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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 13. Oktober 2008 um 9:35 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Albrecht Müller
(KR/WL/AM)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Ich will nicht voreilig diese Maßnahmen kritisieren, dazu ist das Problem zu ernst. Aber kann Europa wirklich aufatmen?
Folgendes springt ins Auge: Zunächst galt die Finanzmarktkrise vor allem als amerikanisches Problem, wir Deutsche seien von den Auswirkungen zwar betroffen, stünden aber erheblich besser da. Dann kam die 35-Milliarden-Bürgschaft für die HRE. Offenbar muss aber die Krise in Deutschland noch viel tiefer gehend sein, als bisher bekannt oder zugegeben wurde. Denn nun soll allein für Deutschland ein Stabilisierungsprogramm von 400 Milliarden Euro auf den Weg gebracht werden.
Das Rettungspaket für die vielfach größeren und angeblich viel stärker betroffenen USA umfasste gerade 700 Milliarden Dollar (!). Verfolgt man die abwiegelnden Regierungserklärungen von Steinbrück über Merkel vor nur wenigen Tagen, dann muss man den Eindruck gewinnen, dass unsere Regierung das Ausmaß der Krise bei uns im Lande entweder verharmlost hat oder nicht wusste, worüber sie redete.
Über das Ausmaß der Risiken auf den Finanzmärkten auch bei uns hat bisher offenbar niemand nachgedacht, es herrschte ja der Glaube, dass diese Märkte höchst effizient seien. Die Krise hätte es danach nie geben dürfen. Kein Wunder, dass nun niemand weiß, wie der Krise Herr zu werden ist, als dass der Staat (sprich der Steuerzahler) dafür gerade steht – eine Konkurserklärung der Politik und der sie beratenden Experten.
Man muss sich das einmal vorstellen, der Bundeshaushalt 2008 sieht Ausgaben in Höhe von 283 Milliarden Euro vor, dabei wurde über jeden Haushaltsposten monatelang gefeilscht. Nun soll nicht behauptet werden, dass die 400 Milliarden für das Stabilisierungsprogramm komplett auf den Steuerzahler zukommen werden, aber diese bisher unvorstellbare Summe soll jetzt als Verfügungsmasse der Regierung innerhalb weniger Tage durchs Parlament und den Bundesrat gepeitscht werden. Dabei weiß niemand, für welche Bank und für was genau dieses Programm eingesetzt werden soll, und schon gar niemand weiß, was von dem eingesetzten Geld jemals wieder zurückkommt.
Wenn man dann noch erfährt, dass dieses Konzept vom Bundesverband deutscher Banken (BdB), von Deutsche-Bank-Chef Ackermann, von Commerzbank-Chef Blessing und von Bundesbankpräsident Weber entwickelt wurde, dann kann einem schwarz vor Augen werden. Ein Umdenken ist von dieser Seite jedenfalls nicht zu erwarten. Diesen Herren geht es nur um die Rettung ihrer davon schwimmenden Felle. Der Streit um die Erbschaftssteuer mit einem Volumen von 4 Milliarden mutet dagegen geradezu lächerlich an. Was passiert erst, wenn die Börsen aufgrund dieses hektischen Treibens in der Politik noch viel misstrauischer werden? Und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger kann man auch nicht stärken, wenn die Politik scheibchenweise jeden Tag zugeben muss, dass die Krise doch viel schlimmer ist als gestern noch behauptet.
George W. Bush demonstrierte den Willen zur Zusammenarbeit mit einem ungewöhnlichen Auftritt: Er nahm überraschend an dem Sondertreffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) teil, die nach Lösungswegen für die Finanzkrise suchten. Auch sonst wurde in Washington dieses Wochenende vor allem der globale Schulterschluss geprobt. So stellten sich alle 185 Mitgliedsländer des Internationalen Währungsfonds IWF hinter den am Freitag beschlossenen Aktionsplan der sieben führenden Industriestaaten (G7). Dieser sieht vor, wichtige Finanzinstitutionen vor dem Zusammenbruch zu retten – dazu sollen “alle notwendigen Schritte” unternommen werden. Die G7 wollen zudem Banken aus privater und staatlicher Quelle mit ausreichend Mitteln versorgen, um das Vertrauen in das Finanzsystem wiederherzustellen.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung AM: Nur interessant, weil hier wieder einmal die Oberflächlichkeit und Lammfrömmigkeit der Spiegelredakteure sichtbar wird. Unkritisch, analytisch schwach.
Anmerkung WL: Nichts von Kontrolle des internationalen Kapitalverkehrs, nichts von Austrocknung der Steueroasen, nichts von Bekämpfung der „Heuschrecken“, nichts von Überprüfung der Finanzmarktprodukte (…)
“Mehr Selbstkritik wäre gut, Menschen, die sagen: Ja, hier haben wir einiges falsch gemacht, und dafür stehen wir jetzt gerade”, sagte Köhler dem SPIEGEL. Die Wirtschaftseliten müssten wieder lernen, “was Maß und Mitte ist, was Bodenhaftung bedeutet”. Da sei “eine Menge Unaufmerksamkeit, Selbstzufriedenheit, Zynismus” im Spiel gewesen. Besonders in der angelsächsisch geprägten Finanzbranche habe man geglaubt, “aus nichts Gold machen zu können, und das dauerhaft”, sagt Köhler. Es sei nur noch um die Maximierung der Rendite gegangen (…)
Köhler plädiert für ein “Bretton Woods II” – eine Konferenz mit dem Ziel, einen “internationalen Ordnungsrahmen für die globale Ökonomie” zu schaffen. “Ich würde mir wünschen, dass die Regierungen ein paar Weise auswählen, Männer und Frauen, wie damals unter anderen den Ökonomen John Maynard Keynes, die sich den Kopf darüber zerbrechen, wie wir der globalisierten Welt Regeln geben.”
Er hoffe, sagte Köhler dem SPIEGEL, die aktuelle Krise werde “einer neuen Kultur der Gemeinsamkeit im Wettbewerb” zum Durchbruch verhelfen. Notwendig sei auch eine “wirksame Regulierung für die Finanzmärkte”, die “Wiederentdeckung von Ethos” bei den handelnden Personen und ein “Frühwarnsystem”, das Warnungen nicht nur für Experten verständlich mache. “Ich halte die Krise für beherrschbar. Wir haben es in der Hand.” Allerdings sorgt sich Köhler um die Reformbereitschaft der Deutschen. “Wir müssen uns weiter als Gemeinschaft begreifen. Und zum Erfolg unserer Gemeinschaft gehören auch Reformen.” Deutschland müsse reformfreudig bleiben, mit oder ohne Finanzkrise.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung WL: Köhler tut die Finanzmarktkrise als moralisches Versagen der „Wirtschaftseliten“ ab und fordert einen internationalen Ordnungsrahmen, so als habe nicht gerade die deutsche Politik und der Bundespräsident vorneweg, ständig nach Deregulierung und Entstaatlichung gerufen. War Köhler nicht geradezu der Vorbeter für „freie“ und offene Märkte? War er nicht geradezu ein Einpeitscher für die „Reformen“, die gerade auch die Deregulierung der Finanzmärkte vorantrieben, etwa mit dem Finanzmarktförderungsgesetz, mit der Förderung des Handels mit Derivaten, mit der Steuerbefreiung beim Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften, mit der Förderung der Verbriefung von Krediten zu Wertpapieren, mit der Zulassung von spekulativen Fonds bis hin zur massiven Einführung von PPP oder der privaten Rente, die weiteres Spielgeld ins Casino brachten?
Es gehört schon ein gehöriges Maß an Chuzpe oder schlicht ideologische Verbohrtheit dazu, wenn Köhler in einem Atemzug mit dem Versagen des Marktes weitere Reformen anmahnt, die kein anderes Ziel haben als mehr Markt und weniger Sozialstaat durchzusetzen.
Anmerkung Roger Strassburg: Ja, lieber Herr Bundespräsident, es ging nur noch um die Maximierung der Rendite. So funktioniert die Wirtschaft nun mal. Man kann unmoralisches – und teilweise auch illegales – Handeln nicht leugnen. Warum denn, Herr Bundespräsident, haben Sie und andere sich für eine Politik eingesetzt, die gerade dieses Handeln nicht nur erlaubt, sondern auch noch gefördert hat? Sie haben Recht, mehr Selbstkritik wäre gut. Wir warten noch, sehr geehrter Herr Bundespräsident, auf Ihre Entschuldigung, denn Sie haben nicht nur einiges falsch gemacht. Nein, das waren nicht Sie direkt, denn Sie unterzeichnen die Gesetze nur. Aber Sie haben diese Politik in fast jeder Ihrer Reden angemahnt. Aber was kümmert Sie Ihr Geschwätz von gestern.
Was haben Sie, Herr Bundespräsident, für Lösungsansätze, außer den paar Floskeln von einer “einer neuen Kultur der Gemeinsamkeit im Wettbewerb”, was auch immer das heißen soll, “wirksame Regulierung für die Finanzmärkte”, und ein “Frühwarnsystem”. Waren Sie nicht bis vor kurzem gegen Regulierung? War Deregulierung nicht Ziel der deutschen Politik, die auch Sie gefordert haben? Ihr Gedächtnis ist sehr kurz.
Eines haben Sie allerdings nicht vergessen: “Wir müssen uns weiter als Gemeinschaft begreifen. Und zum Erfolg unserer Gemeinschaft gehören auch Reformen.”. Jawohl, jetzt wären wir wieder bei Ihrem Lieblingsthema, Reformen.
Angesichts der Schäden, die die bisherigen Reformen angerichtet haben, wäre es da nicht doch an der Zeit, an die eigene Brust zu klopfen und zu sich selbst zu sagen: “Mehr Selbstkritik wäre gut. Menschen, die sagen: Ja, hier haben wir einiges falsch gemacht, und dafür stehen wir jetzt gerade.”
Also geehrter Herr Bundespräsident, gehen Sie bitte als gutes Beispiel voran.
Attac hat Recht, wenn es eine Entschuldigung von Köhler fordert: “Mehr Selbstkritik wäre gut.”
Horst Köhler war von 1990 bis 1993 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und dort für internationale finanzielle und monetäre Beziehungen verantwortlich. Als so genannter Sherpa von Bundeskanzler Helmut Kohl und dessen persönlicher Vertreter bereitete er die G7-Wirtschaftsgipfel in Houston (1990), London (1991), München (1992) und Tokio (1993) vor. Von 1993 bis 1998 war Köhler Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, danach leitete er zwei Jahre lang die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE). Von 2000 bis 2004 war Köhler Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Quelle: Attac
Was die Manager wohl von solchen moralischen Appellen halten: Sie stoßen nach den Rettungsaktionen der Steuerzahler mit Champagner an und bringen Toasts aus: „Auf alle, die ihr Geld verloren haben“,
Quelle: T-online
Alle Vorstöße seien aber an der “angelsächsischen Front” abgeprallt. Dann verweist Eichel auf die neuen Spieler wie Hedge- oder Private-Equity-Fonds, Rating-Agenturen oder Pensionsfonds, die “drastisch die Risiken an Finanzmärkten” erhöht hätten.
Irgendwie muss er da was durcheinander gebracht haben. War es nicht die rot-grüne Bundesregierung, die dem “angelsächsischen Modell” den Weg nach Deutschland ebnete? Hat sie nicht Gesetze durchs Parlament gebracht, die die Rechte der Aktionäre im Sinne der Shareholder-Value-Ideologie stärkten?
War es nicht Eichel, der die Gewinne aus der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen steuerfrei stellen ließ und damit das Ende der Deutschland AG beziehungsweise des Rheinischen Kapitalismus beschleunigte? Und worin besteht der Unterschied zwischen der kapitalgedeckten Riester-Rente und einem geldgierigen Pensionsfonds? Auch der Verkauf von Telekom-Aktien an eine Heuschrecke und andere Privatisierungen gingen und gehen unter tatkräftiger Beteiligung der SPD über die Bühne.
Eichels Amnesie wäre nicht der Rede wert, würde sie nicht den Blick auf Lösungen verstellen. So aber werden neue Legenden gesponnen. Was insofern nicht überraschen sollte, als auch die Agenda 2010, wie wir von Arbeitsminister Olaf Scholz erfahren, in Wahrheit ein linkes Projekt sein soll.
Quelle: FR
Anmerkung WL: Für NachDenkSeiten-Leserinnen und –Leser nichts Neues, aber immerhin schön, dass sich jetzt auch andere unseren Einschätzungen anschließen.
Die schnelle Stabilisierung der Realwirtschaft ist auch unabdingbar für die Stabilisierung der Finanzmärkte auf längere Frist. Nur wenn die vielfältigen “Wechsel auf die Zukunft” zur Stabilisierung der Finanzmärkte von einer prosperierenden realwirtschaftlichen Entwicklung gedeckt sind, werden die billionenschweren Bürgschaften nicht fällig werden.
Die Konjunktur zu stützen kommt deutlich billiger als Bürgschaften und andere Finanzmarktmaßnahmen, denen die realwirtschaftliche Fundierung fehlt. Um die Finanzmärkte wiederzubeleben, ist die Vergabe neuer Kredite entscheidend. Neue Kredite werden aber nur nachgefragt, wenn die Absatz- und Rentabilitätserwartungen der Unternehmen günstig sind. Das Gleiche gilt für das Angebot von Krediten. Da die Jongleure an den Finanzmärkten als Nachfrager für Kredite auf Jahre hinaus “verbrannt” sind, wird jede Bank froh sein, Investoren zu finden, die etwas Reales wagen wollen.
Die EZB sollte die Zinsen sofort weiter auf mindestens zwei Prozent oder niedriger senken. Außerdem sollten Wachstumsprogramme im Bereich Infrastruktur, Bildung und Umweltschutz in der Größenordnung von mindestens einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr aufgelegt werden, was für Deutschland 25 bis 30 Milliarden Euro wären. Die Programme sollten mehrere Jahre laufen und über Kredite finanziert werden.
In eine solche Strategie müssen die Tarifparteien eingebunden werden, um die Binnennachfrage nicht durch Lohnkürzungen zu destabilisieren.
Ein Gastbeitrag von Heiner Flassbeck
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung AM: Heiner Flassbeck erscheint auch in dieser Debatte wie ein Exot, weil er wie wir auf die Notwendigkeit hinweist, endlich etwas gegen die Rezession zu tun und Beschäftigung zu schaffen. Der Finanzmarkt ist zweitrangig. Es geht eben gerade nicht nur darum, wie die Kanzlerin gestern erklärt hat, die „Finanzsysteme zu stabilisieren“.
Wie unsere Journalisten das sehen, zeigt der folgende Artikel. Stützungspakete für die Konjunktur finden sie so erstaunlich, dass ein „sogar“ davorgesetzt wird.
Siehe dazu
Herr Sinn, trauen Sie sich als Wirtschaftsforscher noch Prognosen zu?
Ja, natürlich. Kommenden Dienstag veröffentlichen die Wirtschaftsforschungsinstitute wieder ihre Konjunkturprognose. Diese Krise hat Ihre Zunft nicht vorausgesehen. Die Finanzkrise ist seit mehr als einem Jahr im Gange. Darüber haben viele bereits geschrieben, ich übrigens auch. Das Ende des Konjunkturaufschwungs haben wir schon im vergangenen Winter prognostiziert. Der Abstieg des Ifo-Indexes war in den letzten Monaten atemberaubend.
Quelle: FAZ
Anmerkung AM: Das spricht für sich – „schon im Winter“ hätten Sinn und ifo das Ende des Konjunkturaufschwungs prognostiziert. Erkennbar war dies schon beim Beschluss zur dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung bei den Koalitionsverhandlungen Ende 2005 und ganz konkret im vergangenen Spätsommer, als der Konsum um 6% real eingebrochen war. Auf den Nachdenkseiten konnten Sie das damals lesen.
Anmerkung GG: Unser kluger Professor hat es schon immer gewusst, nur warnen hat er sich nicht getraut: “Gedacht schon, aber keiner wollte die Krise herbeireden.” Im Übrigen – und vielleicht deshalb – die alte Leier: Konjunkturprogramm? “Dafür müsste erst mal die Konjunktur richtig in den Keller gehen. Das ist aber noch nicht der Fall. Die Realwirtschaft ist im Abschwung, liegt aber nicht am Boden. Der Arbeitsmarkt steht so gut wie nie da. Und die Aufträge in den Büchern der Maschinenbauer reichen noch bis ins kommende Jahr.” Bankenkrise? “Wir in Deutschland sollten uns nicht verrückt machen lassen, auch wenn es bei uns ein Problem mit der Hypo Real Estate gibt. Unsere Banken sind nicht in ähnlicher Weise betroffen wie die angelsächsischen Banken.” Spätestens jetzt sollte die gefährliche Scharlatanerie von Sinn & Co. deutlich geworden sein, geeignet allenfalls als Lachnummern mit immerhin höherem Unterhaltungswert als der “Scheibenwischer”. Aber bei den sogenannten Qualitätsmedien sind sie immer noch gefragte Ratgeber – was allerdings nicht weiter verwundert, wenn man den Wirtschaftschef der Süddeutschen, Marc Beise, im Presseclub vom 12.10.2008 sagen hört, nicht irgendwelche bösen Neoliberalen seien für den Schlamassel verantwortlich, sondern das Versäumnis der Politik, Regeln zu setzen. Deshalb quillt Beises Chefschublade sicher auch über mit flammenden Manuskript-Appellen, die Finanzmärkten endlich an die Kandare zu nehmen. Und sicher hat er auch oft daran gedacht, sie auf die Titelseite zu setzen. Gedacht schon, aber er wollte ja als verantwortungsvoller Journalist auch keine Krise herbeireden.
Zu Sinn passt:
Es wäre dringend nötig, einmal die Geschichte zu erzählen, wie in den USA, in Europa, in Deutschland Politik und Gesellschaft in den letzten 25 Jahren Schritt für Schritt den Interessen einer immer kleineren Gruppe von international agierenden Unternehmen unterworfen wurde.
Quelle: FR
Siehe dazu auch aktuell:
Der gefürchtete Oskar
Rede im Bundestag zur Finanzmarktkrise auf YouTube
Quelle: Zeitgeistlos
Anmerkung K.F.: Unsäglich oberflächlich. Es ist unglaublich, wie sich die Kommentare von Frankfurter Rundschau, ZEIT und WELT ähneln. Die Neoliberalen geben immer noch den Ton an. Selbst wenn sie am Tropf des verteufelten Staates hängen.
Vgl. dagegen etwa Paul Krugman
The consequences of Lehman’s fall were apparent within days, yet key policy players have largely wasted the past four weeks. Now they’ve reached a moment of truth: They’d better do something soon — in fact, they’d better announce a coordinated rescue plan this weekend — or the world economy may well experience its worst slump since the Great Depression…
The downward spiral accelerated post-Lehman. Money markets, already troubled, effectively shut down — one line currently making the rounds is that the only things anyone wants to buy right now are Treasury bills and bottled water.
The response to this downward spiral on the part of the world’s two great monetary powers — the United States, on one side, and the 15 nations that use the euro, on the other — has been woefully inadequate. Europe, lacking a common government, has literally been unable to get its act together; each country has been making up its own policy, with little coordination, and proposals for a unified response have gone nowhere.
The United States should have been in a much stronger position. And when Mr. Paulson announced his plan for a huge bailout, there was a temporary surge of optimism. But it soon became clear that the plan suffered from a fatal lack of intellectual clarity. Mr. Paulson proposed buying $700 billion worth of “troubled assets” — toxic mortgage-related securities — from banks, but he was never able to explain why this would resolve the crisis.
What he should have proposed instead, many economists agree, was direct injection of capital into financial firms: The U.S. government would provide financial institutions with the capital they need to do business, thereby halting the downward spiral, in return for partial ownership. When Congress modified the Paulson plan, it introduced provisions that made such a capital injection possible, but not mandatory. And until two days ago, Mr. Paulson remained resolutely opposed to doing the right thing.
But on Wednesday the British government, showing the kind of clear thinking that has been all too scarce on this side of the pond, announced a plan to provide banks with £50 billion in new capital — the equivalent, relative to the size of the economy, of a $500 billion program here — together with extensive guarantees for financial transactions between banks. And U.S. Treasury officials now say that they plan to do something similar, using the authority they didn’t want but Congress gave them anyway.
The question now is whether these moves are too little, too late. I don’t think so, but it will be very alarming if this weekend rolls by without a credible announcement of a new financial rescue plan, involving not just the United States but all the major players. Why do we need international cooperation? Because we have a globalized financial system in which a crisis that began with a bubble in Florida condos and California McMansions has caused monetary catastrophe in Iceland. We’re all in this together, and need a shared solution. What should be done? The United States and Europe should just say “Yes, prime minister.” The British plan isn’t perfect, but there’s widespread agreement among economists that it offers by far the best available template for a broader rescue effort.
And the time to act is now. You may think that things can’t get any worse — but they can, and if nothing is done in the next few days, they will.
Quelle: International Herald Tribune
Die Liberalisierung der Finanzmärkte hat Auswirkungen, die weit über das Wirtschaftssystem hinausreichen. Sie ist seit langem eine effektive Waffe gegen Demokratie. Der freie Kapitalfluss schafft etwas, das manche als “virtuelles Parlament” bezeichnet haben, in dem Investoren und Geldgeber sitzen. Sie beobachten die Entscheidungen von Regierungen sehr genau und “stimmen ab”, wenn sie den Eindruck haben, dass dieses Handeln irrational ist; dann nämlich, wenn es sich eher am Nutzen aller ausrichtet statt am Nutzen des privaten Kapitals (private power) (…)
“Politik ist der Schatten, den das Big Business auf die Gesellschaft wirft”, stellte John Dewey, Amerikas führender Sozialphilosoph des 20. Jahrhunderts, fest. “Und es wird so bleiben, so lange diese Kräfte vorherrschen in der Geschäftswelt, die nach privaten Profiten streben – durch die private Kontrolle des Bankensystems, des Grundstücksmarktes, der Industrie, verstärkt durch den Einfluss von Presse, Presseerzeugnisse und anderen Formen der öffentlichen Propaganda.” Eigentlich haben die Vereinigten Staaten ein Ein-Parteien-System, die Business-Partei, mit zwei Fraktionen: Republikanern und Demokraten.
Quelle: FR
Anmerkung WL: Ist diese Stimmung nach den Versprechungen, die die Marktwirtschaft erfüllen sollte, und den darauf folgenden Enttäuschungen wirklich so erstaunlich?
Die große Krise öffnet also die Augen dafür, was falsch gemacht worden ist und auch dafür, wie man sich in Deutschland hat ins Bockshorn jagen lassen – zum Beispiel von der EU-Kommission, die am liebsten das System der Sparkassen schon längst zerschlagen hätte, weil es angeblich nicht in das EU-Bild vom freien Wettbewerb passt; jetzt gelten die beschmunzelten Sparkassen als Hort der Stabilität in der Großkrise.
Quelle: SZ
Wichtigster Träger der privaten Altersvorsorge sind die deutschen Lebensversicherer. Die Finanzkrise wirkt sich auf die Produkte der Branche unterschiedlich aus… Gleichwohl ist absehbar, dass viele Lebensversicherer für das kommende Jahr die Überschussverzinsung senken müssen. Das schmälert die zu erwartenden Ablaufleistungen. Es ist also beim Beginn des Ruhestands mit weniger Geld zu rechnen. Wäre das die gesamte Folge der Krise, könnten die Kunden aufatmen. Es besteht aber das Risiko, dass es schlimmer kommen könnte. Die Liquidität – also die Verfügbarkeit von Geld – dürfte anders als bei den Banken für die meisten Lebensversicherer zwar derzeit keine Schwierigkeit sein. Denn sie erhalten weiter die Sparraten ihrer Kunden, die größer sind als die Auszahlungen für private Renten und fällige Kapitalpolicen….
Dennoch könnte es bei einem besonders schlimmen Verlauf der Krise auch für die Lebensversicherer noch bedrohlich werden, obwohl sie überwiegend in solide Anleihen investiert haben – unter anderem auch in deutsche Staatsanleihen, die sogar an Wert gewonnen haben. Aber rund die Hälfte der Anleihen stammt von Banken. Sollten diese reihenweise ausfallen, käme es zu größeren Verwerfungen.
Lebensversicherungen sind auch meist die Grundlage für die steuerlich geförderten Riester- und Rürup-Verträge, die schon mehr als 10 Millionen Deutsche abgeschlossen haben. Werden diese Policen bei Fondsgesellschaften abgeschlossen, sind die Anlagerisiken größer. Allerdings müssen sie mindestens den Erhalt der Beiträge garantieren. Auch die Riester-Sparpläne der Banken gelten als sicher.
In den Versorgungswerken sind rund 700.000 Ärzte, Steuerberater, Architekten, Anwälte, Notare und andere Freiberufler organisiert. Sie haben sich von der Pflicht zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen und zahlen stattdessen in die berufständischen Einrichtungen ein. Diese sind überwiegend kapitalgedeckt finanziert und zu einem kleineren Anteil über Umlagen. Bisher war das ein Vorteil, weil die Renten höher sind als in der gesetzlichen Rentenversicherung. In der Finanzkrise birgt die Kapitaldeckung allerdings ein Risiko, falls der Kapitalstock stark an Wert verlieren sollte. Die Versorgungswerke arbeiten bei der Geldanlage – es geht um rund 100 Milliarden Euro – ähnlich wie die Lebensversicherer. Die Aktienquote ist zwar deutlich höher, dafür verfügten die Kassen nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft berufständischer Versorgungseinrichtungen aber auch zuletzt noch über stille Reserven. Diese Reserven enstehen, wenn die bilanzierten Werte der Aktien unter dem Börsenpreis liegen. Die Versorgungwerke haben aber wie die Lebensversicherer viel in Anleihen investiert und tragen deshalb ein ähnliches Systemrisiko.
Quelle: FAZ
Anders ist die Lage bei fondsgebundenen Lebensversicherungen, die in den letzten Jahren im Trend lagen. Für sie gilt die Entwarnung bei Lebensversicherungen nicht. Von den im Jahr 2007 neu verkauften Policen war fast jede vierte an Fonds (meist Aktien) gebunden, sagt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Im Bestand machen fondsgebundene Policen zwar nur gut fünf Prozent aus, ihre absoluten Zahlen sind aber beträchtlich: 5,1 Millionen Bundesbürger haben eine fondsgebundene Lebensversicherung und 6,7 Millionen Menschen eine entsprechende Rentenversicherung.
Quelle: FR
Anmerkung AM: Bild setzt die Kampagne gegen die ältere Generation fort. Auch hier wird wieder unterschlagen, was der eigentliche Nachteil der jüngeren Generation im Vergleich zu meiner Generation ist: geringere Berufschancen, um Welten schlechtere Perspektiven.
Aus unserer Sicht belegen diese Recherchen eine klare Überschneidung der Mitarbeit der Berliner Wasserbetriebe im BMZ mit deren geschäftlichen Interessen. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass sich RWE und der französische Veolia-Konzern 49,9% der Anteile an den Berliner Wasserwerken teilen. Beide Unternehmen sind international im Wasser- und Energiesektor tätig. Die neue Verwaltungsvorschrift verbietet eigentlich seit Juli den Einsatz externer Mitarbeiter in Ministerien in Funktionen, “deren Ausübung die konkreten Geschäftsinteressen der entsendenden Stelle unmittelbar berührt”. Die Richtlinie wird also offensichtlich nicht strikt umgesetzt. Das ist inakzeptabel und muss beendet werden. LobbyControl tritt weiter dafür ein, die Mitarbeit von Lobbyisten in Ministerien ganz zu stoppen.
Quelle: LobbyControl
Doch Schweigen hilft nicht, und es geht auch nicht darum, den Georgiern einen Gefallen zu tun oder vor den Russen in die Knie zu gehen. Wer ein ernsthaftes Gespräch zwischen der EU, den USA und Russland über eine stabile Sicherheitsarchitektur will, der muss beim Status quo bleiben. Jeder Schritt in eine neue Nato-Erweiterungsrunde wäre einer in die falsche Richtung. Sarkozy hat Medwedjews Vorschlag aufgegriffen und will im nächsten Jahr mit den Verhandlungen beginnen. Georgien muss deshalb offen gesagt werden, dass sein Wunsch nach einem Bündnis-Beitritt jetzt nicht, wenn überhaupt jemals, erfüllt werden kann. Es wäre gut, wenn die Nato dazu wenigstens nun den Mut aufbrächte.
Quelle: SZ
Anmerkung: Wie hieß es doch: „Sie studieren, wir finanzieren“. Jetzt heißt es wohl: Diejenigen, die studieren, die finanzieren.
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