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Titel: Lambsdorff wirbt für die Private Krankenversicherung – ein ehrlicher Lobbyist!

Datum: 28. Juni 2004 um 9:53 Uhr
Rubrik: einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Gesundheitspolitik, Lobbyismus und politische Korruption
Verantwortlich:

Regelmäßig gibt es ja Debatten um die Erhöhung der Diäten der Abgeordneten. Die Aufregung darüber verdeckt ein viel schlimmeres Problem: die Lobbyarbeit vieler Abgeordneter und ehemaliger Abgeordneter und Minister. Einer, der Lobbyismus nun seit Jahren betreibt, ist Otto Graf Lambsdorff. Er ist eng mit der Versicherungswirtschaft verbunden und in Aufsichtsräten vertreten. Jetzt wirbt er in Anzeigen für die privaten Krankenversicherungen. Dass dies offen geschieht, ist schon ein beachtlicher Fortschritt. Ich mache auf den Text der Anzeige und den Vorgang als solchen aufmerksam, weil daran einmal mehr sichtbar wird, dass die privaten Krankenversicherer mit Hilfe ihrer Lobbyisten antreten, um das System insgesamt zu verändern. Sie zielen auf die totale Privatisierung. Das Kopfpauschalen-Modell der CDU ist ein wichtiger Hebel für sie.

Der Text der Anzeige, die ich zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Freitag fand, ist interessant. Hier der Text:

„Wenn es die Private Krankenversicherung nicht gäbe, müsste man sie erfinden!“ Dr. Otto Graf Lambsdorff, Bundeswirtschaftsminister a. D.
„Der Sozialstaat muss für Schutzbedürftige da sein. Mit einer umlagefinanzierten Einheitsversorgung für alle überfordern wir aber unseren Sozialstaat zulasten unserer Wirtschaft und zulasten künftiger Generationen. An mehr Eigenverantwortung führt kein Weg vorbei.“

Wie in der privaten, kapitalgedeckten Krankenversicherung, wo heute schon mehr als 8 Millionen Bürger eigenverantwortlich vorsorgen und Rückstellungen fürs Alter bilden, so dass nachwachsende Generationen nicht belastet werden.
PKV
Die Privaten Krankenversicherung. (Ende der Anzeige)

An diesem Text der Anzeige, die vom Verband der Privaten Krankenversicherung geschaltet wurde, und für die sich Otto Graf Lambsdorff her gibt, stimmt fast nichts:

  1. Schon heute sind nicht alle in der gesetzlichen Krankenversicherung. Schon 1970 hat die FDP in der sozialliberalen Koalition für einen Privatisierungsschub gesorgt. Das Wort Einheitsversorgung entspricht schon deshalb nicht den Tatsachen. Auch die gesetzlichen Krankenkassen haben übrigens eine relativ breite Variation – AOKs, Technikerkrankenkasse, Betriebskrankenkassen usw.
  2. Auch die privaten Krankenkassen haben über weite Strecken den Charakter von Umlagefinanzierung. Die eingezahlten Beiträge werden benutzt, um die Krankheitskosten zu bezahlen, die Mitglieder der gleichen Krankenkassen verursachen. Auf keinen Fall sind die privaten Krankenversicherungen total kapitalgedeckt, wie in der Anzeige suggeriert wird.. Schon deshalb stimmt es auch nicht, dass bei der privaten Organisation des Krankenversicherungswesens die nachwachsende Generation entlastet würde. Das Krankenversicherungswesen hat mit dem Ausgleich zwischen dem Generationen in der Regel nichts zu tun.
  3. Die gesetzlichen Krankenkassen haben insofern ein sozialstaatliches Element, als Kinder und Ehefrauen mitfinanziert werden, und auch insofern, als höhere Einkommen bis zur Versicherungspflichtgrenze proportional mehr bezahlen als niedrige Einkommen. Die Kampagne, deren Teil die Anzeige Lambsdorffs ist, zielt darauf, dieses sozialstaatliche Element zu beseitigen.
  4. Die Belastung unserer Volkswirtschaft ändert sich mit der Änderung des Systems nicht. Ob der Krankenkassenbeitrag vom Unternehmen des Arbeitnehmers erhoben wird und an die Krankenkasse bezahlt wird, oder ob der Einzelne von seinem Bruttoeinkommen dies privat bezahlt, ist volkswirtschaftlich betrachtet gleichgültig. Die Belastung ist die gleiche.

Die Kampagne zielt auf die Erosion des Vertrauens in die Gesetzlichen Krankenkassen – ähnlich wie in den letzten Jahren das Vertrauen in die gesetzliche Altersvorsorge zerstört wurde. Die Versicherer werden dabei gewinnen, die Versicherten nicht.


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