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Titel: Doppelmoral gegenüber Wortbrüchen

Datum: 1. Oktober 2008 um 9:14 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Parteien und Verbände, Wahlen
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Eine Zusammenarbeit der hessischen SPD und der Linken wird von den Medien und von der Politik bis hin zur SPD als Wortbruch moralisch verdammt. Doch bei der Kampagne gegen Andrea Ypsilanti ging es in Wahrheit nie wirklich um Moral. „Glaubwürdigkeit“ wurde und wird als politisches Kampfmittel eingesetzt, um eine unerwünschte politische Mehrheit zu verhindern.Das belegt bereits der völlig unterschiedliche öffentliche Umgang mit den Koalitionsaussagen der Grünen in Hamburg: “Es mag rechnerisch eine Mehrheit für dieses Bündnis geben, doch es passt inhaltlich nicht”, erklärte die Landesvorsitzende der GAL Anja Hajduk vor der Wahl und ging dennoch mit Ole von Beust zusammen.

Das beweist schließlich die Gelassenheit, mit der in der veröffentlichten Meinung der Wortbruch durch die Genehmigung des Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg (paradoxerweise auch noch) durch die nunmehr zur Umweltsenatorin aufgestiegenen Anja Hajduk hingenommen wird. Auch diese Genehmigung ist eine Entscheidung für eine Regierungsmehrheit und gegen ein eindeutiges Wahlversprechen, dazu noch beim Klimaschutz, einem elementaren Feld des Selbstverständnisses der Umweltschutzpartei. Wolfgang Lieb

Die Preisgabe politischer Versprechen gilt offenbar stets dann nicht als unmoralisch, wenn damit eine Entscheidung für eine (erwünschte) konservative Regierung verbunden ist. Eine Hexenjagd wie gegen Andrea Ypsilanti wird es gegen Anja Hajduk nicht geben. Genauso wenig, wie es einen moralischen Aufschrei darüber gab, dass die SPD vor der letzten Wahl gegen die „Merkelsteuer“ kämpfte und nach der Wahl von der Großen Koalition die Mehrwertsteuer sogar noch mehr erhöhnt wurde, als es Frau Merkel je forderte.

Auch dem gebeutelten bayerischen Ministerpräsidenten Beckstein wird kaum jemand seine kernigen Sprüche vorhalten, dass er nach der Wahl “weder mit der FDP noch mit den Freien Wählern” zusammengehen werde.

Tatsache ist, die Politik ist keine moralische Anstalt. Die Umsetzung von politischen Versprechen ist eben in der Demokratie von Mehrheiten abhängig.

Die Bildung von solchen politischen Mehrheiten – wie in Hessen – mit (vorgeschobener) moralischer Empörung zu bekämpfen, ist deshalb Ausdruck einer Doppelmoral, die das demokratische Mehrheitsprinzip außer Kraft setzen will. Hajduk in Hamburg und Ypsilanti in Hessen werden mit zweierlei Maß gemessen, weil den politischen Wortführern die schwarz-grüne Mehrheit im Norden passt und die mögliche linke politische Mehrheit, die sowohl in der Bürgerschaft der Hansestadt als auch im hessischen Landtag möglich wäre, politisch nicht passt.

In seinem Buch „1984“ bezeichnet George Orwell dieses nur vordergründig nach moralischen Prinzipien Agieren als „Doppeldenk“. Er wollte damit die Durchsetzung eines Denkens anprangern, das aus Gründen des Machterhalts Denkwidersprüche stets im Sinne des herrschenden Denkens auslegt und mit aller Macht zur herrschenden Meinung macht.

Zur Erinnerung:

Im Wahlprogramm der GAL zur Bürgerschaftswahl 2008 hieß es auf Seite 10 zum Klimaschutz, dem Kernthema der Grünen:
„Kohlekraftwerk verhindern. Das geplante Steinkohlekraftwerk in Moorburg würde die Hamburger CO²-Emissionen um 40 Prozent erhöhen. Statt dieses überdimensionierte Klima-Monster zu bauen, wollen wir ein kleineres Kraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung, das mit erheblich umweltfreundlicherem Erdgas betrieben wird. Daneben brauchen wir mehr kleine dezentrale Blockheizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung, massive Anstrengungen zur Senkung des Strom- und Wärmebedarfs und mehr Erneuerbare Energien [PDF – 352].“


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