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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 6. Oktober 2008 um 10:24 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
(KR/WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Jetzt hilft nur noch der massive Eingriff des Staates, denn die Kernschmelze des Systems muss verhindert werden. Das musste gestern auch die Bundesregierung einsehen, die sich bis zuletzt standhaft geweigert hatte, auf den Staat als alleinigen Retter zu setzen. Kein Wunder, dass das ungeschickte erste Rettungspaket für die schlingernde Hypo Real Estate gescheitert ist. Es setzte auf Garantien aller statt auf Verstaatlichung. In der gegenwärtigen Krise helfen Garantien anderen Banken jedoch überhaupt nichts. Sie alle stehen unter Generalverdacht und sehen durch die Teilnahme an Rettungsaktionen nur noch wackeliger aus. Außerdem ist es unverantwortlich, den Steuerzahler mit ins Boot zu holen, ohne ihm entsprechende Rechte beim Aufräumen der Bank zuzugestehen. Er soll zahlen, wenn es schief geht. Geht es gut, behalten die Aktionäre und das Management die Gewinne. Doch gerade beim Management, bei den Entlohnungssystemen und bei den riskanten Geschäftspraktiken muss man ansetzen, will man den Sumpf trocken legen. Gut möglich, dass die Hypo Real Estate verstaatlicht wird. Das wäre klug.
Quelle: FR
Anmerkung WL: Wir groß muss die Angst vor einem völligen Vertrauensverlust nicht nur in das Banken-, sondern in das gesamte Wirtschaftssystem und damit auch in die Politik sein, wenn Kanzlerin und Finanzminister am Sonntag vor die Mikrofone treten und für die Bankeinlagen gerade stehen wollen? Glauben sie wirklich selbst daran, dass der Staat für 500 bis 1.000 Milliarden haften kann?
Am Samstagabend hatte die HRE mitgeteilt, das am Wochenende zuvor mühsam ausgehandelte Rettungspaket sei hinfällig. Das dem Institut zugesagte Paket im Volumen von bis zu 35 Milliarden Euro bis 2009 sei nicht länger gültig. Die zugesagten Kreditlinien der Banken zur Deckung einer Liquiditätslücke seien aufgekündigt worden.
Nach bisher unbestätigten Berichten braucht die Hypo Real Estate schon kurzfristig deutlich mehr Geld als geplant…Demnach fehlten bis Jahresende bis zu 50 Milliarden Euro und bis Ende 2009 sogar 70 bis 100 Milliarden Euro, hieß es.
Quelle: SZ
Anmerkung: So geht es eben, wenn man nicht selbst einsteigt und sich die Geschäftsberichte nicht selbst ansieht, sondern sich auf die Bundesbank und die Bankenaufsicht verlässt. Lesen Sie dazu noch einmal den Brief des Bundesbankchefs Axel Weber und des obersten Bankenaufsehers Jochen Sanio [PDF – 172 KB]. Warum setzt eigentlich der Bundesfinanzminister Weber und Sanio, nachdem das Rettungspaket nach wenigen Tagen hinfällig wurde, nicht wegen erwiesener Unfähigkeit vor die Tür? Warum sieht er nicht ein, dass der Staat selbst einsteigen muss, wenn er sich nicht von den Bankern vorführen lassen will?
Das ganze Gangsterstück verläuft vermutlich nach dem Motto, hat der Staat erst einmal angebissen und bürgt, dann kommt er nicht mehr davon los und haftet für alle noch folgenden Ausfälle.
Wo die weiteren 15 Milliarden zur Rettung der HRE herkommen sollen, ist ziemlich unklar. Zwar gab es gestern ein neues Rettungspaket. Merkwürdig ist nur, dass die Banken zuerst das ursprüngliche Paket scheitern lassen und jetzt plötzlich 14 Milliarden tragen sollen. Interessant ist auch, dass nicht mehr von einer 26,5-Milliarden-Bürgschaft des Bundes, sondern von einem Bürgschaftsrahmen von 35 Milliarden die Rede ist.
Anmerkung WL: Es war aber nicht nur die Gier, die das Prinzip des ordentlichen Kaufmanns an den Kapitalmärkten überrollt hat. Sondern es war die bewusst geförderte Deregulierung und die Schaffung von politischen Rahmenbedingungen, in denen sich die Gier erst entfalten konnte, ja sogar für höchst effizient und zukunftweisend erklärt wurden.
Siehe dazu auch
Ein Sozialismus für wenige
Das US-Hilfspaket, mit dem der Staat den Banken faule Kreditpapiere abkauft, ist verabschiedet. Sicher ist: Den verschuldeten Hausbesitzern hilft es kaum.
Quelle: TAZ
Dazu auch:
Die Krise nach der Krise
New York steht vor einem sozialen Fiasko. Alteneinrichtungen, Sozialdienste, Krankenhäuser: sie alle hängen am Tropf der Privatwirtschaft. Wie weiter?
Quelle: TAZ
Entscheidend ist: Es wäre auch weltweit ein klares Zeichen, dass sich die EZB bereit erklärt, ihren Banken billiger Liquidität anzubieten. Denn die Fed hat eine Initiative für eine Zinssenkung aller großen Notenbanken in der Welt gestartet. Und da schert derzeit nur die EZB aus. Diese Sonderrolle kann sie sich nicht mehr leisten. Sie erzeugt mit dieser Hochzinspolitik Krisenkosten.
Quelle: taz
So auch wieder bei Martin Hesse, für den es höchste Zeit wird, „dass zumindest Regierungen und Notenbanken in Amerika und Europa sich auf gemeinsamen Regeln und Mechanismen für die Bewältigung der Krise verständigen“. Die massive Hilfe mit Steuergeldern ist natürlich auch für ihn unumgänglich.
Hat die Wirtschaftsredaktion die vergangenen 10 bis 12 Jahre nicht ununterbrochen das hohe Lied des freien Finanzmarktes gesungen, zweifelhafte Akteure wie Hedgefonds und Equityfonds, die nicht nur in der deutschen Wirtschaft Dutzende von Betrieben eiskalt ruiniert und tausende von Arbeitsplätzen vernichtet haben, als „Retter in der Not“ in den Himmel gehoben? Mit wohlmeinenden Interviews im Johannes B. Kerner – Stil und seitenlangem wohlgefälligen Text?
Wurde nicht Ackermann als die Lichtgestalt des deutschern Finanzwesens mit seiner 25% Renditeforderung gefeiert, ausgerechnet der Ackermann, der jetzt sehnsüchtig nach den Geldern des Steuerzahlers ruft?
Beschwichtigte nicht Nikolaus Piper noch in 2005, dass beim durch Ackermann angedrohten Arbeitsplatzverlust der Deutschen Bank (mal eben so rund 7000 Arbeitsplätze), „vor allem Fachkräfte betroffen sind, die auf dem internationalen Markt sofort einen neuen Job finden“? Wer diesen Rat befolgt hat, steht jetzt in London mit dem Pappkarton vor dem Eingangsportal seiner Bank.
Wurde nicht die Öffnung des deutschen Finanzmarktes durch die die rotgrüne Regierung und der Ausverkauf der „Deutschland AG“ jubelnd begrüßt, ebenso wie die Zerstörung der paritätischen Finanzierung der solidarischen Sicherungssysteme, deren historische Obsoletheit täglich festzustellen, im Pflichtenheft eines jeden SZ- Wirtschaftsredakteurs stand? Wie sicher ist denn jetzt die private Rente auf diesem Kapitalmarkt, sicherlich garantiert „tot-sicher“!
Doch genug der Häme, mehr blamieren konnten sich die Herrschaften jedenfalls nicht. So lange aber beweisbar ist, das aus der stramm neoliberal ausgerichteten Wirtschaftsredaktion der SZ in den vergangen Jahren und erst recht in der letzen Zeit, als sich die Zeichen mehrten, dass der Zug mit rasender Geschwindigkeit auf den Abhang zufuhr, nicht ein einziger kritischer Ton zu den Exzessen des internationalen Finanzcasinos zu vernehmen war, hat die treue SZ-Leserschaft, die nun jahrelang durch diesen redaktionellen Unfug maltraitiert wurde, quasi einen Rechtsanspruch auf ein authentisches und ehrliches mea culpa, in dem nicht mehr und nicht weniger steht, als: „Tut uns leid, wir haben über ein Jahrzehnt nur dummes Zeug geschrieben und uns schrecklich geirrt!“
Quelle: Oeffinger Freidenker
Hier ein weiteres Beispiel für die opportunistische Anpassung der Wirtschaftsredaktion der SZ: Ulrich Schäfer: Die Mär vom Markt
Quelle: SZ
Was für die SZ gilt, trifft aber auch für andere Medien zu. Siehe z.B.
Hans-Ulrich Jörges: Volle Fahrt auf den Eisberg
Seit einem Jahr war die Katastrophe auf den Finanzmärkten absehbar, doch erst jetzt handelt die Politik – und der Steuerzahler haftet. Die neoliberale Ära ist zu Ende, der Staat kehrt zurück. Auch in Deutschland muss er nun eingreifen.
Quelle: Stern
In der globalen Finanzkrise geht es ja nicht nur um das Vertrauen in den Geldmarkt, die Banken und die Finanzstabilität. Es geht auch um das Vertrauen in die Souveränität und die Gestaltungskraft der Demokratie.
In den vergangenen Wochen sind auf den Finanzmärkten viele Milliarden Dollar und Euro verbrannt. Das ist schlimm genug. Noch viel schlimmer wäre es, wenn in dem Feuer auch noch das demokratische Grundvertrauen verbrennen würde. Es geht also nicht nur darum, gigantische Geldlöcher zu stopfen, sondern auch darum, dass aus der Krise des globalen Kapitalismus nicht eine globale Krise der Demokratie wird.
Die Dirigenten des internationalen Geldmarkts haben viel dafür getan, dass es so kommt. Sie haben erfolgreich versucht, die Politik demokratisch gewählter Regierungen ihrer Disziplin zu unterwerfen. Sie haben Regierungen genötigt, sie haben den Abbau von Kontrollen erzwungen.
Quelle: SZ
Man werde die Idee der EU-Kommission vorlegen, sagte Fiat-Chef Sergio Marchionne der “Financial Times” (Samstagausgabe). Er verwies auf mögliche Wettbewerbs-Nachteile für europäische Autobauer durch das amerikanische Kreditprogramm von 25 Milliarden Dollar (17 Mrd Euro) für die heimischen Hersteller: “Wir brauchen gleiche Bedingungen.” Angesichts der Größe der europäischen Autoindustrie sei ein Volumen von 40 Milliarden Euro angemessen.
Quelle: FR
Anmerkung K.F.: Das alles unter dem Motto: Es lebe die freie Marktwirtschaft.
Zum Beispiel: das Arbeitszeitkonto.
Zur Erinnerung: Am Modell „ Zeitarbeit“ wollen alle Beteiligten verdienen: der entleihende Betrieb bekommt mehr Flexibilität in der Personalpolitik, die Zeitarbeitsfirma streicht einen Teil vom Lohn ein – und soll davon eigentlich den Arbeitnehmer bezahlen, wenn sie einmal keinen Job für ihn hat. Doch selbst diesen kleinen Vorteil nimmt ihm die Christliche Gewerkschaft Zeitarbeit mit der Einrichtung eines Arbeitszeitkontos. Und das geht so:
Solange der Zeitarbeiter einen Job hat, macht er in der Regel Überstunden.
Ausbezahlt wird aber nur der Lohn für die Regelarbeitszeit. Den Lohn für die Überstunden behält das Zeitarbeitsunternehmen ein: zum Beispiel für bis zu 70 Stunden – das sind immerhin zwei Arbeitswochen.
Erst wenn die Firma keine Arbeit mehr für den Angestellten hat, schüttet sie ihm das vorher von ihm verdiente Überstundengeld aus – Lohn aus der Tasche des Arbeitnehmers statt aus dem Säckel des Zeitarbeitgebers. Für Professor Schüren ist das Maß voll. Dumpinglöhne weit und breit und oben drauf auch noch Tricks wie das Arbeitszeitkonto – für Schüren ist die Christliche Gewerkschaft Zeitarbeit eine Pseudogewerkschaft. (…)
Quelle 1: RBB-Video
Quelle 2: RBB-Text
Kauder sagte, die Bundeswehr solle im Bedarfsfall auch die Polizei unterstützen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) begrüßte den Beschluss „zum Schutz der Bürger in Deutschland“, wie sein Sprecher sagte.
Quelle: FAZ
Anmerkung WL: Wenn die Polizei zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung nicht mehr reicht, muss eben die Armee ran. Eine denkwürdige Duplizität: Nicht nur die Finanzkrise erinnert an das Ende der Weimarer Zeit, nun auch noch Ermöglichung des Einsatzes der Armee als innenpolitisches Machtinstrument, wie damals die Reichswehr. Wir groß muss die Sorge der Regierenden vor einer inneren Instabilität sein. Vielleicht hängen ja die panischen Reaktionen auf die Finanzkrise und der Einsatz der Bundeswehr zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zusammen.
Siehe dazu auch:
Bundeswehr gegen den inneren Feind
Quelle: taz
Anmerkung K.F.: Wieder einmal vertritt die Bundesregierung mit fadenscheinigen Begründungen die Interessen der Unternehmer.
Ergänzung WL: Und morgen beklagt man wieder die zu niedrigen Geburtenraten in Deutschland.
„Die Subjekte auf dem Finanzmarkt sind eher kriminelle Subjekte. In den USA ermittelt das FBI. Durch die irren Summen, die Hedgefondsmanager und Investmentbanker verdienten, sind sie zu kriminellen Handlungen verführt worden. Deshalb ist der Staat die verlässlichere Institution als das Casino.“
Quelle: SZ
Anmerkung WL: Auch in der Süddeutschen Zeitung springt der bemerkenswert aggressive und polemische Fragestil ins Auge. Man muss Lafontaine nicht in allen Punkten zustimmen, aber die Interviewer Brössler und Hagelüken belegen durch ihre Fragen nur, dass sie blindlings neoliberalen Glaubenssätzen folgen und dass sie nicht in der Lage sind mit Lafontaine eine inhaltliche Diskussion zu führen. Über den Umgang der Medien mit Lafontaine siehe auch: Karl Mai, „Ökonomische Halbwahrheiten, Trugschlüsse und Irreführungen“ – wie der „Spiegel“ mit Oskar Lafontaine abrechnete.
Quelle: Memorandum [PDF – 96 KB]
Anmerkung WL: Ich teile die Einschätzung von Albrecht von Lucke, dass es nicht die Absicht der Parteirechten um Steinmeier war, Beck „wegzuputschen“. Er sollte als Integrationsfigur ohne Macht und Einfluss herhalten. Dieses Spiel wollte Beck nicht mehr länger mitmachen. Sein Fehler war, Steinmeier und Steinbrück als seine Stellvertreter vorzuschlagen. Er hätte wissen müssen, dass diese nur ihr Spielchen mit ihm treiben.
Anmerkung WL: Was Herr Degler nicht bedenkt ist, dass seine Zeitung munter dabei mitmischt, wenn es darum geht, Unwahrheiten der Politiker ganz unterschiedlich zu bewerten.
Aber: Unabhängig davon, ob in Amerika, Frankreich, Schweden oder Deutschland gefragt wurde – die elf- bis 15-Jährigen sehen ihre Gesundheit weniger durch die soziale Ungleichheit als durch die schulische Umwelt beeinflusst. Je positiver die Jugendlichen die Schulkultur wahrnehmen, desto seltener haben sie psychosomatische Beschwerden, verhalten sich aggressiv oder flüchten in den Alkoholrausch. Die Schulkultur stellt also die entscheidenden Weichen für das Wohlbefinden der Jugendlichen.
Quelle: Freitag
Die Zahl der Abonnenten sei bei einer Neuberechnung um rund 940.000 gesenkt worden, teilte Premiere am Donnerstagabend mit. Damit entfällt etwa jeder fünfte Premiere-Kunde. Der Aktienkurs sackte am Freitag auf 4,60 Euro ab und halbierte sich – das Papier schloss mit einem Minus von 55,6 Prozent. Zwischenzeitlich war die Aktie sogar bis auf 3,55 Euro gefallen.
Quelle: Spiegel Online
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