft. Und es kann sein, daß das bedeutet, etwas früher aufstehen zu müssen und sich bestimmte Dinge nicht mehr erlauben zu können. Das hat mit „neuer Armut“ überhaupt nichts zu tun.
Über Sozialstaatlichkeit konnte in Deutschland nun kaum mehr positiv diskutiert werden. “Lohnnebenkosten” galten als Hindernisse, aus Sozialleistungen wurden “Soziallasten”. Der Wohlfahrtsstaat galt nun nicht mehr als Instrument der Absicherung und der Emanzipation von Menschen, nicht mehr als unabdingbarer Baustein einer demokratischen Teilhabegesellschaft. Er wurde vielmehr als kollektive Belastung und Hindernis angesehen. Zwar langsamer als von seinen neoliberalen Gegnern erhofft, aber doch stetig beobachtbar nahm seit den 1990er Jahren sein Ansehen in der Bevölkerung ab (Butterwegge 2014: 107-111). Der daraufhin folgende Sozialabbau führte unmittelbar zu einer Schwächung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern: Sie wurden erpressbarer. Angst griff um sich, wenn es darum ging, die eigenen (verbliebenen) Rechte einzufordern – oder gar um höhere Löhne zu kämpfen.
Es war dann einer rot-grünen Bundesregierung vorbehalten, die größten Sozialkürzungen der vergangenen 35 Jahre vorzunehmen. Dabei griffen sie so manche Idee des sogenannten “Lambsdorff-Papiers” von 1982 auf, die unter Helmut Kohl in den 1980ern und 1990ern nicht durchsetzbar war. Unter SPD-Bundeskanzler (1998-2005) Gerhard Schröder wurden in den 2000er Jahren die Renten gekürzt, das Renteneintrittsalter angehoben, die Steuern für Unternehmen und Gutverdienende gesenkt, die Handwerksordnung gelockert, die Finanzierung bestimmter Sozialbeiträge zu Lasten der Arbeitnehmer verschoben, die Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit verschlechtert wie auch die Bedingungen für ihren Bezug verschärft („Hartz IV“) und bestimmte Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen.
Auch Tarifautonomie und Gewerkschaftsrechte gerieten unter Druck. Auch sie sahen sich zunehmender massiver Kritik ausgesetzt: Gewerkschaftsfresser mussten ihre Abneigung gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Interessenvertretungen zeitweise kaum mehr verhehlen. Wie die Hetze gegen den Sozialstaat, erfuhr auch die Hetze gegen Tarifautonomie und Gewerkschaften einen Höhepunkt in den frühen 2000er Jahren. Bekannt ist das Zitat des langjährigen FDP-Spitzenpolitikers Guido Westerwelle aus dem Jahr 2005:
Die Gewerkschaften sind die wahre Plage in Deutschland.
Die Hetze blieb nicht ohne Folgen: Forderungen nach einer Verbetrieblichung der Lohnverhandlungen wurden zumindest partiell aufgegriffen, Forderungen nach weniger Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen sogar in großem Umfang. Auch dies schwächte abhängig Beschäftigte einmal mehr.
Gerhard Schröder drohte in seiner Regierungserklärung 2003 („Agenda 2010“) mit der Einführung gesetzlicher Öffnungsklauseln für Tarifverträge. Durch sie hätte der Staat Möglichkeiten eröffnet, auf betrieblicher Ebene von Tarifverträgen abzuweichen – was in der Regel zu Verschlechterungen für die Beschäftigten führt. Die Oppositionsparteien CDU/CSU und FDP hatten schon vorher erfolglos, aber öffentlichkeitswirksam entsprechende Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht. Angesichts dieser politischen Drohkulisse weiteten die Gewerkschaften tarifvertragliche Öffnungsklauseln auf zahlreiche Branchen aus, in denen es diese bis dahin nicht gegeben hatte (Lesch 2016).
Im Ergebnis führte diese Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zu nur noch schwachen Lohnsteigerungen und zu einer drastischen Ausweitung prekärer und schlecht bezahlter Arbeitsverhältnisse. Gegenüber den 1970er Jahren ist die Lohnquote in Deutschland von etwa 74 Prozent auf etwa 68 Prozent zurückgegangen, zeitweilig lag sie sogar nur bei etwa 64 Prozent. Damit fließt von jedem Euro, der hierzulande verdient wird, immer weniger in die Taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hinzu kommt: Schon in den 1990er Jahren war der Niedriglohnsektor hierzulande mit fast 20 Prozent der Beschäftigten groß. Mittlerweile hat Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren im internationalen Vergleich – etwa ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist heute zu Niedriglöhnen tätig (Kalina/Weinkopf 2015). Da selbst der Mindestlohn ein Niedriglohn ist, wird er hiergegen wenig ausrichten.
Auch der Sozialstaat wurde abgebaut bzw. deutlich stärker auf die Interessen von Arbeitgebern und Unternehmen zugeschnitten. Die Absicherung im Alter ist heute in Deutschland gerade bei Beschäftigten mit unterdurchschnittlichen Einkommen im internationalen Vergleich mit am schlechtesten. Bei Beschäftigten mit durchschnittlichen Einkommen steht Deutschland kaum besser da (OECD 2015). Und die Verschlechterungen bei der Absicherung von Arbeitslosen – Stichwort Zumutbarkeit, Stichwort Hartz-IV-Regelsatz – führen dazu, dass erwerbslose Beschäftigte quasi jeden Job zu quasi allen Bedingungen annehmen müssen.
Diese Politik hat entscheidend auch dazu beigetragen, dass die Exportüberschüsse Deutschlands heute exorbitant hoch sind. Schon auf dem Höhepunkt der Debatten um angeblich mangelnde Wettbewerbsfähigkeit exportierte Deutschland mehr, als es importierte. Ein echtes Problem bestand in dieser Hinsicht also auch damals nicht. In den letzten Jahren lagen die Exportüberschüsse mit fünf bis acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts nochmal höher. Damit lebt Deutschland unter seinen Verhältnissen: Es exportiert Arbeitslosigkeit, wird zum Gläubiger zahlreicher anderer Volkswirtschaften und damit zu einem Unsicherheitsfaktor im Weltmaßstab (Treeck 2013; Grunert 2016). Erkauft mit wachsender sozialer Ungleichheit und Unsicherheit.
Die Befürworterinnen und Befürworter einer neoliberalen Arbeitsmarktpolitik aber feiern diese Entwicklung als Erfolg ihrer Politik. Ja mehr noch: Europa, insbesondere die Krisenstaaten im Süden des Kontinents, sollen es den Deutschen nachmachen. So etwa Joachim Pfeiffer, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie der CDU-Fraktion, 2012 im Bundestag:
Deutschland ist wettbewerbsfähig. Wir sollten das nicht verstecken. Wir können vielmehr auf unsere Exportüberschüsse stolz sein. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Ohne die deutschen Exportüberschüsse hätte die Euro-Zone insgesamt ein Handelsbilanzdefizit. Dann wären wir in der gleichen Situation, in der sich jetzt die USA befinden. Das will ich nicht. Ich will, dass – auch was Güter und Dienstleistungen anbelangt – die Euro-Zone wettbewerbsfähig ist.
Die Kritik etwa an einem angeblich zu umfangreichen Kündigungsschutz, an zu hohen Löhnen und „Lohnnebenkosten“, an Gewerkschaften, an einem zu rigiden Arbeitsmarkt und einem vermeintlich belastenden Sozialstaat kannte (und kennt bis heute) viele Argumente. Das vermutlich wichtigste ist die Globalisierung (Abelshauser 2004: 493-500) und ihre vermeintliche Unumgänglichkeit – und eng damit zusammenhängend die Sorge um „Wettbewerbsfähigkeit“. Es steht auch hinter der eben zitierten Aussage Pfeiffers. Mit diesem Argument wird sich der dritte und letzte Teil dieser kleinen Artikelreihe befassen.
Literatur
[«*] Patrick Schreiner lebt und arbeitet als hauptamtlicher Gewerkschafter in Berlin. Er schreibt regelmäßig für die NachDenkSeiten zu wirtschafts-, sozial- und verteilungspolitischen Themen.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=35118