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Titel: Griechenland: Geschichte wiederholt sich – das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce

Datum: 25. Mai 2016 um 12:26 Uhr
Rubrik: Euro und Eurokrise, Europäische Union, Schulden - Sparen
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Wieder einmal haben die Mächtigen Europas und des IWF nächtens verhandelt und eine Last-Minute-Lösung für Griechenland gefunden. Wieder einmal wird eine zehnstellige Summe nach Athen überwiesen, um die laufenden Rückzahlungen an sich selbst zu decken und den Kreditfluss am Laufen zu halten. Wieder einmal mussten die Griechen zuvor ein gnadenloses Kürzungsdiktat exekutieren, hatten ansonsten aber nur eine Statistenrolle bei den Verhandlungen. Wieder einmal wagt es Deutschland trotz des immer erheblicher werdenden Protests seitens des IWF nicht, einem Schuldenschnitt zuzustimmen. Derweil steigen die Schulden Griechenlands unaufhörlich, während die griechische Volkswirtschaft immer weiter vor die Hunde geht. Frei nach Karl Marx wiederholt sich Geschichte immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. Ginge es nach Wolfgang Schäuble, soll diese Farce bis 2018 weitergehen. Doch wer weiß, was dann ein Ende mit Schrecken verhindert. Von Jens Berger.

Unter vier Augen geben hochrangige deutsche Regierungsbeamte natürlich zu, dass Griechenland einen Schuldenerlass braucht. Sie sind schließlich nicht blind. Aber sie sind auch in der Lüge gefangen, dass Griechenland zahlungsfähig sei, was sie ja ihren eigenen Hinterbänklern immer wieder aufgetischt haben. Ohne diese Lüge wäre Griechenland wohl nicht mehr im Euro. Aber diese Lüge kann nicht ewig aufrecht erhalten werden.
Wolfgang Münchau in der Financial Times (Übersetzung aus dem Englischen)

Zur „Vorgeschichte“: Jens Berger – „Griechenland und der Euro – Was Merkel und Schäuble der Öffentlichkeit verschweigenundMerkels Milliardenhypothek – das falsche Spiel mit Griechenlands Schulden

Anders als bei den letzten Folgen des Griechenland-Dramas gab es in diesem Frühjahr keinen sich zuspitzenden Konflikt zwischen der griechischen Regierung und der Troika. Griechenland scheint bereits kapituliert zu haben. Diesmal verlief die Front mitten durch die Troika, die sich ja nun „die Institutionen“ nennt. Der Grund dafür ist ersichtlich und leicht zu verstehen: Der IWF ist nicht seinen Wählern verantwortlich, sondern seinen Mitgliedern. Und die werden in der Regel durch die jeweiligen Finanzministerien vertreten und sollten daher die Problematik zumindest im Kern verstehen. Die offensichtlichen Lügen, mit denen die europäische Politik das europäische Wahlvolk abspeist, kommen beim IWF verständlicherweise nicht so toll an. Dort weiß man auch, dass jede weitere Tranche an Griechenland streng genommen eine Konkursverschleppung ist; ein Tatbestand, der natürlich im internationalen Recht gar nicht vorhanden ist. Die eigentliche Kunst, die Madame Lagarde momentan zelebriert, ist, ihren mächtigen Mitgliedern aus den USA, Japan und China zu erklären, warum der IWF noch einmal Milliarden in eine „Rettung“ pumpen soll, die längst nur noch eine Quersubvention der rechten durch die linke Tasche ist. Jeder Cent, der von den „Gebern“ nach Griechenland transferiert wird, kommt umgehend als Tilgung wieder zu eben jenen „Gebern“ zurück. Griechenland ist lediglich der Durchlauferhitzer, der dank der Zinsen immer mehr Kapital von der rechte in die linke Tasche pumpen muss. Man erweckt die Illusion eines funktionierenden Kreditkreislaufs, dieses System ist jedoch im schlimmsten Sinne des Wortes eher ein Fass ohne Boden. Die Schulden steigen nicht nur relativ, sondern sogar absolut und die Wirtschaftskraft sinkt durch die rigorosen Einsparungen, wodurch die relative Schuldenlast von Tag zu Tag größer wird. Diesen Kreislauf zu durchbrechen, erscheint, ohne zumindest einen großen Teilschuldenerlass, nicht möglich. Berlin und Brüssel kaufen sich lediglich Zeit … teure Zeit.

Ungewöhnlich laut waren daher auch die Forderungen aus Kreisen des IWF, diesmal kein weiteres Geld in das griechische Fass zu werfen, ohne vorher durch einen echten und ernst gemeinten Schuldenerlass die Rückzahlung neuer Kredite auf eine zumindest halbwegs realistische Basis zu stellen. Daran haben jedoch Angela Merkel und Wolfgang Schäuble kein Interesse. Mit Griechenland hat diese Interessenlosigkeit wohlgemerkt nichts zu tun. Angela Merkel will jedoch nicht auch noch als Kanzlerin in die Geschichte eingehen, die für das Ausscheiden eines Landes aus dem Euro und – was wohl wichtiger für sie ist – für ein 30-Milliarden-Loch im Bundeshaushalt verantwortlich ist. Außerdem hat sie momentan ja wirklich genug damit zu tun, dass ohnehin bereits zerfallende Europa – zumindest aus ihrer Sicht – zusammenzuhalten. Sie hat genug Ärger mit Erdogan, Seehofer, Cameron und der CDU-Basis … da braucht sie nicht auch noch schlaflose Gipfel in Athen, die eh nur schlechte Presse und eine noch aufgebrachtere CDU-Basis bringen. Ähnlich sieht es für ihren gnadenlosen Famulus Wolfgang Schäuble aus, der als Finanzminister der schwarzen Null in die Geschichte eingehen will und der nächsten Bundesregierung ohnehin nicht mehr angehören wird. Darum hat er auch die rettende Idee.

Laut Financial-Times-Korrespondent Wolfgang Münchau war es dann auch Wolfgang Schäuble, der den gordischen Knoten zwischen Berlin und IWF mit einem simplen Trick durchschlug: Es wird eine Umschuldung geben, lieber IWF. Aber erst 2018, wenn ich nicht mehr im Amt bin. Genau so ging der „große Kompromiss“ nun in die Geschichtsbücher ein. Ja, Geschichte ist manchmal eine Farce; nicht nur dann, wenn sie sich wiederholt.

Dies alles könnte durchaus als zynische Zwischennote verstanden werden; wären die realen „Nebenwirkungen“ dieser Farce nicht so grausam. Griechenland geht sprichwörtlich vor die Hunde und ist bei der gesamten Diskussion nur mehr Objekt und nicht Subjekt. Schon lange entscheiden nicht mehr die Griechen, was in Griechenland geschieht, sondern Regierungsvertreter aus Berlin und Brüssel oder Technokraten aus Frankfurt und Washington D.C. Das Wohl ganzer Völker wird dafür geopfert, wie Politiker in die Geschichtsbücher eingehen wollen und werden. Menschliche Schicksale sind zur Manövriermasse zwischen Wahlterminen degradiert und niemanden stört dies ernsthaft. Sollen sie doch Kuchen essen, diese faulen Griechen! Und da wundern wir uns ernsthaft, dass die Menschen sogenannten „Populisten“ hinterherrennen?

p.s.: Wenn Sie wissen möchten, wie ein echter deutscher Qualitätsjournalist die Sache sieht, dann lesen Sie sich doch folgenden Artikel mit der vielsagenden Überschrift „Neues Geld für Griechenland – na also, geht doch“ vom SZ-Brüssel-Korrespondenten Alexander Mühlauer durch … viel Spaß beim Ärgern!


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