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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 11. Juli 2016 um 8:37 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. NATO Gipfel
  2. Medienfront hält U-Boot unter der Wasseroberfläche
  3. Schäubles Steuerpolitik: Die schwarze Null widerspricht dem Geist des Grundgesetzes
  4. Die Staatsverbrecher
  5. Deutsche-Bank-Chefökonom fordert 150 Milliarden Euro
  6. Goldman Sachs engagiert Barroso
  7. Finanzkrieger des Tages: Jörg Asmussen
  8. Sanktionen für alle
  9. Schäuble warnt vor Flächenbrand in der EU
  10. Europas Sozialdemokratie
  11. Der Anti-Blair: Jeremy Corbyn kommentiert Irak-Bericht im Unterhaus
  12. Bundeswehr bereitet sich auf Einsatz im Innern vor
  13. SPD und Linkspartei stellen sich Bedingungen
  14. Gespräche mit Gewerkschaften abgelehnt
  15. Schreckgespenst Inflation?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. NATO Gipfel
    1. Nato-Strategie für Osteuropa: Ratlos gegen Russland
      Das Verteidigungsbündnis will in Polen, Estland, Lettland und Litauen jeweils ein multinationales Bataillon mit rund tausend Mann stationieren, das litauische Kontingent soll unter deutscher Führung stehen. “Robust” soll das Mandat der Truppen sein. Sie sollen wie ein “Bremshügel” oder ein “Stolperdraht” funktionieren, heißt es beim Nato-Gipfel. Eine russische Aggression, so die Botschaft der Stolperdraht-Metapher, würde eine harte Reaktion der Nato auslösen – zumal die Bataillone multinational sind und damit nicht nur osteuropäische, sondern auch deutsche, kanadische oder US-amerikanische Soldaten beteiligt wären. Ein Angriff auf die Alliierten sei als Angriff auf das gesamte Bündnis zu werten, so Generalsekretär Jens Stoltenberg. (…)
      Die militärische Logik aus dem Kalten Krieg jedenfalls funktioniere nicht mehr, sagt Luik. “Aber wir haben auch kein neues Konzept dafür, was unsere Verteidigung heute ist.” Die Nato halte lediglich eine “kreative Mehrdeutigkeit” aufrecht. (…)
      Zwar seien die russischen Abwehrsysteme keineswegs unüberwindbar. “Das Pentagon arbeitet derzeit daran, auch die modernsten dieser Systeme zu knacken”, sagte Carpenter. Doch es sei klar, dass die Nato mehr investieren müsse, um Russlands A2/AD-Fähigkeiten zu kontern. “Abschreckung funktioniert nur, wenn man einen Gegner in einer Krise besiegen kann”, so Carpenter. (…)
      Davon ist die Nato derzeit weit entfernt. Die konventionellen Streitkräfte Russlands sind denen der Nato in Europa weit überlegen. Eine noch stärkere Truppenpräsenz in Osteuropa, so wie sie von den dortigen Regierungen verlangt wird, brächte die Nato aber in ein Dilemma: Die Nato-Russland-Akte verbietet eine dauerhafte Stationierung “substanzieller Kampftruppen” auf dem ehemaligen Gebiet des Warschauer Pakts. Einen Verstoß gegen den Vertrag will unter anderem die Bundesregierung unbedingt vermeiden, um den Konflikt mit Moskau nicht noch weiter eskalieren zu lassen.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung unseres Lesers K.P.: Allein die Überschrift geht einem schon wieder auf den Wecker. Warum “Ratlos”, warum “gegen Russland”? Zudem schreibt der Autor selbst, dass die Nato-Russland-Akte eine dauerhafte Stationierung von Kampftruppen auf dem ehemaligen Gebiet des Warschauer Pakts verbietet. Wer nicht bluffen kann, sollte nicht pokern. Außerdem hat Hans Eichel damals sämtliche Bundeswehrliegenschaften verschleudert und privatisiert. Es gibt gar keine Parkplätze mehr für Panzer. Was soll die NATO-Aggression gegen Russland?

      Anmerkung unseres Lesers C.D.: Wenn man diesen Artikel liest, könnte man meinen, ein „Krieg mit/gegen Russland“ wäre schon längst in aller Munde der europäischen Bevölkerung. Es ist erstaunlich, mit wie wenig rhetorischer Vorsicht man diese militanten Begriffe verwendet. Am Ende, in der Zusammenfassung des Artikels, rettet sich der Autor mitsamt der Warschauer Konferenz ans Ufer der Pazifisten: Der letzte Satz lautet: “Zugleich wollen die Nato-Staaten das Verhältnis zu Moskau nicht weiter verschlechtern.”

    2. “Vorbereitungen für einen heißen Krieg”
      Am zweiten Tag ihres Gipfels hat die Nato eine weitere Unterstützung Afghanistans beschlossen. Doch das bestimmende Thema bleibt die Osterweiterung des Militärbündnisses. Der ehemalige Sowjetpräsident Michail Gorbatschow soll der Nato Kriegstreiberei vorgeworfen haben.
      Im Westen ist Michail Gorbatschow bis heute das Gesicht des “guten Russlands”. Er gilt als einer der Väter der deutschen Einheit. Als der Politiker, der “Glasnost” und “Perestroika”, also Offenheit und Umgestaltung in Richtung Westen brachte. Als Mann, dessen Worte bis heute Gewicht haben.
      Dieser Michail Gorbatschow soll nun gesagt haben, die Nato gehe “von einem Kalten Krieg zu den Vorbereitungen für einen heißen (Krieg) über”. So zitiert ihn die Nachrichtenagentur Interfax. Die Rhetorik des Nato-Gipfels von Warschau wirke wie eine Kriegserklärung an Russland, so der 85-Jährige. Russland werde dadurch zu harten und gefährlichen Reaktionen provoziert. (…)
      Ähnlich äußerte sich in Deutschland Hans-Christian Ströbele. “Was wäre los, wenn Putin robuste Truppen nach Kuba ins Manöver schickte?”, fragte der Grünen-Politiker bei Twitter.
      Quelle: Deutschlandfunk
    3. Deutscher Diplomat: „Viele fürchten sich vor einem neuen Krieg“
      Wohin steuert der Westen in seinen Beziehungen zu Russland? Zwar will man Gesprächsbereitschaft signalisieren, doch NATO-Manöver und Sanktionen machen diesen Eindruck wieder zunichte. Wie gefährlich ist dieses “Säbelrasseln”? “Die Sicherheit darf man nicht den Flugkünsten von Kampfpiloten überlassen“, sagt Botschafter a.D. Frank Elbe. (…)
      Herr Elbe, Hoffnungen auf eine baldige Lösung der Krise in den politischen Beziehungen zwischen dem Westen mit Russland stehen offenbar vorerst nicht zu Debatte, stattdessen beobachten wir militärische Entwicklungen an der Ostflanke der NATO, die neue Spannungen erzeugen. Außenminister Steinmeier hat das in der vergangenen Woche als „Säbelrasseln“ kritisiert. Wie bewerten Sie das?
      Dafür ist er zunächst von Politik und Medien kräftig in den Senkel gestellt worden. Danach gab es sehr rasch eine Welle der Zustimmung, sogar spektakuläre Kehrtwendungen. Wie im Fall von Botschafter Ischinger, dem Vorsitzenden der Münchener Sicherheitskonferenz, von dem man auch schon andere Töne gehört hat. Er hält die Russland-Strategie der Nato für „eindimensional“, da sie “nur auf eine Demonstration militärischer Stärke” setze. Er hat auch davor gewarnt, dass aus “Eskalationsschritten militärische Kampfhandlungen werden können”.
      Der Streit hat schließlich offen gelegt, dass die Bundesregierung sich mit ihrer bisherigen Politik in der Russlandkrise sehr weit von den Auffassungen und Sorgen der Menschen in unserem Land entfernt hat.
      Quelle: Sputnik

      Dazu: Horst Teltschik: “Ich verstehe das Misstrauen der Russen”
      Prof. Dr. Horst Teltschik war einer der wichtigsten Akteure der Wiedervereinigung. Der ehemalige Leiter der Abteilung Außenpolitik im Bundeskanzleramt gehörte zu den engsten Vertrauten Helmut Kohls und war später Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. In einem Exklusivinterivew für Sputnik ruft er zu einem Umgang mit Russland auf Augenhöhe auf.
      Herr Teltschik, Sie waren entscheidend an der Aussöhnung mit der Sowjetunion und an der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsstruktur beteiligt. Im November 1990 wurde die Pariser Charta unterzeichnet. Wie steht es heute um die europäische Friedensordnung?
      Die augenblickliche Situation ist eher bedrückend. Ich blicke dem Nato-Gipfel in Warschau mit Sorge entgegen. Man konzentriert sich auf Fragen der Sicherheit und Verteidigung und vergisst, was uns in der Vergangenheit stark gemacht hat — der Versuch einer Entspannungspolitik, erst mit der Sowjetunion und dann die große Vision mit Gorbatschow in Paris einer gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung im Rahmen der OSZE. Davon sind wir jetzt meilenweit entfernt.
      Quelle: Sputnik

    4. Kanzlerin Merkel soll die Kriegstreiberei der NATO bremsen
      Ehemalige Mitarbeiter von US-Geheimdiensten bitten die deutsche Kanzlerin Merkel, auf der bevorstehenden NATO-Konferenz für Vernunft und Zurückhaltung einzutreten, um einen gefährlichen neuen Kalten Krieg mit Russland zu verhindern (…) Frau Bundeskanzlerin, wir langjährigen Geheimdienstmitarbeiter möchten uns vor dem wichtigen NATO-Gipfel, der am 8. Juli in Warschau beginnt, erneut in großer Sorge an Sie wenden. Es hat uns gefreut, zu erfahren, dass Sie und Ihre Berater das Memorandum, das wir Ihnen vor dem NATO-Gipfel in Wales zukommen ließen, zur Kenntnis genommen haben, und dass durch einen Bericht, der zum Konferenzbeginn am 4. September in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde (s. hier), auch die deutsche Öffentlichkeit davon erfuhr.
      Der Warschauer Gipfel ist mindestens ebenso wichtig wie der vorherige in Wales und wird vermutlich noch weitreichendere Folgen haben. Wir finden es besorgniserregend – wenn nicht sogar eigenmächtig vorpreschend – dass NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einer Pressekonferenz am 4. Juli erklärt hat, die NATO-Mitglieder würden in Warschau beschließen, “die Militärpräsenz im Osten der Allianz zu erhöhen”, und das sei “die größte Verstärkung seit dem Kalten Krieg”. Die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Zusammenstoßes in der Luft oder auf See – ungewollt oder absichtlich – ist sehr viel größer geworden, weil Präsident Obama, wie wir noch nachweisen werden, die führenden Militärs der USA und der NATO, die gern Cowboy spielen, nicht unter Kontrolle hat. Deshalb ermutigen wir Sie – wie schon vor dem letzten NATO-Gipfel in Wales – Ihre NATO-Kollegen bei den Verhandlungen in Warschau zu “etwas größerer Skepsis” zu ermutigen, vor allem im Hinblick auf die Bedrohung, die angeblich von Russland ausgeht.
      Quelle: Luftpost
    5. Deutschlands militärisches Erwachen
      Deutschland präsentiert sich auf dem Nato-Gipfel in Warschau mit neuem Selbstverständnis. Vergessen sind Jahrzehnte der politischen und militärischen Zurückhaltung. Jetzt geht es Berlin um die aktive Mitgestaltung der globalen Ordnung. (…)
      In der Regierungserklärung, die Merkel vor ihrem Aufbruch nach Warschau im Bundestag abgab, machte sie den Wandel deutlich: Deutschland unterstütze „nachdrücklich“ das Ziel der Nato, dass alle Mitglieder der Allianz zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben zur Verfügung stellen, sagte Merkel. Vor zwei Jahren auf dem Nato-Gipfel im walisischen Cardiff unternahm die Bundeskanzlerin noch argumentative Anstrengungen, um zu erläutern, warum das Zwei-Prozent-Ziel, zu dem sich Deutschland formell immer bekannt hat, in der Praxis höchst unrealistisch und allenfalls sehr langfristig zu erreichen sei. Damals fehlte auch der Hinweis nicht, die anderen Nato-Staaten in Europa wären womöglich eher verstört als zufrieden, wenn ein deutscher Verteidigungsetat dieses Ziel erreiche, also ein Volumen von mehr als 50 Milliarden Euro aufweise und mithin mit weitem Abstand der größte europäische Wehretat werde. Jetzt aber hob Merkel ausdrücklich hervor, dass ihre Regierung in dieser Woche „eine signifikante Erhöhung“ des deutschen Wehretats beschlossen habe: Die Ausgaben sollen im nächsten Jahr um fast sieben Prozent auf 36,7 Milliarden Euro steigen; die mittelfristige Finanzplanung sieht bis 2020 eine weitere Steigerung auf mehr als 39 Milliarden Euro vor.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung unseres Lesers G.B.: Und wieder einmal geht es in die falsche Richtung.

    6. NATO Gegengipfel fordert die Auflösung des Militärbündnisses und die Schaffung eines zivilen Sicherheitssystems
      Sechs Polnische Organisationen aus der Friedens- und sozialen Bewegung sowie das internationale Netzwerk No to War – No to NATO veranstalteten am Freitag den 8.7. in Warschau den NATO Gegengipfel „No to War – No to Militarism – Yes to Refugees“. Ziel der Veranstaltung war die weitere Delegitimierung des größten Militärbündnisses der Welt, das weltweit permanent in Kriege verwickelt ist.
      Es diskutierten auf dem unerwartet großen Gegengipfel mehr als 150 Personen aus 18 Ländern, unter anderem aus Russland, den USA, Tschechien, Ukraine, Polen, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Belgien und Spanien über die aktuellen Kriege und Konflikte, über die Gestaltung des Friedens, soziale Gerechtigkeit und gemeinsame Sicherheit in Europa. Besorgnis rufen die aktuellen Gefahren des verstärkten Militarismus im Osten Europas, besonders durch die Truppenpräsenz, die aggressiven Manöver und den Raketenabwehrschirm der NATO, hervor. Szenarien bis hin zu einem „großen Krieg in Europa“ sind nicht mehr auszuschließen.
      Die TeilnehmerInnen waren sich deshalb einig, die internationale Friedensbewegung steht vor der größten Herausforderung der letzten Jahre. Die von der NATO herbeigeführte Konfrontation mit Russland, die globalen Rüstungsvorhaben wie der Raketenabwehrschirm und die Modernisierung der Atomwaffen müssen beendet werden, damit ein Prozess der Kooperation in Europa wieder eine Chance bekommt. Die Dislozierung von NATO-Militärstrukturen an die Westgrenze Russlands sowie die russischen Gegenreaktion birgt die Gefahr eines bewusst oder versehentlich angezettelten Krieges. Ein gemeinsames, kooperatives Sicherheitssystem welches sich an den Bedürfnissen der Menschen richtet ist die Alternative.
      Quelle: No to NATO
  2. Medienfront hält U-Boot unter der Wasseroberfläche
    Seit mehreren Wochen ignoriert die Spiegelpresse eisern die schwedische U-Boot-Ente von 2015. So hatte mal wieder ein unbekanntes und daher russisches U-Boot die Schweden aufgeschreckt. Während vor Wochen die Behauptung des schwedischen Verteidigungsministers, bei der Sichtung des vermeintlich russischen U-Boots habe es sich um ein deutsches gehandelt, im Königreich für Augenreiben sorgte, enthielten die Qualitätsmedien hierzulande der deutschen Öffentlichkeit die nicht zum Narrativ passende Entlastung Russlands vor. (…)
    Bei der historischen U-Boot-Desinformationskampagne in schwedischen Hoheitsgewässern der 1980er Jahre hatten die USA in Absprache mit schwedischen Militärs italienische U-Boote geschickt, um eine Verwicklung des Pentagons plausibel abstreiten zu können. Die unbekannten U-Boote sollten damals Russland in Misskredit bringen und die schwedische Bevölkerung in die Arme der NATO treiben.
    Während die deutschen Medien die ursprüngliche Falschmeldung bis auf nun erste Ausnahmen nicht korrigieren, wird das Narrativ vom aggressiven russischen Bären weiterhin eifrig gepflegt, als ob es alternative Informationskanäle im Internetzeitalter gar nicht gäbe. An der Propaganda insbesondere des Hamburger Nachrichtenmagazins, das sich vor zwei Jahren mit dem Cover Stoppt Putin jetzt! gänzlich vom Journalismus verabschiedete, hat sich nichts geändert.
    Quelle: Telepolis
  3. Schäubles Steuerpolitik: Die schwarze Null widerspricht dem Geist des Grundgesetzes
    Finanzminister Schäuble zelebriert den ewigen Haushaltsausgleich mit knappem Plus. Dabei steht nirgendwo, dass er das so machen soll. Im Gegenteil.
    Wenn es um die Finanzen geht, kennt Wolfgang Schäuble keine Gnade. Jurist ist Jurist. Da zählt, was im Gesetz steht. Und in den europäischen Verträgen samt Schuldenbremsen und ähnlichen Zusätzen mit Verfassungsrang. Regel ist Regel. Damit faltet Herr Schäuble humorlos aufmüpfige griechische Motorradfahrer mit Kurzzeitjob als Kassenwart zusammen, ebenso wie jeden ordnungswidrig handelnden Kollegen aus anderen Süd- und aus Bundesländern.
    Umso erstaunlicher ist, wie freizügig Schäuble mit Gesetz und Verträgen umgeht, wenn es um die eigene heilige Regel für den Bundeshaushalt geht. Dass es eine “schwarze Null” (SN) sein soll, zumal Jahr für Jahr, steht nicht in der Schuldenbremse noch sonst wo im Grundgesetz, noch im EU-Vertrag oder sonst einem juristisch belastbaren Regelwerk, nicht mal in den zehn Geboten. Ist so. Und es könnte auch einen guten Grund haben, dass in der Weltgeschichte noch niemand auf die Idee gekommen ist, ein Gesetz zu machen, in dem es heißt, dass der Finanzminister bis ans Ende aller Tage jedes Jahr immer etwas mehr einnehmen als ausgeben soll. Warum nicht viel mehr? Rosa Null. Oder etwas weniger? Zart-rot. Oder farblos.
    Richtig ist, dass laut Schuldenbremse die Haushalte “grundsätzlich” ohne Kredit finanziert werden sollten – und es “strukturell”, also im längerfristigen Schnitt, einen einigermaßen ausgeglichenen Etat geben sollte. Nur ist erstens selbst längerfristig ein leichtes Minus vorgeschrieben, also eher eine “rote Null”. Und zweitens soll der Ausgleich eben gerade nicht Jahr für Jahr erzwungen werden.
    Quelle: Thomas Fricke auf Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Es heißt recht häufig: Juristen könnten Alles. Aber auch im Falle von Herrn Schäuble als Bundesfinanzminister ist erkennbar, dass dieses ein (vielleicht gut gemeintes) Vorurteil ist, das seine Grenzen hat.

  4. Die Staatsverbrecher
    Mit an verbohrter Sturheit grenzender Hartnäckigkeit halten alle Bundesregierungen von Gerhard Schröder bis Angela Merkel an ihrem Ziel fest, große Teile der deutschen Infrastruktur, vor allem aber die Autobahnen, zu privatisieren. Dass selbst der Bundesrechnungshof und alle Landesrechnungshöfe dagegen Sturm laufen, ist ihnen völlig egal.
    Man kann das auch deutlicher ausdrücken: Die Bundesregierung betreibt den Ausverkauf der gesamten Infrastruktur und will noch bis Jahresende mit dem gesamten Autobahnnetz anfangen. Die Steuerzahler haben einst Riesensummen dafür aufgebracht, um die Objekte zu finanzieren. Bald sollen sie für’n Appel und’n Ei in die Hände von Wirtschaftsunternehmen fallen. Und selbst wenn aus den Privatisierungsplänen diesmal doch nichts werden sollte, weil sich etwa in Kreisen der SPD zu starker Widerstand regen sollte, so halten alle interessierten Kreise weiterhin an ihren Privatisierungsplänen so lange weiter hartnäckig fest, bis sie am Ende doch durchgesetzt werden können.
    Dann können die privaten Investoren den Bürgern noch einmal gewaltige Beträge abknöpfen und in die eigenen Taschen stecken. Man kann es drehen wie man will, in den repräsentativen Demokratien haben die Bürger immer die Arschkarte und müssen zahlen. Sie sind und bleiben die Dukatenesel, die als Einzige immer zur Verfügung stehen, wenn Dukaten gebraucht werden. Und Esel sind sie auch, wenn sie das immer mit sich machen lassen.
    Was erstaunt, ist die von parteipolitischen Orientierungen völlig unabhängige Beharrlichkeit aller Bundesregierungen. Ob die nun eher links-grün (na ja, was die so links nennen) oder eher konservativ-liberal oder konservativ-sozialdemokratisch sind: Sie alle betreiben seit den 1970er Jahren und verstärkt wieder seit den 1990er Jahren den Ausverkauf des Staatseigentums mit nachgerade krimineller Energie.
    Dahinter könnte man mit Mühe noch Spuren ökonomischer Vernunft entdecken, wenn die Investoren die gesamte Summe bezahlen würden, die auch die Steuerzahler im Verlauf vieler Jahre für die Objekte aufgebracht haben. Das ist aber nicht der Fall. Sie zahlen nur einen minimalen Bruchteil. Schon allein deshalb ist die Rede vom Ausverkauf der deutschen Infrastruktur gerechtfertigt.
    Nach den Plänen der Bundesregierung soll das gesamte deutsche Autobahnnetz teilprivatisiert werden. Dazu wird eine Autobahngesellschaft gegründet, an der private Investoren etwas weniger als die Hälfte der Anteile übernehmen können.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben sich stets kritisch zu diesen Privatisierungswünschen geäußert. Drei Beispiele:

    1. Privatisierung der Autobahnen – ein schwerer Fall von Untreue im Kielwasser der Fußball-EM?
    2. Die Gefahr, dass Privatinvestoren Zugang zu öffentlicher Infrastruktur bekommen und von Nutzungsgebühren und Steuereinnahmen profitieren, ist gewachsen. Widerstand ist geboten.
    3. Bundesrechnungshof sieht Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) im Bundesfernstraßenbau skeptisch
  5. Deutsche-Bank-Chefökonom fordert 150 Milliarden Euro
    Europa droht eine neue Bankenkrise. David Folkerts-Landau, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, schlägt deshalb ein gigantisches EU-Rettungsprogramm vor. Private Gläubiger sollen sich nicht beteiligen.
    Der Chefökonom der Deutschen Bank fordert ein milliardenschweres Rettungsprogramm für europäische Banken. Die Institute sollten nach amerikanischem Vorbild mit frischem Kapital ausgestattet werden. Damals war der Staat mit 475 Milliarden Dollar eingesprungen. “In Europa muss das Programm nicht so groß sein. Mit 150 Milliarden Euro lassen sich die europäischen Banken rekapitalisieren”, sagte David Folkerts-Landau der “Welt am Sonntag”.
    Insbesondere Italien und der Zustand der dortigen Banken bereiten dem Experten große Sorgen. Der öffentlich kolportierte Kapitalbedarf von 40 Milliarden Euro dürfte noch konservativ kalkuliert sein, so Folkerts-Landau. Die Bankenrettung hält er für derart dringlich, dass er dafür auch einen möglichen Bruch mit den Regeln der neuen Banken-Richtlinie in Kauf nimmt.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung J.K.: Wetten, diese Forderung ist Befehl für Merkel und Schäuble. Dass diese Forderung aus der Ecke der Deutschen Bank kommt macht einen sprachlos. Diese Bank oder besser kriminelle Vereinigung, hat sich durch ihre Machenschaften selbst in die Bredouille gebracht, aber man hat überhaupt keine Skrupel wieder einmal die Hand aufzuhalten und alle Bürger letztendlich für die Rettung der Vermögen der herrschenden Eliten zur Kasse zu bitten. Wann wachen die Menschen in Deutschland und Europa endlich auf?

  6. Goldman Sachs engagiert Barroso
    Zehn Jahre war der Portugiese Barroso EU-Kommissionspräsident. Nun soll er der Investmentbank Goldman Sachs mit seinen Erfahrungen und Kontakten helfen, mit dem EU-Austrittsvotum der Briten umzugehen.
    Goldman Sachs, eine der weltweit größten Investmentbanken, hat nach dem Brexit offenbar einen Lotsen für das wichtige Europageschäft gesucht und gefunden. Der Investmentriese, der neben Firmen und Großkunden auch ganze Staaten auf der Kundenliste hat, verpflichtete jetzt den ehemaligen Langzeitchef der EU-Kommission, den Portugiesen Manuel Barroso. Der 60-Jährige soll nach Angaben der Bank mit Hauptsitz in New York bei der Beratung von Kunden helfen, die mit dem herausfordernden und unsicheren Marktumfeld zurecht kommen müssen. Barroso, intimer Kenner der Europäischen Union und gut vernetzt in den Hauptstädten der Welt, soll als Berater und zugleich Aufsichtsratschef der Londoner Tochtergesellschaft beschäftigt werden. Der Konservative war zehn Jahre EU-Kommissionspräsident und davor zwei Jahre portugiesischer Ministerpräsident.
    Quelle: tagesschau.de

    Anmerkung Christian Reimann: Wieder einmal erweist sich die Drehtür aus der Politik in die Wirtschaft – und insbesondere hin zu dieser Bank – als funktionsfähig. Und erneut macht ein neoliberaler Konservativer davon Gebrauch.

  7. Finanzkrieger des Tages: Jörg Asmussen
    Endlich hat Jörg Asmussen wieder eine Tätigkeit gefunden. Zuletzt wollte ihn die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau nicht haben. Die forderte von ihm, dass er auch physisch zur Arbeit in Frankfurt am Main erscheint, er wollte hingegen nur von seinem Berliner Zuhause aus ran – ein Familienmensch eben. Und jetzt kommt es knüppeldick. Gleich zwei Jobs muss der arme Mann übernehmen. Zum 1. September wird er Geschäftsführer – Asmussen sagt »Managing Director«, das hat Klang – bei der US-Investmentbank Lazard, vermeldete Reuters am Freitag. Dabei hatte dpa erst am Montag bekanntgegeben, dass er im Auftrag der Bundesregierung als Berater für die irakische Regierung tätig werde. In Bagdad soll er Ministerpräsident Haidar Al-Abadi bei der Umsetzung von »Reformen« unterstützen.
    Und Reformieren kann der, was das Zeug hält. Seit Jahrzehnten schleift er sein SPD-Parteibuch in Ministerien. Eine Auswahl: 2005 setzte er sich dafür ein, die Punkte des Abbaus »überflüssiger Regulierungen« und den »Ausbau des Verbriefungsmarktes« im Koalitionsvertrag zu übernehmen. Als Vertreter des Bundes saß er 2007 im Aufsichtsrat der IKB-Bank, und ließ ordentlich Schrottpapiere auf dem US-Subprimemarkt einkaufen. Die Bank musste von der KfW mit Milliarden gerettet werden. Unter Finanzminister Wolfgang Schäuble wurde er beauftragt, Griechenland in die Knie zu zwingen. Zuletzt half er Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bei der Privatisierung der Altersvorsorge.
    Quelle: junge Welt
  8. Sanktionen für alle
    Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause hat das heftig kritisierte »Integrationsgesetz« Bundestag und Bundesrat passiert. Am Donnerstag abend brachten es die Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition durch den Bundestag. Am Freitag gab der Bundesrat grünes Licht und stimmte darüber hinaus den Hartz-IV-Verschärfungen zu.
    Mit beiden Gesetzen wollen CDU/CSU und SPD »fordern und fördern«. Die existenzsichernden Leistungen können schon bei geringsten Verstößen gegen Anordnungen des Amtes gekürzt werden. Geflüchteten droht darüber hinaus die Abschiebung. Zudem kann ihnen der Wohnsitz nach der Anerkennung ihres Asylantrags weiterhin vorgeschrieben werden, und zwar bis zu drei Jahre lang.
    Die Linksfraktion bezeichnete das Integrationsgesetz als »Ausgrenzungsinstrument« und »Hartz IV für Flüchtlinge«, das Asylsuchende und Langzeiterwerbslose gegeneinander ausspiele. (…) Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl sprach am Freitag von einer »Mogelpackung«. Die Sanktionen seien »unvereinbar mit dem menschenwürdigen Existenzminimum«, die Wohnsitzauflage »rechtswidrig«. Zudem sorgten die »80-Cent-Jobs« für Prekarisierung. In Halle (Sachsen-Anhalt) demonstrierten am Donnerstag 150 Menschen gegen die Asylrechtsverschärfungen, wie die Initiative »No Lager Halle« mitteilte.
    Nahezu geräuschlos passierte unterdessen die Ende Juni im Parlament bereits verabschiedete Hartz-IV-Novelle (siehe jW vom 25.6.) am Freitag den Bundesrat. Wie die Linkspartei mitteilte, stimmten am Freitag neben SPD- und unionsgeführten Ländern auch Grünen-Politiker für die Verschärfungen. Thüringen und Brandenburg, in denen Die Linke Teil der Regierung ist, in Thüringen sogar als stärkste Partei, enthielten sich lediglich – »aus Rücksicht auf die Koalitionssituation«.
    Quelle: junge Welt

    Dazu: „Konkurrenz am Arbeitsmarkt“
    Frau Buntenbach, die Bundesregierung will 100.000 1-Euro-Jobs für Flüchtlinge schaffen. Ist das jetzt die Mindestlohn-Ausnahme durch die Hintertür?
    Annelie Buntenbach: Das nicht, aber trotzdem halten wir dieses Programm für hoch problematisch. Stundenweise ausgeübte Ein-Euro-Jobs in Aufnahmeeinrichtungen können allenfalls in der Anfangsphase sinnvoll sein. Aber das Programm bietet auch Privatunternehmen, die in den Einrichtungen tätig sind, die Möglichkeit, auf diese Form von Beschäftigung zuzugreifen. Das kann schnell auch zu Konkurrenz am lokalen Arbeitsmarkt führen. Wenn man so etwas überhaupt macht, sollten wenigstens die Verwaltungsausschüsse, die Sozialpartner vor Ort, einbezogen werden.
    Ein-Euro-Jobs führen in aller Regel nicht in den ersten Arbeitsmarkt, sondern sind eine Sackgasse. Für eine stabile Integration in den Arbeitsmarkt braucht es reguläre Arbeitsplätze und ausreichende Qualifizierungsmöglichkeiten, auch parallel zu einer Teilzeitbeschäftigung. Doch dafür stellt die Bundesregierung immer noch nicht genug Geld zur Verfügung. Gerade im Hartz-IV-System sind die Mittel für Arbeitsmarktförderung in den letzten Jahren viel zu sehr runtergefahren worden.
    Quelle: taz

    Dazu auch: Konjunkturprogramm für die AfD
    Flüchtlinge zu Billiglöhnen arbeiten zu lassen, wäre fatal. Regulär bezahlte Jobs würden ersetzt. Freuen dürften sich Rechtspopulisten. Am Donnerstag stellte die Stiftung Mercator eine neue Studie vor. In ihrem Auftrag hatten Sozialwissenschaftler die Deutschen befragt, ob ihnen noch wohl ist, mit all den Flüchtlingen im Land. Das Ergebnis: Ist es nicht. Jedenfalls vielen nicht. Die so genannte Willkommenskultur, sie erodiert, hatten die Forscher herausgefunden. Dagegen ließe sich einiges tun. Der sicherste Weg aber, die verbleibende Offenherzigkeit der Normaldeutschen gegenüber Flüchtlingen in Richtung Nullpunkt zu drücken ist: Die Ankommenden zu Billigarbeitskräften machen.
    Quelle: taz

    Anmerkung Christian Reimann: Die SPD – und insbesondere Bundesarbeitsministerin Nahles – hat mit dieser Entscheidung ihr zentrales Wahlkampfthema bei der letzten Bundestagswahl, den flächendeckenden und gesetzlichen Mindestlohn weiter torpediert und somit noch löchriger gemacht als er ohnehin schon ist. Kann die Partei-Spitze mit Abstimmungen/Beschlüsse wie diesen überhaupt noch Teil eines „Bündnis aller progressiven Kräfte“ sein, das auch „miteinander regierungsfähig“ (Gabriel) sein soll?

  9. Schäuble warnt vor Flächenbrand in der EU
    Bundesfinanzminister Schäuble hat nach der Entscheidung Großbritanniens, aus der EU auszutreten, vor einem Flächenbrand gewarnt. Europa müsse den Menschen jetzt zügig beweisen, dass es Mehrwert in den drängenden Fragen biete, sagte Schäuble der “Augsburger Allgemeinen”. Dies gelte nicht nur für die Flüchtlingskrise, sondern auch für die Jugendarbeitslosigkeit vor allem in Süd-Europa. Schäuble schlug in diesem Zusammenhang einen europäischen Ausbildungsverbund vor. Er verwies darauf, dass in Deutschland Lehrstellen nicht besetzt werden könnten, während junge Leute in Griechenland und Spanien keine Arbeit hätten.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers A.L.: Schäuble, oder: Der Biedermann als Brandstifter. So kann man dem Roman von Max Frisch immer wieder etwas abgewinnen.

  10. Europas Sozialdemokratie
    1. Bequeme Sozialdemokratie
      Statt gegen die unsoziale Politik der EU lautstark Opposition zu betreiben, haben es sich die SozialdemokratInnen in Brüssel gemütlich gemacht – mit verheerenden Folgen.
      Die EU hat ein schweres Legitimationsproblem. Dass die Mehrheit der BritInnen den Sprung in eine völlig ungewisse Zukunft wagen und dem jetzigen Zustand innerhalb der EU vorziehen, ist ein Alarmsignal. Und es könnte einen Dominoeffekt auslösen. In vielen Ländern lehnen bedeutende Teile der Bevölkerung die EU ab. Geschürt wird die Ablehnung von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien: in Frankreich etwa vom Front National, in den Niederlanden von Geert Wilders Freiheitspartei und in Österreich von der FPÖ. Diese Gruppierungen propagieren ein diffuses Zurück, vorgeblich in einen souveränen Nationalstaat, der selbstbestimmt im Interesse des «Volkes» agiert. Die Anti-EU-Propaganda ist dabei immer auch von ausländer- und islamfeindlichen Parolen begleitet. Linke EU-GegnerInnen sind dagegen marginal. Es fehlt ihnen an einem überzeugenden Gegenentwurf. (…)
      Es gibt gute Gründe, der EU kritisch gegenüberzustehen: So fehlt es ihr an echter demokratischer Legitimation und Transparenz. Die einflussreiche EU-Kommission wird von den Regierungen der einzelnen Mitgliedsländer zusammengestellt, wichtige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen. Was beschlossen wird, basiert auf einer undurchschaubaren Gemengelage aus nationalen Interessen und dem Einfluss von Lobbygruppen.
      Das führende politische Personal innerhalb der EU-Institutionen repräsentiert eine Art grosse Koalition aus Parteien aus dem bürgerlichen und sozialdemokratischen Spektrum. Politische Unterschiede etwa innerhalb der einflussreichen EU-Kommission sind kaum auszumachen. Das stärkt den Eindruck, dass hier eine elitäre Clique am Werk ist, die sich um die Meinung der Bevölkerung foutiert – zumal das gewählte EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat. Es ist denn auch diese Koalition, die für die Austeritätspolitik in Europa die Verantwortung trägt. Die einzelnen Staaten haben sich an rigide Sparvorgaben zu halten, was dazu führt, dass sie nicht genügend investieren können, sondern mit Kürzungen im Sozialbereich und Privatisierungen beschäftigt sind. So bleiben viele Länder in der Wirtschaftskrise gefangen.
      Quelle: WOZ
    2. »Labour muss bei den Verhandlungen mit der EU dabei sein«
      Seit dem Mehrheitsentscheid der britischen Wählerschaft, die EU zu verlassen, befindet sich das politische System des Vereinigten Königreichs in einer tiefen Krise. Davon ist auch die Labour-Bewegung und speziell die Labour Party nicht verschont. Die Mehrheit der Parlamentsfraktion ist unmittelbar nach dem Brexit-Entscheid mit einer Abwahlattacke gegen ihren Fraktions- und Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn hervorgetreten.
      Gleichzeitig hat die Labour Party seit dem Referendumstag mehr als 100.000 neue Vollmitglieder gewonnen. Mit mehr als 500.000 Mitgliedern ist sie derzeit die größte sozialdemokratische Partei in Europa.
      Nach der seit mehreren Jahren von interessierter Seite hinausgezögerten Veröffentlichung des Chilcot-Reports, in dem die Umstände des völkerrechtswidrigen Kriegseintritt des Vereinigten Königreichs in den Irak-Krieg 2003 an der Seite der USA untersucht werden, hat sich Corbyn im Namen der Labour Party für das Handeln des damaligen Premierministers und Labour-Vorsitzenden Tony Blair entschuldigt, vor allem bei den vielen Opfern der Zivilbevölkerung und deren Angehörigen im Irak.
      Ob aufgrund der Ergebnisse des Berichts gegen Blair eine Anklage wegen Kriegsverbrechens erhoben wird, ist offen. Corbyn hat hingegen deutlich gemacht, dass die 140 Labour-Abgeordneten, die 2003 gegen die völkerrechtswidrige Invasion gestimmt hatten und die 1,5 Millionen DemonstrantInnen – eine der größten Demonstrationen in Britannien seit dem Zweiten Weltkrieg – mit ihrer Ablehnung historisch Recht hatten. Und zugleich hob er hervor, dass die Kriegsfolgen der Irak-Invasion – die Bewegung der Geflüchteten und Schutzsuchenden – einer der wesentlichen Gründe ist, warum die EU durch in der Zeit der ungelösten Politikfolgen anhaltender Austerität im letzten Jahr in ihre tiefste Krise geraten ist.
      In einer kurzen Positionsbestimmung[1] zwei Wochen nach dem Brexit-Entscheid umreißt Corbyn die Situation, in der sich die Labour Party befindet und mit welchen Aufgaben sie sich konfrontiert sieht. Wir dokumentieren den Artikel in Auszügen.
      Quelle: Sozialismus aktuell
  11. Der Anti-Blair: Jeremy Corbyn kommentiert Irak-Bericht im Unterhaus
    Nachdem der Putschversuch der Labour Abgeordneten gegen Jeremy Corbyn vorerst gescheitert ist und innerhalb der letzten zwei Wochen noch einmal mehr als 100 000 Personen der Labour Partei beigetreten sind, fand der Parteichef die Gelegenheit, die veröffentlichten Ergebnisse des Untersuchungsberichts zum Irak-Krieg (Chilcot report) zu kommentieren und damit quasi als Anti-Blair mit diesem dunklen Kapitel der Partei etwas aufzuräumen.
    Es ist einer jener seltenen Momente, in denen im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit und aus einer nicht marginalisierten Position heraus solche Worte gesprochen werden, die eine aufrichtige Beschreibung der Welt nicht auf dem Altar machterhaltender Leiterzählungen opfern: (…)
    Die Bevölkerung in UK, die den Irak-Krieg damals mit überwältigender Mehrheit ablehnte und zu Hunderttausenden gegen den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Straße ging, dürfte Corbyn wohl in weiten Teilen der Rede zugestimmt haben. Die Abgeordneten auf beiden Seiten des Parlaments, die nicht nur glühende Anhänger des kriegerischen Interventionismus sind, sondern von denen auch so einige damals bereits im Parlament saßen und dem Unterfangen ihre Stimme gaben, waren spürbar weniger angetan, doch stand ihnen diesmal kein Nebelwerfer zur Verfügung, der – wie in den meisten anderen Fällen – die Normativität auf die Seite der etablierten Macht schlägt.
    Quelle: Maskenfall
  12. Bundeswehr bereitet sich auf Einsatz im Innern vor
    Einsätze im Innern waren in der Koalition lange umstritten, weil sie dem Grundgesetz entgegen zu stehen schienen. Eine Gesetzesänderung aber lehnte die SPD strikt ab. Bisher war argumentiert worden, die Streitkräfte könnten der Polizei nur bei Naturkatastrophen oder schweren Unglücksfällen zu Hilfe kommen, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuhalten oder wiederherzustellen (Artikel 35 des Grundgesetzes). Zuletzt einigte sich die Koalition darauf, dass die im Grundgesetz genannten Ausnahmefälle “von besonderer Bedeutung” auch schwere Terrorangriffe einschließen.
    “Wir wollen und brauchen keine Grundgesetzänderung”, sagte Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, dem Kölner Stadt-Anzeiger. Die geplanten Übungen von Bundeswehr und Polizei seien “hilfreich”. Sie sollten verhindern, dass “durch ungeübte Abläufe Probleme entstehen”.
    Quelle: Zeit Online

    Dazu: Bundeswehr Inlandseinsätze
    Im Mai 2016 hatten sich CDU/CSU und SPD auf einen faulen Kompromiss geeinigt, demzufolge es auch ohne Grundgesetzänderung künftig möglich sein soll, die Bundeswehr zur Terrorabwehr im Inland einzusetzen (siehe IMI-Aktuell 2016/310). Heute berichtet nun die Frankfurter Rundschau, mit entsprechenden Übungen wolle die Bundeswehr in Kürze beginnen: „Die Bundeswehr bereitet sich gegenwärtig auf Übungen mit der Polizei für einen Einsatz im Innern vor, wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet. Entsprechende Planungen sollen bereits in der kommenden Woche beginnen, bestätigte das Verteidigungsministerium auf Anfrage der Zeitung. Im Weißbuch der Bundeswehr, das in Kürze veröffentlicht wird, werden solche Einsätze ebenfalls angekündigt.[…] Zuletzt einigte sich die Koalition darauf, dass die im Grundgesetz genannten Ausnahmefälle „von besonderer Bedeutung“ auch schwere Terrorangriffe einschließen.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben auf den „faulen Kompromiss“ der schwarz-roten Koalition hingewiesen.

  13. SPD und Linkspartei stellen sich Bedingungen
    Debatte um Rot-Rot-Grün / Oppermann: Ihr müsst die Außenpolitik ändern / Wagenknecht: Ihr müsst die Sozialpolitik ändern
    In der Diskussion über ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis haben Politiker von SPD und Linkspartei sich gegenseitig zu Kurskorrekturen aufgefordert. Der sozialdemokratische Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, ein Bündnis links von der CDU auf Bundesebene könne möglich sein, sofern die Linkspartei Änderungen in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik vornimmt. Sie müsse »ohne Vorbehalte akzeptieren, dass jede Bundesregierung der internationalen Verantwortung Deutschlands etwa im Rahmen der NATO jederzeit gerecht werden muss«, sagte Oppermann dem »Tagesspiegel am Sonntag«.
    Wer Auslandseinsätze der Bundeswehr kategorisch ablehne, sei nach Auffassung von Oppermann nicht anschlussfähig. Der SPD-Politiker wiederholte auch einen alten Vorwurf, demzufolge in Teilen der Linkspartei Verantwortung abgelehnt und mit zugespitzten Parolen Stimmung gemacht werde. »Wenn die Linkspartei regieren will, dann darf sie solche radikalen Vertreter nicht für den Bundestag nominieren. Eine Koalition mit der SPD kann es nur geben mit verlässlichen Abgeordneten«, so die von Oppermann formulierte Bedingung für eine mögliche Kooperation.
    Quelle: Neues Deutschland

    Anmerkung Christian Reimann: Sind Herr Oppermanns Worte in der SPD eigentlich Konsens? Kennt er eigentlich noch das Berliner Grundsatzprogramm vom 20. Dezember 1989? Dort war u.a. zu lesen: “Unser Ziel ist es, die Militärbündnisse durch eine europäische Friedensordnung abzulösen. Bis dahin findet die Bundesrepublik Deutschland das ihr erreichbare Maß an Sicherheit im Atlantischen Bündnis, vorausgesetzt, sie kann ihre eigenen Sicherheitsinteressen dort einbringen und durchsetzen, auch ihr Interesse an gemeinsamer Sicherheit. Der Umbruch in Osteuropa verringert die militärische und erhöht die politische Bedeutung der Bündnisse und weist ihnen eine neue Funktionen zu: Sie müssen, bei Wahrung der Stabilität, ihre Auflösung und den Übergang zu einer europäischen Friedensordnung organisieren. Dies eröffnet auch die Perspektive für das Ende der Stationierung amerikanischer und sowjetischer Streitkräfte außerhalb ihrer Territorien in Europa. Im Bündnis muss der Grundsatz gleicher Souveränität gelten.” War die SPD damals etwa “nicht anschlussfähig”, Verantwortung ablehnend oder hat sie seinerzeit “mit zugespitzten Parolen Stimmung gemacht”?

  14. Gespräche mit Gewerkschaften abgelehnt
    Ganz weit im Südosten Deutschlands ist Passau. Dort ist auch der Sitz der Verlagsgruppe Passau. Ihr wichtigstes Produkt, die “Passauer Neue Presse”, ist mit einer verkauften Auflage von über 160.000 Stück eine der großen Regionalzeitung – und offenbar ein schwieriger Arbeitgeber.
    “In den letzten zwölf Jahren bin ich kein einziges Mal in der Gehaltsgruppe aufgestiegen. Was drauf gekommen ist, war nur der Inflationsausgleich. Und das, wo die Bezahlung ‘eh schon ein Drittel unter dem Tarif von früher liegt. Aber nachverhandeln bringt nichts, außer Ärger und Druck.”
    Das sagt ein gestandener Redakteur der “Passauer Neuen Presse”, der seit fast 20 Jahren für diese Zeitung tätig ist. Er will nicht erkannt werden – darum haben wir seine Aussagen nachgesprochen. Zu groß ist die Angst, durch seine Äußerungen in der Öffentlichkeit seinen Job in Gefahr zu bringen. Diese Angst ist begründet, erzählt der freie Journalist Hubert Denk in Passau. Auch er arbeitete viele Jahre für das Unternehmen, ist mit vielen Kollegen von früher gut vernetzt. Er kennt das einseitig vom Verlag diktierte “Eckpunktepapier”, das vor über elf Jahren den allgemeinen Tarifvertrag bei der PNP und ihren Gesellschaften ablöste. Darin enthalten sei auch eine Arbeitsplatzgarantie – jedoch mit Einschränkungen.
    “Da steht dann da: Diese Zusicherung gilt für den jeweiligen Arbeitnehmer unter der Bedingung, dass er sich an keinem Streik beteiligt. Ich meine, wenn ich so was da rein schreibe, dann beginnt das ja vielleicht schon, wenn ich irgendwo mal meine Hand hebe. Also das ist schon eine eindeutige Drohung.”
    Quelle: Deutschlandfunk
  15. Schreckgespenst Inflation?
    Es ist schon erstaunlich, über Jahre hinweg wird hierzulande vor Inflation gewarnt, auch ausufernder Inflation, und – nichts davon trat ein und wird wohl auch nicht eintreten. Im Gegenteil, das eigentliche Probleme heißt eher Deflation. Wie konnten sich die Auguren nur so eklatant vertun? Wird dieser grandiose Irrtum aufgearbeitet? Von wem? Hat dies Konsequenzen? Und vor allem, wo bleiben die Artikel dieser Herrschaften darüber, nun doch endlich einmal die aktuelle Politik und die dahinterliegende Theorie, besser Ideologie, zu überdenken?
    Nachfolgend ein Panoptikum des Scheiterns hochmögender Journalisten, Politiker und Ökonomen von Heiner Flassbeck und Philipp Müller.
    Die Preisentwicklung im Euroraum 2008 bis 2015
    Woher kommt eigentlich die Inflation? Die klare Antwort, die fast alle „wichtigen“ deutschen Ökonomen und Kommentatoren geben, lautet: Von zu viel Geld. Wieso aber leben wir dann derzeit in einer Deflation? Schafft nicht die Europäische Zentralbank (EZB) gerade sehr viel Geld, um die Deflation zu verhindern? Und wieso gelingt ihr das nicht? Die Inflationsrate im Euroraum ist zum Abschluss des Fiskaljahres 2015 auf einem Rekordtief von 0,3% zum Vorjahr gelandet (die rote Kurve in Abbildung 1). Das ist der niedrigste Wert seit der Einführung des Euros. Die Inflationsrate ist seit der Wirtschaftskrise 2008 nie wieder auf ihren Wert von vor der Krise zurückgekehrt und hat das Inflationsziel der EZB von knapp zwei Prozent nur einmal kurz erreicht. Zuletzt lag sie sogar bei fast genau Null (Abbildung 2).
    Dennoch konnte man seitens diverser Stimmen aus Presse, Politik und Fachwelt immer wieder Warnungen vor drohender Inflation und bisweilen sogar Hyperinflation vernehmen.
    Quelle: Westend


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