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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Nachtrag OECD – das Statement auf der Pressekonferenz vom 5.8.
Datum: 7. August 2004 um 11:09 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Albrecht Müller
Das Statement lag noch nicht vor, als ich die erste Tagebuchnotiz schrieb. Ich reiche den Text nach, weil daran gut sichtbar ist, wie unbegründet die Forderung nach Strukturreformen erhoben wird und wie platt die Modernisierer argumentieren: Kaskaden der gängigen Behauptungen, mit denen wir seit über 20 Jahren traktiert werden. Siehe Eintrag zum Lambsdorff-Papier. Ich habe begonnen, in ((doppelten Klammern und kursiv)) Fragen anzumerken. Aber ich habe es nicht bis zum Ende ertragen. Vielleicht schaffen es unsere Leser.
Statement des OECD Vertreters bei der Pressekonferenz in Berlin am 5.8.04. Ab hier Original mit Anmerkungen in ((…)):
OECD Deutschland-Bericht 2004
Notizen zur Vorstellung durch
Dr. Eckhard Wurzel, OECD Paris
Wichtige Wirtschaftsindikatoren zeigen an, dass sich die deutsche Wirtschaft derzeit von einer dreijährigen Phase nahe der Stagnation erholt. Wahrscheinlich wird das Wachstum in 2004 stärker sein als in der OECD Frühjahrsprojektion (Economic Outlook 75) prognostiziert. Die Erholung stützt sich auf den leistungsfähigen und innovativen Exportsektor — aber die heimische Nachfrage, der Konsum und die Investitionen, sind immer noch sehr schwach.
Über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren ist das Wachstum pro Kopf in Deutschland deutlich hinter dem anderer europäischer Länder und Nordamerikas zurückgeblieben. Dies spiegelt sich in zwei Faktoren wider:
Die Herausforderungen werden in Zukunft nicht geringer werden. Insbesondere:
Die Reformen der Agenda 2010 sind signifikant ((!!)) und gehen in die richtige Richtung. Zur nachhaltigen Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist es unerlässlich ((Zusammenhang??)), die Reformen in vielen Bereichen kohärent und nachvollziehbar fortzuführen — auf den Produktmärkten, dem Arbeitsmarkt und Sozialsystem, dem Bildungssystem und im Fiskalbereich. Die Wirkung von Reformen in verschiedenen Bereichen greifen ineinander.
(Exemplarisch einige Stichpunkte)
Barrieren für eine höheres effektives Arbeits(kräfte)angebot müssen abgebaut werden. ((Barrieren gibt es weder im Osten noch im Westen. Es fehlt an Aufträgen)) Die Ansicht, dass man bestimmte Gruppen von Menschen — insbesondere die Älteren — am besten aus dem Arbeitsmarkt hinauslockt ((Das geschieht doch schon lange nicht mehr so wie in den 90ern)), da für sie ohnehin keine oder kaum Arbeitsplätze vorhanden seien, wird nicht durch die Erfahrung innerhalb der OECD gestützt. Im Gegenteil: In OECD Ländern, wo die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen hoch ist, ist auch die Beschäftigungsrate der Älteren hoch. Und: Die Ansicht, dass ältere Arbeitnehmer den jüngeren die Arbeitsplätze wegnehmen, widerspricht ebenfalls dem Befund. Das ist nicht verwunderlich: Rahmenbedingungen, die die Erwerbsbeteiligung verringern, unterlaufen Anreize zur Weiterbildung, belasten die Sozialsysteme, erhöhen die Lohnnebenkosten und vermindern Lohnanpassungen. Alles das behindert die Schaffung von Arbeitsplätzen auf Seiten der Unternehmen.
Jüngere Reformmassnahmen in der Arbeitslosenversicherung, bei Sozialhilfe / Arbeitslosengeld-II und im Rentensystem markieren deutliche Fortschritte auf dem Weg zu mehr Beschäftigung ((Wo denn??)). Die OECD schlägt vor, Hürden für eine höhere effektive Erwerbsbeteiligung weiter abzubauen. Einige Beispiele:
So zeigen Erfahrungen innerhalb der OECD, dass Produktivitäts- und Wachstumsgewinne aufgrund der Anwendung neuer Technologien wesentlich davon abhängen, dass ein wettbewerbsfreundlicher Regulierungsrahmen besteht. Insbesondere ist die Gründung neuer Unternehmen bedeutsam, sowohl zur Schaffung von Beschäftigung als auch zur Steigerung der Innovationskraft der Wirtschaft und damit für das Produktivitätswachstum.
Deshalb gehören u. a. zu Reformmassnahmen, die umgesetzt werden sollten:
Der Deutschland-Bericht enthält ein Spezialkapitel mit Vorschlägen zur Stärkung der Innovationskapazität.
Die Staatsausgaben sind in den letzten 1 ½ Jahrzehnten nicht in dem Mass umgeschichtet worden, wie dies angesichts der fiskalischen Belastungen in Folge der Wiedervereinigung hätte geschehen müssen. Der Staatshaushalt sollte nun innerhalb weniger Jahre ausgeglichen werden. Danach sollten Überschüsse erwirtschaftet werden – nicht zuletzt angesichts der kommenden demographischen Belastungen. Etliche Länder innerhalb der OECD, die heute stark wachsen, haben zuvor erhebliche Anstrengungen unternommen, ihren Staatshaushalt zu konsolidieren. Konsolidierung sollte erreicht werden durch Reformen bei staatlichen Ausgabenprogrammen. Der Spielraum hierfür ist gross. Er umfasst u.a.:
Die effektive Besteuerung von Arbeits- und Gewinneinkommen in Deutschland ist oft hoch im internationalen Vergleich. Deshalb sollten sich weitere Steuerreformen auf den Abbau steuerbedingter Verzerrungen konzentrieren, indem Steuervergünstigungen abgebaut werden (“Verbreiterung der Bemessungsgrundlage”) und im Gegenzug die Regelsteuersätze gesenkt werden. Dies sollte so geschehen, dass Steuerreformen voll gegenfinanziert werden, damit sie mit der Sanierung des Staatshaushalts vereinbar sind. Weitere Reformen in den sozialen Sicherungssystemen sind notwendig, um die Sozialabgaben zu senken.
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