(KR/WL)
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- Harald Schumann: Verwischte Versprechen
Tatsächlich erfahren die Verleihfirmen seit drei Jahren einen Boom wie kaum eine andere Branche in Deutschland. Die Zahl ihrer Beschäftigten hat sich seit 2004 auf mehr als 750 000 fast verdoppelt. Ob bei Airbus, Volkswagen oder BMW, ob in Callcentern, Krankenhäusern oder Supermärkten: quer durch alle Branchen nimmt der Einsatz von Leiharbeitskräften stetig zu. Unternehmen wie der Krankenhauskonzern Asklepios und auch die Wohlfahrtsverbände der Kirchen und die Arbeiterwohlfahrt sind dazu übergegangen, eigene Verleihformen zu gründen, die statt der bisherigen Tarife des öffentlichen Dienstes nur noch Minilöhne von fünf bis sechs Euro pro Stunde zahlen.
Doch ob damit wirklich zusätzliche Arbeit geschaffen wird, ist umstritten. Mit der Bilanz des Arbeitsmarktes lässt sich die Behauptung der Verleiher jedenfalls nicht belegen. So sind zwar während des laufenden Aufschwungs in den drei Jahren bis Ende 2007 rund 650 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zusätzlich entstanden. Doch das war während der vorherigen Wachstumsperiode in den Jahren 1998 bis 2001 genauso. Damals entstanden bei gleichem Wachstumstempo binnen drei Jahren sogar 30 000 Jobs mehr, und das weitgehend ohne Zutun der Zeitarbeits-Anbieter.
Ursache des Booms im Geschäft mit dem Arbeitnehmer-Leasing ist die Radikalreform des Gesetzes zur Arbeitnehmerüberlassung, mit der die rot-grüne Bundesregierung unter Führung von „Superminister“ Wolfgang Clement ab 2004 die bis dahin geltenden Beschränkungen weitgehend aufhob. Seitdem ist nicht nur das Vermieten von Arbeitnehmern ohne jede zeitliche Frist erlaubt. Zugleich wurde es den Verleihern freigestellt, Mitarbeiter auch nur für einen einzelnen Einsatz in einem Unternehmen anzuheuern und anschließend wieder zu entlassen. Vor allem diese Aufhebung des so genannten Synchronisationsverbots öffnete den Verleihern alle Schleusen. Sie können je nach Auftragslage einstellen und wieder entlassen.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung WL: Als nachträgliches Dankeschön der Zeitarbeitsbranche wurde Clement für seine „Reform“ der Arbeitnehmerüberlassung zunächst Aufsichtsratsmitglied bei der Zeitarbeitsfirma DIS und Vorsitzender des neuen ‚‚Adecco Institute’’ zur Erforschung der Arbeit. Adecco handelt mit Arbeitnehmern, vor allem mittels Zeitarbeit, Outcourcing und Personalvermittlung. „Jeden Tag vermittelt Adecco den Kontakt zwischen 700.000 Arbeitskräften und mehreren hunderttausend Firmenkunden. Das macht uns weltweit zum Personaldienstleister Nr. 1. In Deutschland betreut Adecco rund 20.000 Mitarbeiter und über 10.000 Firmenkunden in über 260 Niederlassungen“ heißt es stolz auf der firmeneigenen Hompage.
- EU-Sozialminister: Europa soll mehr arbeiten können
Europäische Arbeitnehmer sollen künftig unter bestimmten Bedingungen länger als 48 Stunden pro Woche arbeiten können. Laut dem Kompromiss der Minister soll die durchschnittliche Höchstarbeitszeit in der EU künftig 48 Wochenstunden betragen. Stimmen die Beschäftigten zu, sind bis zu 60 Stunden möglich. Sofern Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit gewertet werden, kann die wöchentliche Stundenzahl 65 Stunden und mehr betragen. Diese Regelung ist etwa für Klinikärzte oder Feuerwehrleute relevant. Vor einigen Jahren hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Bereitschaftsdienste grundsätzlich Arbeitszeit sind.
Quelle: FR
Siehe dazu auch:
Kommentar: Nein danke, Europa
Eigentlich sollte man meinen, im 21. Jahrhundert müssten in Wohlstandsländern 48 Stunden pro Woche genug sein. Die EU-Minister haben diese Obergrenze aber derart durchlöchert, dass von einem wirksamen Schutz nicht mehr die Rede sein kann. Zu spüren bekommen werden dies als Erste die deutschen Krankenhausärzte. Ihre Erfolge bei der Anerkennung von Bereitschaftsdiensten stehen nun wieder zur Disposition. Von Markus Sievers.
Quelle: FR
- Gewerkschafter mobilisieren gegen 65-Stunden-Woche
Die 65-Stunden-Woche, ganz legal – die EU hat sich nach mühsamem Geschacher auf eine neue Richtlinie für Arbeitszeiten und Schichtdienste geeinigt. Kritiker sind empört: SPD, Linke und Grüne finden die Regeln unzumutbar, Gewerkschaften wollen sie im EU-Parlament zu Fall bringen.
Der Kompromiss zur Arbeitszeit sei nicht auf Bereitschaftsdienste beschränkt: „Er eröffnet quasi den Einstieg in die 60-Stunden-Woche und mehr für alle Beschäftigten, sofern entsprechende Tarifvereinbarungen getroffen werden”, kritisierte SPD-Sozialexpertin Karin Jöns. Die SPD-Politikerin betonte: “Für uns Sozialdemokraten im Europäischen Parlament sind weder die Regelungen zur Leiharbeit noch zur Arbeitszeit akzeptabel.”
Quelle: Spiegel Online
Siehe dazu auch:
Ärzte meutern gegen EU-Arbeitszeitplan
Sie fürchten Mammutdienste von 65 Stunden und mehr: Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund sperrt sich mit aller Macht gegen die gerade beschlossenen Arbeitszeitregelungen der EU. Der Bund plant eine Lobbyoffensive – und will die Reform im Europaparlament zu Fall bringen.
Quelle: Spiegel Online
- Berliner Feilschen – Giesecke greift nach Bundesdruckerei
Erst im Jahr 2000 hatte die rot-grüne Bundesregierung den Hersteller von Banknoten und Ausweisen privatisiert und für eine Milliarde Euro an den britischen Finanzinvestor Apax Partners veräußert. Der hatte den Kauf teilweise über Schulden finanziert und sie dem Unternehmen aufgebürdet. Als die Bundesdruckerei nur zwei Jahre später wegen hoher Schulden ins Schlingern geriet, wanderte sie für einen Euro in eine Auffanggesellschaft, die seither von einer Kanzlei treuhänderisch verwaltet wird. Der Treuhänder hatte schließlich einen neuen Verkaufsprozess angestoßen. Inzwischen gilt die Bundesdruckerei als saniert, auch dank der Aufträge des Bundes für elektronische Reisepässe.
Beste Chancen räumen Verhandlungskreise nun dem Münchner Familienunternehmen Giesecke & Devrient (G&D) ein. Der Konzern kündigte am Dienstag an, bis zum Ablauf der Frist Mitte Juni ein Gebot vorzulegen. Neben dem inzwischen sanierten Unternehmen kommt der Investor auch in den Besitz brisanter Daten. Weil die Bundesdruckerei die Pässe der Deutschen herstellt, verfügt sie über Adressen, Fotos und Unterschriften fast aller Bundesbürger.
Quelle: SZ
- Umweltschützer kritisieren Auto-Kompromiss
Der deutsch-französische Kompromiss über strengere Abgaswerte für die Autoindustrie ist von Umweltschützern als Verrat am Klimaschutz kritisiert worden.
Es sei ein klimapolitischer Irrweg, wenn ausgerechnet die Hersteller von «Spritfressern» wie Mercedes, BMW, Porsche und VW bevorzugt werden sollten, teilte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Berlin mit. BUND-Experte Richard Mergner sagte, der Übergangszeitraum bis 2015 sei nichts anderes als eine Schonfrist für die Produzenten von «Spritfressern». Kritik kam auch vom Verkehrsclub Deutschland (VCD): «Auch wenn die Details noch offen sind, würde dieses Szenario bedeuten, dass bis 2012 gar nichts für den Klimaschutz im Autoverkehr passiert», sagte VCD-Vorstand Hermann-Josef Vogt. Er hoffe jetzt auf den energischen Widerstand aller EU-Staaten.
Quelle: Berliner Zeitung
- Stromversorger: Rendite auf Kosten der Beschäftigten
Billiger Strom statt Monopolgewinne für die Versorgungsunternehmen – das war das Ziel der Marktöffnung 1998. Tatsächlich sanken nicht die Gewinne, sondern der Arbeitnehmeranteil an der Wertschöpfung nahm ab. Die Strompreise sind infolge der Liberalisierung 1998 nur vorübergehend zurückgegangen. Die großen Stromanbieter haben Stellen abgebaut und übertarifliche Leistungen gekappt.Und die Gewinne haben sich mehr als verdoppelt. Von 1992 bis 2005 gingen fast 30 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in der Stromversorgung verloren. 1998 machten die Gewinne knapp 18 Prozent der gesamten Wertschöpfung aus. 2005 lag die Gewinnquote bereits bei 29 Prozent. Insgesamt nahmen die Gewinne im betrachteten Zeitraum um 105 Prozent zu. Das entspricht einem jährlichen Zuwachs von 11 Prozent.
Quelle: Böckler Impuls [PDF – 136 KB]
Anmerkung WL: Ein schönes Beispiel dafür, wohin Deregulierung führt.
- Lucas Zeise: Trichets Tricks
Unerbittlichkeit demonstrieren. Keine Kompromisse eingehen, wenn es um die Inflation geht. Vor allem keine Vernunftgründe gelten lassen. Der Zentralbankchef der Euro-Zone kündigte die Leitzinserhöhung im Juli praktisch an. Nur das allerkleinste Schlupfloch ließ er sich. Schon bei der nächsten Sitzung, sagte er, “könnten wir entscheiden, den Zins ein wenig anzuheben”. Es ist nicht kolportiert, ob Trichet mulmig wurde, als nach seinen Worten die Geldmarktzinsen und der Euro in die Höhe schossen.
Ungleich schlimmer ist freilich die Variante, dass Trichet hält, was er versprochen hat. Das wäre die Methode, eine von der Kreditkrise und den hohen Rohstoffpreisen angeschlagene Wirtschaft in die Rezession zu treiben. Nicht einmal die EZB, ja nicht einmal die Bundesbank behauptet, dass der aktuell zu kräftige Preisanstieg auf boomartige Bedingungen im Inland zurückgeht. Die Bundesbank hat angesichts real zurückgehender Masseneinkommen und stagnierenden Konsums in Deutschland besonders wenig Anlass für eine solche Analyse. Hier haben massiv sinkende Lohnstückkosten die Preissteigerungen vieler Importwaren kompensiert.
Quelle: FTD
- Die Rückkehr der Nervensägen
Der Aufschwung schwächt sich ab. Für die Untergangspropheten und Sozialapostel springt die Konjunktur wieder an. Die Krisenprediger bringen sich in Stellung, stürmen Talkshows und Buchläden. Sie können uns einfach nicht in Ruhe lassen.
Quelle: FTD
Anmerkung WL: Abgesehen von der Übertreibung, dass die Wirtschaft brummt und auch davon, dass Raffelhüschen mit seinen Thesen durchaus unrecht hat und Ottmar Schreiner in vielen Dingen einfach das richtige sagt, eine wunderschöne Glosse für ein Wirtschaftsblatt.
- Wissenschaftler warnen: Gesellschaft spaltet sich
Mit wachsender Sorge beobachten Wissenschaftler das Auseinanderdriften der Gesellschaftsschichten. Symptome dafür sehen sie in “ausbildungsmüden” Hauptschülern, sinkenden Einkommen trotz Aufschwungs und der Tatsache, dass Ärzte keine Krankenschwestern mehr heiraten. Durch die wachsenden Einkommensunterschiede in Deutschland droht nach Meinung von Arbeitsmarktforschern und Soziologen eine Spaltung der Gesellschaft. Die lange Zeit verbreitete Zuversicht, dass sich Leistung lohne und sozialen Aufstieg ermögliche, weiche zunehmend der Angst vor dem Absturz, berichtete der Direktor des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn. “Diesen Optimismus von früher gibt es nicht mehr”, unterstrich der Wissenschaftler bei einer Veranstaltung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zum Thema “Wieviel Ungleichheit verträgt das Land?”.
Quelle: Tagesspiegel
- Im Schützengraben mit den USA
Diese Woche berät eine internationale Konferenz in Paris über die Zukunft Afghanistans. Sie muss sich einen neuen Ansatz überlegen. Denn die bisherige Strategie ist gescheitert.
Quelle: TAZ
- Amerika: Die nächste Immobilienkrise
Von April kommenden Jahres an werden in den Vereinigten Staaten die Zinsen für Hunderttausende variabel verzinste Hypotheken angehoben. Das wird eine neue Welle Zwangsversteigerungen auslösen. Die Immobilienkrise ist bei weitem nicht ausgestanden.
Quelle: FAZ
- Liberale Hochschulen in der Türkei: Die Freiheit des Geldes
In der Türkei sind kostspielige private Universitäten ein Hort der kritischen Wissenschaft. Die Sabanci University in Istanbul ist eine von ihnen.
Quelle: TAZ
- Ohne Fußfesseln ins digitale Zeitalter
Die Online-Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfen nicht beschränkt werden. Das fordern der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Kulturrat und der Verbraucherzentrale Bundesverband heute auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Am 12. Juni entscheiden die Ministerpräsidenten der Bundesländer über den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Dieser sieht unter anderem eine restriktive Beschränkung für öffentlich-rechtliche Internet-Auftritte vor.
Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband
Tipp: Zapp: Dreiste Methoden – Wie die Telekom kritische Journalisten bekämpft/Staat im Staate
Quelle: NDR
Wiederholung Heute am Mittwoch von 23.00 – 23.30 Uhr