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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 30. September 2008 um 9:29 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Heute unter anderem mit diesen Themen:
(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Was Merkel und Ackermann in ihrem Telefonat festzurren, ist die größte Gemeinschaftsaktion des Staats und der Finanzbranche zur Rettung eines privaten Unternehmens in der deutschen Geschichte. Mit einer Geldspritze von 35 Mrd. Euro sollen die Bundesbank und private Kreditinstitute der HRE beispringen. Der Bund sichert die Transaktion mit einer Bürgschaft von bis zu 26,6 Mrd. Euro ab, die privaten Banken gehen mit maximal 8,4 Mrd. Euro ins Obligo…
Hypo Real Estate hat die Darlehen mit Sicherheiten im Wert von 42 Mrd.
Euro hinterlegt. Fachleute rechnen dennoch damit, dass die Bank Garantien des Bundes in Anspruch nehmen muss. Damit wären die hehren Haushaltsziele, auf denen die Regierung beharrt, obsolet: Einen Etat ohne neue Schulden bis zum Jahr 2011 würde es dann nicht geben…
Relativ schnell wird allen Beteiligten der Frankfurter Runde klar, dass man gemeinsam größeren Schaden vom Land abwenden muss. Doch die privaten Banken verlangen vom Staat einen höheren Beitrag für die Rettung von HRE, als dessen Vertreter zu geben bereit sind. “Die Bankenvertreter wollten eigentlich die Verstaatlichung von HRE”, heißt es im Umfeld des Finanzministers. Steinbrück und Merkel bleiben in den Verhandlungen jedoch so hart wie möglich: Sie sind der Meinung, dass die Privatwirtschaft für ihr Versagen selbst einstehen müsse. Es beginnt ein Gefeilsche um die Höhe der Lasten. Am Ende können Merkel und Steinbrück den Privatbanken wenigstens den Anteil von bis zu 8,5 Mrd. Euro abringen…Die Regierungsspitze will alle politischen Kräfte einbinden.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm gibt sich entsprechend staatstragend:
“Mit der Entscheidung der Bundesregierung konnte ein Ausbreiten der Finanzkrise auf Deutschland abgewendet werden”, sagt er in der montäglichen Pressekonferenz. “Ohne das Einschreiten des Staates hätte das gesamte Finanzsystem gefährdet werden können.” Kein Wort zu der naheliegenden Frage, ob die Entwicklung nicht abzusehen war. Noch vor wenigen Tagen bezeichnete HRE-Finanzchef Markus Fell die Refinanzierung der Tochter Depfa als stabil.
Quelle: FTD
Anmerkung J.A.: Unfassbar. Der “schuldenfreie Haushalt” zum Dogma erhoben, kein Geld für Armutsbekämpfung, höhere Hartz-IV-Sätze, für bessere Bildung, bessere Infrastruktur, die Bahn – aber für die Rettung von Spekulanten werden mal eben 26,5 Milliarden Euro bereitgestellt.
Schon das an dritter Stelle folgende Verteidigungsministerium (31,1 Mrd. Euro) ließe sich mit der für die HRE vorgesehene Garantiesumme nahezu komplett finanzieren. Die Mittel der übrigen Ressorts übersteigt die Summe sogar bei weitem. So kommen Außen- und Innenministerium, Justizministerium, Finanzministerium, Wirtschaftsministerium, das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie das Umweltministerium zusammen auf einen Etat von rund 26,88 Mrd. Euro.
Quelle: FTD
Peer Steinbrück schwang den Zeigefinger, es war ein Moment des Triumphs. Noch am Donnerstag vergangener Woche geißelte der SPD-Finanzminister das amerikanische Finanzsystem und goss Spott über seinen Amtskollegen Paulson aus. “Die Finanzmarktkrise ist vor allem ein amerikanisches Problem”, rief er den Delegierten zu. In den USA müsse der Staat 700 Milliarden Dollar in die Hand nehmen, um die taumelnden Banken zu retten; in Deutschland hingegen flössen nur bis zu 1,8 Milliarden Euro in die Staatsbank IKB.
So kann man sich täuschen. Keine fünf Tage später steht der Finanzminister selbst vor einem Desaster: Mit 35 Milliarden Euro muss der Münchener Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate aufgefangen werden – 27 Milliarden davon sollen vom Bund kommen. Die Krise an den Finanzmärkten erreicht Deutschland mit neuer Wucht und zerstört die letzte Hoffnung, das Schlimmste sei an den deutschen Banken vorbeigegangen. Das beendet auch die Illusion, dass die hiesigen Regulierer alles richtig gemacht haben, während man in den USA das möglichst freie Spiel der Marktkräfte auf die Spitze trieb.
Quelle: Die Zeit
Zudem durften sich weder der chinesische Staat noch die Privathaushalte groß im Ausland verschulden. Diese Barrieren hat die chinesische Führung erst mit aller Härte durchgesetzt, nachdem China 1997 fast von der Asienkrise mit in die Tiefe gerissen wurde. In der boomenden Südprovinz Kanton, die damals schon über die Wirtschaftskraft von Thailand verfügte, hatten sich Finanzinstitute hinter dem Rücken der Zentrale in Peking auch von deutschen Banken Milliarden geliehen und konnten plötzlich nicht mehr zahlen. Der damalige Premierminister Zhu Rongji griff rechtzeitig ein und hielt dem internationalen Druck eben noch stand. Die meisten westlichen Banken bekamen nur zehn Prozent ihres Einsatzes wieder. China war nicht gezwungen, seine Währung abzuwerten, und ging erstmals als asiatischer Stabilitätsgarant aus einer großen internationalen Krise hervor.
Quelle: ZEIT
In Deutschland scheint das Ausmaß der Krise sowie ihre Brisanz noch nicht erkannt zu sein. Den Politikern, Aufsehern und Bundesbankern ist eine Lösung, die etwas nach Markt duftet (alle privaten Banken stehen bis zu einem gewissen Teil für den 35-Milliarden-Euro-Kredit an die HRE ein), lieber als die einzig konsequente: die Verstaatlichung der HRE.
Nur die Verstaatlichung gäbe der HRE ihre Kreditwürdigkeit zurück. Wenn einer in diesen Tagen, in denen es kein Vertrauen mehr in private Banken gibt, noch als sicher gilt, dann der Staat. Eine Verstaatlichung über Eigenkapital und Garantien sichert dem Steuerzahler mittelbar auch Einfluss auf die Geschäftspolitik der Banken. Dann können Köpfe rollen, Gehälter gestutzt werden und riskante Positionen gemächlich abgebaut werden, riskante neue Geschäfte untersagt werden. Das ist alles nicht schön, aber zumindest stimmen die Anreize. Warum soll der Steuerzahler zahlen, wenn hinterher alles beim Alten bleibt, die Aktionäre und Banker halbwegs ungeschoren davonkommen?
Quelle: FR
Anmerkung AM: Besser als nix. Mehr kann man dazu nicht sagen.
Die EZB pumpte am Montag ihrerseits 120 Mrd. Euro in den Markt, um die Liquidität im europäischen Bankensystem zu sichern. Auch in Großbritannien, Asien und Australien reichten die Zentralbanken hohe Summen an die Banken aus. Für den Sondertender hatten 210 Banken Gebote über 141,638 Mrd. Euro abgegeben, teilte die EZB am Montag mit…
Die Aktionen der Notenbanken verpufften bisher auf dem Markt.
Quelle: FTD
Bush lehnt das Gesetz als zu teuer ab. Er plant lediglich eine Aufstockung um 5 Milliarden Dollar. Das staatliche Programm subventioniert in den USA Krankenversicherungen für 6,6 Millionen Menschen, die meisten von ihnen Kinder. Sie stammen aus Familien, die zuviel für eine Mitgliedschaft in der staatlichen Krankenversicherung für die einkommensschwächsten Amerikaner Medicaid verdienen, aber zuwenig, um sich eine private Versicherung leisten zu können
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung: Aber zur Abdeckung der Verluste im Banken-Casino sind dreistellige Milliardenbeträge nicht „zu teuer“.
Zittern und Schachern hinter den Kulissen
Cross Border Leasing: Die Finanzkrise bringt Städten und Staatsunternehmen noch mehr Risiken. Offenlegung problematischer Klauseln wird als Vertragsverletzung geahndet. Von Werner Rügemer.
Quelle: Junge Welt
Dazu auch:
Gefährliche Last für Kommunen
Zwischen 1994 und 2004 hatten Ökonomen und Städte eine wahre Goldgrube in den CBL-Deals gesehen. Oft jetteten die öffentlichen Angestellten mit der Concorde nach New York, um den Vertrag zu unterzeichnen. Am selben Tag war die Stadt formal einige Millionen Euro reicher. In Wirklichkeit hatten die Kämmerer häufig keine Ahnung, worauf sie sich eingelassen hatten. Der englische Vertragstext umfasste meist mehrere hundert Seiten, verfasst von amerikanischen Wirtschaftsjuristen. Der Kontrakt gilt mindestens 25, in einigen Städten sogar 99 Jahre. Bei eventuellen Konflikten wurde der Gerichtsstand immer in den USA festgelegt.
Das IW hatte sich lange Zeit für die CBL-Deals ausgesprochen. “Wir müssen unsere damalige Philosophie überdenken”, sagt Winfried Fuest vom Institut der deutschen Wirtschaft.
Quelle: Berliner Zeitung
Anmerkung WL: Die „Experten“ vom IW müssen ihre damalige Philosophie überdenken und die Steuerzahler dürfen dafür blechen. So einfach stehlen sich die „Experten“ aus der Verantwortung, dass sie den Kämmerern jahrelang Cross-Border-Leasing als Mittel zur Haushaltssanierung eingeredet haben. Genauso werden sich die Experten in die Büsche schlagen, wenn die PPP-Geschäfte als teure Last den öffentlichen Haushalten aufgeladen werden.
Ein wesentlicher Grund für den niedrigen europäischen Durchschnitt war die – wie in den Vorjahren – stark negative Verteilungsbilanz in Deutschland: Hier betrug die Differenz 2,1 Prozentpunkte. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Europäische Tarifbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Auch wenn die Nominallöhne in diesem Jahr noch etwas stärker zunehmen sollten, werde Deutschland auch 2008 seine problematische “lohnpolitische Sonderstellung in Europa nicht verlieren und sich wiederum am Ende der europäischen Lohnskala bewegen”, schreibt WSI-Forscher Thorsten Schulten.
Quelle 1: Hans-Böckler-Stiftung
Quelle 2: Europäischer Tarifbericht des WSI 2007/2008 [PDF – 216 KB]
Die SPD kam laut Landeswahlleiter auf 25,8 Prozent. Bei der Wahl 2003 waren es 23,5 Prozent. Knapp dahinter folgt die Linke mit 24,7 Prozent der Stimmen, 2003 hatte die damalige PDS 21,3 Prozent geholt. Die CDU stürzte dagegen von 27,8 auf 19,8 Prozent ab. Die im Potsdamer Landtag seit Jahren nicht vertretene FDP erreichte 7,3 Prozent (2003: 6,3 Prozent). Die Grünen erzielten 4,6 Prozent (2003: 4,2 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag mit 50,3 Prozent deutlich höher als vor fünf Jahren (45,8 Prozent).
Quelle: Berliner Morgenpost
Für den Aufbau eines solchen System haben sich hochkarätige Experten stark gemacht. Sie erhöhen damit den Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Länder, beim Bildungsgipfel am 22. Oktober ein Signal für die Ausweitung der Studentenförderung zu setzen.
Quelle: SpiegelOnline
Anmerkung: Nichts gegen Stipendien an besonders leistungsstarke Studierende, doch eine Verbesserung des BaföG wäre eine viel dringlichere Aufgabe, um mehr Studierende zu gewinnen.
John Bird & John Fortune: The Subprime Crisis
Quelle: YouTube
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