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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Sind der Westen und Russland in gleicher Weise schuld an der neuen Konfrontation und an einem möglichen Krieg in Europa? Ein Nachtrag zu Restle von Monitor.
Datum: 9. September 2016 um 16:45 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Friedenspolitik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Mein Beitrag über die „Friedensrede“ des Monitor-Chefs hat viele Reaktionen ausgelöst: Mails an die NachDenkSeiten und eine Botschaft von Monitor-Moderator Georg Restle an mich auf der Facebook-Seite von Monitor. In diesem Disput wird sichtbar, dass selbst Zeitgenossen, die wie Georg Restle für den Frieden eintreten, daran glauben, dass Russland (mindestens) genauso schuld sei am neu ausgebrochenen West-Ost-Konflikt wie die NATO und die USA.. Meines Erachtens ist das eine gefährliche Fehleinschätzung; die ungerechte Schuldzuweisung verharmlost das Treiben der USA und wird voraussichtlich zu einer Verhärtung auf russischer Seite führen. Das ist absehbar und könnte tödlich enden. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Auch deshalb komme ich auf das Thema und auf den Disput in diesem Nachtrag noch einmal zu sprechen.
Der Moderator von Monitor spricht in seiner Entgegnung auf den NachDenkSeiten-Beitrag von „expansiver Politik des russischen Präsidenten“. Auch mit dieser Formulierung hebt Georg Restle die Politik Russlands auf die gleiche Ebene wie jene der USA. Er unterstellt die gleichen imperialistischen Ziele.
Wir dokumentieren im Anhang B die an die NachDenkSeiten gerichteten Mails. Sie urteilen ziemlich verschieden, sind zugleich interessant. Deshalb werden nahezu alle wiedergegeben. Wer Zeit und Lust hat, möge sie lesen.
In vielen Mails wird an die Disputanten appelliert, wir – die NachDenkSeiten und Monitor – sollten doch am gleichen Strang ziehen. Bei vielen Themen geht das. Beim Thema Russland und dem neuen West-Ost-Konflikt wie überraschenderweise auch bei einigen anderen Themen ist das schwierig. Ich will das zusammenfassend vorweg beschreiben und begründen:
Im Anhang A sind einige wenige Dokumente und Texte angehängt und kommentiert, die das einschlägige Wirken des Monitor-Moderators Restle auch vor der Rede in Aachen zeigen.
So viel zur Einführung und jetzt im Einzelnen:
Ich wiederhole dem Sinne nach, was im Vorläufer-Artikel schon stand: Der Monitorchef hat in seiner Laudatio für den Aachener Friedenspreis engagiert für den Frieden gesprochen. Er hat nicht die falsche Parole verbreitet, wir im Westen seien die Guten. Das ist positiv zu bewerten und verdient Respekt und Anerkennung.
Er hat dann mit dem von mir zitierten Satz zu Putin gegen Ende seiner Rede signalisiert, die andere Seite sei genauso schlimm. Das Etikett für Putin lautete: „aggressiv-expansiver Machtmensch“.
Dieser Angriff wurde anders als bei den Klagen über die Kriege des Westens an einer Person festgemacht, an Putin. Wir wissen, wie stark Personalisierung wirkt. Das Böse wird an einer konkreten Person festgemacht und nicht allgemein an der NATO, am Westen, an den USA und so weiter.
Bei dieser Art von Gedankenführung und Argumentation bleibt hängen: Beide sind schuld an der neuen Konfrontation zwischen West und Ost, an Krieg und an der Gewalt in der Welt.
Restle schreibt in seiner Entgegnung auf Facebook denn auch, in seiner Rede sei es um eine „radikal gedachte Idee vom Frieden“ gegangen, „die immer weltoffen, immer universell ist – und die eben keinen Unterschied macht, ganz egal ob die Kriegsherren aus Washington, Berlin, Ankara oder Moskau kommen“. Restle wirft mir vor, diesen Satz nicht zitiert zu haben. In der Tat hätte ich diesen Satz zitieren sollen, weil man daran sehr schön sichtbar machen kann, in welcher wunderbaren Welt der Äquidistanz der Monitor Moderator lebt. Die Realität sieht aber ganz anders aus.
Solche schönen Sprüche werden der harten Realität der Interventionskriege und der Politik der Destabilisierung ganzer Staaten und ihrer Zerstörung nicht gerecht. Auch der wirkliche Ablauf der Geschichte in Europa, die Geschichte der Beendigung des Ost-West-Konflikts und der Wiederbelebung dieses gefährlichen Konflikts wird in der Welt des Georg Restle in den Hintergrund gedrängt und vergessen gemacht:
Nach dem Fall der Mauer 1989 und dem Ende der Ost-West-Konfrontation waren sich die Verantwortlichen einig,
Die USA schwenkten dann schon in den 1990er Jahren um. Die NATO wurde ausgeweitet – bis an die Grenzen Russlands. Die imperiale Neigung der USA war deutlich zu spüren und zu erfahren.
Dazu gibt es Äußerungen von amerikanischen Strategen und angeblich großen Denkern wie Brzezinski und Dokumente. Zum Beispiel hat Willy Wimmer, der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium (CDU) davon berichtet, dass Helmut Kohl als amtierender Bundeskanzler anfangs der 1990er beunruhigt war über die Absichten der USA. Wimmer hat zudem nach einer Konferenz des US-State Departments und des American Enterprise Instituts in Bratislava am 2. Mai 2000 einen alarmierenden Brief zur vorgesehenen Konfrontationslinie an der Grenze Russlands an den damals amtierenden Bundeskanzler Schröder geschickt. (Siehe Anhang C.) Sein Bericht endet so:
„Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewusst und gewollt die als Ergebnis von 2 Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der Zweite Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur totalitär genannt werden.“
Die NATO hat ohne Rücksicht auf die Interessen Russlands im ehemaligen Jugoslawien einen völkerrechtswidrigen Krieg geführt. Dieser war mit Menschenrechtsverletzungen begründet worden, tatsächlich war es ein machtpolitischer, imperialer Vorstoß. Sein Nebenzweck war die Gewöhnung der Bundeswehr an die militärische Intervention außerhalb des NATO-Bereichs. Und übrigens damit auch der Bruch des Rechts in Deutschland – die Bundeswehr sollte eigentlich der Verteidigung unseres Landes dienen. Mit den Bomben auf Belgrad wurde Deutschland nicht verteidigt.
Die USA haben einen Raketenabwehrschild in Polen und Rumänien zu bauen begonnen und teilweise fertiggestellt, begründet mit der lächerlichen Behauptung, dieser sei als Abwehr gegen atomar bestückte Raketen des Iran gedacht.
Jetzt werden sogar mit deutscher Beteiligung Manöver in den baltischen Staaten und unmittelbar an der Grenze zu Russland abgehalten.
Der Westen und auch die NATO und die Europäische Union sind in der Ukraine zum Systemwechsel angetreten. 5 Milliarden US-$ haben die USA dort zur Pflege von Lobby und öffentlicher Meinung investiert, um auf diese Weise einen gewählten, russlandfreundlichen Präsidenten loszuwerden.
Überall war und ist spürbar, dass es um große Interessen, um Rohstoffe und wirtschaftlichen Einfluss geht.
Überall ist spürbar, dass es den USA darum geht, ihre Position als alleinige Weltmacht zu festigen.
Allzu oft ist spürbar, dass die Rüstungswirtschaft Kriege braucht und dass sie unter Politikern und Politikerinnen und auch unter Journalisten willige Helfer findet.
Zur Geschichte gehört auch, dass Russland versucht hat, die aufständischen Bewegungen wie etwa in Tschetschenien niederzuschlagen und dort wie auch in Georgien militärisch intervenierte. Die Intervention in Tschetschenien – zum Beispiel -kann man als Ausdruck imperialer Absichten interpretieren, man kann es auch als Versuch der Stabilisierung und des Zusammenhaltens einer sehr unterschiedlich bevölkerten Föderation sehen. In jedem Fall war es auch von russischer Seite militärische Gewalt und ist deshalb zu verurteilen.
Aber diese Vorgänge und Interventionen Russlands wie auch die Annexion der Krim auf die gleiche Ebene zu heben wie die imperialen Kriege der USA, wie z.B. die mit einer großen Lüge begründete Intervention im Irak, die Intervention in Libyen, die De-Stabilisierung Syriens, die Ausdehnung der NATO, der Drohnenkrieg und der Raketenschirm in Polen und Rumänien – dies auf die Ebene der Interventionen Russlands zu heben, ist schon die hohe Kunst der Irreführung.
Wie es auch sei, mit Georg Restle von Monitor kann ich mich sofort darauf verständigen, dass Putin – wie er in Aachen sagte – kein Friedensfürst ist. Aber die Feststellung, dass Putin kein Friedensfürst ist, ist keine Rechtfertigung für die Streichung des Versuchs, in Europa eine Zone gemeinsamer Sicherheit zu schaffen und mit Russland so zusammenzuarbeiten wie das 1990 verabredet worden war.
Wer in Putin den Gewalttäter und Imperialisten sieht, verzerrt den Ablauf der Geschichte seit 1990.
Putin, der Böse! Das ist ein Musterbeispiel dafür, dass die totale Manipulation heute möglich ist.
Bei dieser Ausgangslage ist es dann, wenn man ausreichend Medienschaffende zur Verfügung hat, die in das gleiche Horn blasen, möglich, aus einer Person wie Putin das Böse an sich zu machen. Das ist fantastisch gelungen.
Wenn Sie sich mit Leuten über Russland unterhalten und differenziert zu argumentieren versuchen, dann schallt es Ihnen an jeder zweiten Ecke entgegen: ‚Aber der Putin!‘. – Es wäre interessant zu erfahren, welche PR Agenturen und für wie viel Geld sie diese große Leistung der Manipulation vollbracht haben.
Sie haben es jedenfalls geschafft, dass in entscheidenden Phasen der jüngeren Entwicklung Entlastendes für Russland und für Putin nicht zur Sprache gebracht wird, auch nicht von Monitor: Nicht das Werben Putins um Freundschaft mit Deutschland und dem Westen bei seiner Rede im Deutschen Bundestag am 25.9.2001 (Wortprotokoll hier und youtube hier, ab Minute drei auf Deutsch) – Nicht beachtet hat man Putins Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz von 2007 . Sie war schon gezeichnet von Enttäuschung über die Vorstellung des Westens von einer monopolaren Welt. – Die Rede des russischen Ministerpräsidenten in München wurde Anfang dieses Jahres von Deutschlands führenden Medien in ihr Gegenteil verkehrt. (Siehe dazu Jens Berger am 15.2.2016 in den NachDenkSeiten „Wie unsere lieben „Qualitätszeitungen“ Medwedews Münchner Rede in ihr Gegenteil verdrehen“)
Jedenfalls ist heute nichts mehr geblieben vom Geist der Versöhnungs- und Entspannungspolitik. Sie war geprägt vom Geist der Verständigung, von aktiver, immer wieder versuchter Vertrauensbildung. Heute wird das Gegenteil gemacht. Heute wird Misstrauen gesät. Der Redaktionsleiter von Monitor beteiligt sich daran. Das ist zu kritisieren, trotz der sonstigen friedenspolitischen Bekenntnisse.
Vom „positiven Wandel durch Annäherung“ zum „negativen Wandel durch Konfrontation“
Die Entspannungs- und Vertragspolitik, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir uns mit den Völkern im Osten und Südosten einschließlich Russlands nach dem zweiten Weltkrieg und nach dem Kalten Krieg vertragen haben, war auf einer strategischen Überlegung gegründet. Das ist bekannt. Die Formel lautete „Wandel durch Annäherung“. Wir im Westen wollten uns mit denen im Osten vertragen und Spannungen abbauen, damit sich dort auch ein innerer Wandel zeigen kann. Diesen inneren Wandel gab es, auch in Russland.
Mit der neuen Konfrontation besteht die Gefahr, dass ganz andere Kräfte die Oberhand gewinnen. Personen, die sich darauf berufen können, dass Sich-mit-dem-Westen-vertragen nichts bringt, dass man aufrüsten muss, dass man mit aller Gewalt das nationale Bewusstsein schärfen muss und sich ideologisch aufrüsten muss. Das ist genau die Entwicklung, die wir fürchten müssen.
Georg Restle betont in seiner Antwort an mich, er habe anders als die meisten Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten längere Zeit in Moskau gelebt.. – Offenbar hat das Leben in Moskau jedoch ihn nicht zu der Einsicht gebracht, dass es schlimmere Alternativen als Putin geben könnte. Man muss deshalb seine Einlassungen als ziemlich blauäugig betrachten. Und eben als gefährlich, weil kurzsichtig. Den Strategen der Entspannungspolitik, Willy Brandt und Egon Bahr und uns allen, die wir in den sechziger und siebziger Jahren für die Friedenspolitik und das Konzept der gemeinsamen Sicherheit in Europa gearbeitet haben, ist diese Blauäugigkeit abgegangen. Das unterscheidet uns heute noch von Strategen des Typs Restle.
P.S.: Beim Pleisweiler Gespräch am 2. Oktober setzen wir die Debatte fort.
Das Thema: Nie wieder Krieg – Wie sähe eine vernünftige Strategie im Umgang mit Russland aus?
Zu Gast ist als Referent und Diskussionspartner Dr. Johannes Posth. Er war noch viel länger in Moskau als Georg Restle und auch lange Zeit in Kiew tätig. Der Moderator von Monitor ist jedenfalls herzlich eingeladen, mit dazu zu kommen. Hier ist die Einladung, die selbstverständlich für Sie alle gilt.
Anlage A:
Georg Restle – der Redaktionsleiter von Monitor – hat persönlich am Feindbild Putin mit gemalt.
Zu einem Beitrag auf Phoenix vom 4.12.2011 gibt es leider nur den Programmtext und nicht mehr die Sendung. Aber schon dieser Programmtext zeigt, dass wir es hier nicht mit einer vorurteilsfreien Berichterstattung zu tun haben.
Hier, die Ankündigung eines Beitrags vom 4.12.2011 bei Phoenix:
„Im Dezember wählen die Russen ein neues Parlament und die Welt schaut gebannt auf das Ergebnis. An der Wahl wird man die Zukunft des Landes ablesen können.
Die ARD-Korrespondenten Ina Ruck und Georg Restle liefern mit ihrer Dokumentation den Zustandsbericht eines Landes, das zwischen Terror im Kaukasus und der Politshow Putins gefangen ist. Parteitag von Russlands stärkster Partei “Einiges Russland”, im September wurde Präsident Dmitri Medwedew (l) von Regierungschef Wladimir Putin zum Spitzenkandidaten für die Duma-Wahl ernannt.“
Das Folgende ist der Text zu einer Sendung von Monitor mit dem Titel:
Von Georg Restle
vom 17.02.2016
Es rumort mal wieder kräftig in deutschen Talkshows und sozialen Medien: Der Putin ist los – und die Halsschlagadern schwellen reflexartig, links und rechts des Mainstreams. Wobei erstaunlich bleibt, dass Anhänger von AfD und Linken sich hier selten einig scheinen: Putin als falschverstandener Friedensfürst in Syrien, der alleine der Aggression des Westens und seiner Verbündeten trotzt, getötete Zivilisten Nebensache.“
Das ist typisch für die Manipulationsmethode, eine Geschichte verkürzt zu erzählen. Das geschieht regelmäßig bei Berichterstattungen und Kommentierungen zum schrecklichen Krieg in Syrien: Die Vorgeschichte, die Intervention der Saudis, der Türkei und der USA und damit das Öl für das Feuer eines Bürgerkrieges und für den Terror wird weggelassen. Die Erzählung der Geschichte beginnt mit der militärischen Intervention Russlands. Das ist typisch für die übliche Debatte um diesen Konflikt.
Es gibt glücklicherweise andere Dokumente wie etwa die Äußerungen des jüngeren Kennedy über die Entstehung jenes Konfliktes. Hier dokumentieren wir den entsprechenden Text.
Und hier noch etwas, an dem sichtbar wird, dass der Redaktionsleiter von Monitor sich in die Querfrontkampagne und die Diffamierung der Friedensbewegung als Veranstaltung von Verschwörungstheoretikern eingebaut hat.
Über die Demonstration mit dem Namen „Friedenswinter“ vom 13.12.2014 spricht er nach, was seine Kollegen von der Frankfurter Rundschau, der Zeit, der TAZ und der Berliner Zeitung, Spiegel Online und Tagesspiegel aufgeschrieben haben. Wir haben auf den NachDenkSeiten damals auf die Redner Eugen Drewermann und Daniela Dahn aufmerksam gemacht und Fotos von der Demonstration gebracht und damit belegt, dass die Vorwürfe, diese Friedensbewegung habe mit Rechten zusammengearbeitet, schlicht erfunden war. Ich habe mich dazu hier geäußert. Einen weiteren Bericht und Plakate der Demonstration vom 13. Dezember finden Sie auf den NachDenkSeiten hier. Georg Restle garniert seine nicht belegten Angriffe mit wunderbaren Worten. Siehe hier:
„Friedenswinter und Verschwörungsphantasien“
Den Bewunderern der Laudatio von Aachen ist anzuraten, den vorigen Link zu öffnen, den Text zu lesen und sich dann auch noch die Rede von Drewermann anzuhören. Siehe hier. Dann werden Sie ein bisschen besser verstehen, warum mich die Geschichte um die Rede Georg Restles in Aachen und auch manche Kommentare so sehr beschäftigen.
Anlage B:
Mails von Leserinnen und Lesern zum Beitrag in den NachDenkSeiten über die Friedensrede von Georg Restle, Monitor
Wir bringen nahezu alle Mails und unzensiert, mit Initialen, wenn nicht ausdrücklich angegeben worden ist, dass wir den Namen nennen dürfen.
Gertrude F.
in Ihrem heutigen Beitrag auf den NDS stellen sie bezüglich der Laudatio beim Aachener Friedenspreis von Herrn Restle folgende Fragen:
„Was würden Sie für die bessere und treffsichere Erklärung halten? Alibi oder Verbreitung und Vertiefung der Aggression und damit ein Beitrag zum Aufbau eines neuen West-Ost-Konfliktes?“
Ich habe daraufhin die Verlinkung zu dieser Rede unter dem Gesichtspunkt Ihrer Fragen genutzt und die Laudatio zweimal gelesen. Ich komme nicht umhin, Ihnen eine gewisse Irritation mitzuteilen.
Es liegt mir fern die Intention mit dieser Laudatio von Herrn Restle zu interpretieren, ich halte mich daher einfach einmal an den Text und versuche zwischen den Zeilen möglicherweise noch einen Subtext zu finden. Für mich ist nicht der Hinweis auf Putin die entscheidende Botschaft, sondern die folgenden Zeilen:
Selten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat Deutschland sich in einem solchen Ausmaß mitschuldig gemacht am Leiden und Sterben von Menschen, die Opfer geworden sind von geopolitischen Planspielen, und auch vom neuen Größenwahn einer deutschen Außenpolitik, die neue Stärke vor allem militärisch definiert.
So etwas habe ich in den öffentlich-rechtlichen Medien selten oder bisher gar nicht gelesen oder gehört. Auch wenn diese Zeilen für kritische NDS-Leser nichts Neues bedeuten, sind sie für einen öffentlich-rechtlichen Journalisten beachtens- und bemerkenswert! Einfach aus dem Grund, weil die Aussage stimmt! Herr Restle erwähnt die aus europäischer Sicht im Moment wichtigsten Krisenherde und weist auf die Zusammenhänge und Verantwortung der bundesdeutschen und der Nato-Politik hin. Darüber hinaus erwähnt er auch noch die klerikal-faschistische Diktatur der Saudis als „zuverlässigen“ Partner des Westens und der Nato. Insgesamt tadelt oder verurteilt er auf über 2500 Worten den aufkommenden rechten Nationalismus und die wachsende Aufrüstung und appelliert an den Widerstand aus den Reihen der Zivilbevölkerung.
Wenn ich mich nicht verzählt habe, gebraucht er 33 Worte, um davor zu warnen, den „Friedensfürsten“ Putin „auf dem Leim zu gehen“. (Wir sollten versuchen, niemanden auf dem Lein zu gehen) Das ist gemessen an der Menge des übrigen Textes doch viel zu wenig, um daraus die vermeintliche Botschaft „Wir müssen uns vor Putin schützen“ oder so ähnlich zu entnehmen. Aus meiner Sicht sind die Zeilen über Putin ein Bruch der inneren Logik dieses Textes und scheinen mir tatsächlich nachträglich eingeschoben zu sein. Ob die Zeilen über Putin die Meinung von Herrn Reste sind oder eine freiwillige Selbstzensur oder irgendein Vorgesetzter aus dem Bereich der ARD dies veranlasst hat, will ich nicht spekulieren. Für möglich halte ich durchaus alles.
Ich würde meine Meinung dazu noch einmal überdenken, wenn Herr Restle bei der Aufzählung der Krisenherde auch die Ukraine mit einbezogen hätte, was er aber nicht getan hat. Insofern gibt die aus meiner Sicht aggressive Formulierung gegenüber Putin in diesem Gesamttext zusätzlich wenig Sinn und wirkt etwas fehl am Platz. (Vielleicht ist es die mögliche Angst vor der Reaktion auf seinen Text, unbedingt auch etwas kritisches über Putin anzubringen? Wir sind es ja leider gewohnt und darauf gedrillt, immer alles möglich ausgewogen und nicht einseitig zu sehen.)
Ich sehe bei aller Mühe keine beabsichtigte „innere Mobilmachung“ gegen Russland in der Laudatio. Ganz im Gegenteil! Ich halte diesen Text für beachtenswert und im positiven Sinn für zitierfähig. Wir sollten uns daran gewöhnen, dass wir aus dem öffentlichen-rechtlichen Bereich der Medien zwischen den Zeilen zu lesen lernen und dass z.B. die Laudatio von Restle vielen Menschen auch schon viel zu weit geht. Dazu hier ein Kommentar (bisher der einzige!) von der WDR-Seite zu dieser Laudatio:
Neuester Kommentar von “Ansgar”, heute, 09:52 Uhr:
Harter Toback. Soll ein Journalist im Nebenberuf Agitator sein? Vielleicht schon, aber dann gehört das nicht aufs Blog eines Öffentlich-Rechtlichen Senders.
Solange Herr Restle solche Reden schreibt, hat er aus meiner Sicht eher (kritische) Unterstützung und Respekt als verbale Haue verdient. Ich glaube, dass kritische Journalisten mit guten Texten die Unterstützung der Öffentlichkeit benötigen, damit sie nicht in totaler Selbstzensur verfallen.
Mit den besten Wünschen und Grüßen
Claus Hübner
P.S.: Wenn Sie es wollen, kann meine Email mit Namensnennung gerne veröffentlicht werden.
ich habe die Rede von G. Restle nur gelesen. Man kann an der Beschreibung, dass Putin ein aggressiv-expansiver Machtmensch sei, Anstoß nehmen. Fragt sich nur, warum? Ein Friedensfürst ist er sicher nicht. Ein schon lange hier lebender Freund aus Syrien, berichtete mir vor einigen Tagen, dass die russische Armee im Verbund mit der syrischen Armee, Fassbomben und Napalm in Syrien eingesetzt habe. Ob das verifizierbar ist, weiß ich nicht. Aber, dass die russische Luftwaffe in Syrien dazu beiträgt, die Stadt Aleppo in Schutt und Asche zu Bomben, kann bei aller kritischen Vorsicht gegenüber der Medienberichterstattung, als gesichert gelten. Die Kriegsführung der russischen Armee unter der politischen Führung Putins im Tschetschenien-Krieg, und der “Einfluß” russischer Kombattanten in den militärischen Gefechten in der Ost-Ukraine (soweit wir darüber tatsächlich aufgeklärt werden), lassen ebenfalls keinen Willen der russischen Regierung zur Deeskalation erkennen. Wenn ich mich an der Formulierung, dass Putin ein aggressiv-expansiver Machtmensch sei, stoße, dann will ich eine Diskussion über sein politisches Gebaren vermeiden. Das ist angesichts des Krieges in Syrien und dem bewaffneten Konflikt in der Ost-Ukraine, aber nicht opportun. Wenn die amerikanische Kriegsführung – und die der beteiligten europäischen Armeen – zu Recht kritisiert wird, dann muß der angewandte Maßstab daran auch für die russische Kriegsführung gelten. G. Restle hat m.E. eine gute Laudatio gehalten und ist seinem journalistischen Anspruch treu geblieben. Ob seine Äußerung über Putin der Versuch einer Manipulation ist, wage ich zu bezweifeln. Ob die Gespräche auf dem G-20-Gipfel zwischen Putin und Obama zur Lösung der genannten Kriege beiträgt, bleibt eine offene Frage.
Herzlichen Gruß
Ansgar L.
da Sie in Ihrem Kommentar zur Friedensrede des Herrn Restle zu Leserreaktionen aufrufen, möchte ich Ihnen gerne meine Eindrücke von dieser Rede mitteilen.
Die Ausführungen von Herrn Restle haben mich äußerst beeindruckt, und ich fragte mich bei der Lektüre mehrfach, warum die von ihm formulierten Feststellungen noch nicht einmal in Ansätzen in der medialen Berichterstattung angesprochen werden.
Die Bevölkerung hätte eigentlich das Recht, diese Zusammenhänge häufig und klar erklärt zu bekommen.
Die Anmerkung in der Rede gegen Ende, wo sich der Redner auf Putin bezieht, fällt in der rhetorischen Gestaltung in der Tat etwas aus dem Konzept der sonstigen Aussagen heraus.
Der Redner vermeidet weitgehend personalisierende Schuldzuweisungen, spricht lieber von der NATO, der Bundesregierung oder der türkischen Regierung statt konkret Verantwortliche zu kritisieren. Dann plötzlich der Name Putin ist auffallend.
Die Motive für diese Formulierung lassen sich, denke ich nur schwer erahnen. Vor allem möchte ich dem Redner nicht unterstellen wollen, dass dies seine Hauptbotschaft ist.
Wenn ich überhaupt spekulieren wollte, würde ich eher vermuten, dass er sich nach all seiner Kritik an der westlichen Politik und speziell der Politik der Bundesregierung nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen will, einseitige Schuldzuweisungen vorzunehmen und auf dem russischen Auge blind zu sein. Die Art der Formulierung ist dann vielleicht den sprachlichen Gepflogenheiten der letzten Monate geschuldet.
Keinesfalls sollte deshalb aber m.E. der Wert der Rede insgesamt in Zweifel gezogen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred C.
auf Ihre Frage nach meinem Eindruck möchte ich antworten:
Günter Gaus hat bereits in den späten 70-er Jahren das Bild vom Grüßen des Gesslerhutes geprägt, also dass Politiker glauben, betonen zu müssen, auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu stehen, bevor sie etwas freieres sagen können.
Die Frage “Wie hältst du es mit Putin?” ist spätestens seit Herbst 2014 zu der Gretchenfrage der dt. Außenpolitik geworden. Damals rückte der scheidende langjährige Chefredakteur Robert Leicht den Bundesaußenminister a.D. Genscher öffentlich in die Nähe altersbedigter Unzurechnungsfähigkeit, als dieser sich für Geduld und ein gewisses Verständnis für die Politik Russlands aussprach [Zeit online, 22.09.2014]. Eine ungeheure Anmaßung.
Leider war ich bei der Rede im Aachener Rathaus nicht dabei. Aus der Ferne und nach Durchlesen der Rede:
Georg Restle ist weder ein Kind, noch ein Narr, noch alt noch journalistisch unabhängig. Seine Rede enthält sehr, sehr viel Gutes, und er hat den hier mit Recht aufgegriffenen Holzbalken wohl mit Absicht ausgelegt, quasi als Gruß des Gesslerhutes oder als Versicherung.
MfG, Bernd W.
nachdem ich die Erwiderung von Georg Restle auf Facebook gelesen habe, habe ich auch seine vollständige Laudatio gelesen. Diese veranlasst mich dann doch, mich ebenfalls zu äußern:
Georg Restle hat in seiner Laudatio das viele Unrecht auf unsere Mutter Erde und die zahlreichen Kriegsbestrebungen beim Namen genannt. Dabei hat er niemanden geschont und auch die Täter beim Namen genannt. Den einen, zitierten Satz zu Putin die “hohe Kunst der Manipulation” zu bezeichnen, halte ich für sehr überheblich und unsachlich. Ich denke, dass Ihr hier übers Ziel hinausgeschossen seid. Georg Restle hat seine Erwiderung schon auf Facebook geäußert. Ich hoffe und wünsche, dass sich daraus keine gegenseitigen Vorwürfe der Meinungs-Manipulation entwickeln, sondern eine fruchtbare, engagierte und sachliche Auseinandersetzung, was jeder von uns – gleich in welcher Weise – zur Friedensgestaltung beitragen kann. Und wirklich etwas beitragen können wir nur vor der eigenen Haustüre.
Aus Georg Restles Laudatio möchte ich einen Satz hervorheben, der es mir wesentlich mehr wert ist, sich darüber öffentlich Gedanken zu machen und um Lösungen zu ringen: “Diese Republik braucht eigentlich eine starke Friedensbewegung.” Mit Georg Restle (Monitor) und den Nachdenkseiten und ihren Lesern begegnen sich Menschen, die politisch im selben Boot sitzen. Lasst uns deshalb den Aufruf der Nachdenkseiten nicht zu gegenseitigen Manipulations-Vorwürfen nutzen, sondern dazu, unser Boot schneller, zielsicherer und erfolgreicher als bisher mit gemeinsamer Kraft in Richtung Frieden zu steuern!
Mit freundlichem Gruß
Gerhard Hallstein
Sehr geehrter Herr Müller,
ich finde es gut, dass Sie darauf aufmerksam machen, dass eine Rede ein Trojanisches Pferd sein kann. In der Tat ist die kritische Stelle etwas merkwürdig und somit ein Beispiel für ein mögliches (!) Trojanisches Pferd. Warum ist Putin der einzige “böse” Politiker, der mit Namen genannt wird? Aber:
(Es folgen ein paar spontane Überlegungen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Ordnung haben. Sie sind vielleicht auch nicht bis ins letzte Detail durchdacht. Wenn, dann nur anonym zitieren!)
1.) Halten Sie Putin für einen “neuen Friedensfürsten”? Ist Putin kein “Machtmensch”? Halten Sie Putin für “nicht aggressiv”? Ich bin jetzt in der Weltpolitik nicht so bewandert wie Sie, aber einen lupenreinen Pazifisten oder einen zweiten Mahatma Gandhi erkenne ich in Putin nicht — genauso wenig wie in Obama, Merkel, Hollande…
Ihrem Text zufolge haben weder Sie noch Ihre Freundin Anstoß an der Formulierung “Kriegsherren aus Washington, Berlin, Ankara oder Moskau” genommen. Mit “Kriegsherr aus Moskau” kann ja nur Putin gemeint sein. Ist ein Kriegsherr nicht automatisch “aggressiv”, selbst wenn er sich/sein Land “nur” verteidigt?
Im Fremdwörterduden heißt es unter “Aggression”: “1. rechtswidriger Angriff auf ein fremdes Staatsgebiet, Angriffskrieg. 2. [affektbedingtes] Angriffsverhalten, feindselige Haltung eines Menschen oder eines Tieres als Reaktion auf eine wirkliche oder vermeintliche Minderung der Macht mit dem Ziel, die eigene Macht zu steigern oder die Macht des Gegners zu mindern”. Unter “aggressiv” heißt es: “1. angriffslustig, herausfordernd, 2. rücksichtslos, 3. [Materialien] angreifend”.
Aber ich fürchte, das läuft auf eine Wortklauberei hinaus, die uns nicht weiterbringt. Auch das Wörtchen “expansiv” ließe sich erörtern.
Ich würde Georg Restles Formulierung nicht als “aggressiv” bezeichnen.
2.) Man kann in jeder Suppe ein Haar suchen wollen und dann “Hurra!” schreien, wenn man ein Staubkorn gefunden hat.
3.) Man muss nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.
4.) Es ist Spekulation und damit einigermaßen müßig zu überlegen, welches die “bessere und treffsichere Erklärung” ist. Fragen Sie doch den Redner: Inwiefern hält er Putin für aggressiv und expansiv? Wer will Putin zu einem “neuen Friedenfürsten” machen? Wie findet der Redner die NATO-Osterweiterung(spolitik)? Hält er diese nicht auch für aggressiv und expansiv?
5.) Wie diese einzelne fragwürdige/missverständliche/uneindeutige Formulierung eine Aggression vertiefen und zum Aufbau des Ost-West-Konflikts beitragen kann, kann ich nicht erkennen, wenn man in Betracht zieht, dass die Kritik des Redners am Militarismus überwiegt. Wenn es sich um ein Trojanisches Pferd handeln sollte, ist es ein schlechtes, das sich selbst ins Knie schießt.
…
Mit freundlichem Gruß
A. R.
Anhang C:
Willy Wimmer, Mitglied des Bundestages,
Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Niederrhein,
Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE
Herrn Gerhard Schröder, MdB,
Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland,
Bundeskanzleramt, Schlossplatz 1, 10178 Berlin
Berlin, den 02.05.00
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
am vergangenen Wochenende hatte ich in der slowakischen Hauptstadt Bratislava Gelegenheit, an einer gemeinsam vom US-Außenministerium und American Enterprise Institute (außenpolitisches Institut der republikanischen Partei) veranstalteten Konferenz mit den Schwerpunktthemen Balkan und NATO-Erweiterung teilzunehmen.
Die Veranstaltung war sehr hochrangig besetzt, was sich schon aus der Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten sowie Außen- und Verteidigungsminister aus der Region ergab. Von den zahlreichen wichtigen Punkten, die im Rahmen der vorgenannten Themenstellung behandelt werden konnten, verdienen es einige, besonders wiedergegeben zu werden:
Nach dieser sehr freimütig verlaufenen Veranstaltung kommt man in Anbetracht der Teilnehmer und der Veranstalter nicht umhin, eine Bewertung der Aussagen auf dieser Konferenz vorzunehmen.
Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewusst und gewollt die als Ergebnis von 2 Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der Zweite Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur totalitär genannt werden.
Mit freundlichen Grüßen
W. Wimmer
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