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Titel: Zu den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Georgien und Russland
Datum: 11. August 2008 um 7:51 Uhr
Rubrik: Länderberichte, Militäreinsätze/Kriege, Ressourcen
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
„Abchasien und Südossetien sind völkerrechtlich Teile Georgiens. Faktisch waren sie allerdings nie ein Teil der Republik Georgien. Sie waren Teil der Georgischen Sowjetrepublik, die 1936 vom Georgier Stalin geschaffen wurde. In der postsowjetischen Ära kam es nach der Ausrufung der Republik Georgien umgehend zu einem Bürgerkrieg – sowohl Abchasien, als auch Südossetien, hatten sich in Volksabstimmung gegen einen Verbleib in der Republik Georgien entschieden. Die Einhaltung der Waffenstillstandsabkommen aus den Jahren 1992 und 1994 werden von GUS-Friedenstruppen sichergestellt. Seitdem sind die beiden Entitäten Abchasien und Südossetien de facto unabhängig von Georgien. Das Einzige, was eine Loslösung verhinderte, war die Anerkennung der Unverletzlichkeit der völkerrechtlich anerkannten Grenzen durch die internationale Staatengemeinschaft. Mit der Anerkennung des Kosovos durch den Westen wurde dieser Grundsatz aufgegeben – zum ersten Mal wurden völkerrechtlich anerkannte Grenzen widerrufen und aus dem Staatsgebiet Serbiens wurde das Kosovo ohne Zustimmung Serbiens herausgelöst.
Dass ein solcher Präzedenzfall in den georgischen Entitäten nicht ungehört bleiben würde, war vorauszusehen. Georgien hatte, ähnlich wie Serbien im Falle des Kosovos, keine echte Wahl. Man konnte grollend die normative Kraft des Faktischen akzeptieren oder die längst verlorenen Ansprüche militärisch geltend machen.“ So schreibt der Spiegelfechter. Dazu noch einige Anmerkungen von Wolfgang Lieb
Ausdrücklich soll hier zunächst einmal die relativ ausgewogene Berichterstattung, vor allem der Beitrag „Kaukasus: Konflikt um Rohstoffe“ im ZDF-Heute Journal vom Samstag, dem 9.8.08, erwähnt werden.
Bei der Berichterstattung über diese kriegerische Auseinandersetzung zwischen Russland und Georgien ist mir aufgefallen, dass in unhistorischer Weise diese Konflikte zwischen den aus der UdSSR abgefallenen Staaten und dem heutigen Russland in der Kaukasusregion als Nachbeben der Expansionspolitik der Sowjetunion dargestellt werden. Das trifft nicht zu.
Die Expansion des russischen Reiches in den Kaukasus geschah schon unter der Zarenherrschaft, etwa unter Katharina der Großen und unter Peter dem Großen.
Vergleichbare ethnische Konfliktpotentiale, die auch mit den instabilen jungen Staatengebilden zusammenhängen, gibt es auch in der Ukraine, in Abchasien (das inzwischen den Kriegszustand erklärt hat), in Moldawien, in Kirgisistan, in Usbekistan oder in Tatchikistan. In allen diesen Ländern gibt es starke ethnische Gruppen, unter anderem auch von Russen, die militant die Unabhängigkeit bzw. eine größere Autonomie von den jeweiligen neu gebildeten oder wieder entstandenen Staaten bzw. ihren jeweils herrschenden Regierungen anstreben.
Bei allen diesen neuen Staatengebilden handelt es sich nicht um „Nationalstaaten“ im herkömmlichen Sinne, vor allem fehlt es an einer zentralen Staatsgewalt über die gesamten Staatsgebiete, manche (nicht völkerrechtlich, jedoch faktisch) autonomen Gebiete haben sich sogar eigene Armeen neben der Armee des Zentralstaates aufgebaut.
Die Herrschaftsformen in den meisten dieser Länder entsprechen allem anderen als dem Bild westlicher Demokratien. So ist etwa Georgiens Präsident Michail Saakaschwili zwar unter den Georgiern populär, aber er zeigt alle Allüren eines autoritären Alleinherrschers. Statt nach seinem Putsch demokratische Reformen zu beginnen, setzte er auf Militär und Polizei und vor allem auf die Unterstützung der Amerikaner. Auch die Herrschaftsstrukturen, die sich in Südossetien etabliert haben, sind jedoch nicht gerade vertrauenswürdig.
Nach der Wiedererlangung eines neuen Machtbewusstseins sah sich Russland an seiner Westflanke von Ländern umzingelt, die der NATO beigetreten sind oder in sie hineindrängen.
Moskau will offenbar einen ähnlichen Prozess an seiner Südflanke mit aller Macht verhindern.
Es nutzt die ethnischen Konflikte und die Unabhängigkeitsbestrebungen innerhalb der Länder an seiner südlichen Grenze zum Orient und zu Asien systematisch in seinem Interesse aus und stützt vor allem die russischen Minderheiten mit Geld und Waffen und mit dem Druck auf den Gas- oder Ölhahn.
Dabei dient die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien für die russische Regierung geradezu als Präzedenzfall – auch in den Debatten der UNO.
Nach der machtpolitischen Implosion der Sowjetunion hatte der „Westen“ und allen voran die USA dieses Vakuum benutzt und sich in den Staaten rings um die GUS festgesetzt – ob politisch, ökonomisch oder gar durch Militärs, mehr oder weniger getarnt als Militärberater. Alle diese Staaten am südlichen asiatischen Rand der GUS gelten vor allem wegen der dort vorhandenen Ölressourcen als geopolitisch höchst bedeutsam. Die Amerikaner drängen diese Länder in die NATO, während die etwas zurückhaltenderen und in sich weniger geschlossenen Europäer Angleichungsprozesse an die EU anstreben.
Dass die Russen auf den Einmarsch der Georgier in Südossetien so massiv reagieren, ist Ausdruck dieses neuen Machtbewusstseins der GUS. Es ist ein deutliches Zeichen, dass die Russen in Sachen NATO an ihrer Südflanke nichts mehr zulassen, und sie tun alles, um die dortigen westlich orientierten Regierungen zu destabilisieren. Der Militäreinsatz in Georgien ist nicht nur ein brutales Warnsignal an Georgien, sondern vor allem auch an die anderen Staaten dieser Region. Das Signal lautet: Bis hierher und nicht weiter, wir können auch anders bzw. Russland ist wieder da, die Rote Armee ist wieder ein Mittel russischer Außenpolitik.
Russland wird alles tun, um Saakaschwili weiter zu schwächen.
Es dürfte wohl keinen Friedenszustand geben, ohne dass Südossetien und Abchasien eine Art Sonderstatus zuerkannt wird, der diese Gebiete in der Einflusssphäre der Russen belässt. Ähnliche Bestrebungen wird es auch in den anderen Ländern bis hin zur Ukraine geben – jedenfalls solange der „Westen“ dort seinerseits versucht, seine geopolitischen Machtpositionen voranzuschieben und auszubauen. Ohne die Berücksichtigung (angemessener) Sicherheits- und (gleichberechtigter) Machtinteressen der Russen dürfte die Kaukasusregion ein Pulverfass bleiben.
Vgl. dazu auch „Der Stellvertreter-Krieg im Kaukasus“
Quelle: Linkszeitung
Siehe dazu auch: „Der Stellvertreter-Krieg“
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