Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Eine Anmerkung vorweg: Die Verblödung schreitet voran, anders kann man es nicht mehr beschreiben. Dazu gleich mehrere Artikel (Hinweise 1-4) mit kleinen Kommentaren.
- Weltbank-Studie
Standort Deutschland fällt hinter Mauritius zurück
Der Standort D schwächelt: In einem weltweiten Vergleich der Wirtschaftsfreundlichkeit ziehen sogar Kleinstaaten wie Georgien und Mauritius an der Bundesrepublik vorbei. Grund ist der eklatante Reformstau.
Quelle: Spiegel
Anmerkungen (u.a. von NDS-Lesern und –Unterstützern):
AM: Ob die Macher solcher “Studien” nicht irgendwann vor Peinlichkeit und Scham im Boden versinken? Die unterentwickelten (Bürger-)Kriegsstaaten Georgien und Mauritius sind wirtschaftsfreundlicher als Deutschland????
Wir weisen auf diesen Artikel nur hin, damit Sie mit diesem Machwerk Leser von Spiegel und Manager Magazin davon überzeugen können, dass die Lektüre dieser Blätter keinen Sinn hat.
K.F.: Deutschland hat hohe Leistungsbilanzüberschüsse. Die Steuer- und Abgabenbelastung ist im EU-Vergleich gering. An welche Reformen denkt also die Weltbankstudie? Sollen die deutschen Arbeitnehmer künftig alle auf 400 Euro-Basis arbeiten?
E.A.F.: Zur “Quelle” der “Studie”(doing business) kein Wort. Eine Google – Suche führt zu keinem vernünftigen Resultat. Kein Wort zu den Hintergründen der Studie…
KR: „Grund ist der eklatante Reformstau.“ Der Spiegel, der in einem fernen Zeitalter einst für investigativen Journalismus stand, hält bei der Verbreitung solcher Propaganda nicht einmal mehr einen Konjunktiv für nötig.
Siehe dazu:
Wie bestellt: “Weltbankstudie”
Offenbar hat die TU_Chemnitz die ominöse Studie “Die Höhe der sozialen Mindestsicherung – Eine Neuberechnung “bottom up”” nunmehr endgültig aus dem Netz genommen und durch ein der Einseitigkeit der Studie angemessenes einseitiges Dokument (Präambel) als Platzhalter ersetzt. – Macht aber nichts, man braucht sie nicht länger und auch die “Hartz-IV Abzocker” Kampagne der BILD ist entbehrlich geworden, denn nun schaltet sich die internationale Abgreiftruppe ein. Die Weltbank:
„Der Standort D schwächelt: In einem weltweiten Vergleich der Wirtschaftsfreundlichkeit ziehen sogar Kleinstaaten wie Georgien und Mauritius an der Bundesrepublik vorbei. Grund ist der eklatante Reformstau… Das schlechte Abschneiden liegt nach Angaben der Weltbank vor allem daran, dass die Konkurrenten reformeifriger als die Bundesrepublik waren. Besonders bei den Firmengründungen schneidet Deutschland so schlecht ab wie kaum ein anderes Industrieland.“
Wundert sich eigentlich jemand, warum nicht auch einmal untersucht wird, wie Arbeitnehmer-, Bürger- oder Menschenfreundlich die einzelnen Staaten sind?
Frag ja nur …
Quelle: notatio
Anmerkung Roger Strassburg: Wieder so ein Ranking, die uns zeigen soll, wie andere Länder an Deutschland vorbeiziehen, weil sie “reformfreudiger” sind. Es ist aber ausgemachte Sache, dass die “reformfreudigeren” Länder in diesem Ranking höher liegen, denn Reformeifer war eines der wesentlichen Kriterien.
Dabei ist sogar Die Welt ehrlicher als Spiegel-Online:
Wirtschaftsfreundlichkeit: Wo sich Firmengründer und Investoren wohlfühlen – Reformeifer nimmt weltweit zu
Weltbank-Studie: Deutschland landet trotz Verbesserungen nur auf Platz 25 – Afrika holt auf.
Quelle Welt-Online
Darin heißt es (neben den üblichen Reform-Klischees):
Doch die Studie hat einige Schwächen. So berücksichtigen die Autoren nicht, wie solide die Volkswirtschaft insgesamt ist. Für die Platzierung spielt keine Rolle, wie gut im jeweiligen Land die Arbeitskräfte ausgebildet sind, ob eine funktionierende Infrastruktur vorhanden und wie hoch die Korruption ist. Damit bleiben aber für Unternehmer wichtige Rahmendaten außen vor. Nur so ist es auch verständlich, weshalb Länder wie Georgien und Malaysia an Deutschland vorbei auf die Plätze 15 und 20 gezogen sind.
Da sehen wir, was solche Studien wert sind, wenn nicht einmal so grundlegende Kriterien wie Ausbildung der Arbeitskräfte, Infrastruktur oder niedrige Korruption in Betracht gezogen werden. Hauptsache, die Zahl der “Reformen” stimmt – je mehr, desto besser.
- IWF: Rezession in Deutschland möglich
Der Internationale Währungsfonds (IWF) korrigiert seine Wachstumsprognose für Deutschland nach unten. Nächstes Jahr werde die deutsche Wirtschaft um weniger als ein Prozent wachsen
Von Quartal zu Quartal gerechnet erwartet der Fonds, dass die Konjunktur im Verlauf des kommenden Jahres wieder an Dynamik gewinnt. Der Fonds lehnt es ab, die Wirtschaft durch ein Konjunkturprogramm zu stützen. Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank hält er für angemessen. Der Weltwirtschaftsausblick wird im Oktober im Rahmen der IWF-Jahrestagung veröffentlicht.
Quelle: Zeit
Anmerkung K.F.: Unfassbare Vorstellungen und Vorschläge. Aber so war es schon immer. Offenbar doch keine Besserung beim IWF, was mancher erwartet hat. Die Ratschläge des IWF haben schon viele Staaten, besonders in Lateinamerika, direkt in den Bankrott geführt. Auf sie können wir daher ruhigen Gewissens verzichten.
- Die SPD nach dem Machtwechsel: Münte, und was nun?
Müntefering und Steinmeier heißen die Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft. Kaum haben sie die Spitzenposten der SPD übernommen, frohlocken viele, nun komme bei der zweiten großen Volkspartei wieder der wirtschaftliche Sachverstand zu seinem Recht. Die Aussage ist so richtig, wie ihre wirtschaftliche Konsequenz überschätzt wird.
Hinter allzu großen Erwartungen steckt ein Missverständnis. Der bisherige SPD-Machthaber Kurt Beck war zuerst und vor allem hinderlich für die eigene Partei, das Land insgesamt hat ganz andere Probleme. Deutschland krankte bisher nicht an einem schwachen SPD-Chef, sondern an weitgehend verlorenen vier Jahren in der Wirtschaftspolitik.
Wertvolle Zeit ist vertan worden, die im internationalen Standortwettbewerb doppelt und dreifach zählt – und daran soll ausgerechnet Kurt Beck schuld gewesen sein? Es ist schon erstaunlich, dass der Pfälzer nicht stark genug war, in der eigenen Partei für Ordnung zu sorgen, er aber die Koalitionsarbeit zu paralysieren vermochte – was am Ende vermutlich mehr über die Koalitionspartner CDU und CSU aussagt als über die SPD. Ein Kommentar von Marc Beise.
Quelle: SZ
Anmerkung K.F.: Ein deprimierender Kommentar der SZ. Die Dosis der Droge Reform erhöhen! Gefordert worden ist wahrlich genug, aber wer ist eigentlich gefördert worden? Im Prinzip doch wirklich nur die Wirtschaft.
- Patrick Adenauer: Privatisierung hat ein gewaltiges Potenzial
Fast alles, was der Staat macht, könnte effizienter und billiger von privaten Unternehmen übernommen werden. Man muss es nur richtig organisieren, sagt Patrick Adenauer.
Warum eigentlich muss man nach dem Niedergang des sozialistischen Systems und angesichts der chronisch dürftigen Ergebnisse staatlicher Unternehmertätigkeit ordnungspolitisch immer noch begründen, warum man für Privatisierung eintritt? Diese Debatte ist geführt, die Beweise sind erbracht – national und international. Und trotzdem sind die politischen und gesellschaftlichen Widerstände in Deutschland groß – und es drohen sogar Rückschritte. Nach zeitweise großen Privatisierungsfortschritten, etwa bei Post, Krankenhäusern und Infrastruktur, kommt es zum Beispiel im Entsorgungsbereich zunehmend zur „Rekommunalisierung“. Die Wettbewerbsverzerrungen zwischen öffentlichen und privaten Anbietern, namentlich in der sogenannten kommunalen Daseinsvorsorge, dauern an.
Quelle: WIWO
Anmerkung G.G.: Patrick Adenauer ist Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer-ASU“. Im Hauptberuf leitet der Enkel von Konrad Adenauer als geschäftsführender Gesellschafter das Kölner Unternehmen Bauwens Real Estate Group. Man fragt sich entgeistert, von welcher Debatte er da redet und welche Beweise er im Sinn hat angesichts genau gegenteiliger Erfahrungen, national wie international. Der “second-hand dealer in ideas” (F.A. Hayek) lässt keinen realitätsresistenten Glaubenssatz der Liberalalas aus – und die Wirtschaftwoche, Kooperationspartner der INSM – wen wundert’s also -, bietet ihm das passende Forum, sinnigerweise unter dem Titel “Denkfabrik”. In den Hinweisen des Tages vom 3. September, Ziffer 5, haben die NDS schon ein “Denkfabrikat” ähnlicher Qualität referiert. Und wer fehlt in solch illustrer Runde von “Dichtern und Denkern” ganz sicher nicht? Richtig, Prof. Dr. Hans-Werner Sinn, der running gag der deutschen Volkswirtschaftslehre (bei dem die überraschende Pointe allerdings stets ausbleibt), von dem der Kabarettist Georg Schramm meint, dass der Name nur ein Pseudonym (wörtlich: fälschlich so genannt) sein könne. Siehe zum Beweis: Wie Mindestlöhne unsere Wirtschaftsordnung attackieren
- Stellungnahme der Fakultät der TU Chemnitz zur Studie «Die Höhe der sozialen Mindestsicherung – Eine Neuberechnung ‘bottom-up’»
„Insbesondere angesichts der – selbstverständlich auch für Herrn Kollegen Thießen und seinen Koautor geltenden – Freiheit von Forschung und Lehre ist es weder möglich noch wünschenswert, jede Veröffentlichung von Fakultätsmitgliedern zu prüfen und eine Freigabe hierfür zu erteilen.
Wir werden uns aber in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zeitnah intensiv mit Methodik und Ergebnissen der Studie auseinandersetzen.“
Uwe Götze, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Quelle: TU Chemnitz
Anmerkung KR: Die Kritik wurde wahrgenommen und löste eine Reaktion aus. Die Ergebnisse der vom Dekan zugesagten Auseinandersetzung erst werden Aufschluss über die Hintergründe geben.
- Krach um die Uni-Reform: Der Bachelor-Bluff
Der Bachelor sollte die Wunderwaffe des deutschen Hochschulwesens werden. Doch nach neun Jahren räumen selbst die größten Fans ein: So geht es nicht weiter.
Quelle: TAZ
- Im Gespräch: SPD-Parteilinker Niels Annen
Herr Annen, ist der Sturz Kurt Becks und die Rückkehr Franz Münteferings eine Kampfansage an die SPD-Linke?
Nein, denn es geht nicht um einen Politikwechsel. Wir werden aber – da kann sich jeder sicher sein – sehr genau darauf achten, dass der Kurs Kurt Becks, die Beschlüsse des Hamburger Parteitags, fortgesetzt werden.
Eine Frage an den Außenpolitiker Annen. Steht uns nach 2002 ein zweiter Friedensmacht-Wahlkampf der SPD bevor? Guido Westerwelle scheint sich mit seiner Abrüstungsrhetorik ja schon für eine Ampelkoalition warmzulaufen.
Wir haben einen Außenminister, der erfolgreich Friedenspolitik betreibt. Das haben wir in den großen Krisen vom Nahen Osten bis hin zum Kaukasus gesehen. Und wir haben einen Außenminister, der das Thema Abrüstung weltweit wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat. Der Kanzlerkandidat steht in der Tradition Willy Brandts.
Quelle: FAZ
Anmerkung K.F.: Hoffentlich fährt der Außenminister mit seiner angeblich so erfolgreichen Friedenspolitik nicht in den Graben. Und das Thema Abrüstung ist mit dem neuen EU-Vertrag nicht vereinbar. Nach ihm soll bis 2012 solange aufgerüstet werden, bis die EU militärisch mit den USA gleichgezogen hat.
Anmerkung AM: Der Außenminister hat sich auch nicht zu der erstaunlichen, mit dem Nato-Partner Deutschland vermutlich nicht abgesprochenen Raketenstationierung in Polen geäußert, auch nicht zu der gegen Russland laufenden Kampagne, die seine Spielräume als Außenminister einengten. Es ist schon erstaunlich, wie sich die „Linken“ in der SPD positionieren.
- Ex-Verteidigungsstaatssekretär Wimmer fordert Bundeswehr-Abzug aus Afghanistan
Der frühere Verteidigungsstaatssekretär Willy Wimmer (CDU) hält den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan für “überfällig”. In der Zeitschrift “Stern” plädiert Wimmer sogar für einen einseitigen Rückzug des deutschen Kontingents: “Es ist nicht unser Krieg”, so Wimmer. Wimmer hält das Argument, in Afghanistan werde der internationale Terrorismus bekämpft, nur noch für vorgeschoben. “Was ist mit Osama bin Laden? Wird er tatsächlich gejagt? Ist er je gejagt worden? Oder stimmt der Eindruck, hier werde jemand der Welt wie Sauerbier angeboten?”, schreibt er für das Magazin.
Quelle: ngo
- Sieg der Vernunft
Die Eskalation zwischen Ost und West ist einstweilen vertagt. Am Montag traf sich eine Verhandlungsdelegation der EU, bestehend aus dem französischen Präsidenten Sarkozy, dem EU-Außenbeauftragten Solana und dem EU-Präsidenten Barroso, mit dem russischen Präsidenten Medwedew in Moskau. Beide Seiten verhandelten dort über die Implementierung des Medwedew-Sarkozy Plans, der den russisch-georgischen Krieg beendete. Heraus kam ein ausgewogener diplomatischer Kompromiss, bei dem beide Seiten ihr Gesicht wahrten und ihre Kerninteressen durchsetzten.
Sarkozy hat sich mit seiner emsigen Vermittlung diplomatische Lorbeeren erarbeitet. Sein Verhandlungserfolg war nur deshalb möglich, weil Frankreich – wie auch Deutschland – gute Beziehungen zu Russland unterhält und damit Handlungsoptionen hat. Hätten die Transatlantiker die Oberhand gewonnen, hätte die EU sich ohne Not dieser Optionen beraubt. Washington und London besitzen keinen Einfluss mehr auf Russland. Diejenigen, die die Angst vor einem russischen Imperialismus schüren, müssen sich dessen bewusst sein. Wer eine aggressive Konfrontationspolitik verfolgt, wird letztendlich genau das erreichen, was man zu verhindern vorgibt – einen neuen Kalten Krieg.
Quelle: Spiegelfechter
- Aus dem Wertekanon
Weil ihre Beiträge nicht in die Anti-China-Berichterstattung passten, wird eine Redakteurin der Deutschen Welle kaltgestellt.
Quelle: Junge Welt
- Mit Dumping zur Börse
Die Bahn-AG plant flächendeckende Lohnsenkungen im Regionalverkehr. Die GDL kündigt entschiedenen Widerstand an.
Quelle: Junge Welt
- OECD-Studie zu Migration: Deutschland fehlen Ausländer
Deutschland bleibt bei der Zahl der Zuwanderer hinter den meisten westlichen Industrieländern zurück. Wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch in Paris mitteilte, ließen sich 2006 nur 216.000 Ausländer auf Dauer in Deutschland nieder und damit elf Prozent weniger als im Vorjahr. Im gesamten OECD-Raum aus 30 Ländern sei derweil die Zahl der Einwanderer um rund fünf Prozent gestiegen. Setze sich der Trend fort, werde die erwerbsfähige Bevölkerung in Deutschland anders als in den meisten westlichen Industrieländern bis zum Jahr 2020 schrumpfen und zwar um 2,5 Prozent.
Quelle 1: SZ
Anmerkung KR: Deutliche Schrumpfung – um 2,5% bis 2020! Die Spökenkiekerei geht weiter.
Quelle 2: OECD
Quelle 3: OECD [PDF – 336 KB]
- Überfordert: Briefträger hortete Briefe zu Hause
Weil er nach eigener Aussage überfordert war, hat ein 23-Jährige Briefträger aus dem Nordend Briefe, Kataloge und Postwurfsendungen seit August 2007 in seiner Wohnung gehortet. Wie die Polizei mitteilte, habe der Mitarbeiter eines privaten Zustelldienstes unter anderem Post an Behörden, Kanzleien, Arztpraxen und Kliniken in den Postleitzahlenbereichen 60436, 60437 sowie 60438 unterschlagen. Nach den bisherigen Ermittlungsstand hat der Mann keine Briefe geöffnet, sondern sie einfach gelagert, um sie nicht zustellen zu müssen. Als Grund für seine Tat gab der junge Mann an, er besuche zur Zeit eine Abendschule, um seinen Hauptschulabschluss zu machen und habe sich deshalb überfordert gefühlt auch noch die Post auszutragen.
Quelle: Frankfurter Neue Presse
Anmerkung Martin Betzwieser: Hauptsache Wettbewerb, Hauptsache billig.
- Norbert Blüm kritisiert “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft”: “Der Sumpf muss trockengelegt werden”
“Etikettenschwindel ist hier noch eine sehr vornehme Bezeichnung. Auf jeden Fall ist es Lobbyarbeit und die machen das sehr geschickt. Deshalb brauchen wir Aufklärung. Der Sumpf muss trockengelegt werden. Die Leute müssen wissen, wer dahinter steht”, so Norbert Blüm wörtlich. Der Lobbyismus sei auch in Deutschland immer raffinierter geworden und arbeite mit angeblich unabhängigen Journalisten zusammen, so Blüm weiter. Es gebe genügend Beispiele, bei denen viel Macht und Geld im Spiel sei: “Wenn der Herr Meinhard Miegel immer rumtönt gegen die Rentenversicherung. Da muss man wissen, der ist verbandelt mit dem Deutschen Institut für Altersvorsorge, das im Kreis der Deutschen Bank zuhause ist. Das muss man alles wissen, damit man nicht unschuldig daran geht und weiß: Es geht um handfeste Interessen. Und die kann jeder vertreten, aber mit offenem Visier.“
Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Text)
Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (Podcast)
- INSM Städteranking – unkritische Berichterstattung
In den letzten Tagen ließ sich wieder einmal gut beobachten, wie wirtschaftsfinanzierte Wissenschaft, unkritischer Journalismus und meinungsmachendes Lobbying Hand in Hand gehen können. Das Anschauungsstück für diese beliebte Allianz lieferte die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Sie veröffentlichte am Freitag, den 5. September ein Städteranking zur wirtschaflichen Leistungsfähigkeit und Standortqualität der 50 größten deutschen Städte. Im Auftrag der INSM und der Wirtschaftwoche hatte die Kölner IW Consult die Wirtschaftskraft und Dynamik deutscher Großstädte zwischen 2002 und 2007 mit Hilfe von über 100 Indikatoren untersucht. Da sich Rankings im Allgemeinen – und Städterankings im Besonderen – großer Beliebtheit erfreuen (endlich klar geordnetes Wissen mit sportivem Tabellencharakter!) und die INSM ihre Kontakte in die Presse- und Fernsehlandschaft zu pflegen weiß, war die Medienresonanz auf die Vorstellung der Ergebnisse bemerkenswert. Unzählige Lokalzeitungen, Tagesschau, Die Welt, spiegel-online, SZ, etc. ließen es sich nicht nehmen, über die Ergebnisse der Studie zu berichten. Bemerkenswert war auch wie die Berichterstattung aussah. Denn die Hintergründe zur INSM spielten in den Beiträgen kaum eine oder gar keine Rolle. So verzichtete Die Tagesschau in ihrem ca. zweiminütigen Bericht komplett darauf, die Financiers der INSM – den Arbeitgeberverband Gesamtmetall – oder ihre arbeitgeberfreundliche Ausrichtung zu benennen.
Dabei gibt das Fazit bei der Vorstellung (pdf) der Studie durch INSM und Wirtschaftswoche klar Auskunft darüber, was mit Veröffentlichungen wie dem Städteranking erreicht werden soll: “Ohne Wirtschaftsfreundlichkeit kein Erfolg.”
Quelle 1: LobbyControl
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist eine branchen- und parteiübergreifende Plattform und ausdrücklich offen für alle, die sich dem Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft verbunden fühlen. Finanziert wird ihre Arbeit durch die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie. Die INSM verfügt über einen Jahresetat von rund 8,32 Mio. Euro jährlich, nach Abzug von Steuern. Wissenschaftlich begleitet wird die INSM vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).
Quelle 2: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (Finanzierung)
- Entgeltumwandlung: Für gesparte Beiträge gibt es keine Rente
Schätzungsweise neun Millionen Arbeitnehmer nutzen inzwischen die Möglichkeit, einen Teil des Monatsgehalts oder einer Sonderzahlung in die betriebliche Altersvorsorge zu stecken. Auf den ersten Blick hat das nur Vorteile: Die Einzahlungen sind steuer- und sozialabgabenfrei. Erst auf die Zusatzrente im Alter werden Steuern sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fällig. Die Sache hat aber auch einen Haken: Für die eingesparten Rentenbeiträge gibt es später keine Rente. Die steuerlich geförderte Entgeltumwandlung wurde 2002 gleichzeitig mit der Riester-Rente eingeführt. Sie sollte vor allem dazu beitragen, der damals stagnierenden betrieblichen Altersversorgung neuen Schub zu geben. Inzwischen ist die Zusatzvorsorge über die Arbeitgeber jedoch so weit wiederbelebt, dass der Rentenversicherung aufgrund der Entgeltumwandlung jährlich etwa 1,2 Milliarden Euro entgehen, wie das Bundessozialministerium errechnet hat. Dadurch haben sowohl die heutigen als auch künftige Rentner geringere Rentenansprüche – auch wenn sie die Entgeltumwandlung gar nicht nutzen.
Quelle 1: Ihre Vorsorge
Anmerkung Martin Betzwieser: Wer eine solche beitragsfreie Entgeltumwandlung hat, wird auf der Gehaltsabrechnung feststellen, dass nicht nur Rentenversicherungsbeiträge gespart werden, sondern Sozialversicherungsbeiträge in allen Zweigen. Das bedeutet dann auch weniger Arbeitslosengeld I, weniger Krankengeld, weniger Übergangsgeld, weniger Krankengeld bei unbezahlter Freistellung zur Betreuung eines kranken Kindes, weniger Kurzarbeitergeld. Eigentlich klar – wer weniger Sozialversicherungsbeiträge zahlt, wird im Leistungsfall nicht behandelt, als wäre nichts.
Schätzen wir doch auch mal vorsichtig aber gewissenhaft den Verlust für die anderen Sozialversicherungszweige aus. Da haben wir
- einen durchschnittlichen Krankenversicherungsbeitrag von 14,8%; macht einen jährlichen Verlust von über 890 Millionen Euro
- einen Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 3,3%, macht einen jährlichen Verlust von fast 199 Millionen Euro
- und einen Beitrag zur Pflegeversicherung von 1,7% für Menschen mit Kindern bzw. 1,95% für Kinderlose (jeweils Stand 01/2008); grob gerechnet mit einem Durchschnittssatz von 1,825% macht das einen Verlust von über 110 Millionen Euro.
- Das macht dann einen jährlichen Verlust von über 2,4 Milliarden Euro!
Quelle 2: Beitragssätze der Sozialversicherung (Stand 01/2008) URBS Media
Die beitragsfreie Entgeltumwandlung in dieser Form war vom Gesetzgeber gewollt; es besteht ein Rechtsanspruch auf Betriebliche Altersvorsorge.
Quelle 3: Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Die entsprechenden Folgen müssen relativ schnell nach der Einführung bekannt gewesen sein und sind offensichtlich gewollt. Da nicht nur weniger gesetzliche Rente die Folge sind, ist es für Beschäftigte und spätere Rentner/innen kein Nullsummenspiel sondern ein Verlustgeschäft. Profiteure sind Finanzdienstleister, Versicherungskonzerne und Arbeitgeber, die Sozialversicherungsbeiträge in Millardenhöhe sparen.
KV |
14,8 |
892.462.311,56 € |
RV |
19,9 |
1.200.000.000,00 € |
AV |
3,3 |
198.994.974,87 € |
PV |
1,825 |
110.050.251,26 € |
Summe |
39,825 |
2.401.507.537,69 € |
- Wie sich Numerus-Clausus-Flüchtlinge Studienplätze in Deutschland kaufen
Hier wird Studieren zur Luxussache – schon rein finanziell. Eine Budapester Hochschule bildet Mediziner aus, die an deutschen Unis null Chance haben. Das Studium beginnt in Budapest – und geht in Hamburg weiter. Der kuriose Studiengang kostet, festhalten: 80.000 Euro Gebühren.
Quelle: SPIEGEL online