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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 12. Juli 2016 um 8:29 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Steuerzahler arbeiten ab Dienstag für sich
  2. Die Schwäche der deutschen Gewerkschaften und die Schwäche des Euro
  3. Machtkampf bei Labour: Abgeordnete Eagle fordert Parteichef Corbyn heraus
  4. Brexit – “Kein Aufstand gegen die EU, sondern gegen Westminster”
  5. Brexit und Italien-Krise: Euro-Gruppen-Chef schließt neue Bankenrettung aus
  6. Der Bremsklotz für den Abenomics-Turbo
  7. Die gesetzliche Rente ist viel besser als ihr Ruf
  8. Lufthansas next Topmodel
  9. Greenpeace: TTIP zerstört Energiewende
  10. NATO-Gipfeltreffen in Warschau: Das 360-Grad-Bündnis geht in die Offensive
  11. Tony Blair und George W. Bush sollten angeklagt werden
  12. Dauer-Hartz-IV-Bezieher: Falschmeldung der BILD-Zeitung
  13. Wir sind nicht eure Kuscheltiere
  14. Geschenke sind nicht umsonst
  15. Das Letzte – Wagenknecht torpediert Rot-Rot-Grün

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steuerzahler arbeiten ab Dienstag für sich
    Rein rechnerisch haben die deutschen Steuerzahler bisher nur für den Staat und die Sozialkassen gearbeitet. Erst ab Dienstag landet das Einkommen der Arbeitnehmer in ihrem Portemonnaie. Das hat der Bund der Steuerzahler ausgerechnet. Müssten die Arbeitnehmer und Betriebe in Deutschland zuerst die gesamten Steuern und Sozialabgaben eines Jahres bezahlen, hätten sie bisher nur für die Staatskasse gearbeitet – und erst ab Dienstagnachmittag 14.44 Uhr würden ihre Einkommen und Einnahmen in ihrem eigenen Portemonnaie landen. Das erklärte der Steuerzahlerbund am Montag in Berlin und ernannte den Dienstag deshalb zum “Steuerzahlergedenktag”. Damit haben Arbeitnehmer und Betriebe in diesem Jahr länger in die Staatskassen eingezahlt als in den Vorjahren. Zwischen 2012 und 2014 fiel der “Steuerzahlergedenktag” jeweils auf den 8. Juli. Die “volkswirtschaftliche Einkommensbelastungsquote” werde im Jahr 2016 bei voraussichtlich 52,9 Prozent liegen, erklärte der Steuerzahlerbund weiter. Von jedem verdienten Euro blieben also nur 47,1 Cent übrig.
    Quelle: Hannoversche Allgemeine

    Anmerkung unseres Lesers E.V.: Es ist schlimm, dass es eine solche vor Dummheit strotzende Meldung in die Presse schafft! Damit soll den Bürgerinnen und Bürgern auf propagandistische Weise deutlich gemacht werden, dass der “böse” Vater Staat ihnen ungefähr die Hälfte des sauer verdienten Lohnes abknöpft, sie also ein halbes für den “bösen Staat” und nur ein halbes Jahr für sich selber arbeiten.

    Das ist in jeglicher Hinsicht verfälschend und irreführend! Denn:

    1. sind die gezahlten Steuern ja nicht einfach weg, sondern sie kommen den Bürgern in Form von Schulen, Straßen, Umweltschutz, Polizei und Justiz usw. wieder zugute.
    2. In den ca. 50 Prozent Abzügen sind auch die Zahlungen in die gesetzlichen Renten-, Pflege-, Arbeitslosen- und Krankenkassen enthalten. Das heißt, dieses Geld fließt gar nicht in die Staatskasse, wie vom dubiosen Steuerzahlerbund behauptet. Denn diese Kassen sind selbstverwaltet oder quasi privatwirtschaftlich organisiert und auch dies Geld ist nicht weg, wie jeder, der schon mal krank gewesen ist, bezeugen kann. Wenn nun der so genannte Steuerzahlerbund die gesetzlichen Sozialversicherungen abschaffen will, dann können sich nur noch Reiche einen Arzt oder gar eine Krankenhausbehandlung leisten!
    3. Es gibt ihn gar nicht, den vom Steuerzahlerbund vorgeführten deutschen Steuerzahler, denn u.a. durch die Steuerprogression und das Ehegattensplitting ist die prozentuale Steuerbelastung der Arbeitnehmer sehr unterschiedlich und es gibt auch Steuerzahler, wie z.B. die Beamten, die gar nicht in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme einzahlen.

    Fazit: Billige Stimmungsmache mit verfälschenden Behauptungen! Hätte der Steuerzahlerbund wirklich ein Interesse daran, die Steuerbelastung der Arbeitnehmer zu senken, könnte er ja mal eine gerechte Besteuerung der Unternehmen, der Erben, des Vermögens oder der internationalen Großkonzerne, die z.B. in Luxemburg z.T. nur 0,003 Prozent Steuern zahlen, fordern. Mit diesen zusätzlichen Einnahmen könnte man die Steuerlast der Arbeitnehmer erheblich senken und zugleich noch in die Infrastruktur für die Zukunft investieren!

    Anmerkung JK: Zu ergänzen wäre, dass der Name „Bund der Steuerzahler“ ein unverschämter Euphemismus ist, da dieser neoliberale Lobbyverein, mitnichten die Interessen der Bürger im Fokus hat. Statements wie: „Gegen ausufernde Staatsverschuldung hilft nur eins. Die Ausgaben der öffentlichen Hand müssen sinken.“ oder „Der Staat sollte sich auf wichtige Aufgaben beschränken, z. B. auf die Wahrung der äußeren und inneren Sicherheit, Bildung, ein ausgewogenes Maß an sozialem Ausgleich und den Schutz natürlicher Lebensgrundlagen.“, machen deutlich wo der Verein einzuordnen ist.

    Dazu sind auch entsprechende Beiträge auf den NachDenkSeiten erschienen.

    1. Wie der Bund der Steuerzahler die Öffentlichkeit täuscht
    2. Wessen Interessen vertritt der Bund der Steuerzahler?
  2. Die Schwäche der deutschen Gewerkschaften und die Schwäche des Euro
    Gewerkschaftsnahe Ökonomen beklagen sich über unsere Kritik an zu niedrigen Lohnabschlüssen. Sie verweisen auf die Machtverhältnisse, die nichts anderes zulassen. Wenn das so ist, fragt man sich, warum die Gewerkschaften in der Öffentlichkeit so verhalten agieren. Gustav Horn hat kürzlich (hier) die Gewerkschaften gegen meinen Vorwurf (hier) verteidigt, sich in der Tarifpolitik zu sehr zurückzuhalten. Er argumentiert, dass dann, wenn die Gewerkschaften könnten wie sie wollten, längst alles gut wäre, weil sie so hohe Löhne durchsetzen würden, dass die Deflation in Europa verschwände und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit erheblich verringert würde. Die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt, so Horn, verhinderten allerdings bessere Abschlüsse. Diese Machtverhältnisse könne man aber nicht den Gewerkschaften vorwerfen. Er schließt:

    „Die „Schuld“ am unbefriedigenden Ergebnis allein den Gewerkschaften aufzubürden, ist also eine sehr asymmetrische Betrachtungsweise.“

    Ich dachte mir, dass ich mal einen Moment warte, bevor ich ihm antworte, weil die Gewerkschaften alle paar Wochen selbst den besten Beweis dafür liefern, dass seine Behauptung einfach nicht stimmt. Jetzt ist es schon so weit. Der oberste deutsche Gewerkschaftler, DGB-Chef Reiner Hoffmann, wurde in Reaktion auf den Brexit von Spiegel-Online (hier) gebeten, aufzuschreiben, wie sich die EU reformieren sollte. Er hat darauf mit einem Gastbeitrag geantwortet und gezeigt, dass es eben nicht nur die Ohnmacht der Gewerkschaften ist, die verhindert, dass das Richtige geschieht.
    Quelle: Makroskop

    Dazu: Europa zerbricht
    „Die Peripherisierung eines ganzen europäischen Staates ruft dauerhaften politischen Widerstand hervor. Man kann Griechenland nicht aufgeben wie ein Schweizer Bergdorf, dazu müssten politische Rahmenbedingungen vollständig umgestaltet werden. Das umgekehrte Problem haben schließlich die konkurrenzfähigen Staaten des Zentrums: Sie müssten Transfers zustimmen, die die Randexistenz erträglich machen.“ Eine gemeinsame Währung erfordert letztlich „ein gemeinsames sozioökonomisches Regime, einen gemeinsamen Staat“, der das Steuer- und Sozialsystem kontrolliert. An dieser Stelle rückt das deutsche Problem ins Zentrum. Deutschland ist der Hauptnutznießer des Euro. Die deutsche Wettbewerbsfähigkeit durch die Globalisierung wurde verbessert und durch die ungleiche Lohn- und Produktivitätsentwicklung noch verstärkt: „Der südliche Teil der Eurozone, inklusive Frankreich, verlor schon 2007 den Anschluss an das deutsche Zentrum.“ Von 2003 bis 2007 stieg der deutsche Leistungsbilanzüberschuss, vor allem durch die Exporterlöse, auf 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), nach der Krise (2014) waren es wieder 7,6 Prozent des BIP oder 220 Milliarden Euro.
    Quelle: Das Blättchen

  3. Machtkampf bei Labour: Abgeordnete Eagle fordert Parteichef Corbyn heraus
    Kaum scheinen die britischen Tories befriedet, kündigt sich ein Machtkampf bei Labour an. Die Abgeordnete Angela Eagle möchte die Partei führen.
    Die britischen Parteien sind nach dem Brexit-Votum in Aufruhr. Bei den Konservativen scheint sich die Suche nach einem neuen Vorsitzenden geklärt. Theresa May hat sich gegen ihre Rivalen durchgesetzt, sodass sie wohl bald an der Spitze der Tories stehen wird. Auch bei der sozialdemokratischen Labour-Partei könnte es einen Wechsel in der Führung geben. Die Abgeordnete Angela Eagle forderte am Montag offiziell Jeremy Corbyn, 67, heraus. Damit steht wieder eine Urwahl der Parteibasis bevor.
    Eagle, 55, zählte zu Corbyns Schattenkabinett, bevor eine parteiinterne Revolte gegen ihn losbrach. Nach dem Votum für den EU-Austritt des Landes beim Referendum am 23. Juni ist der Parteichef unter Druck geraten. Corbyn habe nur halbherzig für den Verbleib in der EU gekämpft, so Eagle. “Er ist kein schlechter Mann. Aber er ist kein politischer Führer”, lautet ihr Urteil.
    Corbyn erklärte, er sei enttäuscht von Eagle – werde aber zu einer Urwahl antreten. Erst kürzlich hatten die Labour-Abgeordneten ein Misstrauensvotum gegen ihren Chef mit breiter Mehrheit verabschiedet – dennoch weigert sich Corbyn bislang zu gehen. Er verweist darauf, dass die Parteibasis ihn erst im September 2015 mit breiter Mehrheit an die Spitze gewählt habe.
    Während Corbyn in der wöchentlichen Fragestunde im Parlament rednerisch bislang wenig überzeugen konnte, erwies sich Eagle in ihren Wortgefechten mit Finanzminister George Osborne als “pointiert und witzig”, wie der konservative “Daily Telegraph” befand. Eagle wurde am 17. Februar 1961 im englischen Bridlington geboren und trat schon mit 17 Jahren in die Labour-Partei ein. Sie gehört zum linken Parteiflügel und hielt zu den früheren Parteichefs Tony Blair und Gordon Brown Distanz.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die politische Ausrichtung des SPIEGEL ist ja bekannt: neoliberal bis zum Erbrechen. Wikipedia schreibt über Eagle: “Im Juni 2007 wurde sie von Gordon Brown als Staatssekretärin des Schatzamtes (Exchequer Secretary to the Treasury) in die Regierung berufen. Im Jahr 2003 unterstützte Eagle den Kurs der Labour-Regierung unter Tony Blair und stimmte für die britische Beteiligung am Irakkrieg. Untersuchungen der US-geführten Invasion lehnte sie immer wieder ab. Sie unterstützt die Einführung von Studiengebühren, die Vorratsdatenspeicherung sowie das britische Atomwaffen-Programm Trident. 2015 gehörte sie zu den Labour-Abgeordneten, die nicht gegen die Sozialkürzungen der konservativen Regierung stimmten.” (In der englischsprachigen Wikipedia kommt noch klarer zum Ausdruck, daß sie zum rechten, neoliberalen Rand von Labour gehört. Daran gemessen, ist die Beschreibung von Angela Eagle durch den SPIEGEL, sagen wir mal, “interessant”: “Sie gehört zum linken Parteiflügel und hielt zu den früheren Parteichefs Tony Blair und Gordon Brown Distanz.” Lügenpresse? Hier tritt also in Wahrheit eine exponierte Vertreterin des Rechtsaußen-Flügels von Labour gegen Corbyn an; eine Entscheidung für Eagle wäre tatsächlich eine Grundsatzentscheidung zugunsten des Blair-Flügels.

    Anmerkung JK: Was daran so erbärmlich ist, dass die herrschenden Eliten immer wieder Verräter finden, die mithelfen jeden politischen und sozialen Fortschritt zu verhindern. Der SPD fehlt ein Jeremy Corbyn, dafür hat sie einen Sigmar Gabriel, welcher der deutschen Oligarchie jeden Wunsch von den Lippen abliest.

    Anmerkung Paul Schreyer: Ergänzend zum Kommentar von J.A.: Die Formulierung im Spiegel-Artikel “Eagle gehört zum linken Labour-Flügel und hielt zu den früheren Parteichefs Tony Blair und Gordon Brown Distanz” findet sich wortwörtlich auch in einem Text der WELT sowie bei weiteren Blättern. Offenbar entstammt der Satz einer Agenturmeldung. Um so interessanter, wie diese inhaltlich offenbar falsche Einordnung nun mühelos ihren Weg in mehrere große Zeitungen findet.

  4. Brexit – “Kein Aufstand gegen die EU, sondern gegen Westminster”
    “Wenn drei Viertel der Gesellschaft glaubt, sie könne nicht mehr aufsteigen, dann ist das ein Drama”: Die Vernachlässigung großer Teile Großbritanniens habe zu einer Befürwortung des Brexit geführt, sagte der Publizist Thomas Kielinger im DLF. Dieses Votum sei kein Populismus, betonte Kielinger, sondern ein Schrei aus der Tiefe, der die politische Klasse wachrütteln werde.
    Köhler: Wir haben es uns kurz nach dem Brexit einfach gemacht und haben gesagt, na ja, die Armen, die Alten, die Ungebildeten, die haben den Ton angegeben, deshalb sind die rausgeflogen. Das sind die Enttäuschten, das sind die sozialen Abstiegsängste. Lassen Sie uns einen Blick doch mal darauf werfen, was da los ist. Haben wir es in England, in United Kingdom immer noch mit einem undurchlässigen Klassensystem zu tun, das soziale Mobilität verhindert?
    Kielinger: Ihre Frage trifft den Kern übrigens, und zwar will ich sie beantworten mit einer Studie, die vor einer Woche, gerade vor wenigen Tagen herauskam, wonach 76 der befragten Briten äußerten, sie halten ihre Aufstiegschancen für beendet. 76 Prozent sagten, die “upward mobility”, die Mobilität in der Gesellschaft ist ans Ende gekommen. Jeder sitzt dort in seinem Mus, wo er sitzen kann und sich nicht mehr verbessern. Wenn drei Viertel der Gesellschaft glaubt, sie können nicht mehr hochklettern, dann ist hier ein Drama, ein S.O.S. ausgerufen, welches Ihnen sagt, dass in der Tat die Elite sündhafterweise übersehen hat, was sich im Rest des Landes tut, welcher Abstieg, welcher Verlust an Lebensqualität, und das kommt jetzt scharf zum Vorschein.
    Quelle: Deutschlandradio
  5. Brexit und Italien-Krise: Euro-Gruppen-Chef schließt neue Bankenrettung aus
    Banker und Vermögensverwalter rufen wieder nach dem Staat: Die Steuerzahler sollen die Banken rekapitalisieren, um eine neue Krise zu verhindern. Die Euro-Gruppe bleibt jedoch vorerst hart. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem lehnt ein neues Bankenrettungsprogramm ab. “Die Probleme müssen in den Banken geregelt werden”, sagte der Niederländer beim Treffen der Eurofinanzminister am Montag in Brüssel. Die Einfachheit, mit der einige Banker mehr öffentliche Gelder forderten, um ihre Probleme zu lösen, sei problematisch. “Das muss ein Ende haben.”
    Der Chefökonom der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, hatte am Wochenende gefordert, 150 Milliarden Euro in die Rekapitalisierung der europäischen Banken zu stecken. Vorbild sind die USA: Sie hatten alle Großbanken in der Finanzkrise von 2008 mit milliardenschweren Finanzspritzen versorgt, sie damit stabilisiert – und am Ende damit auch noch Geld verdient. Das Problem: Staatliche Hilfen für angeschlagene Banken dürfen laut EU-Regeln erst fließen, nachdem Aktionäre und private Gläubiger herangezogen wurden. Das wurde nach der Finanzkrise beschlossen. Folkerts-Landau will diese Regeln nun aufweichen: Notfalls müsse für die Bankenrettung ein Bruch der neuen EU-Bankenrichtlinie akzeptiert werden, sagte er.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Das entscheidende Wort scheint mir “vorerst” zu sein: vorerst ist eine Bankenrettung durch die Staaten ausgeschlossen. Sollte sich die Situation in den kommenden Wochen verschlechtern, dann wird aus einem “vorerst” wohl irgendwann ein “vielleicht leider doch, wenn auch schwer vermittelbar” und schließlich “systemrelevant” und “alternativlos”. Wenig später werden die Folkerts-Landaus dieser Welt den Staaten die hohe Verschuldung und die viel zu hohen Sozialausgaben vorwerfen… für mich nicht nachvollziehbar, aber seit 2008 kommen die Neoliberalen mit dieser Lüge durch, die eine Bankenkrise in eine Staatsschuldenkrise verwandelt hat.
    Letztendlich sind aber in diesem Fall anscheinend die italienischen Banken nur teilweise selber schuld. Das Hauptproblem ist wohl die extrem schlechte wirtschaftliche Entwicklung vor allem in Italien, aber auch im Rest von Europa. In diesem rezessiven Umfeld haben die Banken kaum eine Chance, erfolgreich zu wirtschaften. Möglicherweise wäre es tatsächlich am besten, die Banken zwangsweise zu rekapitalisieren – aber wenn weiterhin die katastrophale Wirtschaftspolitik verfolgt wird, die Folkerts-Landau et al. fordern, dann ist das alles für die Katz.

    Anmerkung JK: Es ist unfassbar, die Kampagne läuft an wie geschmiert, der sogenannte Chefökonom der Deutschen Bank hat das Stichwort geliefert und die obersten Repräsentanten der Finanzindustrie sekundieren sofort. Die nächste Bankenrettung oder besser die Rettung der Vermögen der Reichen und Superreichen auf Kosten der überwiegenden Mehrheit der Bürger wird kommen, was die Brüsseler Eliten auch immer verlautbaren mögen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
    Blackrock alleine verwaltet ein Vermögen von 4,5 Billionen (!) Dollar. Kein Politiker der Welt wird es wagen dagegen anzugehen. Schon gar nicht ein Jeroen Dijsselbloem, der als Finanzminister der Niederlande, Finanzminister einer der größten europäischen Steueroasen ist.
    Was bei der ganzen Sache aber von den deutschen „Qualitätsmedien“ wieder einmal völlig ausgeblendet wird, ist eine der Ursachen der italienischen Krise. Seit 2008 ist Italiens Wirtschaftsleistung um zehn, die Industrieproduktion um 25 Prozent gesunken. Wesentliche Ursache ist das fortgesetzte deutsche Lohn- und Sozialdumping.

  6. Der Bremsklotz für den Abenomics-Turbo
    Am Tag Eins nach seinem Triumph in den Oberhauswahlen kündigte Japans Ministerpräsident Shinzo Abe an, seinem Wahlversprechen treu zu bleiben. Die Wahlen hätten ihm den Auftrag gegeben, die „Abenomics“ zu beschleunigen, sagte er am Montag im Hauptquartier seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP). „Wir werden umfassende und mutige Konjunkturstimuli umsetzen, um die heimische Nachfrage deutlich zu stärken.“
    Bereits am Dienstag will er Nobuteru Ishihara, den Minister für Wirtschaft- und Haushaltsplanung, mit der Ausarbeitung eines Konjunkturprogramms in noch unbekannter Höhe beauftragen. Es wird spekuliert, dass es über 88 Milliarden Euro groß sein könnte. Unter anderem soll in den Schienenverkehr investiert werden, kündigte Abe am Montag an. Außerdem wird geprüft, ob ein Teil des notwendigen Extrahaushalts erstmals seit vier Jahren mit Aufbaubonds finanziert werden wird.
    Tatsächlich könnte das Votum der Wähler kaum klarer sein. Die Koalition aus seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) und der Neuen Gerechtigkeitspartei eroberte nicht nur eine haushohe Mehrheit. Nur einen Sitz mehr, und Abes Partei hätte sogar erstmals seit 27 Jahren aus eigener Kraft eine absolute Mehrheit im Oberhaus gehabt. Mehr noch: Der Regierungschef hatte die Wahl für die eigentlich weniger wichtige obere Kammer des Parlaments zum Plebiszit darüber gemacht, ob er wie beabsichtigt neue Konjunkturprogramme auflegen und eine Mehrwertsteuererhöhung verschieben darf, die zur Haushaltssanierung geplant war.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung JK: 88 Milliarden Euro für ein Konjunkturprogramm in Japan. 150 Milliarden in Europa zur Rettung der Banken und Vermögen der Reichen und Superreichen.

  7. Die gesetzliche Rente ist viel besser als ihr Ruf
    Man muss dem quirligen Herrn Blüm schon mal in einem Punkt Recht geben: Die Rente ist insofern sicher, als aus der Rentenkasse jeden Monat stets zuverlässig das Geld überwiesen wird – ohne, dass irgendeiner sagen kann, vom nächsten Mal an gibt es zum Beispiel 50 Euro weniger. Die Rentenversicherung hat mehr als 125 Jahre überlebt. Darunter zwei Weltkriege, eine Hyperinflation, die deutsche Einheit, die New-Economy-Blase und die Finanz- und Eurokrise. An den Aktienmärkten können sich Billionen Euro in Luft auflösen und Zertifikate der US-Pleitebank Lehman über Nacht wertlos werden, die Rente kommt trotzdem pünktlich.
    Es ist ein Glücksfall, dass die gesetzliche Alterssicherung nicht vom Auf und Ab der Aktienkurse und Zinsen abhängt und niemand an ihr Geld verdient. Weder wenn der Beitrag eingezahlt, noch wenn die Rente ausgezahlt wird, kann irgendeine Bank, Versicherung oder Drückerkolonne Provisionen für sich abzweigen. Es gibt keine Gebühren, keine Werbung, die das Geld der Versicherten wegfrisst. Die Rentenversicherung mag wie eine angestaubte Behörde aus vergangenen Zeiten wirken, aber sie arbeitet effizient. Die Verwaltungskosten belaufen sich auf 1,4 Prozent ihrer Gesamtausgaben. Bei Riester-Verträgen können sie um ein Vielfaches höher sein. Da sind schnell nur für den Abschluss mehr als 3000 Euro weg. Einfach so.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung JK: Nun ja, wer wollte, konnte das schon seit langem auf den NachDenkSeiten lesen. Es ist trotzdem lobenswert, dies in der SZ, deren Wirtschaftsteil eigentlich streng neoliberal ausgerichtet ist, an prominenter Stelle zu finden.

  8. Lufthansas next Topmodel
    Die Lufthansa sucht dringend Flugbegleiter. In ihrer Personalnot greift die Fluglinie auf ein beliebtes Fernsehformat zurück. Wie weit ist es eigentlich noch her mit dem einstigen Traumberuf? […]
    Es ist ein innovativer Versuch, mit dem die Lufthansa versucht, schnell und effizient den Personalengpass zu überbrücken, der sich diesen Sommer aufgetan hat. Klaus Jacobsen, studierter Psychologe, betreut die Kabinenbesatzung der Fluggesellschaft und entwarf das Konzept des Castings. Die ursprüngliche Idee dahinter ist simpel: „Wir wollten es den Bewerbern ein Stück weit leichter machen, indem wir zu ihnen kommen.“ Die Konkurrenten Emirates und Turkish Airlines haben schon ähnliche erfolgreiche Castings durchgeführt. Die Lufthansa, die aus Personalmangel in diesem Sommer auf Langstreckenflügen schon mit einem Flugbegleiter weniger in der Economy-Klasse fliegt, beschloss, das Konzept zu übernehmen.
    Mit Erfolg: Nach zwei von vier geplanten Castings konnte die Fluggesellschaft immerhin 250 Bewerbern eine Zusage erteilen. Klaus Jacobsen hat dennoch einen nüchternen Blick auf die Dinge. „Natürlich kostet so eine Veranstaltung auch.“ […]
    Michael Lamberty, Pressesprecher der Lufthansa, räumt außerdem ein: „Natürlich ist es auch ein anstrengender Beruf: Zu Zeit- und Klimaumstellungen kommen noch die unregelmäßigen Arbeitszeiten hinzu. Wer damit nicht umgehen kann, hat ein Problem. Dafür ist der Beruf aber auch ungeheuer flexibel, bei uns hat jeder Flugbegleiter ein Mitspracherecht an seinem Einsatzplan.“ Zumal die unregelmäßigen Arbeitszeiten auch Hauptgrund für die immer noch gute Bezahlung sind. Die monatliche Einstiegsvergütung von 1416 Euro wird erheblich durch die Schichtzulage verbessert, die zum Teil nicht versteuert werden muss. Damit kommt ein gerade angelernter Flugbegleiter auf ein monatliches Bruttogehalt von circa 2000 Euro.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Schöne Satire, die präzise darstellt, daß die Arbeitgeberseite immer nur über Kosten jammert. Daß die Lufthansa für diesen Streßjob mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, Schichten und Tagen fern von zu Hause tatsächlich lächerliche 2.000 Euro brutto (Einstiegsgehalt) bietet, das eine “immer noch gute Bezahlung” nennt und glaubt, Bewerber zu finden: Schenkelklopfer! Und Eurowings zahlt 500 Euro weniger, also 1.500 Euro brutto, was ein Witz!!! — Nein, ist ja gar kein Witz. Die meinen das ernst, jammern über einen Personalmangel und zu wenige Bewerber… Unfaßbar. Was ist aus dem deutschen Arbeitsmarkt geworden, ein Sklavenmarkt.

  9. Greenpeace: TTIP zerstört Energiewende
    In dieser Woche kommen die Vertreter aus der EU und den USA zur 14. Verhandlungsrunde über das Freihandelsabkommen TTIP in Brüssel zusammen. Eigentlich wollten beide Seiten schon wesentliche Schritte weiter sein: In den USA wird im Herbst gewählt, ob ein halbfertiger Verhandlungstext nach Präsident Barack Obama überhaupt Chancen hat, ist völlig offen. Auch deshalb beschwor die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström kürzlich bei einem Auftritt in Washington ihre Zuhörer beim Atlantic Council: »Wenn wir unser Ziel bis zum Jahresende erreichen wollen, müssen wir schneller arbeiten«.
    Für diese Runde hat die EU-Kommission ein erstes Verhandlungspapier zum Thema Energie vorgelegt. Die Umweltorganisation Greenpeace hat die Vorlage am Montag veröffentlicht und kritisierte bei einer Protestaktion in Berlin: »TTIP zerstört die Energiewende.« So setze die EU bei der Energieeffizienz lediglich auf Freiwilligkeit. Konkret heißt es in der Vorlage, freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen erreiche »die politischen Ziele schneller und kostengünstiger als obligatorische Vorschriften«.
    Quelle: Neues Deutschland
  10. NATO-Gipfeltreffen in Warschau: Das 360-Grad-Bündnis geht in die Offensive
    Bemerkenswert sind auch die Bekenntnisse zur stärkeren NATO-EU-Zusammenarbeit, insbesondere bei der Flüchtlingsbekämpfung. Mittendrin – oder besser: ganz vorne – ist bei all dem die Bundesregierung, die ganz offensichtlich mit ihrem erklärten Anspruch, künftig als militärische Führungsmacht handeln zu wollen, ernst macht.
    Wie sich die Zeiten doch ändern können – hieß es doch in der Abschlusserklärung des NATO-Gipfels von Rom im Jahr 1990 noch: „Die Mitgliedsländer der Nordatlantischen Allianz schlagen den Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes eine gemeinsame Erklärung vor, in der wir feierlich erklären, dass wir nicht länger Feinde sind.“[3] Nicht zuletzt die jahrzehntelange anti-russische Politik der NATO und die russischen Reaktionen darauf haben dafür gesorgt, dass vom damaligen Geist nichts mehr übrig ist. So heißt es heutzutage in der Gipfelerklärung von Warschau: „Russlands aggressive Handlungen, einschließlich provozierender militärischer Aktivitäten an der Peripherie des NATO-Gebietes, und seine zur Schau gestellte Bereitschaft, politische Ziele durch die Drohung und Anwendung von Gewalt zu erreichen, sind die Ursache regionaler Instabilität, fordern die Allianz fundamental heraus, haben die euro-atlantische Sicherheit beschädigt und gefährden unser langfristiges Ziel eines geeinten, freien und friedlichen Europa.“ (Absatz 5)
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung

    Dazu: Gorbatschow und Merkel
    Zu den jüngsten Beschlüssen der Nato sagt Michail Gorbatschow: „Sie sprechen nur über Verteidigung, aber im Grunde treffen sie Vorbereitungen für Angriffshandlungen… Von einem Kalten Krieg geht die Nato zu den Vorbereitungen für einen heißen Krieg über.“
    Gorbi, Gorbi, jubelten die Deutschen, als der sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow die deutsche Einheit ermöglichte. Der Westen hatte versprochen – das wird heute geleugnet – die Nato nicht nach Osten auszudehnen. Gorbatschow sprach vom europäischen Haus, in dem Russland seinen Platz haben sollte und bot an, die Nato durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung der Sowjetunion (Russlands) zu ersetzen.
    Die USA wollen die Welt beherrschen und sehen in einem Gegeneinander von Russland und Deutschland eine günstige Voraussetzung für ihre unangefochtene Vormachtstellung als einzige Weltmacht. Merkel – anders als Schröder – gab diesem Druck nach und ließ zu, dass die aggressive US-Politik vieles von dem zerstörte, was Willy Brandt und Michail Gorbatschow aufgebaut haben.
    Wir brauchen eine neue Außenpolitik in Deutschland und Europa, die sich an der Friedenspolitik von Brandt und Gorbatschow orientiert und verhindert, dass sich der Kalte Krieg zu einem heißen Krieg entwickelt.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

    Dazu auch: An der russischen Grenze
    Mit erneuten Aufrüstungsbeschlüssen ist am Samstag der NATO-Gipfel in Warschau zu Ende gegangen. Im Mittelpunkt standen dabei Maßnahmen, die das westliche Kriegsbündnis gegen Russland in Stellung bringen sollen. So werden in Polen und den baltischen Staaten vier NATO-“Battle Groups” in Bataillonsstärke stationiert, von denen eine von Deutschland geführt werden soll. Darüber hinaus unterstützt die NATO die Streitkräfte der Ukraine und verstärkt ihre Präsenz am Schwarzen Meer. Propagandistisch orientiert sich das westliche Kriegsbündnis weiterhin am Kalten Krieg und skizziert vorgebliche Bedrohungsszenarien, die damaligen Modellen nachempfunden sind. So heißt es in Anklang an das “Fulda Gap” (“Lücke von Fulda”), es gebe heute eine “Lücke von Suwałki” in Nordostpolen und Südlitauen, in der mit einem Vorstoß russischer Truppen aus Belarus nach Kaliningrad zu rechnen sei; die NATO sei dagegen “hilflos”. Statistiken zeigen, dass die “hilflose” NATO rund dreizehnmal so viel Geld ins Militär investiert wie Russland. Während die EU ihre Zusammenarbeit mit dem westlichen Kriegsbündnis stärkt, spitzen die USA den nächsten Großkonflikt mit der Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Asien zu – den drohenden Großkonflikt mit China.
    Quelle: German Foreign Policy

  11. Tony Blair und George W. Bush sollten angeklagt werden
    Am 23. März 2004 trug George W. Bush einen Smoking mit Fliege und war bester Laune. Er hatte ein paar lustige Bilder mitgebracht und ein paar Witze. Und die Journalisten, die zu der feinen Veranstaltung in Washington gekommen waren, lachten mit. “Diese Massenvernichtungswaffen müssen doch irgendwo sein”, sagte Bush mit diesem verrückten Grinsen, das er so gut beherrscht. Auf dem Bild, das Bush zeigte, war zu sehen, wie er unter seinen Möbeln im Oval Office mutmaßlich nach irakischem Giftgas sucht. “Nope, hier sind keine Massenvernichtungswaffen”, sagte Bush vor den anderen Fliegenträgern und kicherte in sich hinein und zeigte ein weiteres lustiges Bild und noch eins – zu dem Zeitpunkt waren schon weit mehr als 10.000 Iraker getötet worden, Zivilisten, Soldaten, irakische, amerikanische, britische, in einem Krieg, den es nicht hätte geben dürfen.
    Was macht man mit solchen Leuten? Was macht man mit George W. Bush, für den das alles ein Witz war, was macht man mit den Kriegstreibern um ihn herum, Rumsfeld, Cheney, Wolfowitz, die den Krieg wollten, wohl schon weit vor 9/11? Man sollte sie anklagen, fand zum Beispiel Sundus Shaker Saleh, alleinerziehende Mutter, die 2005 vor dem amerikanischen Angriff auf den Irak fliehen musste, so wie mindestens drei Millionen andere Iraker.
    Ihre Klage, die sie 2013 vor einem amerikanischen Gericht einreichte, stützt sich auf das, was in den Nürnberger Prozessen über Kriegsverbrechen festgelegt wurde: Nach internationalem Recht sind danach die Planung, Vorbereitung und Durchführung eines Aggressionskriegs strafbar, nach heutiger Lage sind Bush und seine Kollegen damit Kriegsverbrecher.
    Quelle: Georg Diez auf Spiegel Online
  12. Dauer-Hartz-IV-Bezieher: Falschmeldung der BILD-Zeitung
    Laut BILD-Zeitung ist die Zahl der Dauer-Hartz-IV-Bezieher stark gesunken. Tatsächlich beruht dieser Rückgang aber auf einer Umstellung in der Statistik. Laut Bundesagentur für Arbeit hat sich die Zahl der Betroffenen um lediglich ein Prozent verringert.
    „Die Zahl der Dauer-Hartz-IV-Bezieher ist erstmals stark gesunken. Laut Bundesagentur für Arbeit lebten Ende 2015 insgesamt 2.572.134 Personen bereits länger als 4 Jahre von der Stütze. Das waren 7,9% weniger als im Dezember 2014 (2,8 Mio.) und der niedrigste Stand seit Einführung von Hartz IV.“ Das berichtete die BILD-Zeitung am gestrigen Sonntag. Und andere Medien schrieben fleißig ab.
    Doch die BILD hat hier unterschiedliche Personengruppen in der Hartz-IV-Statistik, nämlich Regelleistungsberechtigte im Dezember 2015 (2.572.134 Personen) und Leistungsberechtigte im Dezember 2014 (2.792.787 Personen) miteinander, und deshalb schlichtweg falsch, verglichen. Denn Regelleistungsberechtigte sind nur eine Teilgruppe der Leistungsberechtigten und daher natürlich insgesamt weniger Personen.
    Hintergrund der offensichtlichen Verwirrung in der BILD-Redaktion ist eine Revision in der Hartz-IV-Statistik (O-Ton berichtete). Seit April 2016 erfasst die Bundesagentur für Arbeit Personengruppen in Hartz-IV-Hauhalten differenzierter. Daten vor der Revision und nach der Revision sind daher nicht mehr miteinander vergleichbar.
    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt

    Anmerkung Christian Reimann: Abgeschrieben hat u. a. “Spiegel Online“. Das könnte als weiterer Beleg für den Niedergang dieses “Qualitätsmediums” betrachtet werden.

  13. Wir sind nicht eure Kuscheltiere
    Das linksliberale Spektrum tut sich schwer mit kritischen Muslimen. Es erklärt sich zum Beschützer konservativer Muslime und macht sie so zu Opfern.
    Muslime und Menschen mit „Migrationshintergrund“ genießen bei linken, progressiven Zeitgenossen in Deutschland besondere Sympathie und Solidarität. Sie wollen damit ein Zeichen setzen gegen Rassismus und Vorurteile. Ich selbst bin Araber, komme aus Israel und lebe hier seit 2004. Viele nette Menschen sind mir in meinen ersten Jahren in Deutschland im linksliberalen Spektrum begegnet.
    Seit ich mich kritisch über bestimmte Religionsinhalte äußere, mit denen ich großgeworden bin, sind sie nicht mehr ganz so nett. Ihre Reaktionen sind natürlich nicht vergleichbar mit den Gegnern aus den „eige­nen Reihen“, von denen ich Hasspost erhalte. Aber einen Araber wie mich mögen manche Leute nicht mehr.
    Ich entspreche nicht dem Klischee dessen, der sich ausschließlich über rassistische Vorurteile beklagt – auch wenn ich das durchaus tue – , sondern ich begrüße die Demokratie, in der ich hier lebe, und ich kritisiere offen und deutlich die konfessionelle Enge der muslimischen Communities hier im Land. Ich kritisiere muslimische Dachverbände wie Ditib oder den Zentralrat der Muslime, die behaupten, im Namen meiner Religion zu sprechen und für alle Muslime in Deutschland, was schon allein statistisch nicht stimmt.
    Ich setze mich für innerreligiöse und gesellschaftliche Reformen ein und spreche öffentlich darüber, dass vieles schiefläuft in den Familien, an den Schulen, in der Gesellschaft, im Umgang mit religiösem Fundamentalismus und islamischem Radikalismus.
    Ein Netzwerk von deutschen Links­liberalen und Grünen „beschützt“ eine Mehrheit der Muslime in Deutschland vor der Minderheit ihrer muslimischen Kritiker. Was ist daran links, was progressiv, frage ich mich? Und: Seid ihr noch bei Trost? Oder sind wir eure Kuscheltiere geworden?
    Humanistische Gesellschaftskritik und Aufklärung haben eine große Tradition im deutschsprachigen Raum. Aufklärung hat immer – absolut immer – mit der Kritik an Herrschaft zu tun, und Herrschaft hat fast immer mit Herren zu tun, also mit Männern, mit dem Patriarchat. Die großen monotheistischen Weltreligionen huldigen einem patriarchalen, strafenden Gott, einem der stärksten Machtfaktoren für ein hierarchisches, antidemokratisches Weltbild.
    Quelle: Ahmad Mansour in der taz

    Anmerkung JK: Ein sehr interessanter Artikel, der sich kritisch mit der im linken Milieu weit verbreiteten Position auseinandersetzt, dass jemand nur, weil er Migrationshintergrund besitzt faktisch sakrosankt sein soll. Ahmad Mansour macht hier auf eine fatale Entwicklung innerhalb der Linke in Deutschland aufmerksam, diese ist in einem oft überbordenden Kulturalismus partiell nicht mehr in der Lage Herrschaftskritik zu üben oder gar die Fragen der Verteilungs- und sozialen Gerechtigkeit zu thematisieren, ganz zu schweigen von der Frage wie die politische Hegemonie des Neoliberalismus zu überwinden wäre.

    Dazu: Junge Linke haben Bezug zur Unterschicht verloren
    Wolfgang Merkel: In der Tat hat sich die Form des politischen Engagements junger linker Menschen deutlich verändert. Die Großorganisationen, zu denen man sich gewissermaßen ein Leben lang zugehörig fühlt, haben rasant an Bedeutung verloren. Parteien sind unter jungen Intellektuellen wirklich out, ein langfristiges Engagement wünschen sich ohnehin nur die Wenigsten. Die Tendenz geht dagegen zur kurzfristigen und aktiven Beteiligung in zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Amnesty International, Attac oder in Umweltinitiativen. Auch im Netz gibt es durchaus Formen einer digitalen Zivilgesellschaft, in der sich junge Linke bisweilen engagieren.
    ZEIT Campus ONLINE: Und inhaltlich?
    Merkel: Auch da lässt sich eine ganz spannende Entwicklung beobachten – und die geht weg von der Verteilungspolitik. Die Frage danach, wie sich gesellschaftlicher Wohlstand gerecht verteilen lässt, war ja seit jeher der Wesenskern linker Politik. Und der ist unter jungen Linken heute fast gänzlich in den Hintergrund getreten. Stattdessen dominieren kulturelle und identitätspolitische Themen, über die sich junges Linkssein heute definiert. Das zentrale progressive Anliegen ist mittlerweile die unbedingte Gleichstellung von Minderheiten. Das können ethnische, religiöse oder sexuelle Minderheiten sein.
    Gerade im Fall der Religion hat dies jedoch hochproblematische Konsequenzen: Denn die junge Linke neigt dazu – entgegen einer aufklärerischen oder marxistischen Tradition der Religionskritik – Religion unter Immunitätsschutz zu stellen und Kritik am Islam unmittelbar als “rechts” oder als “Phobie” zu brandmarken. Linke Religionskritik gerät dann in Vergessenheit, kritische Diskurse werden schlicht nicht mehr geführt – und das ist ein großes Problem.
    Quelle: Zeit Online

  14. Geschenke sind nicht umsonst
    Die Stiftung des Softwaremilliardärs Bill Gates möchte den Klimawandel bekämpfen und ist mit 41 Milliarden Dollar die größte gemeinnützige Stiftung weltweit: Doch sie ist ins Gerede gekommen. Mit dem Schein und Sein gemeinnütziger Stiftungen beschäftigt sich die Journalistin und Soziologin Linsey McGoey in ihrem Buch.
    Die Autorin Linsey McGoey, Soziologin an der britischen Universität Essex, berichtet: Allein in den USA existieren über 85.000 Stiftungen. Mehr als die Hälfte von ihnen entstand erst in den vergangenen 15 Jahren. McGoey warnt vor den Folgen dieser “Flut an Philanthropie”: Milliardäre wie Bill Gates hätten durch ihre Stiftungen so viel Macht in der globalen Gesundheitspolitik oder im Bildungswesen wie nie zuvor.
    Die Autorin, die für die Weltgesundheitsorganisation WHO tätig war, leugnet nicht, dass die Gates-Stiftung Erfolge erzielt. Mehr als 15 Milliarden Dollar investierte die Groß-Stiftung aus Seattle bislang weltweit in Gesundheitsprogramme. Damit half sie zum Beispiel, Menschen vor Malaria zu schützen. Doch erzeuge die Gates-Stiftung politischen Druck, um eigene Themen und Projekte durchzusetzen. “Wenn Regierungen nicht bereit sind, sich der Gates-Stiftung anzupassen, dann riskieren sie, als kaltschnäuzig und gefühllos zu erscheinen, als Akteur, der die Interessen der eigenen Bevölkerung und das Wohlergehen anderer Nationen vernachlässigt.”
    Auch im US-amerikanischen Bildungswesen hat die Gates-Stiftung großen Einfluss. So unterstützt sie die sogenannten Charter Schools, die zwar vom Staat finanziert werden, aber große Freiheiten genießen. Sie dürfen ihre Lehrpläne selbst gestalten, suchen sich ihre Lehrer aus und verfügen über eigene Budgets. Sie sind allerdings umstritten, weil sie mitunter von privaten Managementfirmen geleitet werden, die stattliche Honorare kassieren, bezahlt vom Steuerzahler. Ob Charter Schools tatsächlich besser sind als die öffentlichen Schulen, ist unklar.
    Quelle: Deutschlandradio
  15. Das Letzte – Wagenknecht torpediert Rot-Rot-Grün
    Die Fraktionschefin stellt mit Attacken auf die Nato die Regierungswilligkeit der Linken in Zweifel. Grüne und Sozialdemokraten verlangen ein Bekenntnis zum Bündnis.
    Mit rhetorischen Attacken gegen die Nato sowie US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton haben Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihr Mann, Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine, neue Zweifel an der Regierungsfähigkeit der Linkspartei geweckt. Führende Politiker von SPD und Grünen kritisierten die Äußerungen als inakzeptabel und stellten die Bereitschaft der Linken in Frage, nach der Bundestagswahl ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis einzugehen. Die Differenzen in der Außen- und Sicherheitspolitik gelten in allen drei Parteien als wesentliches Hindernis einer gemeinsamen Koalition im Bund.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Wagenknecht torpediert Rot-Rot-Grün”: Diese Schuldzuweisung und Propaganda durch die ZEIT ist unfassbar. “Regierungsfähigkeit” ist also laut der ZEIT dann gegeben, wenn man bereit ist, in der Welt beliebig Krieg zu führen (auch Angriffskriege), Russland aktiv zu bedrohen, den großen Kapitalgesellschaften ohne Ende Steuergeschenke zuzuschanzen und den Sozialstaat und die deutsche Wirtschaft mit Monstrositäten wie der “Agenda 2010” zu ruinieren. Diese Definition ist wirklich irrsinnig. (Oder heißt das heute “marktkonform demokratisch”?)

    Anmerkung JK: „Führende Politiker von SPD und Grünen kritisierten die Äußerungen als inakzeptabel und stellten die Bereitschaft der Linken in Frage, nach der Bundestagswahl ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis einzugehen.“ Eine deutlichere Absage an Rot-Rot-Grün von Seite der SPD und der Grünen kann es doch eigentlich nicht geben.


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