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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 24. Juni 2016 um 8:50 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Brexit
  2. Kampf gegen Rechtspopulisten: Last Exit
  3. Russland
  4. Einigung bei Erbschaftsteuer bringt weitere Aufweichungen und möglicherweise Mindereinnahmen
  5. Die Reihen der Millionäre wachsen in Deutschland und Österreich
  6. Hartz IV: Vom Regelleistungsbedarf zum Zahlungsanspruch – Bund, Länder, Kreise 12/2015
  7. Renten-Schere geht auseinander
  8. Das Verfassungsgericht überschreitet sein Mandat
  9. Endbericht zur Evaluation des Bildungspaketes liegt vor
  10. Elite bleibt Elite
  11. Auf dem Feld verhungert
  12. Gibt es Hunger und Plünderungen in Venezuela?
  13. Minister Pengpeng
  14. Ein Account namens Gabriel
  15. AfD: Konkurrenz und Ressentiments im neoliberalen Kapitalismus

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Brexit
    1. Was der Brexit für uns bedeutet
      Ein Nein-Ergebnis des Referendums reicht nicht für einen EU-Austritt. Großbritannien muss nach Artikel 50 des EU-Vertrags den Austritt schriftlich erklären. Dafür bedarf es aber einer handlungsfähigen Regierung und eines formellen Beschlusses des Kabinetts. Es wird indes davon ausgegangen, dass Premierminister David Cameron entgegen seiner bisherigen Ankündigung nach der Niederlage in der Abstimmung zurücktreten oder gestürzt wird. Damit hätte das Land keine handlungsfähige Regierung mehr. Verfassungsexperten haben größte Zweifel, ob eine lediglich die Geschäfte führende Regierung rechtsverbindlich den EU-Austritt erklären könnte. Es wird befürchtet, dass sich bei einem Nein zur EU in London die politischen Ereignisse überstürzen.
      Brüssel ist vorbereitet: Am 23. Mai gab es ein vertrauliches Treffen hochrangiger Diplomaten aus Deutschland, Frankreich, Slowakei und Malta, also den Ländern, die demnächst die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Dabei einigte man sich auf eine Sprachregelung für den Zeitpunkt, wenn das Ergebnis vorliegt. Damit keine Verunsicherung aufkommt, soll unter anderem eine Erklärung zur Zusammenarbeit der Geheimdienste und zum Grenzschutz abgegeben werden. Am Freitag, wenn das Ergebnis bekannt ist, wollen sich zudem Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Parlamentspräsident Martin Schulz sowie der niederländische Regierungschef Marc Rutte in Brüssel treffen, um das Vorgehen zu erörtern. Konkrete Reaktionen der EU auf einen Brexit würden die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsländer dann bei ihrem Gipfel am Dienstag und Mittwoch beraten.
      Quelle: Tagesspiegel

      Dazu: The Winner is…!

      Quelle: Stuttmann Karikaturen

    2. Brexit erschüttert deutsche Politik
      Der Brexit sorgt auch hierzulande für politische Erschütterungen: Der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, hat in einer ersten Reaktionen auf die erwartete Mehrheit für einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU von einem »schlechten Tag für Europa« gesprochen – der Sozialdemokraten fluchte auf Englisch: »Damn!« Das tat auch der CDU-Politiker Michael Fuchs, jedenfalls ein bisschen: »Es ist nicht zu glauben what a sh…«, twitterte der Bundestagsabgeordnete. Ein »Brexit schadet ganz Europa und am meisten« Großbritannien selbst, so Fuchs. Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich ebenfalls sehr enttäuscht: »Die Nachrichten aus Großbritannien sind wahrlich ernüchternd. Es sieht nach einem traurigen Tag für Europa und Großbritannien aus.«
      Quelle: Neues Deutschland

      Anmerkung André Tautenhahn: Die vornehmlich über die sozialen Netzwerke verbreitete Erschütterung über einen „traurigen Tag in Europa“ passt offensichtlich ganz gut, um davon abzulenken, dass der Bundestag heute ein trauriges Votum zu den Themen Erbschaftsteuerreform, Anti-Terror-Paket, Fracking und Bundeswehreinsätze im Mittelmeer abgeben wird.

    3. Brexit-Multimedia-Dossier: Goodbye nach 43 Jahren?
      Das historische Brexit-Referendum ist vorbei. Wie kam es überhaupt zu der Abstimmung? Welche Austritts-Szenarien sind denkbar? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
      Quelle: Tagesschau
    4. Warum der Brexit gut für Europa wäre…
      Europa ist eine uralte Tatsache, die von der Frage “Brexit? Ja oder nein?” überhaupt nicht berührt wird. Oder gehört etwa die Schweiz nicht zu Europa, obwohl sie der EU noch nie angehörte? Trotzdem entsteht in den Medien des Kontinents gerade der Eindruck, als drohte am heutigen Donnerstag der Untergang des Abendlands. Der Unionjack und das Georgskreuz stehen nun auf allen Gazetten, der “Spiegel” bettelt “Bitte geht nicht!” und versucht mit 23 Seiten auf Englisch Auflagenerfolge zu erzielen und die anderen tun es ihm nach. Als wäre ein “Brexit” das Ende Europas. Die Briten stehen also mal wieder im Mittelpunkt. Das tun sie gern. Und dieser gekränkte Narzissmus der Briten ist nicht der geringste Grund für die hohe Zustimmungsrate der Briten für einen Austritt – wie auch für die klammheimliche Freunde, die viele Europäer empfinden werden, wenn Großbritannien heute seinen EU-Austritt erklären sollte.
      Quelle: Telepolis
    5. Die Zukunft Schottlands
      Für Schotten ist „the free movement of people“ (Personenfreizügigkeit) ein sehr wichtiger EU-Vorteil. Die in England ansässigen `Raus aus der EU Fans´ sehen das allerdings anders. Die Freizügigkeit sei doch der Grund, sagen sie, warum im „United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland“ zu viele (EU-) Immigranten lebten. Diese wären nur im UK, um Sozialhilfe zu beziehen und förderten auch noch den Terrorismus. Für Schotten ist diese Argumentation – höflich ausgedrückt – absolut unverständlich. Schottland mit seinen 5,3 Mio. Einwohnern hat bislang mehr Flüchtlinge aufgenommen als der Rest des UK. Alle schottischen Parteien sind sich beim Thema EU einig. Nach 2 Stunden EU -Diskussion im schottischen Parlament in Edinburgh stimmten die 129 „Members“ bei 8 Austrittsstimmen und 3 Enthaltungen deutlich für den EU-Verbleib Schottlands!
      Eine Überraschung ist das nicht, denn das schottische Parlament hat sich 1999 in seiner Gründungsurkunde auf die Europäische Menschenrechtskonvention berufen, die vom „Nicht EU“- Europarat in Straßburg `gehütet´ wird. Die britische Regierung hat angekündigt, dass UK aus dieser Konvention austreten müsse.
      Quelle: Gegenblende
  2. Kampf gegen Rechtspopulisten: Last Exit
    Es ist kein Wunder, dass sogenannte bürgerliche Parteien und Zeitungen der Revolution von rechts so hilflos gegenüber stehen. Sie haben sie verursacht. Jetzt ist sie ihnen peinlich. Sie haben einem ökonomischen System Vorschub geleistet, das nicht nur Ungleichheit und Ungerechtigkeit produziert – sondern auch den Zynismus der Massen. Es ist der Zynismus, den die Eliten selber vorleben und den sie jetzt dem Wähler vorwerfen. Der Erfolg der Rechten ist das Fieber Europas. Die Rechten sind nicht die Krankheit. Sie sind das Symptom. Man kann den Menschen vorwerfen, dass sie in die falsche Richtung laufen. Man kann ihnen nicht vorwerfen, dass sie nicht bleiben wollen, wo sie sind. Sie wurden betrogen.
    Quelle: Jakob Augstein auf Spiegel Online
  3. Russland
    1. Verpasste Chance
      Meinst du, die Russen wollen Krieg?”, fragte 1967 der Dichter Jewgeni Jewtuschenko, als das Verhältnis des Westens zur Sowjetunion in ähnliche Fahrwasser geraten war wie heute das zu Russland.
      Warum ringt sich der Bundespräsident, nachdem er jeden Kontakt zur russischen Führung so lange und beharrlich gemieden hat, nicht wenigstens zum 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion dazu auf, seine stoische Distanziertheit aufzugeben? Es müsste nicht unbedingt nach Moskau fliegen. Ein Auftritt im Bundestag täte es auch. Dazu freilich müssten Regierung und Parlament umdisponieren. Sie scheinen bei der Erinnerung an das „Unternehmen Barbarossa“, dem 27 Millionen Menschen zum Opfer fielen, auf ein protokollarisches Understatement bedacht. Es wird auf eigene Gedenkveranstaltungen verzichtet, im Bundestag ist heute lediglich eine Stunde für die Beschäftigung mit einem Menschheitsverbrechen sondergleichen vorgesehen, ohne jeden feierlichen Rahmen, ein Tagesordnungspunkt unter anderen. Und Joachim Gauck ist an diesem Tag ausgerechnet nach Rumänien gereist, wo 1941 das Antonescu-Regime mit Soldaten an der Aggression beteiligt war.
      Offenbar ist dieser so zurückhaltende wie fragwürdige Umgang mit deutscher Vergangenheit von der Sorge überlagert, zu viel Feierlichkeit assoziiert zu viel Russlandnähe.
      Tatsächlich wird nicht nur eine Chance zur Entspannung verspielt, sondern auch das Gebot des historischen Anstands verletzt. Eine Geste der Demut wäre angebracht gewesen, zumindest ein Moment des Innehaltens angesichts des unermesslichen Leids, das mit dem 22. Juni 1941 begann.
      Quelle: Friedrich Schorlemmer in der Freitag
    2. Kritik an der Nato: Ischinger warnt vor Kriegsgefahr mit Russland
      Wolfgang Ischinger, deutscher Spitzendiplomat und Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, empfiehlt der Nato Zurückhaltung im Umgang mit Russland. Das westliche Militärbündnis solle “nicht draufsatteln, sondern mäßigen” , sagte Ischinger dem NDR-Magazin “Panorama”.
      Die Gefahr, dass aus “Eskalationsschritten militärische Kampfhandlungen” werden, ist aus Ischingers Sicht größer als in der Spätphase des Kalten Krieges oder “in den vergangen 25 Jahren”, ja sogar “größer denn je”.
      Ischinger hält die Russland-Strategie der Nato für eindimensional, sie setze “nur auf eine Demonstration militärische Stärke”. Dialog, Entspannung und die Rückkehr zur Rüstungskontrollen müssten aber ein “zweiter Pfeiler” der Strategie sein, so Ischinger.
      Als Zeichen der Entspannung empfahl Ischinger Visaerleichterungen für die russische Bevölkerung. “Der normale Russe kann nicht ohne Visum nach Europa einreisen”, kritisierte Ischinger . Das Signal wäre dann: “Wir beantworten die vergiftende russische Propaganda nicht mit entsprechender Gegenpropaganda, sondern wir schaffen die Visumspflicht für russische Bürger schrittweise ab.” (…)
      Harald Kujat, Bundeswehrgeneral a.D. und bis 2005 Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, appelliert an das Bündnis, es müsse “Vertrauen wieder herstellen” und “Misstrauen abbauen”. Außerdem empfiehlt Kujat, den Nato-Russland-Rat intensiver zu nutzen, nämlich als Mittel des Krisenmanagements und der Deeskalation.
      Laut der Grundakte von 1997 bestehe die Möglichkeit, mit dem Nato-Russland-Rat “auf der militärischen Ebene, der Ebene der Außenminister, ja sogar auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs” eng zusammenzuwirken. Das finde aber überhaupt nicht statt, kritisiert Kujat im NDR.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung Albrecht Müller: Das sind immerhin ein paar vernünftige Äußerungen. Wirklich glaubhaft ist Harald Kujat. Er hat sich in letzter Zeit schon immer mäßigend geäußert. Ein bisschen anders ist das bei Ischinger. Wo war er denn zum Beispiel, als im Anschluss an die letzte Münchner Sicherheitskonferenz dem russischen Ministerpräsidenten in den deutschen Medien das Wort im Mund herumgedreht worden ist? Ein bisschen Schutz des Gastes durch den Vorsitzenden der Sicherheitskonferenz wäre ja eigentlich angebracht gewesen. Auch jetzt bringt er neben dem vernünftigen Signal, die Visumspflicht für Russen abzuschaffen, so nebenbei die Behauptung, Russland habe mit einer „vergiftenden Propaganda“ begonnen. Auch Gernot Erler ist nicht sonderlich glaubwürdig. Er ist seiner Verantwortung als einigermaßen aufgeklärter Sozialdemokrat nicht gerecht geworden und hat des Öfteren den Konflikt mit Russland angeheizt.
      Ich verweise in diesem Kontext zur näheren Information auf einige Beiträge auf den NachDenkSeiten. Zum Beispiel auf „Ist der neue kalte Krieg vom Himmel gefallen? Nein.“ und auf Textfassung des Vortrags von Albrecht Müller bei „Stopp Ramstein“ und auf „Globales Zwischenhoch: Putin Krisenmanager – Chance oder Irrtum?“.

    3. Die 360°-NATO: Mobilmachung an allen Fronten
      Die rasante Aufrüstung der NATO-Ostflanke ist das wohl sichtbarste Zeichen dafür, dass das westliche Militärbündnis in eine neue Phase eingetreten ist. Doch nicht nur dort hat die NATO damit begonnen, sich deutlich aggressiver aufzustellen, wie in der Broschüre „Die 360°-NATO: Mobilmachung an allen Fronten“ beschrieben wird. Sie wird zusammen von der DFG-VK und der IMI herausgegeben.
      Quelle: Informationsstelle Militarisierung e. V. [PDF]

      Anmerkung Jens Wernicke: Und wer sich fragt, wie Hartz IV, Griechenland, Brexit und „totale Mobilmachung“ zusammenpassen, der und die sei an das Telepolis-Interview „Wir beobachten derzeit, dass die Verdammten dieser Erde aufstehen und protestieren“ mit Werner Ruf erinnert.

  4. Einigung bei Erbschaftsteuer bringt weitere Aufweichungen und möglicherweise Mindereinnahmen
    Die Einigung der Bundesregierung zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer leistet wenig dafür, der gewachsenen sozialen Ungleichheit in Deutschland entgegenzuwirken. Im Vergleich zum Regierungskompromiss vom Februar bringt sie unter dem Strich weitere Aufweichungen bei der Privilegierung von Betriebsvermögen. Das betrifft unter anderem die Investitionsklausel, den Bewertungsabschlag für Familienunternehmen, die voraussetzungslose zinslose Stundung im Erbfall und die deutliche Absenkung des Kapitalisierungsfaktors. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. „Durch die weitere Aufweichung sind Mindereinnahmen gut möglich. Angesichts des ohnehin geringen Aufkommens aus der Erbschaftsteuer ist das ein irritierendes Ergebnis der Reform“, sagt IMK-Steuerexpertin Dr. Katja Rietzler. „Wenn die Erben – auch sehr großer – Betriebsvermögen gegenüber anderen Erben wiederum sehr deutlich begünstigt werden, dürfte auch das neue Gesetz die Gerichte beschäftigen“, ergänzt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. „Das wäre nicht nötig gewesen.“ Das IMK hat in seiner aktuellen Steuerschätzung ein verfassungsgerechtes Alternativkonzept vorgelegt, mit dem sich das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer langfristig verdoppeln ließe – ohne bei der Übertragung von Betrieben Arbeitsplätze zu gefährden.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung

    Dazu: Nein zu dieser Reform der Erbschaftssteuer! Weg mit der Verschonung großer Vermögen!
    Schon 2007 hat das Bundesverfassungsgericht die zu niedrige Bewertung von Grund und Boden im Erbschaftssteuerrecht wie schon bei der Vermögensteuer für verfassungswidrig erklärt. Es monierte auch, dass Betriebsvermögen sogar noch niedriger bewertet werden und dass die Erben von Betriebsvermögen zusätzlich eine Vielzahl von Vergünstigungen erhalten. Alle Vermögen müssen zu ihrem tatsächlichen Wert bewertet werden, hieß es in dem Urteil von 2007.
    Das Gesetz, das daraufhin beschlossen wurde, erklärte das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2014 mit ähnlicher Begründung erneut für verfassungswidrig. “Die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG ist angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.” Auch bezeichnet das Urteil als unverhältnismäßig, dass die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Daneben werden noch einige andere Regelungen problematisiert.
    Das Gericht hat dem Gesetzgeber (Bundestag und Bundesrat) bis Ende Juni 2016 eine Frist gesetzt. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Urteils wurde reflexartig das uralte Scheinargument aus der Mottenkiste geholt: eine Besteuerung der Vererbung von Betriebsvermögen bedeute in den meisten Fällen die Betriebsaufgabe.
    Quelle: attac

    Dazu auch: Skandalöse Reichtumspflege
    Eine gigantische Welle großer Erbschaften und Schenkungen rollt über unser Land. Jedes Jahr werden 200 bis 300 Milliarden Euro weitergegeben. Der große Vermögenstransfer verläuft nach dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Acht Prozent der Bevölkerung bekommen zwei Fünftel des zu vererbenden Vermögens. Jede/r Zweite geht leer aus. Damit verschärfen Erbschaften die soziale Spaltung. Die Politik fördert die vererbte Ungleichheit. In der Steueroase Deutschland zahlen Erben im Schnitt nur sieben Prozent Steuern, sofern sie überhaupt über den Freibeträgen liegen. Verantwortlich dafür ist die weitgehende Verschonung von Betriebsvermögen. Jetzt hätte die große Chance bestanden, diese Reichtumspflege einzuschränken.

    Quelle: ver.di

  5. Die Reihen der Millionäre wachsen in Deutschland und Österreich
    Es gibt über eine Million Millionäre in Deutschland: Die genaue Zahl liegt bei 1.198.700. Die Reihe der Reichen hat sich im vergangenen Jahr weiter aufgefüllt. Ihr Wachstum gegenüber 2014 beträgt 5,1 Prozent, meldet ein international agierendes Vermögensberatungsunternehmen in seinem World Wealth Report. Der Bericht verspricht Einblick in die Welt der vermögenden Privatanleger, wird auf der Webpage angekündigt.
    Das tut er natürlich nur in einem sehr begrenzten Sinn – über ein paar Kenn- und Vergleichszahlen, die grobe Konturen aufzeigen. Etwa, dass die meisten Millionäre in vier Ländern leben: in den USA, in Japan, in China und eben in Deutschland. Dort sei der überdurchschnittliche Zuwachs dem “überproportionalen Anstieg der Immobilienpreise” zu verdanken, wie der Vizepräsident des Vermögensberaters erklärt.
    Quelle: Telepolis
  6. Hartz IV: Vom Regelleistungsbedarf zum Zahlungsanspruch – Bund, Länder, Kreise 12/2015
    Vom “Regelleistungsbedarf” der nach dem SGB II (Hartz IV) “Regelleistungsberechtigten” in Höhe von insgesamt 3,378 Milliarden Euro über die “zu berücksichtigenden Einkommen”, die “verfügbaren Einkommen” und die “angerechneten Einkommen und Kürzungen” zu den “Zahlungsansprüchen” in Höhe von insgesamt 2,370 Milliarden Euro und (nachrichtlich) zur Summe der “Haushaltsbudgets” im Dezember 2015. Eine tabellarische Übersicht (BIAJ-Tabelle) mit kurzer Lesehilfe zeigt, wie sich dies im Bund, in den 16 Ländern und in den 402 Kreisen darstellt – unter besonderer Beachtung der angerechneten Einkommen und Kürzungen in Höhe von insgesamt 1,008 Milliarden Euro auf die verschiedenen Regelbedarfe (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Mehrbedarfe und die überwiegend von den Kommunen zu tragenden Kosten der Unterkunft).
    Quelle: BIAJ
  7. Renten-Schere geht auseinander
    Die Rentenansprüche von Frauen und Männern, die in den vergangenen 20 Jahren in den Ruhestand traten, sind immer mehr auseinander gegangen. Vor allem in Westdeutschland schlägt sich die stärkere Spreizung der Löhne in einer zunehmend unterschiedlichen Höhe neu bewilligter Altersrenten nieder. Das geht aus einer Analyse des Berliner Soziologen Ralf Himmelreicher für den Datenreport 2016 des Statistischen Bundesamts hervor (siehe auch Link unten).
    Bei den Rentenansprüchen neuer Ruheständler fällt vor allem die wesentlich einheitlichere Rentenentwicklung in Ostdeutschland auf – mit einer deutlichen Abwärtsentwicklung bei den Männern. Die Bezüge ostdeutscher Neurentnerinnen legten nach einer längeren Phase der Stagnation in den vergangenen Jahren in fast allen Einkommensklassen wieder zu. Dagegen mussten in den Ruhestand tretende Männer in den neuen Ländern aufgrund des niedrigeren Lohnniveaus und häufig längeren Phasen der Arbeitslosigkeit über mehr als 15 Jahre hinweg sinkende Rentenansprüche hinnehmen. Je kürzer der noch aus DDR-Zeiten geprägte Teil der Erwerbsbiografie sei, desto niedriger seien die Rentenanwartschaften “und umso höher deren Spreizung”, heißt es in der Studie.
    Quelle: Ihre-Vorsorge.de
  8. Das Verfassungsgericht überschreitet sein Mandat
    Das Bundesverfassungsgericht hat der EZB-Geldpolitik seinen Segen erteilt – so scheint es zumindest. Ein genauerer Blick auf die Entscheidung macht aber deutlich, dass das Gericht sich doch sehr tief in die Belange der Zentralbank einmischt.
    Es ist immer etwas problematisch, wenn Gerichtsurteile dahingehend kommentiert werden, ob diese nun richtig oder falsch sind – genau für diese Entscheidung gibt es ja schließlich Richter, die für die Auslegung von Gesetzen ausgebildet und zuständig sind.
    Im Falle des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum OMT-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt die Sache aber etwas anders – denn in dem Verfahren ging es eben nicht nur um rein juristische Angelegenheiten, sondern um die Be- bzw. Verurteilung der Qualität eines ökonomischen Krisenbewältigungsansatzes. So jedenfalls liest sich die Erklärung, mit der das Verfassungsgericht seine Entscheidung begründete.
    Auf den ersten Blick hat das Verfassungsgericht entschieden, dass das OMT-Programm nicht gegen deutsches Recht verstößt und die Bundesbank sich dementsprechend daran beteiligen darf. Die Richter folgen – man könnte auch sagen: beugen sich – damit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Juni 2015.
    Wirft man jedoch einen Blick auf die Details, muss man doch zu der Einschätzung kommen, dass das Verfassungsgericht den geldpolitischen Werkzeugkasten der EZB in nicht unerheblicher Weise einschränkt. Die Karlsruher Richter haben der EZB sechs Auflagen erteilt, die sie aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ableiten.
    Quelle: Makronom
  9. Endbericht zur Evaluation des Bildungspaketes liegt vor
    Forschungsprojekt untersucht Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe
    Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat 2013 ein umfassendes Forschungsvorhaben zur Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (sog. Bildungspaket) in Auftrag gegeben, das 2011 in Kraft getreten ist.
    Bei dem Forschungsprojekt wurde untersucht, wie das Bildungspaket vor Ort in der kommunalen Praxis umgesetzt wird, welche Zusammenhänge und Faktoren die Inanspruchnahme der Leistungen für Bildung und Teilhabe (BuT) beeinflussen und ob und wie die Leistungen bei den Leistungsberechtigten ankommen.
    Der nun vorliegende Endbericht der Gesamtevaluation ergibt insgesamt ein vielschichtiges Bild. Es zeigt sich, dass rechtliche Rahmenbedingungen (z. B. kommunale Trägerschaft, Landesvorgaben, Sachleistungsprinzip), lokale Entwicklungspfade, das Aufgabenverständnis und die Organisationsmaximen der Sozialverwaltung auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichem Gewicht zur kommunalen Umsetzungspraxis beitragen.
    Grundsätzlich gilt: Je einfacher die Antragstellung und Abrechnung für die Leistungsberechtigten, desto wahrscheinlicher ist es, dass Leistungsberechtigte ihren Anspruch auf BuT-Leistungen geltend machen. Auch die konkrete Ausgestaltung des sog. Hinwirkungsgebots spielt eine zentrale Rolle.
    Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

    Anmerkung Christian Reimann: Wenn das BMAS eine Evaluation in Auftrag gibt, wird wohl kaum etwas Negatives dabei raus kommen.
    Bitte lesen Sie dazu auch

    1. Was zu erwarten war: Das Bürokratiemonster Bildungspaket floppt
    2. Bildungspaket ist und bleibt der falsche Ansatz
  10. Elite bleibt Elite
    »Exzellenzstrategie«: Bund und Länder sorgen dafür, dass der Kreis deutscher Vorzeigunis klein bleibt und der Abstand zum Rest größer wird
    Nun also »Exzellenzstrategie«. Die Förderung sogenannter Spitzenforschung an heimischen Universitäten läuft demnächst unter neuem Label, vom Prinzip her aber wie gehabt: Wenigen wird gegeben, vielen genommen. Mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 16. Juni, die »Exzellenzinitiative« in leicht modifizierter Form auf unabsehbare Zeit zu verlängern, wird das Zweiklassensystem in Deutschlands Hochschullandschaft zum Dauerbrenner. Und damit bestätigt sich das, was Kritiker schon zur ersten Auflage des Uniwettstreits um Extrageld und Extraruhm haben kommen sehen. Eine über Jahrzehnte hinweg weitgehend stabile Struktur der »Gleichen unter Gleichen« wird zerstört. (…)
    Die jetzige Weichenstellung bewirkt nach Ansicht des Soziologen Michael Hartmann, emeritierter Professor der Uni Darmstadt, jedoch das genaue Gegenteil. »Das, was es oben mehr gibt, muss unten weggenommen werden«, bemerkte er gegenüber jW. Exzellenzunis seien dabei »dreifache Gewinner«. Sie profitierten erstens von den direkten Prämien des Programms und generierten zweitens wegen des damit verbundenen Renommees mehr staatliche und private Drittmittel. »Und drittens streichen sie bei der leistungsorientierten Mittelvergabe durch die Bundesländer einen größeren Anteil an den Landesmitteln ein.«
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Und so rückt das humboldtsche Bildungsideal immer weiter in die Ferne. Stattdessen wird Stück für Stück das angelsächsische Wissenschaftssystem etabliert.

  11. Auf dem Feld verhungert
    Der Brandenburger Heinz Litzbarski hat bei einem Fachgespräch der CDU/CSU-Fraktion zum Artenschutz unmissverständlich klargestellt, was das Problem der deutschen Biodiversitätsstrategie ist: Solange die Landwirtschaft auf eine industrielle Erzeugung ausgerichtet ist, haben Insekten, Kleinsäugetiere oder Vögel kaum eine Überlebenschance. Der Vorsitzende des Fördervereins Großtrappenschutz berichtete, dass die Ausbeute eines Keschers, also eines Insektenfangnetzes, auf einem Maisfeld bei unter zwei Gramm Insektenbiomasse liegt, auf einer ungedüngten Wiese sind es schon doppelt so viel und auf dauerhaft angelegtem Grünland ohne Düngung noch einmal doppelt so viel. Das ist aber das Mindestmaß dessen, was Großtrappen auf einem Feld finden müssen, um ein Küken durchzubringen.
    Quelle: Tagesspiegel
  12. Gibt es Hunger und Plünderungen in Venezuela?
    Zunächst gilt es das Szenarium zu erkennen, in dem wir uns bewegen: es geht um einen nicht konventionellen Krieg, eine chavistische Führung, die in ihrer Mehrheit von den popularen Strömungen abgekoppelt ist und eine Bevölkerung, die politisiert und einem brutalen Druck beim Erwerb jeglicher Produkte für den familiären Warenkorb sowie Hygiene- und Arzneimitteln unterworfen ist, und dies seit mehr als zwei Jahren.
    Es gibt eine Unzahl von Debatten. Da ist zum Beispiel der offene Dialog zwischen der venezolanischen und der nordamerikanischen Regierung – dem unbestrittenen Anstifter putschistischer Strategien. Vor allem aber gibt es eine ganze Menge Fragen ohne sichere Antworten: nach der Form des Krieges – der seine Stärke darin hat, unsichtbar zu sein – und danach, warum die Kommunikation Ausmaße einer nie gesehenen Nichtinformation erreicht hat. Dabei beziehe ich mich unter Ausnahme einiger Schreiber und Kameras auf beide Parteien: die Revolution wie auch die Konterrevolution.
    Seit einigen Wochen gibt es in diesem Rahmen den Versuch, ein Bild zu zeichnen, dass es Plünderungen im Land gebe, ein – von den Vereinigten Staaten verlangter – Nachweis dessen, dass man vor einer humanitären Krise stehe, einer Situation, die eine internationale Intervention erforderlich mache. Um der entsprechenden Dynamik gewahr zu werden genügt es, den folgenden Test zu machen: jeden Tag, wenn man gegen Mittag das trending topic bei Twitter zu Venezuela öffnet, erscheint eine andere Örtlichkeit und wenn man diese anklickt, tauchen (für nicht länger als dreißig Sekunden) Bilder und Videos von angeblichen Plünderungen, von Überfällen auf Lastwagen, die Lebensmittel transportieren und Zusammenstößen mit der Polizei auf. Die Bilder sind meist undeutlich: rennende Menschen, Tumulte, Rauch. Nichts was abgesichert oder bestätigbar wäre. Das Ergebnis scheint bei durchschnittlich zwei Toten und mehreren Verletzten zu liegen, zuweilen auch mehr.
    Quelle: amerika21
  13. Minister Pengpeng
    Die Stille nach dem Stuss: Bundesinnenminister Thomas de Maizière redet viel und streng über Flüchtlinge. Selten stimmt das, was er sagt. Seine härteste Waffe im Kampf für eine schlechte Stimmung gegenüber Flüchtlingen im Land ist sein Statistikrevolver. Wenn er sich in der Flüchtlingsfrage nicht anders zu helfen weiß – und das kommt öfter vor – macht er peng, peng! Sobald die Stimmung sich beruhigt, die Talkshows Ruhe damit geben, im Akkord Antiflüchtlingsopern zu inszenieren, dann lädt Thomas de Maizière durch.
    Quelle: Kiyaks Deutschstunde auf Zeit Online
  14. Ein Account namens Gabriel
    Letzte Woche fiel dem obersten Sozialdemokraten auf, dass es ungerecht sei, dass » Arbeit stärker besteuert wird als Kapitaleinkünfte«. Dass Vermögende eine kleinere Steuer- und Abgabenlast haben, als Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, fand er obendrein ungerecht. Außerdem gäbe es Bäckermeister mit höheren Steuersätzen als Starbucks, was er auch als ungerecht empfindet. Letzteres ist übrigens kein Kunststück, denn Starbucks zahlt phasenweise überhaupt keine Abgaben. Es könne nicht mehr sein, folgert Gabriel aus dieser Schieflage, dass »die normalen Bürger alleine das Gemeinwohl in Deutschland bezahlen«. Applaus! Der Mann findet endlich wieder sozialdemokratische, ja richtig linke Themen. Das wurde mit Likes honoriert und die Claquere riefen ihm Durchhalteparolen zu und stärkten ihm den Rücken. Sichma, der mit den Schwatten, der ist eben doch ein richtiger Sozi.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  15. AfD: Konkurrenz und Ressentiments im neoliberalen Kapitalismus
    Die wirtschafts- und sozialpolitische Programmatiken der meisten rechten Parteien sind zwiegespalten: Einerseits zeigen sie sich neoliberal, andererseits weisen sie sozialprotektionistische Bestandteile auf. Einerseits unterstützen sie die Konkurrenzlogik des neoliberalen Kapitalismus, andererseits wenden sie sich unter nationalistischen und rassistischen Vorzeichen gegen dessen negative Auswirkungen.
    Das tun sie gleichwohl in unterschiedlichem Ausmaß: Während die Republikaner ihre größten Erfolge in den 1990er Jahren mit recht striktem neoliberalem Programm erreichten, versucht sich die NPD seit vielen Jahren mit wechselndem Erfolg als pseudo-antikapitalistische Kraft. Die AfD scheint sich aktuell dranzumachen, ihre sozialprotektionistischen Programmanteile zu Lasten der – im Moment noch immer dominierenden – neoliberalen zu stärken: Den Mindestlohn findet sie längst gut, von einer Privatisierung der Arbeitslosenversicherung will sie nichts mehr wissen, und nicht nur Parteivize Alexander Gauland fordert nachdrücklich ein sozialeres Profil. Die Rolle, die Konkurrenz in der Ideologie der Rechten einnimmt, ist angesichts dieses Changierens zwischen Neoliberalismus und Sozialprotektionismus uneinheitlich und widersprüchlich.
    Quelle: annotazioni.de


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