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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: „Die ethnische Säuberung Palästinas“
Datum: 3. Mai 2016 um 10:37 Uhr
Rubrik: Israel, Rezensionen
Verantwortlich: Albrecht Müller
So lautet der Titel eines Buches des israelischen Historikers Ilan Pappe. Das Buch ist zwar schon 2006 auf Englisch und 2007 auf Deutsch erschienen. Aber es ist aktuell.
Man kann besser einordnen, was zurzeit in Palästina und in Israel geschieht, wenn man dieses Buch gelesen hat. Zur Einführung ist die Lektüre des Vorworts hilfreich. Hier ist es als PDF Datei. Nach Lektüre dieser zehn Seiten wollte ich mehr wissen. Albrecht Müller.
Schweigen über das in Palästina Geschehene – das ist keine Lösung, das bringt den Frieden nicht und Gerechtigkeit sowieso nicht
Als knapp 25-jähriger war ich 1964 zusammen mit einem Freund unterwegs auf einer Studienreise von der Türkei über Syrien und Jordanien nach Israel. Wir waren in einem Flüchtlingslager in Jericho und reisten dann fast vier Wochen durch Israel: neugierig und im Glauben, geistig gut gerüstet zu sein. Nach der Lektüre des Buches von Ilan Pappe muss ich eingestehen, dass wir Vieles und Entscheidendes nicht wussten und bei unserer Studienreise auch nicht erfahren haben. Wir wussten, dass es in Israel vorher mehr Palästinenser gegeben hat. Wir wussten natürlich, dass die Flüchtlinge in Jericho aus dem jetzigen Israel kamen. Wir wussten aber nicht, dass dort vor der Staatsgründung rund 800.000 mehr Palästinenser gelebt haben. Als junge Deutsche haben wir nicht danach gefragt, wie sie vertrieben worden sind und wie viele nicht überlebt haben, gestorben sind oder umgebracht wurden. Wir fragten auch nicht nach den Dörfern, die es links und rechts der Straße zwischen Jerusalem und Tel Aviv und sonst überall vor 1948 noch gegeben hat. Und wir fragten auch nicht danach, wie Haifa, Jaffa und Tel Aviv sechs Jahre früher, also 1948 und davor, ausgesehen hatten und wer dort gewohnt hat. Wir haben nicht wahrgenommen, dass wir uns gelegentlich über die Trümmer früherer palästinensischer Dörfer hinwegbewegt haben.
Nach der Lektüre des Buches von Ilan Pappe ist mir klarer geworden, woher die Flüchtlinge in Jericho kamen, wie geplant sie vertrieben worden sind und wie anders das Land vor 1948 ausgesehen haben muss.
Der israelische Historiker, der heute in Großbritannien lebt und arbeitet, weil er zu Hause nicht wohlgelitten ist, beschreibt in seinem Buch,
Vermutlich haben wir als junge Deutsche 1964 die Wirklichkeit nicht wahrnehmen wollen, weil uns dann gleich eine zweifache Schuld bedrückt hätte: das Leiden und die Vernichtung von Millionen Juden durch uns Deutsche und – zumindest teilweise – die Folgewirkung: die gewaltsame und teilweise tödliche Vertreibung der Palästinenser und die Zerstörung ihrer Kultur und übrigens auch die Zerstörung des guten Zusammenlebens von Menschen verschiedener Religionen und verschiedener Kulturen in einer Region.
Ausgewogenheit – die kann man sich und muss man sich bei diesem Thema wirklich leisten
Beim Thema Palästina und Israel ist es hierzulande üblich, nicht nur die Sichtweise eines Menschen zu kennen. Deshalb finden Sie in Anlage 1 eine wohlwollende Rezension des Buches „Die ethnische Säuberung Palästinas“ von Heiko Flottau in der Süddeutschen Zeitung und eine kritische bis feindselige Rezension im Berliner Tagesspiegel vom 26.11.2007 von RALF BALKE.
Es geht in dem Buch von Ilan Pappe um die Staatsgründung Israels und den Umgang mit den Palästinensern. Bei YouTube hochgeladen ist ein Film, der bei Phoenix lief und auch die Staatsgründung Israels zum Thema hat: „1948 – Wie Israel entstand“, veröffentlicht am 1.3.2012. Hier kommt eine etwas andere Sicht als jene von Ilan Pappe zur Sprache.
Zum Abschluss dieser kurzen Einführung in das Thema des Buches von Ilan Pappe zitiere ich die Schlusspassage der Rezension von Heiko Flottau:
„Die Tragik der jüdisch-arabischen Beziehungen besteht auch im Leugnen jener grundlegenden historischen Fakten, die mit zur Gründung Israels geführt haben. Das offizielle Israel leugnet die Vertreibung von 800.000 Palästinensern. Ein Großteil der Araber dagegen will nicht wahrhaben, dass es den Holocaust mit 6 Millionen toten Juden tatsächlich gegeben hat. Solange sich nicht beide Seiten der Geschichte stellen, wird es keinen wahren Frieden in Palästina geben.“
Wir wünschen uns dies. Aber wir wissen zugleich, wenn wir uns die Realität in Palästina und Israel anschauen, wenn wir die Verhärtung der Fronten sehen, dass das Buch von Ilan Pappe eher beschreiben könnte, was wir dort zu erwarten und zu befürchten haben. Tod, Vertreibung und Zerstörung sind wahrscheinlicher als die Einsicht, von der bei Flottau die Rede ist.
Zum Schluss noch einmal die Anregung, zumindest das Vorwort zu lesen.
Bibliografische Angaben:
Ilan Pappe: Die ethnische Säuberung Palästinas
Deutsch von Ulrike Bischoff
Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
416 Seiten, 19,95 €
ISBN 978-3-942989-86-2
Neuauflage 17. September 2014
Hier noch die Website des Verlages.
Anlage 1:
Der Geburtsmakel Israels
Die Vertreibung der Palästinenser wird immer noch geleugnet
Von Heiko Flottau
Flucht oder Vertreibung? Oder gar eine geplante ethnische Säuberung? Die sind noch immer Kernfragen des palästinensisch-israelischen Konfliktes. Die offizielle israelische Version lautet bis heute, die Araber hätten im „Unabhängigkeitskrieg“ von 1948 auf Aufforderung ihrer Regierungen das Land verlassen. Diese, so wird gerne behauptet, hätten den Flüchtlingen dann die baldige Rückkehr versprochen. Doch diese Version ist nicht mehr haltbar, … .
Die Tragik der jüdisch-arabischen Beziehungen besteht auch im Leugnen jener grundlegenden historischen Fakten, die mit zur Gründung Israels geführt haben. Das offizielle Israel leugnet die Vertreibung von 800.000 Palästinensern. Ein Großteil der Araber dagegen will nicht wahrhaben, dass es den Holocaust mit 6 Millionen toten Juden tatsächlich gegeben hat. Solange sich nicht beide Seiten der Geschichte stellen, wird es keinen wahren Frieden in Palästina geben.
Land ohne Seele
Ilan Pappe will den Gründungsmythos Israels entlarven. Dabei entlarvt er sich selbst.
RALF BALKE
Irgendwie ist es ein Etikettenschwindel. Alle Welt redet immer noch von „Israels neuen Historikern“. Dabei liegen die wichtigsten Veröffentlichungen dieser Gruppe von Wissenschaftlern, die die Geschichtsmythen des jüdischen Staates zerlegt haben, schon fast zwei Jahrzehnte zurück. Auch Ilan Pappe ist ein „neuer Historiker“. Doch anders als seine prominenten Kollegen Benny Morris oder Tom Segev reichte es ihm nicht, althergebrachte Geschichtsbilder aufzumischen. Pappe begab sich auf eine ideologische Reise, die ihn an den äußersten Rand der israelischen Gesellschaft brachte. …
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