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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. Mai 2016 um 8:36 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (PS/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Brasilien
  2. Russland
  3. Wagenknecht für rot-rot-grüne Gauck-Alternative
  4. Deutschen ist soziale Ungleichheit zu groß
  5. Lafontaine: Weit entfernt von unabhängigen Medien
  6. Frankreich: Straßenblockaden gegen unpopuläre Pläne des Präsidenten
  7. Das Land der unbegrenzten Steuertricks
  8. Für eine wirksame Finanzmarktreform
  9. In Amerika geht die Mittelschicht verloren
  10. Grüne Realos wollen keine Vermögensteuer
  11. Arbeitsbedingungen von Künstlern: 70 Prozent arbeiten teils unbezahlt, 80 Prozent empfinden ihre Beschäftigung als unsicher
  12. Warum die Mietpreisbremse nicht funktioniert
  13. Wie Andrea Nahles Arbeitslose um ihre Rechte bringt
  14. London zerstört sich selbst
  15. Neue Reaktoren: EU will Atomkraft massiv stärken
  16. Unser Partner Türkei
  17. Besuch im Ortsverein: “Die SPD steht für nichts mehr. Sind wir überflüssig?”
  18. Die AfD schürt Angst

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Brasilien
    1. Rousseff-Nachfolger erwägt Privatisierungen
      Die brasilianische Regierung prüft einem Zeitungsbericht zufolge den Verkauf von Anteilen an staatlich kontrollierten Firmen wie der Post, Energieversorgern und Versicherern. Damit sollte Geld in die Staatskasse gespült und der öffentliche Sektor verschlankt werden, berichtete O Globo aus Rio de Janeiro am Sonntag unter Berufung auf nicht namentlich genannte Mitglieder des Wirtschaftsteams des Übergangspräsidenten Michel Temer. Das Finanzministerium wollte den Bericht nicht kommentieren. Finanzminister Henrique Meirelles werde sich in den kommenden Tagen zu den Plänen der Regierung äußern, sagte eine Sprecherin lediglich. Der Zeitung zufolge sollen Anteile der Post Correios, der Münzanstalt Casa de Moeda und des zum Geldinstitut Caixa Econômica Federal gehörenden Versicherers abgestoßen werden. Ins Auge gefasst seien zudem mehrere Hafenbetreiber im ganzen Land und der Flughafenbetreiber Infraero. Der Verkauf von Staatsanteilen war in den 1990er Jahren und Anfang der 2000er Jahre ein häufig gewähltes Mittel. Die Staatsoberhäupter von der Arbeiterpartei, Luiz Inácio Lula da Silva und Dilma Rousseff, die vor wenigen Tagen wegen Korruptionsvorwürfen suspendiert wurde, beendeten aber diese Praxis. In einem Fernsehinterview sagte Übergangspräsident Temer außerdem, die Regierung werde Ausgaben dort, wo es möglich sei, kürzen und das Rentensystem reformieren. Sozialprogramme, die in der seit 13 Jahren dauernden Regierungszeit der Arbeitspartei aufgelegt wurden, seien davon nicht betroffen. Temer amtiert seit Rousseffs Suspension als Staatsoberhaupt.
      Die Regierung ringt um Wirtschaftsreformen, um die Rezession in der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas zu überwinden. Das Land hat mit einer steigenden Arbeitslosigkeit, einem enormen Haushaltsdefizit und einer fast zweistelligen Inflationsrate zu kämpfen. Finanzminister Meirelles sagte, die Regierung habe noch nicht entschieden, ob es neue Steuern geben werde. Umstritten ist eine Finanztransaktionssteuer. Offen ist auch, wie das Rentensystem reformiert werden soll. Der Finanzminister plädiert hier für eine Anhebung des Rentenalters. “Wir prüfen alle Maßnahmen, um wieder Wachstum im Land zu erreichen, neue Stellen zu schaffen und das Einkommen für jedermann zu erhöhen”, sagte Meirelles.
      Quelle: Zeit Online

      Anmerkung JK: Privatisierung, Haushaltskonsolidierung, Rentenreform, Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die Vokabeln des brasilianischen Interimspräsidenten Temer stammen aus dem Wörterbuch des Neoliberalismus. Offensichtlich handelt es sich bei der Amtsenthebung von Dilma Rousseff um einen neoliberalen Regime Change zugunsten der alten Eliten. Wo bleiben hier die investigativen deutschen “Qualitätsjournalisten” um die Hintergründe des neoliberalen Putsches gegen die amtierende Präsidentin Brasiliens aufzuklären? Spannend wäre hier vor allem die Frage nach der Rolle der USA.
      Auf die Klärung dieser Frage wird man wohl vergeblich hoffen. Denn Dilma Rousseffs schlimmstes Verbrechen für die deutschen “Qualitätsjournalisten”: sie investierte zu viel Geld in Sozialprogramme und erhöhte damit die Staatsverschuldung. Ihr größter Fehler war aber vermutlich eine Außenpolitik, die auf mehr Unabhängigkeit von den USA zielte, wie auch die Annäherung an China und Russland erkennen lies. Man erinnere sich an die scharfe Kritik der Abhöraktivitäten der NSA durch Rousseff. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch die Rolle des größten brasilianischen Medienkonzerns Globo und dessen Medienkampagne gegen Rousseff. Gerade die Konzentration der Medien in Südamerika in den Händen weniger Superreicher ist ein großes Problem für die dauerhafte Etablierung demokratischer Strukturen.
      Eine weitere spannende Frage in diesem Zusammenhang, was würde passieren, wenn in Spanien nach den kommenden Neuwahlen eine linksgerichtete Regierung unter der Führung der Podemos gebildet würde? Spanien ist als Volkswirtschaft zu groß und zu bedeuten für die EU, wie Brasilien für den amerikanischen Kontinent, als, dass die selbe Erpressungspolitik, wie gegen Griechenland, Erfolg versprechen könnte. Werden wir dann bald auch einen Regime Change in der EU erleben?
      Mit einem gewissen Zynismus könnte man auch sagen, dass es immerhin Fortschritte gibt. In früheren Zeiten hätte man das Problem mit einer linken Regierung durch einen brutalen Militärputsch gelöst, wie in Chile, in Argentinien und auch schon einmal in Brasilien selbst.

    2. Halbwahrheiten und Lügen in Brasilien
      Der brasilianische Ex-Präsident Lula da Silva spricht im Zentrum Rio de Janeiros zu rund 10000 Menschen. Sie protestieren gegen das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff. Lula greift in seiner Rede die brasilianischen Medien an, allen voran die Globo-Gruppe. Mit 122 Fernsehstationen, mehr als 80 Radiosendern, 15 Zeitschriften und vier Tageszeitungen ist Globo der größte Medienkonzern Brasiliens. Sein Netz aus Fernsehsendern ist das zweitgrößte der Welt. Jeden Tag wird Globo TV von 91 Millionen Menschen eingeschaltet – die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung. Seit ihrer Gründung 1925 wird die Globo-Gruppe von der Industriellenfamilie Marinho kontrolliert. In seiner Rede beschuldigt Lula die Marinhos, das Impeachment gegen Präsidentin Rousseff aktiv voranzutreiben. „Globo ist jede Lüge recht“, ruft er mit heiserer Stimme, „sie stecken mit den alten Eliten unter einer Decke“. Die Menge skandiert „Das Volk ist nicht dumm – Globo muss fort!“ Neben der Bühne hängt ein großes Plakat: „Globo raus!“ In der Berichterstattung der Globo-Medien taucht davon nichts auf. Die Demonstration für Rousseff wird unter ferner liefen behandelt. Ganz im Gegensatz zu den Protesten gegen sie. Diese begleitet Globo stets ausführlich. Auch unter neutralen Beobachtern herrscht mittlerweile Konsens, dass die Massenmedien in Brasilien das Impeachment gegen Dilma Rousseff nicht nur befürworten, sondern antreiben. Tatsächlich haben Globo und andere Medien zuletzt alles darangesetzt, die Präsidentin in Verbindung mit dem Korruptionsskandal rund um die Erdölgesellschaft Petrobras zu bringen. Doch Dutzende Ermittler und Journalisten haben ihr in monatelanger Arbeit kein kriminelles Verhalten nachweisen können. Rousseff mag eine miserable, weil kommunikationsunfähige Präsidentin sein. Doch ein Verbrechen kann man ihr nicht anlasten. So müssen nun Haushaltstricks als Begründung herhalten.
      Quelle: Tagesspiegel
    3. Absetzung von Rousseff: Wie die brasilianischen Medien den Machtwechsel einleiteten
      Die Absetzung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff wäre ohne eine dazu passende monatelange Kampagne des Mediengiganten TV Globo nicht möglich gewesen. Immer wieder heizten die Kanäle und Publikationen des Sendernetzwerkes die Stimmung gegen Rousseff an.
      Quelle: RT Deutsch
    4. Dilma Rousseff’s impeachment was led by the white, wealthy men who now make up the Brazilian cabinet
      When Brazil re-elected President Dilma Rousseff in 2014, I challenged the idea – shared by the Economist magazine, among others – that had the elections been determined by GDP (that is, by economic wealth) and not by universal suffrage, Rousseff would have never been re-elected. What seemed like a harmless remark back in 2014 turned into a nightmarish reality, as the president was forced out of office earlier this week. Let’s start calling things by their name: what’s happening in Brazil today is a coup d’etat. A coup sponsored by both internal and external forces; forces that have many times before done away with democratically elected governments in Latin America, to satisfy the needs of neoliberal capitalism. Just for a quick check, remember the coups orchestrated in Venezuela in 2002, Haiti in 2004, and Honduras in 2009, under the uninterested eyes of the international community. What we are seeing now is an impeachment process that was well in the making from the moment the validity of one of the largest democratic elections in the history of the world was questioned. White, privileged, wealthy, male Brazilians have led the impeachment charges; those same white, privileged, wealthy, male Brazilians that used to have suffrage all for themselves – before power was wrested from their often-bloody hands by former slaves, indigenous populations, women, and LGTB groups. If you have any doubt, take a look at the photographs of every anti-Rousseff demonstration in the past few months. These street demonstrators did not hesitate in openly calling for a military intervention, and went as far as asking America’s Donald Trump for help. This sort of unruly conduct was not limited to the streets. White rich men, in politics and the media, have been stoking the fires for almost as long as long as President Rousseff was in office. If there was any doubt about what sort of people the campaigners are, the impeachment vote in the Brazillian parliament a few weeks ago, featured congressman Jair Bolsonaro, who dedicated his anti-democratic vote to a former Military Junta leader and to a known torturer.
      Quelle: The Independent
  2. Russland
    1. Löschen mit Benzin: Ein russischer Blick auf die neuen EU-Russland-Prinzipien
      Am 14. März 2016 kamen die Außenminister der Europäischen Union zusammen, um über die Beziehungen zwischen der EU und Russland zu sprechen. Als Ergebnis der Diskussion wurden fünf Prinzipien präsentiert. Diese stellen den Konsens der 28 EU-Mitgliedstaaten dar. Ihrem genauen Wortlaut ist daher die entsprechende Bedeutung beizumessen. (…) Im Grunde handelt es sich um eine Weigerung, mit dem realen, aber unbequemen Russland einen Dialog zu führen und den Ansatz, Russland von innen umzugestalten. Nicht die Tonart und den Inhalt des Dialogs, sondern den Dialogpartner selbst zu ändern – als unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg des Prozesses. Bereits der Ansatz, die Bedingungen der Zusammenarbeit einseitig zu formulieren und den Partner davon unvermittelt, fast in der Form eines Ultimatums – „so oder gar nicht!“ – in Kenntnis zu setzen, wirft sicherlich eine ganze Reihe von Fragen auf. Zusammenarbeit setzt eigentlich zwei Seiten voraus. Und damit sie gelingt, müssen beide Seiten eine entsprechende Motivation haben. Welche Motivation Russland nach der Kenntnisnahme der europäischen Thesen haben kann, ist mir ein Rätsel. Hier ist das Kalkül offensichtlich, Russland habe sowieso keine Alternativen. Dieses Kalkül ist aber grundverkehrt.
      Besonders bedauerlich ist an diesen Thesen, dass gar keine Schlüsse aus den akuten Krisen der letzten Jahre gezogen wurden. Nicht zuletzt die Ukraine-Krise war eine direkte Folge der dargestellten EU-Politik. Sie zeigte mit aller Deutlichkeit, wie verkehrt und fruchtlos dieser Ansatz ist. Nun sehen wir aber einen Versuch, das Feuer mit Benzin zu löschen. Ich habe versucht, mir vorzustellen, ob wir unser EU-Konzept ebenfalls in wenigen Punkten zusammenfassen können. Die russischen Prinzipien könnten in etwa so aussehen:
      Quelle: Konstantin Kossatschow im IPG Journal

      Anmerkung Paul Schreyer: Der Autor dieses sehr lesenswerten Textes ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Oberhaus des russischen Parlamentes, also einer der führenden Außenpolitiker Russlands. Deutlich wird die beunruhigende Tatsache, dass die offizielle Position der EU gegenüber Russland in Teilen nicht einfach nur durch Feindseligkeit oder Misstrauen, sondern geradezu durch Irrationalität geprägt ist.

    2. Die Logik des neuen Kalten Krieges
      In einer mehrteiligen Serie analysiert der Philosoph und Publizist Dr. Hauke Ritz exklusiv für RT Deutsch die Logik des neuen “Kalten Krieges”. Wie konnte es nur zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion abermals zu einer Konfrontation zwischen Ost und West kommen? Grund hierfür sei vor allem eine ideologische Krise des Westens, der das Ziel verfolgt, dem Rest der Welt das eigene Lebensmodell aufzuzwingen. (…) Die westliche Außenpolitik der letzen 15 Jahre ist eine Aneinanderreihung von Fehlschlägen. Sie hat sich auf der Weltbühne blamiert und dem Image des Westens in der Welt großen Schaden zugefügt. Dies hat zu einer ideologischen Krise im Westen geführt. Zurzeit kann diese ideologische Krise aber noch nicht eingestanden werden. Und so rüstet man rhetorisch gegenüber dem geopolitischen Konkurrenten auf, macht ihn für die eigenen Misserfolge verantwortlich, um so von eigenen Fehlern abzulenken. Am Ausgangspunkt dieses neuen Kalten Krieges, den wir heute erleben, steht eine – vorsichtig ausgedrückt – nicht sehr realistische Grundidee: nämlich die, dass es möglich wäre, die gesamte Welt mit ihren vielen, oft Jahrtausende alten Kulturen zu verwestlichen. Diese Vorstellung ist eigentlich zu unrealistisch, um zum Ausgangspunkt einer groß angelegten außenpolitischen Strategie zu werden. Und doch ist in den vergangenen 25 Jahren genau das passiert.
      Quelle: RT Deutsch
    3. Hilfstruppen gegen Moskau (II)
      Eine in Russland verbotene, von Berlin jedoch unterstützte Organisation der Krimtataren kündigt die Eröffnung offizieller Vertretungsbüros in Brüssel und Washington an. Wie der Medschlis der Krimtataren mitteilt, will er beide Einrichtungen spätestens im Herbst eröffnen; der Brüsseler Repräsentanz messe er besondere Bedeutung bei. Der Medschlis, der in der westlichen Öffentlichkeit gemeinhin als einzig legitimes Gesamtorgan der Krimtataren dargestellt wird, vertritt tatsächlich nur eine Strömung unter den Krimtataren – eine prowestliche -, während eine zweite – eher prorussische – seine Politik seit Jahren dezidiert ablehnt. Die Spaltung unter den Krimtataren geht auf die letzten Jahre des Kalten Kriegs zurück, als ein jahrzehntelanger Parteigänger des Westens, der spätere Medschlis-Vorsitzende Mustafa Dschemiljew, sich für radikale Autonomieforderungen stark machte und einen scharf antirussischen Kurs einschlug. Als Dschemiljew in den 1960er Jahren in der Sowjetunion begann, für krimtatarische Autonomie zu agitieren, und vom Westen unterstützt wurde, um den sowjetischen Gegner von innen heraus zu schwächen, setzten sich Exil-Krimtataren in der Bundesrepublik für dasselbe Ziel ein – die “nationale Dekomposition Russlands”, wie es damals hieß. Zu ihnen gehörte der zentrale krimtatarische Kontaktmann des NS-Reichs, der seine Kollaborationstätigkeit nun in der Bundesrepublik weiterführte und ab den 1950er Jahren auch für CIA-finanzierte Organisationen in München arbeitete.
      Quelle: German Foreign Policy
    4. Putin sieht weltweite Sicherheit bedroht
      Russlands Präsident Putin will sich gegen die US-Raketenabwehr in Osteuropa wehren. Sie stelle eine Bedrohung der weltweiten Sicherheit dar. Zugleich wächst unter anderem in den USA die die Besorgnis über eine “aggressive russische Militärpräsenz” im baltischen Raum.
      Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Aufbau des NATO-Raketenschutzschirms in Osteuropa als weltweite Bedrohung kritisiert. “Das sind offensichtlich erste Schritte der USA, das strategische Gleichgewicht der Kräfte zu stören”, sagte Putin der Agentur Tass zufolge. Deshalb müsse nun von Seiten Russlands alles unternommen werden, um die Balance der Kräfte zu sichern. “Das ist die verlässlichste Garantie, dass es nicht zu einem großen militärischen Konflikt kommt”, so Putin. In einen neuen Rüstungswettlauf mit den USA wolle Russland nicht eintreten. Notfalls werde es aber seine Verteidigungsausgaben anpassen. (…)
      Putin betonte, Russland habe die NATO mehrfach vor dem Aufbau einer solchen Raketenabwehr gewarnt. “Wir haben schon so oft über unsere Zweifel gesprochen, eine Zusammenarbeit vorgeschlagen – auch mit unseren amerikanischen Partnern. Aber alle unsere Vorschläge wurden leider abgelehnt.” Der Verweis auf eine nukleare Bedrohung durch den Iran könne nicht länger ernstgenommen werden, sagte Putin weiter. Es handele sich lediglich um eine Ausrede der USA, um einen Raketenschild in Europa aufbauen zu können. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bestritt, dass das Abwehrsystem gegen Russland gerichtet sei.
      Quelle: tagesschau.de
  3. Wagenknecht für rot-rot-grüne Gauck-Alternative
    Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht kann sich für den Fall eines Verzichtes von Bundespräsident Joachim Gauck auf eine zweite Amtszeit einen gemeinsamen Kandidaten von SPD, Linken und Grünen vorstellen. »Wir würden das begrüßen«, sagte Wagenknecht der »Rheinischen Post«. Sie frage sich jedoch, ob die SPD »den Mut dazu« aufbringe. Gauck hat erklärt, er werde seine Entscheidung über eine erneute Kandidatur noch vor der diesjährigen parlamentarischen Sommerpause bekanntgeben. Die erste Amtszeit des Bundespräsidenten endet im März 2017 – das ist mitten im Bundestagswahlkampf.
    Quelle: Neues Deutschland

    Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten – und insbesondere Albrecht Müller – haben stets eine Alternative zu Herrn Gauck angemahnt. Zwei Beispiele:

    1. Gauck ist der falsche Präsident
    2. Leseproben zu “Der falsche Präsident – Was Pfarrer Gauck noch lernen muss, damit wir glücklich mit ihm werden”.

    Dazu: Rot-Rot-Grün 2017
    Unser Manifest: Deutschland braucht neue Visionen. Nach Jahren des politischen Stillstands fordern wir den solidarischen Wandel. Für ein Land, in dem gute Arbeit gerecht bezahlt wird. Für die vollständige Gleichstellung der Geschlechter und die Vielfalt der Kulturen. Für Familien, die in ihren Lebensweisen alle wertgeschätzt werden. Für eine Gesellschaft, in der Teilhabe eine Selbstverständlichkeit ist. Für eine Steuerpolitik, mit der starke Schultern ihre Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen. Für eine sichere Zukunft mit sauberer Energie und bezahlbarem Wohnraum. Für starke Kommunen, die den Menschen die beste Lebensqualität bieten. Für eine vorausschauende Wirtschaftspolitik mit Investitionen statt Austerität. Für eine erfolgreiche Marktwirtschaft, die ökologisch und sozial verantwortlich handelt. Für starke Bürgerrechte, die nicht konservativen Ängsten geopfert werden. Für Bildung, die kein Kind zurücklässt. Für leistungsfähige Sozialversicherungen, die Perspektiven bieten. Für Friedenspolitik und das Ende unmoralischer Waffenexporte. Für Umwelt- und Tierschutz, der seinen Namen verdient. Für ein europäisches Deutschland in Frieden und Verantwortung. Wir stehen für ein besseres Land mit einer linken Bundesregierung.
    Quelle: Initiative „Rot-Rot-Grün 2017“

  4. Deutschen ist soziale Ungleichheit zu groß
    Es ist eine Zahl die aufhorchen lässt: 82 Prozent der Deutschen gehen davon aus, dass die soziale Ungleicheit in ihrem Land zu groß ist. Das belegt eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Unter dem Titel “Wachsende Ungleichheit als Gefahr für nachhaltiges Wachstum – Wie die Bevölkerung über soziale Unterschiede denkt”, setzt sich die FES mit den sozialen Verwerfungen in Deutschland auseinander. (…) Laut der Studie stimmten der Aussage “die soziale Ungleichheit in Deutschland ist mittlerweile zu groß” 49 Prozent der Befragten “voll und ganz” zu, 33 Prozent stimmten “eher zu”. Interessant ist an der Studie, dass es im Hinblick auf die Einschätzung der sozialen Ungleichheit kaum Unterschiede zwischen Gering- und Besserverdienern gibt. 84 Prozent der Befragten, die ein Einkommen unter 1000 Euro beziehen, meinen, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland zu groß ist. Auch in den Einkommensgruppe zwischen 1000 bis 4000 Euro erkennen 86 beziehungsweise 82 Prozent der Deutschen ein Ungleichheitsgefälle. Selbst bei den Gutverdienern, die über ein monatliches Nettoeinkommen von über 4000 Euro verfügen, sind es 76 Prozent, die ebenfalls eine große soziale Ungleichheit in Deutschland sehen. Doch was könnte unternommen werden, um der sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken? Auch dieser Frage sind die Autoren der Studie nachgegangen.83 Prozent der Deutschen gehen davon aus, dass die unteren und mittleren Einkommen steuerlich entlastet werden sollten. Gleichzeitig halten 76 Prozent der Befragten höhere Steuern für Privatpersonen mit hohem Einkommen oder großen Vermögen für sinnvoll. Darüber hinaus befürworten die Deutschen eine stärkere Anhebung der Löhne und Gehälter sowie eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf über 8,50 Euro.
    Quelle 1: Telepolis
    Quelle 2: Studie
  5. Lafontaine: Weit entfernt von unabhängigen Medien
    Politiker der Regierungskoalition sind deutlich häufiger in TV-Nachrichtensendungen vertreten als Politiker kleinerer Parteien. “Demokratie setzt unabhängige Medien voraus, davon sind wir weit entfernt.” Mit diesen Worten kommentierte Oskar Lafontaine auf seiner Facebookseite aktuelle Untersuchung des Instituts für empirische Medienforschung IFEM, das ausgewertet hat, wie oft welche Politiker im April in den TV-Nachrichten zu sehen waren. Die vom IFEM veröffentlichten Daten lassen erkennen, dass Politiker von CDU und SPD viel häufiger in den Fernsehnachrichten zu Wort kommen durften, als Politiker anderer Parteien. 402 CDU-Politiker kamen in den TV-Nachrichten vor, indem sie mindestens namentlich genannt, gezeigt oder aber mit einem O-Ton zu hören waren. SPD-Politiker waren 238 mal in den Nachrichtensendungen vertreten. Zusammen brachten es die Politiker beider Parteien somit auf 640 “Auftritte” in den Fernsehnachrichten. Untersucht wurde der Zeitraum vom 1. bis 30. April.
    Quelle: Telepolis
  6. Frankreich: Straßenblockaden gegen unpopuläre Pläne des Präsidenten
    Präsident François Hollande hat seine umstrittenen Arbeitsmarktreformen als richtigen Weg verteidigt und seinen Willen bekräftigt, das Gesetz nicht zurückzuziehen. “Ich gebe nicht nach”, sagte Hollande in einem Interview mit dem Radiosender Europe 1. Gegen die Pläne gibt es seit Wochen massive Proteste. Die Gewerkschaften haben in dieser Woche zu neuen Demonstrationen und Streiks aufgerufen. Er mache, was für das Land getan werden müsse. Ganz gleich, ob es unpopulär sei, sagte Hollande. “Ich möchte lieber als Präsident in Erinnerung bleiben, der auch unbeliebte Reformen angegangen ist, als ein Präsident, der nichts getan hat.”
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Kann Hollande denn die Realität in Deutschland – Lohndumping, working poor, rasant wachsende Altersarmut kombiniert mit einer verrottenden Infrastruktur und einem durch das Lohndumping bedingten niedrigen Produktivitätszuwachs – nicht wahrnehmen? Und sieht er nicht, welchen Absturz Schröders Partei durchlitten hat, der auch dem PS droht? Wo liegt der Sinn darin, nicht nur die Hoffnungen der Menschen zu enttäuschen und die eigene Partei zu zerstören, um nichts Gutes zu erreichen, sondern nur der Arbeitgeberseite kurzfristig noch mehr Vorteile und noch mehr Reichtum zu verschaffen? Aber selbst wenn die Arbeitslosigkeit durch die “Reformen” sänke (in Deutschland sank das Arbeitsvolumen und war erst im Jahr 2012 wieder auf dem Stand von 2000 – die Arbeitslosenrate fiel nur optisch durch die Zerlegung von Vollzeitstellen und durch statistische Tricks), was wäre damit gewonnen? Man kann doch eine Volkswirtschaft nicht auf einen einzelnen Parameter hin optimieren und alle anderen (Lohnquote, Armutsgefährdung, Ungleichheit, Staatsfinanzen, Qualität der Infrastruktur und der Bildungseinrichtungen …) vernachlässigen.

    Dazu: Großer Widerstand in Frankreich
    In Frankreich sind Tausende auf die Straße gegen die geplante Arbeitsmarktreform der Regierung gegangen. LKW-Fahrer blockierten in mehreren Regionen die Straßen. Die Proteste sollen die ganze Woche andauern.
    Quelle: tagesschau.de

    Anmerkung J.K.: So geht Widerstand.

    Anmerkung Jens Berger: Bon courage!

  7. Das Land der unbegrenzten Steuertricks
    Mit brutaler Entschlossenheit haben die Vereinigten Staaten andere Länder dazu gebracht, Steueroasen auszutrocknen. Die eigenen aber verschonen die Amerikaner. Ist das alles ein abgekartetes Spiel? Hören Sie das gigantische Sauggeräusch?“, fragt Peter Cotorceanu. „Es ist das Geräusch des Geldes, das nach Amerika strömt.“ Zu vernehmen sei es an den diskreten Finanzplätzen, sagt der Anwalt für internationales Steuerrecht. Die Quellen des Geldes seien die Schweiz, Singapur oder Hongkong. Von dort fließe das Geld dorthin, wo es sich vor Nachstellungen am sichersten fühlen kann: in die Vereinigten Staaten. Und irgendwo in der Schweiz dürfte gerade ein geschasster Banker sitzen, der grimmig lachen muss über diesen Treppenwitz.
    Quelle: FAZ
  8. Für eine wirksame Finanzmarktreform
    Finanzinstitute, Regierungen und EU-Kommission betonen gemeinhin, Regulierungen sollten die Finanzbranche nicht mehr belasten als nötig. So steht es in EU-Handelsabkommen wie mit Südkorea und in den Texten geplanter Verträge wie mit Singapur oder mit den USA (TTIP). Diese Haltung prägt auch eine von der EU-Kommission durchgeführte „öffentliche Konsultation“ zur Auswertung der bisherigen Finanzmarktreform. In Brüssel findet dazu am heutigen Dienstag eine Anhörung statt. Doch davon, die Finanzbranche mehr zu belasten als nötig, ist die Finanzmarktreform weit entfernt. Die Kernfrage muss stattdessen lauten: Wird das Gemeinwohl wirksam geschützt? Der Nachholbedarf ist enorm. Bisher Beschlossenes ist stets im Einzelinteresse von Akteuren der Finanzbranche geschwächt worden und wenig wirksam. Fundamentale Regulierungslücken und neue Risiken kommen hinzu. Im Folgenden einige zentrale Beispiele.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  9. In Amerika geht die Mittelschicht verloren
    Einer neuen Erhebung zufolge schrumpft die Mittelschicht in den Vereinigten Staaten immer weiter. Ober- und Unterschicht hingegen wachsen. Eine Erklärung haben die Wissenschaftler auch dafür. Die Mittelschicht ist in den Vereinigten Staaten in fast allen großen Städten und Metropolregionen auf dem Rückzug. In den Jahren 2000 bis 2014 gilt das nach einer Erhebung des Pew-Instituts (Washington) für neun von zehn untersuchte Regionen. Die Studie definiert „Mittelschicht“ als Haushalte, die bei der Hälfte bis zwei Dritteln über dem mittleren landesweiten Einkommen liegen. Das umfasst die weite Spanne von 42.000 bis 125.000 Dollar je Jahr. In einer Reihe von Regionen nahm die Mittelschicht ab, während gleichzeitig Ober- und Unterschicht wuchsen. In anderen Gegenden nahm nur die Oberschicht zu, in anderen nur die untere. Pew untersuchte 229 Regionen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Nach dieser Untersuchung lagen die mittleren (Median-)Einkommen 2014 um 8 Prozent unter dem Wert von 1999 – ein unfaßbarer Rückgang, wo der Wert mindestens um 10 Prozent höher (Produktivitätszuwachs) hätte liegen sollen. Aber warum interessiert das die FAZ, die doch dieselbe Politik mit solchen fatalen Auswirkungen in Deutschland immer befürwortet und im Zusammenhang mit der “Agenda 2010” die USA als Vorbild dargestellt hat?

  10. Grüne Realos wollen keine Vermögensteuer
    Der Wahlkampf 2017 könnte eine starke verteilungspolitische Note haben. Bei den Grünen ist nun bereits der Konflikt zwischen linkem Flügel und Realos über die Vermögensteuer ausgebrochen. Während der Flügel um Fraktionschef Anton Hofreiter und Parteichefin Simone Peter an der Einführung einer derartigen Abgabe festhält, warnt Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae vor einem Beharren auf solchen Forderungen. Man dürfe zwar »nicht die Augen davor verschließen, dass Wenige viel haben und sehr Viele wenig«, und dass »unser Gemeinwesen gerecht finanziert werden muss«, sagte Andreae dem »Handelsblatt«. Doch bei der Vermögenssteuer sei »Vorsicht geboten«. Denn wenn Unternehmen darauf mit Abwanderung reagierten, »wären die Jobs weg«, warnt sie. Damit würden dann auch die erhofften Steuermehreinnahmen wieder sinken. (…)In einer aktuellen Umfrage der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hatten 90 Prozent der befragten Grünen-Anhänger erklärt, »die soziale Ungleichheit in Deutschland ist mittlerweile zu groß«. 77 Prozent derjenigen, die 2013 die Partei gewählt hatten, sagten zudem, »das Ausmaß der sozialen Ungleichheit schadet langfristig der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland«. Für höhere Steuern für Privatpersonen mit hohem Einkommen oder großem Vermögen sprachen sich in der Studie insgesamt 76 Prozent aus – unter den Grünen-Anhängern votierten sogar 91 Prozent dafür.
    Quelle: Neues Deutschland

    Anmerkung Christian Reimann: Wie nah an der Realität sind die sogenannten Realos eigentlich jemals gewesen?

  11. Arbeitsbedingungen von Künstlern: 70 Prozent arbeiten teils unbezahlt, 80 Prozent empfinden ihre Beschäftigung als unsicher
    Viele Künstlerinnen und Künstler arbeiten unter prekären Bedingungen, zeigt eine neue Studie. Eine deutliche Mehrheit rechnet mit Altersarmut. Um das zu ändern, wären mehr gewerkschaftliches Engagement von Künstlern, mehr Problembewusstsein beim Publikum und ein Kurswechsel der Kulturpolitik gefragt. Wie es aktuell um die berufliche Situation von Kunstschaffenden steht, hat Maximilian Norz von der Künstlerinitiative “art but fair” untersucht. Seiner Untersuchung zufolge, die von der Hans-Böckler-Stiftung und der Kulturpolitischen Gesellschaft gefördert wurde, herrschen in den schönen Künsten oft unschöne Arbeitsbedingungen: Musiker, Tänzer und Schauspieler müssen sich mehrheitlich mit unzureichender Vergütung und unsicheren Jobs arrangieren. Die Zahl derjenigen, die hierzulande einen künstlerischen Beruf ausüben, ist offiziellen Statistiken zufolge durchaus beachtlich: 2011 gab es über 18.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Musiker und knapp 22.000 darstellende Künstler. Bei der Künstlersozialkasse, die Selbständigen ab einem Jahreseinkommen von 3.900 Euro offensteht, waren 2014 etwa 51.000 Musikanten und über 24.000 Schauspieler und Tänzer gemeldet. Um einen Eindruck von den Arbeitsbedingungen dieser Berufsgruppe zu gewinnen, hat Norz eine Online-Umfrage durchgeführt, an der sich 2.635 Erwerbstätige aus den Bereichen Musik und Darstellende Kunst beteiligt haben. (…) Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Akteure auf Theater- und Konzertbühnen einige Missstände in Kauf nehmen müssen. 79 Prozent von ihnen halten ihre Gagen für unangemessen. Das Nettoeinkommen liegt bei 40 Prozent unter 10.000 Euro pro Jahr. Die prekäre Einkommenssituation hängt auch damit zusammen, dass 70 Prozent der Musiker, Tänzer und Schauspieler unbezahlte Leistungen erbringen müssen. Besonders zu Beginn der Karriere würden von Künstlern kostenlose Auftritte erwartet, damit sie Erfahrung und Renommee sammeln können, so der Autor. Später sei es üblich, dass sie ohne finanzielle Gegenleistung proben oder Nutzungsrechte übertragen. Mit Altersarmut rechnen angesichts der bescheidenen Vergütung in ihrer Branche vier von fünf Befragten.
    Quelle: Studie

    Dazu: Albtraumjob Schauspieler
    Es gibt kaum einen Berufsstand, in dem Traum und Wirklichkeit weiter auseinanderklaffen als bei Schauspielern. Selbst bekannte Akteure leben oft von der Hand in den Mund. (…) Mehr als die Hälfte der befragten Darsteller gab an, in den zurückliegenden zwei Jahren weniger als sechs Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein. Was wiederum erschwert, im Bedarfsfall Arbeitslosengeld zu erhalten. Schauspieler werden als befristet Beschäftigte behandelt, die in Sozialkassen einzahlen. Leistungen erhält jedoch nur, wer es in zwei Jahren auf 360 sozialversicherungspflichtige Arbeitstage bringt. Und das schafft kaum ein Schauspieler. Mit einer Ausnahmeregelung, die der BFFS angestoßen hat, wurde die Beschäftigungszeit auf 180 Tage halbiert. Aber auch das geht nach Ansicht des Verbandes längst nicht weit genug. Nur ein Bruchteil der Darsteller profitiert davon. Und auch was ihre Renten angeht, schrammen die meisten von ihnen im Alter am Existenzminimum entlang.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  12. Warum die Mietpreisbremse nicht funktioniert
    Zahlen von Internetportalen legen nahe, dass die Mietpreisbremse in Großstädten wie München, Hamburg und Berlin nicht eingehalten wird.Ein Grund: Vermieter müssen keine Sanktionen fürchten, wenn sie die Grenze ignorieren.In der Bundespolitik gibt es kaum Anstalten, das zu ändern. Der Berliner Bausenator Andreas Geisel (SPD) wirbt nun bei seinen Amtskollegen in Hamburg und Nordrhein-Westfalen dafür, die Mietpreisbremse per Bundesratsinitiative zu verbessern. Er will Vermieter verpflichten, die bisherigen Mietpreise anzugeben. Auch im Bundestag fordern Grüne und Linke, die Bremse nachzujustieren – etwa, indem Ausnahmeregeln aus dem Gesetz gestrichen werden und indem der Staat Wuchermieten in Zukunft wieder bestraft. In der großen Koalition ist die Neigung jedoch gering, den so mühsam gefundenen Kompromiss anzutasten. “Wir behalten die Entwicklungen im Blick”, sagt zwar der parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Ulrich Kelber (SPD). Doch vor einer Auswertung der Mietpreisbremse im Jahr 2017 werde er nicht an ihr rütteln. Denn schon jetzt stemmt sich die Union gegen Pläne von Minister Heiko Maas (SPD), das Mietrecht zu ändern. Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak sagt: Dauerhaft niedrige Mieten könnten die Wohnungsbauwirtschaft bremsen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: Wieder einmal erweist sich ein neues Gesetz als völlig unzureichend – vergleichbar mit der Hartz IV-Gesetzgebung oder dem sog. Prostitutionsgesetz. Schon nach sehr kurzer Zeit sind Korrekturen offensichtlich und notwendig. Die NachDenkSeiten haben auf Fehlwirkungen bzw. Mängel der sog. Mietpreisbremse hingewiesen:

    1. Gesetzentwurf ist Thema im Bundestag: Wem hilft die Mietpreisbremse?
    2. Wirksame Mietpreisbremse? Fehlanzeige!

    Finanziell schwache Menschen – früher einmal auch Wählerschaft der SPD – haben von diesem Gesetz keine Vorteile, denn die Mieten sind für sie eh zu hoch.

  13. Wie Andrea Nahles Arbeitslose um ihre Rechte bringt
    Arbeitsmarktexperten schlagen in der ARD-Sendung „Report Mainz“ Alarm: Die von Andrea Nahles geplante Hartz-IV-Reform wird zu einer erheblichen Verschlechterung für viele Sozialhilfeempfänger führen. Betroffen sind besonders Hartz-IV-Bezieher, deren Bescheide fehlerhaft sind. Die Bundesregierung plant eine große Hartz-IV-Reform. Doch erste Gesetzentwürfe sorgen bei Arbeitsmarktexperten und Anwälten für Aufsehen. Wie die Verbrauchersendung „Report Mainz“ (Dienstag, 21.45 Uhr) berichtet, könnten Leistungen künftig rückwirkend nur noch unter bestimmten Voraussetzungen geltend gemacht werden. Bislang konnten Hartz-IV-Empfänger mit einem fehlerhaften Bescheid auch rückwirkend ihre Leistungen bekommen. Selbst wenn die Widerspruchsfrist schon abgelaufen war. Dazu stellten Betroffene einen sogenannten Überprüfungsantrag, mit dem dann Fehler bis zu einem Jahr lang rückwirkend korrigiert werden konnten. Diese Option bestünde nach Einschätzung von Experten mit der neuen Reform nicht mehr.
    Quelle: Focus

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Der konservative FOCUS warnt Hartz-IV-Empfänger vor Entrechtung durch die Pläne der (angeblich) SPD-Linken Nahles … soweit ist es schon gekommen.

  14. London zerstört sich selbst
    Globales Kapital vertreibt die Menschen aus der Metropole, die sie überhaupt erst lebenswert machen. Der Trend entstand 2009, gleich nach dem großen Finanzcrash. Auf der Suche nach Alternativen wandten sich institutionelle Anleger dem Immobilienmarkt zu. Nach einer einschlägigen Studie aus New York steckten diese Investoren alleine im vergangenen Jahr rund eine Billion Dollar in Wohnungen und Gewerbebauten. Der größte Anteil davon, rund 75 Milliarden Dollar, floss nach New York. Danach kam London. Innerhalb von zwölf Monaten wurden hier mehr als 55 Milliarden Dollar ausländisches Kapital investiert, und so viel Geld braucht eine globale Käuferschicht. “Von den ersten 3.500 Wohnungen, die bis 2017 fertig werden sollen, gingen zwei Drittel an Käufer in Malaysia, Singapur und Hongkong”, sagt Kyle Spence. Anders gesagt, der Londoner Immobilienmarkt hat mit London kaum noch etwas zu tun. Das Preisniveau orientiert sich nicht an den Einkommensverhältnissen der Bewohner, sondern an der Nachfrage am anderen Ende der Welt. Eine Studie der Maklerfirma Savilles ergibt, dass mehr als ein Drittel aller Transaktionen von Anlegern mit Wohnsitz außerhalb Großbritanniens durchgeführt wird. “Jeder Londoner, der eine Wohnung kauft oder verkauft, operiert im Endeffekt auf einem internationalen Markt”, heißt es da. Prue Mallard und Bob Winston haben lange versucht, auf diesem Markt mitzuspielen. Sie ist Architektin, er Landschaftsgärtner. Gemeinsam verdienen sie um die 3.900 Pfund netto im Monat, rund 5.000 Euro. In Deutschland würden sie dafür selbst in den teuersten Städten wie München oder Berlin eine anständige Mietwohnung finden. Aber nicht in London. “Für unser WG-Zimmer in Camden, nördlich der Innenstadt, geben wir jetzt schon mehr als 40 Prozent unseres Monatseinkommens aus”, sagt Prue Mallard.
    Quelle: Die Zeit
  15. Neue Reaktoren: EU will Atomkraft massiv stärken
    EU-Kommission will nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen den Bau von Atommeilern vorantreiben. Außerdem sollen neue Mini-Reaktoren entwickelt werden. Insider vermuten hinter den Plänen zwei Motive. In Deutschland soll 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen – in Europa hingegen soll die umstrittene Technologie nach dem Willen der EU-Kommission gestärkt werden. Die EU müsse ihre technologische Vorherrschaft im Nuklearsektor verteidigen, heißt es im Entwurf für ein Strategiepapier, das SPIEGEL ONLINE vorliegt. Die Mitgliedstaaten sollen demnach bei der Erforschung, Entwicklung, Finanzierung und beim Bau neuer innovativer Reaktoren stärker kooperieren. Das Papier soll die Grundlage der künftigen Atompolitik der EU-Kommission sein. Es soll am Mittwoch von den für die Energieunion zuständigen Kommissaren diskutiert und später dem EU-Parlament vorgelegt werden. (…) Bei der Entwicklung neuer Reaktortechnologien will die EU-Kommission Tempo machen. Unter anderem soll der Bau von flexiblen Mini-Atomreaktoren vorangetrieben werden. Spätestens 2030 soll ein solcher Meiler in Europa im Einsatz sein. Insider vermuten hinter den Plänen der EU vor allem zwei Motive: Die EU-Kommission hat es sich zum Ziel gesetzt, Europas Abhängigkeit von Russlands Gas zu verringern. Gleichzeitig steht sie in der Pflicht, ihre Klimaziele zu erreichen und den CO2 -Ausstoß in der EU deutlich zu verringern.
    Quelle: Spiegel Online
  16. Unser Partner Türkei
    Eine glänzende Idee: Die Bundesrepublik Deutschland lässt unerwünschte Flüchtlinge aus nahöstlichen Kriegsgebieten in die Türkei deportieren, gerade zu einem Zeitpunkt, da die Regierung in Ankara den Krieg gegen die kurdische Autonomie-Bewegung und die Verfolgung linker und liberaler Juristen und Journalisten verschärft. Für die Aufnahme der in Deutschland Unerwünschten erhält Ankara Milliardensummen.
    An der repressiven Politik des NATO-Partners hat die Bundesrepublik kaum je Anstoß genommen. Im Gegenteil, immer wieder unterstützt sie ihn politisch, militärisch, finanziell und propagandistisch. Aber die deutsche Öffentlichkeit hat keine Erinnerung daran – zum Beispiel an den militärischen Überfall auf die Republik Zypern, einen souveränen, blockfreien Staat, der wegen seiner friedenspolitischen Aktivitäten weltweit Ansehen genoss. Mehr als ein Drittel seines Territoriums ist seit der Invasion 1974 von türkischen Truppen okkupiert.
    Als Delegierter der Internationalen Journalisten-Föderation nahm ich im Mai 1980 an einer Erkundungsreise in die geteilte Hauptstadt Nikosia und in beide Teile Zyperns teil, nachdem das türkische Militärregime im nördlichen Teil einen Separatstaat gegründet hatte, den die Vereinten Nationen nie anerkannten. Bis heute betrachtet der UN-Sicherheitsrat die Staatsgründung als »rechtlich ungültig«.
    Mich erschreckten im Norden vor allem die faschistischen Reden der als Minister fungierenden Offiziere: Immer wieder verkündeten sie ihren Stolz, der »türkischen Rasse« anzugehören. Gruselig war auch der Anblick der Geisterstadt Famagusta im Stacheldrahtverhau: Betonskelette von Hotel-Neubauten in einer sonnenreichen Küstenregion, menschenleer, der Verwitterung preisgegeben, nachdem die griechische Bevölkerung vertrieben worden war. Hier war der Begriff Annexion angebracht, mit dem die NATO-Propaganda jetzt die Sezession der Krim als völkerrechtswidrig darzustellen versucht.
    Quelle: Ossietzky

    Dazu: Dilemmata türkischer Syrien-Politik
    So wie Syrien – als unmittelbarer Nachbar mit ausbaufähiger Ökonomie – für die Türkei bei der Umsetzung ihrer neu definierten Außenpolitik von zentraler Bedeutung war, so galt umgekehrt fortan die Türkei für Syrien als strategischer Partner. Zwischen beiden Ländern wurde nicht nur der visafreie Verkehr eingeführt, sondern auch eine nahöstliche Freihandelszone – unter Einbeziehung von Libanon und Jordanien – anvisiert. Zu den sich zielstrebig entwickelnden bilateralen Kooperationsbeziehungen gehörten regelmäßige, auf allen Ebenen und in allen Bereichen von Politik, Wirtschaft, Infrastruktur, Kultur, Wissenschaft und Bildung durchgeführte Koordinierungstreffen. Neben offiziellen Begegnungen gab es zwischen Erdoğan und Assad auch verschiedentlich Treffen privater Natur, einschließlich der Ehefrauen. Sodass durchaus von persönlicher Freundschaft gesprochen werden konnte. (…)
    Dass Erdoğan so abrupt mit Assad gebrochen hat, lässt sich wohl kaum als Ausdruck seines Bemühens um die dortige Beförderung von Demokratie und Menschenrechten werten. Da er doch selbst nicht vor dem Einsatz von Gewalt gegen die eigene Bevölkerung zurückschreckt und auch die sonstigen Freiheiten mehr und mehr durch ihn eingeschränkt werden. Vielmehr ist der Grund dafür in den weitreichenden Folgen des »Arabischen Frühlings« zu suchen, durch die sich Erdoğan und Davutoğlu dazu animiert fühlten, ihre Syrien-Politik im Interesse ihrer schon seit längerem wuchernden neo-osmanischen Wunschträume neu zu akzentuieren. Das heißt, auf einen dortigen Machtwechsel zugunsten des Einflusses sunnitisch-islamistischer Kräfte und Parteien vom Schlage der muslimbruderschaftlichen AKP hinzuwirken. Damit werden zwar Ansprüche Saudi-Arabiens auf die Führerschaft innerhalb der arabischen und islamischen Welt tangiert, dennoch besteht – zumindest aktuell – eine erstaunliche türkisch-saudische Konformität im Herangehen an die Syrien-Krise. Ziel ist es, den sich im Ergebnis des 2003er US-Krieges gegen den Irak sichtlich ausprägenden und von Teheran über Bagdad und Damaskus bis hin zur Hisbollah im Libanon erstreckenden schiitischen politischen Einflussgürtel, oft auch als »schiitischer Halbmond« bezeichnet, zu zerreißen. So würde im Falle des Assad-Sturzes die seit 1979 zwischen Damaskus und Teheran bestehende Allianz zerschlagen und der Iran seiner wichtigsten Stütze im Nahen Osten beraubt.Angesichts dieser nun prononciert auf sunnitisches Dominanzgebaren ausgerichteten Linie Erdoğans – darin neben Saudi-Arabien auch aktiv von Katar unterstützt – waren für ihn anscheinend plötzlich auch die ideologischen Differenzen mit Assad relevant. Erdoğan als muslimbruderschaftlicher Islamist; Assad als baathistischer Nationalist. Was im Jahrzehnt zuvor augenscheinlich zweitrangig gewesen ist – auch trotz der ihm hinlänglich bekannten Intimfeindschaft der Baathisten gegenüber der syrischen Muslimbruderschaft. Da sich dann aber Assad der Forderung Erdoğans nach einer Machtbeteiligung der syrischen Muslimbruderschaft strikt verweigerte, empfand der heutige türkische Präsident dies zugleich als Beleidigung seiner Person, als Angriff auf seine ideologische Überzeugung. Womit dann auch persönlich das Tischtuch zwischen ihnen endgültig zerschnitten war.
    Quelle: Ossietzky

  17. Besuch im Ortsverein: “Die SPD steht für nichts mehr. Sind wir überflüssig?”
    In Umfragen dümpeln die Sozialdemokraten um 20 Prozent. Dann verunsicherten Rücktrittgerüchte um SPD-Chef Gabriel. Wir waren zu Besuch in einem Ortsverein, wo sich Genossen fragen: “Quo vadis, SPD?” […] “Unser Wahlergebnis am 13. März war desaströs. Die Bundesumfragen sind fatal”, sagt Hoffnungsträger Heinze. Carsten Singer, 28, Beamter, Kassierer des Ortsvereins, hat eine PowerPoint-Präsentation vorbereitet. Kleine rote Balken flimmern auf der Leinwand. “Gründe für das Scheitern” bei der jüngsten Wahl listet er auf. Punkt eins: “Unklare Position der SPD.”Es folgt ein weiterer “Input-Beitrag”. Jürgen Schmid, den hier alle “Schmiddi” nennen, sagt: “Die SPD steht für nichts mehr.” Deshalb müsse die eigene Partei “aufhören, neoliberale Politik zu machen”. […]Oder nicht doch lieber “volle Kanne Mittelschicht-Politik”? Die SPD aber hat auf alle wichtigen Fragen stets zwei Antworten. Sie will ihr soziales Profil stärken, aber auch für die Wirtschaft da sein. Das führt zu einem Zielkonflikt. Setzt sie auf Arbeitslose, Geringverdiener und Rentner, vergrätzt sie potenziell den gut verdienenden Facharbeiter beim Daimler. […] Ein Glaubwürdigkeitsproblem habe die eigene Partei, sagt Genosse Helmut hingegen, “viele Wähler haben begriffen, dass die Schwierigkeiten in ihrem Leben unter Mitwirkung der SPD entstanden sind”. Er listet auf: Neokonservative Wirtschaftspolitik, Deregulierung, Privatisierung, Steuervorteile für Reiche. Es gebe einen “Gerechtigkeitshunger”, so hat es Sigmar Gabriel am Vortag formuliert. Ganz falsch, das muss Genosse Helmut noch loswerden, sei Gerhard Schröders Satz, wonach es “keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik” gebe. Mit einer linken Wirtschaftspolitik könne man auch wieder erfolgreich sein. “Dein Wort in Gottes Gehörgang”, raunt eine Parteifreundin. […] Diese Sehnsucht hat mit dem Groll über Sigmar Gabriel zu tun. “Wohl 100 Prozent der SPD-Wähler sind gegen TTIP”, sagt Seuberth: “Was aber macht Gabriel? Verteidigt es. Er sucht nach immer neuen Schleichwegen.” Erniedrigend sei das. […] Hinzu kommt, dass die SPD selbst dort Probleme erkennt, wo keine sind. Über die “Inflation” klagt ein Genosse allen Ernstes. Vom “Turboturboturbo-Kapitalismus” ist die Rede – gemeint ist Deutschland.
    Quelle: WELT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Dann ist doch alles klar: Ursache für die SPD-Wahldebakel ist die neoliberale, neokonservative, anti-sozialdemokratische Politik, die auch noch gegen die eigene Klientel gerichtet ist. Eine Lösung, eine Verbesserung wäre auf der Grundlage dieser Analyse leicht möglich: sozialdemokratische Politik für Arbeitnehmer, Arbeitslose und Rentner. Warum tut die Basis-SPD dann nichts?

    Anmerkung J.K.: Die Basis weiß, wo das Problem liegt: “Die SPD steht für nichts mehr.” Deshalb müsse die eigene Partei “aufhören, neoliberale Politik zu machen”. Wieso unterstützt die Basis dann aber seit 10 Jahren die “neoliberale” Politik der SPD?

  18. Die AfD schürt Angst
    Als die AfD vor gut zwei Wochen in Stuttgart ihren Programmparteitag abhielt, da gab es für einen Satz des gern gemäßigt auftretenden Partei-Vizechefs Jörg Meuthen den größten, ja stürmischen Beifall: Man wolle “weg vom links-rot-grün-verseuchten 68er Deutschland”, rief Meuthen und verschärfte danach den “verseucht” noch durch “versifft”. Diese Tonlage kommt also gut an bei den selbst ernannten Rettern des christlichen Abendlands und der deutschen Nation: sehr derb, sehr radikal. sehr rückwärtsgewandt. sehr erfüllt von Wut und Hass – und alles andere als bürgerlich oder liberal. Und es gibt auch eine akademische Anleitung für diese Schüren von Angst, von dem die Protestpartei momentan nahezu ausschließlich lebt. Sie stammt vom in Karlsruhe Philosophie lehrenden Vordenker Mark Jongen. Er sieht in der AfD die einzige Gruppierung, die den Unmut der Bevölkerung nicht nur registriere, sondern auch anfeuern könne. Jongen spricht davon, die “Thymos-Spannung zu heben”. Mit “Thymos” bezeichnete Platon eine Stimmung zwischen Mut, Wut und Zorn – und die will die AfD befeuern. Das tut sie sehr erfolgreich. Sie reitet auf jener Welle der Politikverdrossenheit, die von Arbeitern bis hinein in die bürgerliche Mitte reicht. Wenn die AfD allen Ernstes das aktuelle Regierungs- und Parteiensystem als “illegitimen Zustand” bezeichnet, wie sie dies in Stuttgart tat, dann müssen alle Alarmglocken schrillen. Da stellt eine Partei ohne jeden nachprüfbaren Beleg die rechtsstaatliche Ordnung und damit auch die Verfassung in Frage, indem sie den Verdruss an “denen da oben” noch anschürt. In diesen Wochen macht sie mobil gegen eine geplante Moschee einer liberalen Islam-Gruppierung in Erfurt; vergangene Woche zeigte sie, wie sie sogar mit ideal integrierten Muslimen umgehen kann: Als in Stuttgart die 50-jährige Alevitin Muthterem Aras zur Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg gewählt wurde, stimmte die AfD nicht nur geschlossen gegen Aras, sondern verweigerte der schwäbelnden grünen Steuerberaterin auch demonstrativ jeden Beifall. Warum, das hatte eine Abgeordnete zuvor erklärt: AfD-Frau Christina Baum sah in der Wahl der Migrantin einen Beleg dafür, dass die Grünen “den schleichenden Genozid am deutschen Volk” vorantreiben.
    Quelle: Nürnberger Nachrichten


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