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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 17. September 2008 um 9:19 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Albrecht Müller
(KR/AM)
Heute unter anderem zu diesen Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Subprime war gestern
Der Crash der US-Investmentbank Lehman Brothers war nicht der Höhepunkt der Finanzkrise – sondern erst der Auftakt für das CDS-Debakel. Es droht die Kernschmelze des Finanzsystems, als nächstes Opfer könnte es den Versicherungsriesen AIG treffen. Hinter der Krise von AIG steht die Krise eines der unglaublichsten Versicherungsmärkte, die es je gegeben hat: des Markts für Credit Default Swaps (CDS), also Versicherungen gegen Zahlungsausfälle auf festverzinsliche Wertpapiere. Der CDS-Markt hat eine Größe von 62.000 Mrd. $. Das ist ungefähr so groß wie das jährliche Bruttosozialprodukt der gesamten Welt.
Quelle: FTD
Sicherungsfonds droht größter Schadensfall
Auf den Einlagensicherungsfonds der deutschen Privatbanken rollt der größte Schadensfall seiner Geschichte zu. Denn von der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers ist auch die deutsche Tochter Lehman Brothers Bankhaus AG betroffen.
Quelle: FTD
Anmerkung Orlando Pascheit: Der Untertitel ist etwas irreführend. Im Wochenbericht des DIW fehlt der Hinweis auf die Agenda 2010. Den Bezug stellte der Agenda-Befürworter DIW-Präsident Klaus F. Zimmermann bei der Vorstellung der beiden Studien her. Im Wochenbericht selbst wird das Ergebnis relativiert: “Die sich abzeichnende konjunkturelle Abschwächung dürfte die Entwicklung der realen verfügbaren Einkommen wieder dämpfen. Möglicherweise ist der Trend zunehmender Einkommensungleichheit und steigenden Armutsrisikos nur kurz unterbrochen worden.” Unmittelbar einleuchtend ist, daß Armutsrisikogrenze mit der Entwicklung der Einkommen sinkt bzw. steigt, da sie nur ein relativer Wert ist. Ein großer Teil Armer des 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (Datenbasis 2003) gehört, bei einer Armutsrisikogrenze von 938 Euro, 2007 in der DIW-Untersuchung, bei einer Armutsrisikogrenze 890 Euro, nicht mehr zu den Armen. Der Arme von 2003 war reicher als der Arme von 2007!
(…)
Zugleich prüfe das Finanzministerium die Idee eines Kindergrundfreibetrages statt des bisherigen Kinderfreibetrages, “damit nicht Familien mit höheren Einkommen mehr Geld für ihre Kinder bekommen, als Familien aus den Mittelschichten und unteren Einkommensgruppen“.
Quelle: Welt online
Kommentar AM: Wohlfeile Sprüche eines Mannes, der mit seiner Bewunderung für die Finanzmärkte ein gerüttelt Maß an Verantwortung für die Entwicklung trägt. – Interessant ist auch die Einlassung zu den Kinderfreibeträgen. Hier wird sichtbar, dass der Fortschritt nicht nur eine Schnecke ist, sondern die Entwicklung manchmal einfach Rückschritt statt Fortschritt macht. 1975 hatte die damalige sozialliberale Koalition aus den von Steinbrück neu erfundenen Gründen die Kinderfreibeträge durch ein gleiches Kindergeld für alle ersetzt. Die Regierung Kohl hat nach der Wende von 1982 diesen kleinen Fortschritt zurückgedreht.
Zwar ist der Zusatzbeitrag auf bis zu ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt, beträgt aber mindestens acht Euro für jeden. Auch kleine Einkommen unter 800 Euro müssen also zahlen. Der VdK fordert daher, alle Einkommen bis zu 800 Euro Einkommen vom Zusatzbeitrag zu befreien. Dieser trägt ohnehin dazu bei, die Armutsgefährdung Einkommensschwacher weiter zu erhöhen. Gerade Rentner mit kleinen Renten, Arbeitslose, Geringverdiener und Alleinerziehende werden aktuell durch die stark gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise belastet, da sie aufgrund fehlender Rücklagen keine Möglichkeit haben, diese Mehrbelastungen aufzufangen.
Quelle: VdK
Kommentar AM: Vor der Entscheidung für das Elterngeld hatten wir schon auf diese Folgen hingewiesen. Die Politiker und auch viele Medien sind so dämlich (Pardon!), dass sie diese jetzt erst mit Erstaunen bemerken.
Anmerkung GG: Jetzt wissen wir es also: Die miesepetrige Kritik an den Medien und ihren Repräsentanten ist emotional und unvernünftig, sie ist nur Ausdruck einer Bildungslücke. Wir haben halt noch nicht begriffen, dass ein autopolitisches Funktionssystem wie die Medien nicht inhaltlich, sondern nur strukturell mit seiner Umwelt verbunden ist und nur bestimmte Ausprägungen von Strukturen zulässig sind, weil der Zweck dieser “strukturellen Koppelung” darin besteht, “vieles auszuschließen, um weniges zu systemeigenen Konditionen einzuschließen”, um “mit dem wenigen Eingeschlossenen ein ganze Welt aufzubauen” – eine eigene Realität. Die Medien sind so wie sie sind, weil strukturell notwendig so geschaffen. Wie perfekt mittlerweile dieses System die Rolle des Sinnstifters laut Eckoldt übernommen hat, zeige sich darin, dass sie “die Akzeptanz der Mediennutzer nicht mehr kümmern muss” – obwohl die Medien unter einem omnipräsenten Manipulationsverdacht stehen.
Die Systemtheorie stellt der Medienmacht und Medienmanipulation einen Persilschein aus (ebenso wie der Politik und der Wirtschaft). Was regen wir uns also auf über die Komplexitätsreduzierer im Presseclub oder den hart aber fairen Frank Plasberg. Sie können nicht anders, sie sind doch nur ohnmächtige Funktionsträger der notwendig “autopolitschen Geschlossenheit” des Systems, das den ebenso notwendigen “kommunikativen Zusammenhalt der Gesellschaft” leistet. Ohne sie wären wir verloren. So wusste schon der Altmeister der Systemtheorie, Niklas Luhmann, dass Demokratie ein hoffnungslos unmodernes, alteuropäisches Konzept ist.
Anmerkung KR: Wegen der detaillierten Beispiele für den bedenklichen Einfluss von Bayer auf die Ergebnisse von Studien trotz der Länge empfehlenswert.
Sachverständige: “Das ist verfassungswidrig.”
Abgeordnete: “Ist uns egal.”
Mainstream-Medien: “Keine Verfassungsbedenken bei neuem BKA-Gesetz.”
Zum Nachlesen hier zwei Quellen:
Quelle 1: netzpolitik.org
Quelle 2: Fefes Blog (mit vielen weiteren, informativen Links)
Anmerkung KR: Wie der SPIEGEL hilft, der deutschen Marine den Weg zu bewaffneten Auslandseinsätzen freizumachen.
Anmerkung KR: Unserer Einschätzung nach sind Riester-Rentenversicherungen volkswirtschaftlicher Unfug und auch aus der Perspektive des Einzelnen nur in wenigen Fällen lohnend. Dennoch ist es interessant zu wissen, welcher dieser staatlich subventionierten Versicherer den Vergleich scheut.
Kongress gestellt worden. Die Senatorin Hillary Clinton etwa verlangte ebenfalls eine detaillierte Untersuchung über die politischen und militärischen Abläufe in der Südossetien-Krise. Andere Stimmen im Kongress wollten wissen, weshalb Präsident Saakaschwili amerikanische Warnungen vor einem militärischen Vorgehen in den Wind geschlagen habe.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Leider ist auch für die NZZ festzustellen, dass sich die “bösen” Russen mit fetten Schlagzeilen besser verkaufen lassen und über die ersten kritischen Fragen, die in Georgien und den USA an die Regierungen dieser Länder gestellt werden, unter „ferner liefen” berichtet wird. Immerhin, mal sehen, ob unsere Presse überhaupt berichtet.
Kommentar AM: Ein schlimmer Artikel. Undifferenziertes Reformgerede. Und: „Für die Europäische Union ist es jedoch wichtig, jetzt keine falschen Schlüsse zu ziehen und den Weg der Ukraine nach Westen weiter klar und eindeutig zu unterstützen.“ Wir wollen keine neue Konfrontation „Hier der Westen, dort die Russen.“ Aber dieser sogenannte Westen, der sein neues Heil in einer neuen Konfrontation sieht, hat überall seine Leute sitzen, auch in Leipzig, wie man an diesem Autor sieht.
Boliviens Nachbarn stärken Morales den Rücken
Der südamerikanische Staatenbund Unasur hat bei einem Sondergipfel in Santiago dem bedrängten bolivianischen Präsidenten Evo Morales den Rücken gestärkt. Die Staats- und Regierungschefs warnten die bolivianische Opposition vor einem Putsch und der Spaltung des Landes: Ein Staatsstreich, die Unterbrechung der verfassungsgemäßen Ordnung oder die Gefährdung der territorialen Einheit Boliviens würden nicht toleriert. Die Teilnehmer vereinbarten in der chilenischen Hauptstadt, den sich anbahnenden Dialog zwischen dem ersten Indio-Präsidenten des Andenstaates und der konservativen Opposition sowohl durch Vermittlung am Verhandlungstisch als auch logistisch zu unterstützen. Außerdem beschlossen die Vertreter der zwölf Mitgliedstaaten, eine Kommission zur Untersuchung der gewalttätigen Auseinandersetzungen mit etwa 25 Toten im Departement Pando einzusetzen.
Quelle: Tagesspiegel
Weiße Oberschicht nun ohne Maske
Evo Morales ist noch lange nicht am Ende. Der Indígena im bolivianischen Regierungspalast hat die bisher heftigste Attacke der Rechten auf seine “demokratische und kulturelle Revolution” geschickt gemeistert. Mit einer Mischung aus Vorsicht, Autorität und entschlossener Rhetorik für die eigene Basis hat der Staatschef die Möchtegern-Putschisten aus dem Tiefland in die Klemme manövriert.
Ganz im Gegensatz zu vielen seiner Kontrahenten hält sich Morales an Recht und Gesetz.
Quelle: TAZ
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