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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 10. Oktober 2008 um 9:33 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL)

Heute unter anderem zu diesen Themen:

  • Joseph Stiglitz: “Die Philosophien der Deregulierung und des Neoliberalismus in den westlichen Ländern sind tot”
  • Finanzkrise: Jenseits der Panik
  • Das Spiel ist aus
  • Nobelpreisträger Yunus: “Der Kapitalismus ist zum Spielcasino verkommen”
  • Berlin prüft Banken-Verstaatlichung
  • Pensions: Downturn has wiped one fifth off retirement funds
  • Serientäter Bundesbank
  • Lafontaine: Bundesregierung hat Krise verschärft
  • Sparer: Betrogen oder blauäugig?
  • Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe im August 2008: Real + 2,2% zum Vorjahr
  • Deutsche Ausfuhren im August 2008: – 2,5% zum August 2007
  • Managerhaftung und Managervergütung
  • Arbeitsmarktpolitik: Weniger Fördertöpfe
  • Anwalt für Hartz-IV-Empfänger soll teurer werden
  • Keine Entwarnung trotz Verschiebens des Börsengangs der Bahn
  • Zypries: „Alles, was schießt“
  • Ein halbes Grad zu viel
  • Weiter mit Schwarz-Grün
  • Analyse des Berichts zu Lobbyisten in Ministerien

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Joseph Stiglitz: “Die Philosophien der Deregulierung und des Neoliberalismus in den westlichen Ländern sind tot”
    „Der Neo-Liberalismus ist in den meisten westlichen Ländern tot, so wie der Washington-Konsens. Sehen Sie sich die Debatten in Südamerika an oder in anderen Ländern. Die USA haben ihre Rolle als Modell für andere eingebüßt. Da lachen doch alle nur noch, wenn US-Technokraten in anderen Ländern Vorträge halten und sagen: “Seht her, macht es wie wir, liberalisiert eure Finanzmärkte!”“
    Quelle: Berliner Zeitung
  2. Finanzkrise: Jenseits der Panik
    Panik ist spürbar: Bricht das System zusammen? Erleben wir eine Krise wie in den 30er-Jahren?

    Versuchen wir, trotzdem ein paar Lichtreflexe zu erkennen. In einigen Jahren werden wir rückblickend vielleicht feststellen, dass in diesen Tagen die Wende zum Guten ihren Anfang nahm.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung KR: „Aber danach haben wir vielleicht eine globale Wirtschaft, die weniger vom Konsum eines einzigen Landes abhängig ist.“ Ob dem Handelsblatt-Autor beim Schreiben dieser Zeilen bewusst war, dass dies ein Ende des Lohndumpings in Deutschland voraussetzt?

  3. Das Spiel ist aus
    Um die Hysterie in den Griff zu bekommen, müssen die Regierungen eine Lösung präsentieren, die wasserdicht und glaubwürdig ist. Dazu gehört die Verpflichtung, die Realwirtschaft massiv zu stützen, damit nicht auch sie komplett abschmiert. Das ginge über ein globales Konjunkturprogramm, zu dem sich alle großen Staaten verpflichten. Ebenso müssen die staatlichen Förderbanken den Auftrag erhalten, die Kreditversorgung der Firmen zu übernehmen, solange die Banken zögern. Auch der Handel auf den Devisen- und Kapitalmärkten sollte für eine Zeit lang einschränkt werden, damit die Verwerfung nicht weitere Volkswirtschaften in den Abgrund reißen. Von Robert von Heusinger.
    Quelle: FR
  4. Nobelpreisträger Yunus: “Der Kapitalismus ist zum Spielcasino verkommen”

    SPIEGEL ONLINE: Wen machen Sie als den Schuldigen der Krise aus?

    Yunus: Den Markt mit seinen jetzigen unzureichenden Regeln. Der heutige Kapitalismus ist zu einem Spielcasino verkommen. Der Finanzmarkt ist getrieben von Gier. Es wird in einem Ausmaß spekuliert, das katastrophale Auswirkungen hat. Das sind alles Dinge, mit denen es ein Ende haben muss.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Yunus ist ein ehrenwerter Philanthrop, seine Hoffung auf soziale Unternehmen, die Gewinne machen, aber nicht die Maximierung des Gewinns zum Ziel haben, ist ein ethisches Anliegen aber im Kapitalismus ein schöner Traum.

  5. Berlin prüft Banken-Verstaatlichung
    Zur Bekämpfung der Finanzkrise könnte die Bundesregierung zum Äußersten greifen: Sie behält sich eine Verstaatlichung deutscher Banken vor, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

    “Wir stehen an der Schwelle zu einer globalen Rezession”, sagte der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, in Washington. “Die Lage ist sehr ernst.” Die Finanzkrise sei der “gefährlichste Finanzschock seit den 30er-Jahren”. Sie sei stark unterschätzt worden.

    Strauss-Kahn plädierte für massive koordinierte Hilfen. “Wir können die Probleme lösen, wenn wir schnell, entschlossen und gemeinsam handeln. Es gibt keine nationale Lösung für eine Krise wie diese.” Besonders die europäischen Staaten forderte er zu einer engeren Kooperation auf. Das unabgestimmte Krisenmanagement der Regierungen steht derzeit stark in der Kritik.
    Quelle: FTD

  6. Thomas Fricke: Serientäter Bundesbank
    Vor kurzem erklärten Europas Notenbanker noch wortstark, warum die Euro-Wirtschaft höhere Zinsen braucht. Kaum hundert Tage später folgt der spektakuläre Rückzieher: Die Währungshüter haben diesen Mittwoch in einer einmaligen globalen Panikaktion den Leitzins wieder gesenkt.

    Das kann passieren, könnte man jetzt sagen. Das Drama ist: Zur Zinserhöhung vom Juli haben im Rat der Euro-Bank die Deutschen gedrängt. Und: Keine andere Währungsbehörde hat einen so erschreckenden Hang, in Finanzkrisen danebenzuliegen, wie die Bundesbank – mit stets weitreichenden Folgen. Vielleicht wäre es an der Zeit, auch (deutsche) Währungshüter künftig stärker zu kontrollieren. Zum vierten Mal in 20 Jahren haben deutsche Notenbanker eine Finanzkrise völlig falsch eingeschätzt – und binnen Wochen Zinserhöhungen hektisch zurücknehmen müssen.
    Quelle: FTD

  7. Linke-Chef Lafontaine über Finanzmarkt: “Bundesregierung hat Krise verschärft”
    Linke-Chef Lafontaine bemängelt das “unkoordinierte Vorgehen” der Bundesregierung in der Finanzkrise. Nötig seien EU-Lösungen – und ein Konjunkturprogramm. Empfinden Sie Schadenfreude, wenn sogar US-Präsident Bush an eine Teilverstaatlichung von Banken denkt?

    Nein, eher Genugtuung. Aber es ist ein Treppenwitz des Geschichte, dass in der Wall Street, der Hochburg des Kapitalismus, die Verstaatlichung der letzte Rettungsanker ist. Man darf das aber nicht mit Sozialismus verwechseln. Sozialismus ist nicht die Verstaatlichung bankrotter Banken, sondern eher die Organisation des Geldkreislaufs in öffentlicher Verantwortung. Wir können ja wirklich froh sein, dass wenigstens ein Teil der Kreditwirtschaft noch in öffentlicher Hand ist. Vor ein, zwei Jahren war ja die Linkspartei die einzige, die die Privatisierung der Sparkassen abgelehnt hat. Heute sehen wir mit Heiterkeit, wie die anderen die Sparkassen loben.

    Sind Staatsbanken wirklich der Königsweg? Die Verluste der IKB und der Landesbanken zeigen was passiert, wenn der Staat sich als Banker betätigt. Bitte, die IKB war eine Privatbank, bei der der BDI eine wesentliche Rolle gespielt hat. Die Landesbanken sind ins Trudeln geraten, weil Politiker wie Steinbrück, Milbradt und Huber ihnen erlaubt haben, wild zu spekulieren. Das zeigt, dass die Landesbanken sich auf ihre Aufgabe beschränken müssen – die Regionalwirtschaft zu fördern.

    Also sollen die Landesbanken bleiben?

    Natürlich. Fatalerweise will die Regierung eine Konzentration der Landesbanken. Offensichtlich hat man also dort gar nichts verstanden. So ein Mega-Institut hätte doch in noch größerem Stil spekuliert und wäre jetzt ein Sanierungsfall.

    Trotz Zinssenkung und milliardenschweren Bankenrettungen sind die Börsen instabil, die Wirtschaftsaussichten schlecht. Was muss nun passieren?

    Die Krise greift schon auf die Realwirtschaft über. Deshalb brauchen wir ein Konjunkturprogramm – also öffentliche Investionen in Infrastruktur und Bildung und Anhebung der Hartz-IV-Sätze und der Löhne. Das ist die Lehre aus der großen Depression 1929. Damals gab es einen Lohnsenkungswettlauf, mit katastrophalen Folgen.

    Die Staatsschulden sind gigantisch, wie teuer die Bankenkrise noch wird, ist unklar. Ein Konjunkturprogramm würde den Haushalt überdehnen.

    Die Stabilisierung der Banken nutzt nichts, wenn die Wirtschaft abschmiert.
    Quelle: taz

  8. Pensions: Downturn has wiped one fifth off retirement funds
    More than a million people have stopped paying into their pensions in the last year following belt-tightening and what Altmann said was a loss of faith in the pension saving system.
    Quelle: The Guardian
  9. Betrogen oder blauäugig?
    Doch wer sich jetzt betrogen fühlt, zieht sich nur allzu oft darauf zurück: Alles unverständlich, das Kleingedruckte liest doch sowieso niemand. Mit Verlaub: Wer zehn Jahre spart, und dann sein ganzes Geld in ein Produkt investiert, das er nicht versteht, handeln nicht gerade klug.

    Dass es dennoch viele taten, liefert womöglich die Antwort auf eine Lieblingsfrage der Moderatoren dieser Tage: Warum gibt es eigentlich solche Produkte – wenn sie doch niemand versteht? Weil sie verkauft werden! Sonst gäbe es sie nicht. So ist das auf dem Markt.

    Kann man Konsumenten davor schützen, muss man die Produkte verbieten?

    Das ist ein selten dummer Gedanke: Denn Risiken sind ein ganz wesentlicher Mechanismus für eine funktionierende Volkswirtschaft. Dass man damit handeln kann, ist kein Makel, sondern ein Gewinn für die gesamte Bevölkerung.
    Quelle: Die Zeit

    Anmerkung unseres Lesers F.B.: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Dass die ZEIT sich für derartiges hergibt, disqualifiziert sie weiter.

    Anmerkung WL: Von Bewertungen der Ratingagenturen und von Bonitätsnoten auf die sich Berater und Sparer verlassen haben, scheint der Autor nie etwas gehört zu haben.

  10. Aus Not gewuchert
    Das Desaster an der Wall Street ist endgültig in der Provinz angekommen. Die Landeskirche Oldenburg hat rund zehn Prozent ihres Vermögens in Mischfonds, aber auch in Papiere von Lehman investiert – und Millionen an der Wall Street verloren. Während bei Gläubigen Entsetzen herrscht, finden Vertreter der evangelischen Kirche die Investition vertretbar.
    Quelle: Handelsblatt
  11. Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe im August 2008: Real + 2,2% zum Vorjahr
    Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, verzeichnete das Verarbeitende Gewerbe nach vorläufigen Angaben im August 2008 arbeitstäglich bereinigt einen realen Umsatzzuwachs von 2,2% gegenüber dem August 2007 (nach revidiert – 1,0% im Juli 2008). Der Inlandsumsatz stieg im Vergleichszeitraum um 2,8%, die Erlöse im Geschäft mit ausländischen Abnehmern nahmen um 1,2% zu. Dabei lag der Umsatz mit den Ländern der Eurozone um 0,3% unter dem Vorjahresniveau, während beim Absatz in das übrige Ausland ein Plus von 2,4% erreicht wurde.
    Quelle: destatis
  12. Deutsche Ausfuhren im August 2008: – 2,5% zum August 2007
    Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand vorläufiger Ergebnisse mitteilt, wurden im August 2008 von Deutschland Waren im Wert von 75,7 Milliarden Euro ausgeführt und Waren im Wert von 65,1 Milliarden Euro eingeführt. Die deutschen Ausfuhren waren damit im August 2008 um 2,5% niedriger und die Einfuhren um 2,6% höher als im August 2007. Kalender- und saisonbereinigt nahmen die Ausfuhren gegenüber Juli 2008 um 0,5% und die Einfuhren um 2,5% ab.

    Die Außenhandelsbilanz schloss im August 2008 mit einem Überschuss von 10,6 Milliarden Euro ab. Im August 2007 hatte der Saldo in der Außenhandelsbilanz 14,3 Milliarden Euro betragen. Kalender- und saisonbereinigt lag im August 2008 der Außenhandelsbilanzüberschuss bei 13,1 Milliarden Euro.
    Quelle: destatis

  13. „Die Politik hat eine strengere Managerhaftung verhindert“
    Nun fordern auch Poltiker strengere Gesetze. Dabei haben sie es selbst seit Jahren versäumt, klare Vorschriften auf den Weg zu bringen. Das sagt Rechtsanwalt Andreas Tilp.

    In Deutschland gibt es einen großen Unterschied zwischen der Binnen- und der Außenhaftung. Manager in Deutschland haften lediglich gegenüber ihres Unternehmens, nicht gegenüber Dritten – anders als in den USA. Aus Sicht der Manager ist die Binnenhaftung ein zahnloser Tiger. Und ein Gesetz zur Außenhaftung kam bis heute nicht zustande.

    Die offizielle Begründung lautete 2004: Grundlichkeit geht vor Schnelligkeit. Auf diese Gründlichkeit warten wir bis jetzt.
    Quelle: Handelsblatt

  14. Hartz IV für blöde Banker
    Alles ruft wegen der Finanzkrise: mehr Regulierung! Der Begriff bleibt bislang abstrakt. Das entscheidende Problem ist: Bankmanager handeln total rational, wenn sie Gewinne privatisieren, aber Verluste sozialisieren. Das darf so nicht bleiben. Keine Polemik.

    Es braucht wieder echte Rationalität im System. Und eine entsprechende Regulierung. Die kann nur lauten: Wer sich so verhält, wie es viele Bankmanager in den vergangenen fünf Jahren getan haben, muss mit dem Risiko einer persönlichen Totalpleite konfrontiert sein. Nur so entsteht eine Logik, die das Wohl der Bank und das Wohl der Allgemeinheit vereint. Deshalb kann das Ziel einer künftigen Regulierung nur lauten: Macht logisches Verhalten sozial kompatibel – per persönlicher Haftung. Oder einfach ausgedrückt: Hartz IV für blöde Banker!
    Quelle: FTD

  15. Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Zielen der Unternehmen bei Vergütung von Managern
    Das Einkommen der Vorstandsvorsitzenden der 100 größten deutschen Unternehmen stieg zwischen 1976 und 2005 jährlich um etwa 7,45% von 225.000 Euro im Jahr auf durchschnittlich 1,8 Millionen Euro. Zwischen 2002 und 2006 konnten die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Dax-30 Konzerne ihre Vergütung um knapp 50% steigern, jene der europäischen Stoxx-50 Firmen um gar 60%.

    Durchschnittlich verdiente der Vorstandsvorsitzende eines Dax-30 Konzerns im Jahr 2006 4,3 Millionen Euro, 21 Mal so viel wie Kanzlerin Angela Merkel. Die von Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank AG im Jahr 2006 verdienten 13 Millionen Euro entsprechen in etwa dem 300-fachen eines normalen Tarifgehaltes im Bankgewerbe. Die Deutsche Bank AG zahlte ihren aktiven und ehemaligen Vorstandsmitgliedern nebst Hinterbliebenen im Jahr 2000 94 Millionen Euro, was immerhin 11,8% der Gewinnausschüttung an die Aktionäre entspricht. Die Hans-Böckler-Stiftung hat eine Studie in Auftrag gegeben, wie auch soziale, ökologische und mitarbeiterorientierte Erfolgskriterien in die Vergütung von Managern eingebunden werden könnten.
    Quelle: Arbeitspapier im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung [PDF – 308 KB]

  16. Arbeitsmarktpolitik: Bald viel weniger Fördertöpfe
    Etwa 80 verschiedene Maßnahmen gibt es bislang in der Arbeitsmarktförderung. Das Bundeskabinett beschloss nun die Streichung von 27 Instrumenten. Wegfallen soll etwa die “Jobrotation”, mit der die Weiterbildung von Beschäftigten durch Vertretungsregelungen finanziell gefördert wird. Ebenso wegfallen soll die Möglichkeit, Arbeitgeber bei Einstellung Älterer von der Zahlung der Sozialabgaben zu befreien. Geplant ist auch, die Betreuung der Langzeitarbeitslosen neu zu regeln – mit der Folge, dass es für sie wegen anderer Alternativen keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) mehr gibt.
    Quelle: Haufe Sozialversicherung

    Anmerkung WL: Man mag das eine oder andere Förderinstrument für nicht effizient genug halten, aber bevor man die Förderungsmaßnahmen einfach abschafft, sollte man bessere an ihre Stelle setzen. Der Verdacht, dass es sich einmal mehr um eine Sparmaßnahme handelt, liegt nahe. Schließlich muss die Bundesagentur drastisch sparen, wenn die Beiträge nun noch weiter gesenkt werden sollen – auf dem Rücken der Arbeitslosen.

    Siehe dazu:

  17. Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, über die Beitragskürzung und die Folgen der Finanzkrise: „Arbeitsagentur wird Minus machen“

    Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird auf 2,8 Prozent gesenkt. Sie waren dagegen. Sind nun Leistungen der Bundesagentur in Gefahr?

    Weise: Nein. Der Beitragssatz wird gesetzlich auf drei Prozent festgelegt und darüber hinaus per Rechtsverordnung für eineinhalb Jahre auf 2,8 Prozent gesenkt. Für diese begrenzte Zeit – selbst wenn die Lage schlechter wird – würden die Rücklagen reichen. Sie betragen derzeit rund 15 Milliarden Euro plus einer Rückstellung für Altersversorgung. Meine Sorge war, dass bei einer unbegrenzten Absenkung auf 2,8 Prozent die Rücklagen aufgezehrt und die Bundesagentur ins Defizit geraten könnte. Gerade bei einer schwierigeren Konjunkturlage hätte man keine Mittel mehr gehabt, um gegenzusteuern.

    Was kostet die Absenkung?

    Weise: Knapp vier Milliarden Euro durch geringere Einnahmen. Daher werden wir im nächsten Jahr insgesamt fünf Milliarden Euro Minus im operativen Geschäft machen. Diese Annahme beruht auf den geltenden Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung, also 1,2 Prozent Wachstum 2009. Mitte Oktober liegen die neuen, sicher niedrigeren Schätzungen zur Konjunkturentwicklung vor. Es kann also noch schlechter werden.

    Quelle: Passauer Neue Presse

  18. Die Tücken der Statistik
    Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland wird unterschätzt. Die tatsächliche Arbeitslosenquote bei den unter 25-Jährigen ist höher als von der Bundesagentur für Arbeit (BA) offiziell angegeben. Zu diesem Ergebnis kommt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einer der Frankfurter Rundschau vorliegenden Arbeitsmarktstudie. “Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfasst nicht in vollem Umfang die Probleme von Jugendlichen beim Übergang in den Arbeitsmarkt”, heißt es darin. So erscheine die Arbeitslosenquote von Jugendlichen geringer als die der gesamten Bevölkerung. International vergleichbare Statistiken wiesen jedoch das Gegenteil aus. So gebe die internationale Wirtschaftsorganisation OECD für die 15- bis 24-Jährigen eine Quote von 11,7 Prozent im Jahr 2007 an, die für die 25- bis 64-Jährigen aber bei 8,3 Prozent liege. Auch weise die Bundesregierung in ihrem Bildungsbericht 2008 auf dieses Problem hin.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Titel dieses Beitrags ist insofern beschönigend, als dass er den Eindruck vermittelt, das Problem läge in der Tücke des Objekts, also des statistischen Verfahrens an sich. Der Duden leitet den Begriff “Tücke” aus dem mittelhochdeutschen “tuc” ab, als arglistige Handlungsweise, und verweist damit auf aktives Tun von interessierter Seite. Es geht also nicht um die Tücke des Objekts, sondern um die Handlungsweise einer obrigkeitshörigen Behörde, die es nicht wagt, die bittere Realität einer versagenden Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik öffentlich zu machen.

  19. Anwalt für Hartz-IV-Empfänger soll teurer werden
    Nach dem Willen mehrerer Bundesländer soll die Rechtsberatung für Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger eingeschränkt werden. Der Bundesrat entscheidet am Freitag über einen Gesetzentwurf von fünf Bundesländern zur Reform des Beratungshilferechts. Mit der Reform soll der Gang zum Rechtsanwalt für die Hartz-IV-Empfänger schwerer werden.

    Der Grund: Seit die Hartz-IV-Gesetze eingeführt wurden, ist die Zahl der Klagen von Hartz-IV-Empfängern stark gestiegen. Für die Länder wird das teuer, denn sie sind dazu verpflichtet, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten für Menschen mit geringem Einkommen sowie Sozialhilfeempfänger und Arbeitlosengeld-II-Bezieher zu übernehmen.

    Bislang müssen Ratsuchende beim Gang zum Rechtsanwalt pro Fall eine Gebühr von zehn Euro zahlen. Nach dem Gesetzentwurf soll nun eine weitere Gebühr in Höhe von 20 Euro fällig werden, wenn der Rechtsanwalt den Hilfesuchenden nicht nur mündlich berät, sondern für ihn außerdem Schriftsätze verfasst.
    Quelle: Welt

    Anmerkung WL: Hier wird einmal mehr Ursache und Wirkung verwechselt. Warum ist die Zahl der Klagen drastisch angestiegen, weil 70 bis 80 Prozent der Bescheide falsch oder rechtswidrig sind? Die überwiegende Zahl der Klagen hat Erfolg. Warum haben die Klagen Erfolg, weil die Gesetze lebensfern und dazu noch schlecht gemacht sind. Und weil darüber hinaus eine Stimmung erzeugt wurde, die in jedem Transferempfänger einen Schmarotzer sieht, dass hat natürlich Konsequenzen für restriktive und rechtswidrige Bescheide.

  20. Keine Entwarnung
    Die Verschiebung des Börsengangs der Bahn stellt eine mittlere Sensation dar. Natürlich nicht die Nachricht als solche: Eine Verschiebung der Großprivatisierung auf »frühestens Ende November«, also eine um drei bis fünf Wochen verzögerte Teilprivatisierung, wäre kaum des Kommentierens wert. Tatsächlich spricht jedoch vieles dafür, dass Finanzminister Peer Steinbrück und Bahnchef Hartmut Mehdorn am Donnerstag faktisch eine Grundsatzentscheidung für eine Verschiebung bis Anfang 2010 getroffen haben. Das rechnet sich als Dreisatz so: Erstens wird sich bis Ende November das Börsengewitter nicht verzogen haben. Zweitens wird mit dem derzeit stattfindenden Umschlag der Finanzkrise in eine allgemeine weltweite Wirtschaftskrise die Deutsche Bahn AG mit ihrer verantwortungslosen Expansion in das weltweite Logistikgeschäft in die roten Zahlen kommen. Damit aber reduziert sich ein möglicher Teilprivatisierungserlös nochmals. Drittens gibt es 2009 die Bundestagswahlen. Das dürfte der Grund dafür sein, warum Steinbrück Mehdorn von einer Verschiebung auf »Ende November« und nicht auf »Anfang 2009« sprechen. Denn wenn die Bahnprivatisierung Bestandteil des Bundestagswahlkampfes wird, dann wird der Widerspruch zwischen der Zweidrittelmehrheit im Bundestag pro Bahnprivatisierung und der Zweidrittelmehrheit in der Bevölkerung gegen dieselbe besonders krass ins Auge springen. Mit der Bundestagswahl aber könnten politisch die Karten neu gemischt sein.

    Hier ist festzuhalten, dass bereits die Miniverschiebung auf »frühestens Ende November« ein wichtiger Erfolg und dass die absehbare deutlich größere Verschiebung auf möglicherweise Anfang 2010 ein großer Erfolg ist, und zwar ein Erfolg für die Tausenden Menschen, die sich gegen die Bahnprivatisierung ins Zeug legten, und insbesondere für das Bündnis Bahn für Alle, das seit 2006 gegen die Bahnprivatisierung mobilisiert.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Man möchte der Argumentation von Winfried Wolf zu gerne folgen, aber wenn man den Ehrgeiz von Mehdorn bedenkt, und in welch unfaßbarer Weise er bisher seine Vorstellungen der Politik aufzwingen konnte, befällt einen doch Skepsis. Allerdings scheint die Gelegenheit günstig, angesichts der aktuellen Krise und aufkommender Zweifel am neoliberalen Paradigma die Bundestagsabgeordneten vor Ort nach den Grenzen der des Privatisierungsdogmas zu befragen.

  21. “Alles, was schießt”
    Bundesjustizministerin Zypries verteidigt den Bundeswehreinsatz im Innern – und will nicht nachbessern.

    Vereinfacht kann man sagen, militärisches Mittel ist alles, was schießt, also Waffen und Waffensysteme, über die nur die Streitkräfte verfügen. Im Zuge der Amtshilfe durfte die Bundeswehr bislang schon bei der Suche nach Vermissten oder bei Hochwasser helfen, solange sie dabei nicht auf Personen eingewirkt hat. Für eine solche Einwirkung standen ihr bisher nur ausnahmsweise Polizeimittel zur Verfügung. Wenn diese zur Abwehr eines besonders schweren Unglücksfalls nicht ausreichen – und nur dann -, soll sie künftig auch militärische Waffen einsetzen dürfen.
    Quelle: FR

    Dazu:

    Die Wacht am Rubikon
    Das Problem ist vielmehr, dass die geplante Verfassungsänderung durch ihre schwammige Formulierung ein Scheunentor für den Missbrauch dieses Gesetzes darstellt. Die chronisch unterfinanzierten und schlecht ausgerüsteten Polizeibehörden laufen ständig Gefahr, dass ihre Mittel nicht ausreichen, um eine perfekte Sicherung von Großereignissen zu gewährleisten. Wer aber Schützenpanzer und Wehrpflichtige mit Sturmgewehren zur Sicherung von Großereignissen wie dem G8-Gipfel auch gegen Demonstranten einsetzen will, der handelt grob fahrlässig. Soldaten sind keine Polizisten. Soldaten werden ausgebildet, um im Ernstfall zu töten. Ihnen wird nicht die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes und der Mittel beigebracht, sie kennen sich nicht mit der Gesetzeslage im Inneren aus – das müssen sie auch gar nicht, schließlich ist dies auch nicht ihre Aufgabe.
    Quelle: Spiegelfechter

  22. Ein halbes Grad zu viel
    Vermutlich wird es nicht gelingen, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. In Brüssel bekämpft die Bundesregierung trotzdem weiter die Pläne des EU-Umweltausschusses. Der Klimawandel könnte weitaus schneller und drastischer verlaufen als bisher angenommen. Das ist das Ergebnis mehrerer Studien, die Wissenschaftler des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, des Instituts für Weltwirtschaft Kiel und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie zusammen mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag vorgestellt haben.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Ob im Weißen Haus oder vor den Gletschern in Grönland – weltweit warb Angela Merkel für den Klimaschutz. Das Image der „Klimakanzlerin“ blättert immer mehr ab.

  23. Weiter mit Schwarz-Grün
    Die deutschlandweit einmalige Koalition ist gerettet: Die Hamburger Grünen stimmen nach dem Ja zum Kraftwerk Moorburg für eine Fortsetzung.
    “Ich habe Erwartungen geweckt, die wir nicht erfüllen konnten”, räumte Hajduk ein. Dann sprach sie sich aber für die Fortsetzung der Koalition aus. Es liege nicht am christdemokratischen Koalitionspartner, dass sie das Kraftwerk genehmigen musste.

    Die GAL hatte im Wahlkampf versprochen, das Kraftwerk zu verhindern. Auch zu Beginn der schwarz-grünen Koalition erweckte sie den Eindruck, dass die Umweltsenatorin es durch eine Verweigerung der wasserrechtlichen Genehmigung noch stoppen könnte.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: So unterschiedlich wird medial mit „Wortbrüchen“ umgegangen. In Hamburg wird damit Schwarz-Grün „gerettet“, in Hessen wird der Wortbruch verteufelt und damit soll Roland Koch gerettet werden.

  24. Der Bayer und Liedermacher Konstantin Wecker zur Bayern-Wahl:
    Seehofer wird eine kurze Laufzeit haben mehr Ypsilanti und weniger Müntefering wünscht er sich bei der SPD
    Quelle: FR
  25. Analyse des Berichts zu Lobbyisten in Ministerien
    Die Bundesregierung hat dem Haushalts- und Innenausschuss gestern den ersten, endgültigen Bericht über externe Mitarbeiter in den Ministerien 2008 vorgelegt. Bereits vor 10 Tagen war eine Vorabfassung öffentlich geworden. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um eine kleine Analyse des Berichts vorzulegen und nochmal unsere Kritikpunkte deutlich zu machen:

    • Der Bericht erscheint unvollständig und schafft keine umfassende Transparenz. Hier muss die Bundesregierung nachbessern.
    • Es ist skandalös, dass weiterhin Unternehmen in Bereichen arbeiten, die ihre Geschäftsinteressen betreffen.

    Dies sind zum einen alte Fälle, die fortlaufen: Die DZ-Bank im Finanzministerium zu Grundsatzfragen des Finanzplatzes Deutschland und der EU, BASF im Umweltministerium zu Anlagensicherheit, die Bertelsmann-Stiftung im Gesundheitsministerium zu Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik. Aber es gibt auch einen neuen Fall nach Inkrafttreten der neuen Regeln für externe Mitarbeiter: Die Berliner Wasserbetriebe sitzen im Entwicklungsministerium im Referat „Wasser; Energie; Stadtentwicklung“. An den Berliner Wasserbetrieben sind RWE und der französische Veolia-Konzern mit zusammen 49,9% beteiligt. Beide Unternehmen sind international im Wasser- und Energiesektor tätig – eine klare Interessensüberschneidung. Diese Fälle müssen aus unserer Sicht sofort beendet werden.

    Der Bericht zeigt weiterhin ein Ungleichgewicht verschiedener gesellschaftlicher Interessen. Unternehmen und Wirtschaftsverbände haben bwz. hatten einen übermäßigen Zugang, häufig direkt zu Referaten, die sich mit Regulierungsfragen ihrer Branchen beschäftigen. LobbyControl tritt deshalb weiter dafür ein, dass die Mitarbeit von Lobbyisten in den Ministerien vollständig beendet wird.
    Quelle: LobbyControl

  26. Otto Köhler: Der Untertassentheoretiker
    Friedrich Thießen von der TU Chemnitz phantasierte kürzlich über einen Hartz-IV-Regelsatz von 132 Euro. Kein Wunder – seine Professur wird von der Commerzbank finanziert. Diese macht sich auch Gedanken über einen Bundeswehreinsatz in der Finanzkrise
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Artikel ist in weiten Teilen als polemische Konstruktion zu lesen, so der Zusammenhang zwischen Finanzkrise und geplantem Bundesweheinsatz , d.h. aber nicht dass nicht einige zum Nachdenken anregende Informationen vermittelt werden.

  27. Tipp: Der SWR wiederholt „War made easy“ am 30.10.2008, 23.00 Uhr!


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