Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Die SPD könnte CETA stoppen … sie müsste es nur wollen (inkl. zweier wichtiger Dokumente)
Datum: 15. September 2016 um 11:24 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Globalisierung, SPD
Verantwortlich: Jens Berger
Auch wenn dies kaum so deutlich formuliert wird: der kommende Montag wird in welcher Form auch immer ein historischer Tag für Deutschland. Am Montag trifft sich der kleine SPD-Parteitag, der sogenannte Parteikonvent und wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Position zum Freihandelsabkommen CETA beschließen. Leider besteht jedoch kaum Hoffnung darauf, dass die SPD zur Vernunft kommt. Am Samstag finden jedoch noch in sieben deutschen Städten Großdemonstrationen statt. Vielleicht können Millionen Demonstranten ja doch noch den einen oder anderen Delegierten daran erinnern, wo er eigentlich politisch stehen sollte und wo er jetzt steht. Im Anhang finden Sie zwei wichtige Dokumente. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Zum Hintergrund lesen Sie bitte den am Montag erschienenen Artikel „CETA auf dem Parteikonvent: Hält sich die SPD an die eigenen roten Linien?“ von unserem Gastautoren Thorsten Wolff
Um die aktuelle Gemengelage kurz und bündig zusammenzufassen: CETA ist mittlerweile ausverhandelt und wartet darauf, verabschiedet zu werden. Im ersten Schritt muss CETA auf europäischer Seite vom Ministerrat der EU verabschiedet werden. Danach muss das Europäische Parlament das Vertragswerk noch abnicken – dies ist jedoch gemäß der Zahl der Mandate nur eine Formsache, denn sowohl die Konservativen als auch die Liberalen und Teile der Sozialdemokraten werden ohnehin für CETA stimmen. Gemäß der Rechtsauffassung der EU-Kommission kann CETA jedoch bereits vor der parlamentarischen Abstimmung „vorläufig“ in Kraft gesetzt werden. Als „endgültig verabschiedet“ würde CETA erst dann gelten, wenn es von allen nationalen Parlamenten der EU-Staaten verabschiedet würde – doch das wird ohnehin nicht passieren, was aber auch ziemlich egal ist. Denn theoretisch und praktisch kann CETA bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag „vorläufig“ in Kraft sein, ohne dass dies irgendetwas ändern würde und rückgängig könnte dies nur durch ein einstimmiges Votum im EU-Ministerrat gemacht werden. Auch dies wird es so nie geben. CETA darf also als verabschiedet gelten, wenn der EU-Ministerrat dem Abkommen zustimmt und dies soll offenbar noch in diesem Monat geschehen.
Die CDU ist für CETA, bei der SPD ist der Parteivorstand – mit einer einzigen Gegenstimme – auch dafür, die Basis hat jedoch Bedingungen gestellt; Bedingungen, die laut mehreren wissenschaftlichen Gutachten beim aktuellen Vertragsentwurf nicht eingehalten werden. Nach wie vor ist hier vor allem das Thema „Investorenschutz“ und „Schiedsgerichte“ der größte Zankapfel. Ob der aktuelle Entwurf die roten Linien des Parteitages überschreitet und ob Sigmar Gabriel mit einer Unterschrift im Ministerrat damit ebenfalls eine rote Linie überschreitet – um diese Frage wird es beim Parteikonvent gehen.
Die Taktik der Parteispitze ist ebenso klar wie perfide. Ginge es nach Gabriel, Schulz, Steinmeier und Co. wird der Konvent Minister Gabriel empfehlen, im Ministerrat für CETA zu stimmen, um dann im Rahmen der parlamentarischen Debatte im Europäische Parlament „nötige Nachbesserungen“ umzusetzen. Dabei wissen die Parteigranden nur allzu genau, dass dies nicht geschehen wird, da es im Parlament eine klare Mehrheit für den Vertragsentwurf in der aktuellen Form gibt. Wenn irgendwer die jetzige Version aufhalten und Nachbesserungen verlangen kann, dann ist dies einzig und allein der Ministerrat, in dem Sigmar Gabriel als deutscher Vertreter eine im doppelten Sinne gewichtige Rolle innehat. Würde die SPD ihre Zustimmung zu CETA in der jetzigen Form verweigern, würde eine Patt-Situation zwischen SPD und CDU vorliegen und Gabriel müsste sich gemäß des Koalitionsvertrags bei der Abstimmung enthalten. Damit wäre CETA erst einmal gestoppt.
Es ist vollkommen klar, dass der wirtschaftsliberale und mittlerweile auch arbeitgebernahe SPD-Vorstand CETA auf Biegen und Brechen gegen die Interessen der Wähler und gegen den ausdrücklichen Willen der Parteibasis durchdrücken will. Dafür ist CETA für die Wirtschaftsbosse dies- und jenseits des Atlantiks einfach zu wichtig. Vier Landesverbände haben sich bereits klar gegen die Position des Parteivorstands ausgesprochen. Es ist also noch ein Fünkchen Hoffnung am Horizont. Vielleicht beginnt die Zukunft der SPD ja am nächsten Montag?
Um dem Konvent und auch allen anderen Entscheidungsträgern ein wenig Feuer unter dem Hintern zu machen, kommen die am Samstag stattfindenden Großdemonstrationen gegen TTIP und CETA natürlich wie gerufen. In Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart werden Hunderttausende Menschen auf die Straße gehen. Bitte nehmen auch Sie an den Demonstrationen teil!
Anhang 1: Ein offener Brief des SPD-Mitglieds Jürgen Schmid an die zuständigen Parteigremien
Anhang 2: „CETA ist das Messer an der Kehle der Sozialdemokratie“ vom SPD-Mitglied Hans-Georg Tillmann
OFFENER BRIEF zum Beschlussvorschlag des SPD-Parteivorstands zum CETA-Abkommen
Liebe Genossinnen und Genossen,
es steht wieder ein Parteikonvent an, der sich mit CETA befasst. Diesmal liegt der endgültige Vertragstext vor, auch in Deutsch. Vermutlich hat niemand von uns die 1600 Seiten vollständig gelesen, aber es sind inzwischen zahlreiche Gutachten und Stellungnahmen zum aktuellen Text verfügbar, die es erlauben, sich eine fundierte abschließende Meinung zu diesem Vertrag zu bilden.
Nach meiner Einschätzung werden die Bedingungen an ein Freihandelsabkommen, wie sie auf dem Parteikonvent 2014 und dem Parteitag 2015 formuliert wurden, bei weitem nicht erfüllt.
Diese Meinung wird im Grunde auch vom Parteivorstand geteilt. Zumindest sind wesentliche Punkte, die nach wie vor im Widerspruch zu den Beschlüssen der SPD stehen auch im Beschluss vom 5.9. benannt. Dennoch empfiehlt der Parteivorstand dem CETA-Abkommen im EU-Ministerrat zuzustimmen und verweist auf die Möglichkeit, im anschließenden parlamentarischen Prozess die kritischen Punkte zu heilen.
Damit streut der Parteivorstand den Delegierten und auch der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Zum einen ist die Kommission nach wie vor der Meinung, dies sei im juristischen Sinn kein gemischtes Abkommen, weiterhin hat die Kommission erklärt, das Abkommen vor der Befassung nationaler Parlamente vorläufig in Kraft zu setzen, damit aber gilt das Abkommen völkerrechtlich. Der Handelsministerrat, dem auch Genosse Gabriel angehört, wird sich im September befassen, endgültig wird dann der Rat der europäischen Union im Oktober über das in Kraft treten entscheiden. Das EU Parlament wird gar keine Zeit mehr haben, substanzielle Änderungen vorzuschlagen, zudem haben die Konservativen die Mehrheit im Parlament.
Die einzige Institution, die CETA stoppen oder verbessern kann, ist der Ministerrat. Wenn der Parteikonvent am 19.09. dem Vorschlag des Parteivorstands zustimmt, dann wird CETA in der jetzigen Form mit all den Folgen, die weiter unten kurz beschrieben werden, in Kraft treten. Das müssen die Delegierten wissen.
Nun kurz zum Antrag des Parteivorstands:
In der Einleitung werden die Ziele für einen fairen und gerechten Welthandel dargelegt. Alle Ziele die dort formuliert sind, sind zutiefst sozialdemokratisch. Als da sind: das Primat der Politik, den Kapitalismus einhegen, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit vorantreiben, Förderung des Verbraucher- und des Umweltschutzes und soziale Sicherheit. All das sind gute und richtige sozialdemokratische Forderungen – nur mit CETA und TTIP haben sie nichts zu tun. CETA ist ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen, kein Verbraucher- oder Umweltschutzabkommen, auch kein Abkommen zur Stärkung von Arbeitnehmerrechten. Im Gegenteil, mit Mühe und Not werden die ILO-Regeln als anzustrebender Mindeststandard festgelegt, diese erreichen natürlich bei weitem nicht das Niveau europäischer Arbeitnehmerrechte. Der für Europa wichtige Vorsorgeansatz (also wir tun etwas, bevor der Schaden eingetreten ist) taucht auf den ganzen 1600 Seiten nicht ein einziges Mal auf.
CETA will den Freihandel vorantreiben. Dazu werden die Zölle weitgehend abgeschafft, CETA will weitere Wirtschaftszweige für private Investoren öffnen, das schließt die öffentliche Daseinsvorsorge in weiten Teilen mit ein, CETA verbietet, bis auf ganz wenige Ausnahmen, durch sog. Sperrklinkenklauseln (Ratchet-Clause) die Rekommunalisierung bereits privatisierter Bereiche. Und CETA schafft für Unternehmen ein Sonderrecht, entgangene Gewinne vor internationalen Schiedsgerichten einzuklagen. Umwelt- und Verbraucherschützer, Gewerkschaften einzelne Arbeitnehmer aber auch Staaten bleiben außen vor und haben so gut wie keine Möglichkeiten gegen international agierende Konzerne vorzugehen.
Das Zielformulierung ist also nur die weiße Salbe auf die geschundene sozialdemokratische Seele.
Der ISDS Mechanismus (Schiedsgerichte) ist nach wie vor Bestandteil des CETA-Abkommens. Die EU konnte zwar erreichen, wie im Antrag auch dargestellt, dass die Schiedsrichter in einem transparenteren Verfahren bestimmt werden, eine Berufungsinstanz ist ebenfalls zugestanden worden, aber es bleibt bei der Tatsache, dass Unternehmen eine eigene Gerichtsbarkeit zugestanden wird, mittels der sie gegen nationale und EU-Entscheidungen klagen können. Angesichts der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe in CETA eröffnet sich hier ein weites Handlungsfeld für internationale Anwaltskanzleien.
Substanziell sind die erreichten Verbesserungen aber nicht. Die Friedrich-Ebert-Stiftung kommt in ihrem Gutachten daher auch zum Schluss, dass sich die jetzt implementierten Regelungen nicht wesentlich von den bisherigen unterscheiden und keinen ausreichenden Schutz vor Klagen auf Schadensersatz wegen Arbeits-, Sozial- oder Umweltgesetzen bieten. Die Klausel zum Recht auf Regulierung („right to regulate“) sei zudem zu vage. Auch in der jetzigen Fassung werden Unternehmen Sonderrechte eingeräumt, mit deren Hilfe Staaten zu hohen Schadensersatzzahlungen verpflichtet werden können, wenn sie durch gesetzliche Regelungen die Profiterwartungen von Unternehmen schmälern
Die regulatorische Kooperation ist ein zentraler Bestandteil des CETA Abkommens. Sie findet sich in allen wichtigen Kapiteln, gerade auch in den wichtigen Kapiteln zur Arbeit und Umwelt. Im Rahmen der regulatorischen Kooperation sollen Gesetzesvorhaben auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Abkommen, also den Liberalisierungsvorgaben, geprüft werden, lange bevor sie in der parlamentarischen Beratung Eingang finden. Diese Vorprüfung erfolgt durch die Exekutive und durch Interessenvertreter (Lobbyisten), die bei Bedarf hinzugezogen werden können. Das EU-Parlament, das ohnehin nur eingeschränkt legislativ handeln darf, würde damit als gesetzgebende Instanz weiter marginalisiert. Es ist weiterhin ein ständiger Handelsausschuss, dem die beiden Handelsminister/-kommissare vorsitzen, vorgesehen, der Streitfragen, wie z. B. unpräzise Rechtsbegriffe, verbindlich entscheiden kann. Durch diese regulatorische Kooperation wird das Parlament weiter entmachtet, die Exekutive übernimmt gesetzgeberische Funktionen.
Das Vorsorgeprinzip, das im europäischen Arbeits-, Verbraucherschutz und der Umweltpolitik eine zentrale Rolle spielt, wird im ganzen Vertragstext nicht erwähnt. Durch dieses Prinzip ist es in Europa möglich, gesetzliche Schutzmaßnahmen auch in solchen Fällen zu ergreifen, in denen eine konkrete Gefahr noch nicht eindeutig beweisbar ist. Beispielsweise sind in Europa viele Schadstoffgrenzwerte niedriger angesetzt, als “wissenschaftlich”, im Sinne einer direkten Schädigung beweisbar. Zudem können in Europa Stoffe verboten werden, die „nur“ mit hoher Wahrscheinlichkeit schädlich sind. Für ein Verbot oder eine Beschränkung bedarf es keines wissenschaftlichen Beweises.
In den USA und auch in Kanada ist dies anders. Beschränkungen oder Verbote sind erst möglich, wenn die Schädlichkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist. So ist Asbest, trotz mehrfacher Zusagen Kanadas es zu verbieten, dort immer noch erlaubt.
Die USA und Kanada verfolgen das Prinzip des wissenschaftlichen Beweises. Es ist zunächst alles erlaubt, erst wenn die Schädlichkeit eines Stoffes nachgewiesen wird, kann er verboten werden. Im Gegenzug sind dann aber auch die Haftungsregeln für die Unternehmen wesentlich schärfer als im europäischen Raum.
Wie oben bereits beschrieben, wird das Vorsorgeprinzip im gesamten Vertrag nicht erwähnt. Dafür findet sich an mehreren Stellen das Prinzip der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis (Artikel 24.8 oder 25.4). In beiden Artikeln wird dargelegt, dass Beschränkungen und Verbote i.d.R. nur auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erlassen werden, nur als Ausnahme und in besonders schwerwiegenden Fällen wird im zweiten Absatz (Art. 24.8. (2)) eine Abweichung von diesen Prinzip zugestanden.
Damit wird der Schwerpunkt ganz eindeutig in Richtung der angelsächsischen Rechtsauffassung verschoben. Verbote und Beschränkungen hormonähnlich wirkender Substanzen, wie z. B. vieler Weichmacher, wären damit in Zukunft nur noch ganz schwer begründbar. Und gegen solche Beschränkungen könnten Unternehmen mit guten Aussichten auf Erfolg vor den internationalen Schiedsgerichten klagen.
Der Schutz der Daseinsvorsorge hat für uns höchste Priorität, schreibt der Parteivorstand. Schön – er erkennt auch an, dass der Negativlistenansatz problematisch ist, weil nur die Dienstleistungen vom Privatisierungszwang ausgenommen, die explizit in Anhang II genannt sind. Und dabei belässt es der Parteivorstand.
Die Sache ist aber ein bisschen komplizierter, wie auch das lange unter Verschluss gehaltene Gutachten der Baden-Württembergischen Landeregierung (Zitat) belegt. Dort steht auf S. 22 unten „CETA stellt den Bereich der mitgliedsstaatlichen Daseinsvorsorge nicht umfassend frei“. Letztendlich entstehen die Unschärfen aus der Definition öffentlicher Dienstleistungen, die sich stark an die WTO-Regeln anlehnen und diese teilweise erweitern. Für die öffentliche Dienstleistung müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: zum einen darf die öffentliche Hand nicht „kommerziell“, wirtschaftlich“ oder „gewinnstrebend“ agieren, zum anderen darf sich die öffentliche Dienstleistung nicht in einem Feld abspielen, in dem „privater Wettbewerb“ existiert. Stadtwerke, die aus ihren Gewinnen andere öffentliche Bereiche quersubventionieren, wären nach dieser Definition als erste von einem Privatisierungszwang bedroht.
Privatisierungszwang entsteht auch, wenn wie in Baden-Württemberg oft der Fall, Private an öffentlichen Dienstleistungen beteiligt sind. Auch die zweite Bedingung der Wettbewerbsfreiheit ist problematisch, denn es geht nicht darum, ob tatsächlich Wettbewerb herrscht, sondern ob er theoretisch möglich wäre. Das Bauen von Autobahnen ist sicher ein Monopol, aber der Betrieb kann ohne weiteres im Wettbewerb erfolgen.
An der Negativliste ist insbesondere problematisch, dass nur die Dienstleistungen in der dort definierten Form ausgenommen sind. Die Wassergewinnung ist ausgenommen, aber was ist wenn Wasser und Abwasser gemeinsam in einem kommunalen Eigenbetrieb betrieben werden? Was ist mit neuen Dienstleitungsmonopolen? Um mal etwas kühn zu sein: Die Google Suchmaschine ist eine Art Suchmonopol. Ein Privatkonzern mit seinen geheimen Algorithmen bestimmt, was die Bürger dieser Welt im Internet finden und an welcher Stelle die Suchergebnisse angezeigt werden. Sollte jemand auf die Idee kommen, eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine zu etablieren, wäre dies zumindest für die EU und Kanada verboten.
Aus unserer Sicht sind die Themen Daseinsvorsorge, Entscheidungsfreiheit der Parlamente und Sonderrechte zur Sicherung von entgangenen Profiten extrem problematisch. Eine sozialdemokratische Partei kann gerade angesichts der instabilen Lage der EU nicht einem Abkommen zustimmen, das das Primat der Politik weiter zugunsten von Markt- und Profitinteressen zurückdrängt. Dieser Vertrag stärkt die Position großer internationaler Unternehmen nicht nur durch das Instrument der Schiedsgerichte, sondern gewährt ihnen über die regulatorische Zusammenarbeit weitere Möglichkeiten Gesetze zu beeinflussen, das Vorsorgeprinzip, eine ganz wichtige Errungenschaft der EU, steht auf der Kippe und bisher geschützte Bereiche der Daseinsvorsorge werden privaten Investoren geöffnet.
Jürgen Schmid
Mitglied im SPD Kreisvorstand Stuttgart
Mitglied im Regionalvorstand Region Stuttgart
Anhang 2: „CETA ist das Messer an der Kehle der Sozialdemokratie“ vom SPD-Mitglied Hans-Georg Tillmann
CETA ist das Messer an der Kehle der Sozialdemokratie.
Sind wir Sozis wirklich so dämlich, den finalen Schnitt selbst zu besorgen?
Wie wollt Ihr überhaupt noch Politik zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit machen, wenn über Allem das Damoklesschwert der Milliardenklagen der Investoren und Spekulanten schwebt?
Warum akzeptiert Ihr die verfassungswidrige (GG: „ALLE Staatsgewalt geht vom Volke aus.”)?
Beschränkung des Rechts zur Gesetzgebung auf nur noch 7 Bereiche, zu denen weder die Steuer, noch die Kultur noch die Wissenschaft noch die Arbeitnehmerrechte noch eine Vielzahl anderer elementarer Bereiche staatlicher Gewalt gehören?
Warum seid ihr bereit zu akzeptieren, dass dieser zurechtgestutzte, demokratische Zwerg nicht einmal in den verbleibenden 7 Reservaten das Sagen hat, sondern nur für “legitime politische Ziele”, die definiert werden von fürchterlichen “Richtern“?
Warum seid Ihr bereit, Euch dem Diktat von “Richtern” zu unterwerfen, die das zwingende Gebot der Unabhängigkeit mit Füßen treten und nach demselben Prinzip funktionieren wie Prostituierte: Je mehr Kundschaft kommt, desto höher ist ihr Verdienst (Grundgehalt 2.000,– € pro Monat – für jeden weiteren Sitzungstag ca. 3.000,– €, also 60.000,– € pro Monat)?
Merkt Ihr denn nicht, dass diese “Richter”, die Staaten und ihre Bürger so oft wie möglich zu möglichst hohen Milliardenzahlungen verurteilen müssen, damit sie immer gut zu tun haben und 60.000,– € pro Monat verdienen, statt der mickrigen 2.000,– € falls sie die Klagen abweisen und keiner mehr kommt?
Merkt Ihr denn nicht, dass diese “Richter” aus demselben Lager kommen (Erfahrung im Internationalen Handelsrecht), wie die Investoren und Spekulanten?
Merkt Ihr denn nicht, dass diese “Richter” später wieder in dieses Lager zurückgehen werden, da sie nicht auf Lebenszeit ernannt werden, sondern nur für 6 Jahre mit einer weiteren Verlängerungsmöglichkeit um 6 Jahre und sie anschließend wieder einen Job für 60.000,– € p.m. suchen müssen?
Gibt es denn im staatlichen Bereich entsprechende Stellen für 60.000,– € im Monat oder streben die wohl an, wieder im Lager der “Investoren” und Spekulanten zu landen?
Merkt Ihr denn nicht, dass diese “Richter” auch deswegen die Interessen dieses Lagers, ihrer zukünftigen Arbeitgeber, besonders wohlwollend in ihren Entscheidungen berücksichtigen werden?
Kann mir irgendeiner von Euch 3 Sozialdemokraten mal erklären, was das noch mit richterlicher Unabhängigkeit zu tun hat?
Stefan (Weil) kannst Du als ehemaliger Rechtsanwalt und Richter mir oder den Bürgern darauf eine Antwort geben?
Ich habe Dich vorletzten Freitag in Neustadt gefragt, was Du von CETA hältst.
Ich habe nicht einmal mehr in Erinnerung, was Du genau geantwortet hast, weil sofort Deine Empörung darüber deutlich wurde, dass man überhaupt eine kritische Einstellung zu CETA haben könne. Wie kannst Du als ausgebildeter Volljurist mit entsprechender Berufserfahrung als Rechtsanwalt und Richter diese Zerstörung des wichtigsten Grundsatzes der Rechtsprechung akzeptieren?
Na los, sag es mir und den Bürgern!
Es ist allerdings noch viel schlimmer!
Wenn diese sich prostituierenden “Richter” noch eingebunden wären in ein exakt ausformuliertes, komplexes Rechtssystem, wie es sich jeder Staat im Verlaufe von Jahrhunderten in harten gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen geschaffen hat, wären sie noch deutlichen Bindungen durch diese Gesetze unterworfen.
Deutschland und alle anderen Staaten haben sich zahlreiche umfangreiche Gesetze gegeben, um das festzulegen, was sie als “gerecht” empfinden.
Diese Gesetze und deren Kommentierung füllen Hunderte von Metern in den juristischen Bibliotheken dieser Staaten.
Das ist unsere demokratische Rechtsordnung.
Das alles ist in Zukunft nur noch unbedeutende Makulatur, wenn es um “Investoren” und Spekulanten geht.
Sie bringen nämlich nicht nur ihre eigenen Richter mit, sondern auch ihre eigene “Rechtsordnung”, die aus einem einzigen Satz besteht und zukünftig über unserer gesamten Rechtsordnung steht:
Werden Investoren und Spekulanten nicht fair und gerecht behandelt, müssen die Staaten und ihre Bürger Schadensersatz in Milliardenhöhe zahlen.
Dieser gewaltigste Gummiparagraph der Rechtsgeschichte steht in Zukunft über unserer gesamten, demokratischen Rechtsordnung und beherrscht sie.
Und weil es ein gewaltiger Gummiparagraph ist und kein exakt ausformuliertes, komplexes Rechtssystem können diese “Richter” in Zukunft alles, was die Profite oder sogar nur Gewinnaussichten der “Investoren” und Spekulanten schmälert, mit Milliardenforderungen bestrafen.
Das ist das Ende des demokratischen Rechtsstaats.
Das ist das Ende jeder Hoffnung auf Herstellung von sozialer Gerechtigkeit.
Das ist das Ende der Sozialdemokratie.
Nun habt Ihr also eine VORLAGE FÜR DEN PARTEI KONVENT erarbeitet.
Welch ein Eiertanz!
Der Leser fragt sich ständig, sind die Sozis nun eigentlich für CETA oder dagegen, oder mal wieder in altberüchtigter Manier ganz entschieden dafür und dagegen?
Dieses ganze bedenkenschwangere mit dem Kopf wackeln, um am Ende doch zuzustimmen dient auf 8 Seiten wohl nur dem Zweck, zu kaschieren, dass in den Zeilen 252 ff CETA vor allen Abstimmungen der nationalen Parlamente schon mal durch die Hintertür in Kraft gesetzt werden soll durch die vorläufige Anwendung.
Was soll dann noch das Geschwätz in den nationalen Parlamenten, die zu Quasselbuden degradiert werden?
Was soll das Geschwätz über weitere Prüfungen und Verhandlungen, wenn der Vertrag schon angewendet wird?
So langsam scheint es allerdings auch in Eure Gehirne zu kriechen, dass der Investoren- und Spekulantenschutz wohl gefährlich sein könnte.
Aber wie hilflos operiert Ihr angesichts dieser tödlichen Gefahr für die Demokratie und die soziale Gerechtigkeit.
Wie niedlich klingt das, wenn durch “Klarstellungen” die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung “sicherzustellen” ist, wenn das ganze System in den Papierkorb gehört wegen offensichtlicher Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit.
Wie kindlich naiv ist die Forderung, die Gefahr des historisch einmalig weiten Gummiparagraphen von der “gerechten und fairen Behandlung” der Investoren und Spekulanten durch “klare Definitionen” einzuschränken und “unseriöse Forderungen aus(zu)schließen”.
Wenn Ihr tatsächlich diese fürchterlichen “Richter” bei der Ausfüllung des Begriffs “Gerechtigkeit” an die Kandarre legen wollt, dann müsst Ihr nur die vielen Hundert Meter Texte und Kommentierungen aus unsren juristischen Bibliotheken in den Vertragstext aufnehmen.
Dann habt Ihr halbwegs “klare Definitionen” für das Umweltrecht, das Steuerrecht, das Arbeitsrecht, das Wettbewerbsrecht usw, usw…….
Und oben drüber schreibt Ihr dann noch die Verfassungen aller EU-Mitgliedsstaaten mit ihren verschiedenen Ausprägungen der Grundrechte, die die vorgenannten Gesetze noch beherrschen.
Aber alles das, die gesamten Rechtsordnungen aller Staaten der EU fegt ihr vom Tisch und verurteilt sie zur Bedeutungslosigkeit, wenn es um Investoren und Spekulanten und deren auf ewig geschützte Gewinne geht.
FÜRCHTERLICH !
Ist Euch eigentlich schon aufgefallen, dass diese Schadensersatzansprüche in Milliardenhöhe auch nach einer (praktisch fast unmöglichen) Kündigung des Vertrages weitere 20 Jahre entstehen können?
Mehr noch: Offenbar haben alle Parteien und Politiker “vergessen” eine Verjährungsfrist festzulegen, Das heißt: Ansprüche aus dem Jahr 2016 können auch noch im Jahr 2066 oder 2106 eingeklagt werden oder noch später.
Das ewige Damoklesschwert der Investoren und Spekulanten über Deutschland und Europa. Warum Sigmar, Martin und Bernd wollt Ihr das?
Seid Ihr zu beschränkt (2 Lehrer und 1 Buchhändler) um die Dimension Eures Handelns zu verstehen?
Oder wollt Ihr auch “den Barroso machen” (Bezug eines Präsidentengehalts bei Goldman Sachs)?
Warum also wollt Ihr das Messer an der Kehle der Sozialdemokratie selbst betätigen?
Verdammt nochmal! Ich weiß, dass in Euch, Sigmar und Martin, ein alter Sozialdemokratischer Kern steckt.
Warum wollt Ihr den verraten?
Lässt Du, Martin; Dir von dem scheinheiligen Jean-Claude Juncker, die Ohren vollsäuseln?
Einem Mann, der nach Meinung vieler Bürger in der EU eher in den Knast gehört als an die Spitze der EU, weil er seinen europäischen Nachbarländern Steuerverluste in Höhe von vielen Milliarden € zugefügt hat.
Ködert er Dich vielleicht mit einer verlängerten Amtszeit als EU-Parlamenstpräsident?
Lässt Du, Sigmar, Dich wie ein Tanzbär von Angela Merkel an der Nase herumführen?
Der Ossikanzlerin, die das Ende der Diktatur des Kommunismus ohne eigenes Zutun erleben durfte, um nunmehr Deutschland und Europa der Diktatur des Kapitalismus zu unterwerfen.
Was also treibt Euch zu Eurem fürchterlichen Tun?
Nur über eines macht Euch bitte alle drei keine Illusionen: Das Blut, das an Euren Händen kleben wird, könnt Ihr auch nicht durch einen Beschluss des Parteikonvents abwaschen.
Vor einiger Zeit hatte ich im UB-Vorstand eine Diskussion mit Matthais Miersch, weil ich vorgeschlagen hatte, zur Teilnahme an der Anti-TTip-Demonstration in Hannover während des Obamabesuchs aufzurufen. Matthias war dagegen.
Es meldete sich ein anderes Vorstandsmitglied zu Wort und sagte: “Ich weiß gar nicht, was die Diskussion soll. Über TTIP oder CETA entscheidet ein Konvent und ich bin Delegierter.
Wenn der Parteivorsitzende sagt: “Stimmt dafür!” dann stimme ich dafür, und wenn er sagt: “Stimmt dagegen!”, dann stimme ich dagegen.”
So funktioniert ein Parteikonvent. Es bleibt bei der Verantwortung von Euch Dreien.
Wenn CETA kommt, müsst Ihr gehen – oder die SPD geht – weiter in die Bedeutungslosigkeit.
Und der Kampf gegen CETA geht auch nach dem Parteikonvent weiter, da der Kampf für soziale Gerechtigkeit ein ewiger ist.
Der Witz an der Sache ist, dass angesichts der zunehmenden globalen, sozialen Ungerechtigkeit und der ökologischen Probleme, dringend ein neues Zeitalter der globalen, sozialen und ökologischen Erneuerung notwendig ist.
Ein Sozialdemokratisches Zeitalter!
Eigentlich!
Es gibt allerdings gegenwärtig nur 2 prominente “Sozialdemokraten”, die den Bürgern Hoffnung machen: Bernie Sanders in den USA und Jeremy Corbyn in Großbritannien.
Der Rest benimmt sich in seinem neoliberalen Habitus wie eine schlechte Kopie der wirtschaftshörigen Konservativen und wundert sich, dass ihnen die Wähler davon laufen.
Verdammt nochmal: Erwacht endlich aus Eurer neoliberalen Hypnose und lasst uns das neue Zeitalter der globalen, sozialen und ökologischen Erneuerung einläuten.
Das Sozialdemokratische Zeitalter!
Mit solidarischen Grüßen
Hans-Georg Tillmann
Rechtsanwalt
Vorstandsmitglied SPD UB Hannover
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=35011