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Titel: Panama Papers – nicht Jahrhundertscoop, sondern Jahrhundertflop

Datum: 5. April 2016 um 14:48 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Medienkritik, Steuerhinterziehung/Steueroasen/Steuerflucht
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Heute morgen fragte ich in den Hinweisen des Tages noch rhetorisch, was denn nun mit den Datensätzen aus Panama geschieht, die weltweit in den Medien hochgejazzt werden. Nach einigen Antworten kundiger Leser scheint sich zu bestätigen, was ich bereits zuvor gemutmaßt habe: Schon bald treiben unsere lieben Medien die nächste Sau durchs Dorf und die Kunden von Mossack Fonseca müssen sich keine Sorgen machen. Nach momentanem Kenntnisstand werden noch nicht einmal die jeweiligen Steuer- und Strafverfolgungsbehörden Einblick in die Daten bekommen. Wie der Guardian bereits meldete, respektieren die beteiligten Medien und Institutionen also die Privatsphäre der Briefkastenunternehmer. Die eigentlichen Dunkelmänner sitzen demnach in den Redaktionen der beteiligten Medienkonzerne. So sind die Panama Papers vor allem eins – ein Fanal für Whistleblower, brisante Daten nicht exklusiv an Medienkonzerne zu vergeben, sondern Enthüllungsplattformen wie Wikileaks zu benutzen. Von Jens Berger.

Was haben Sie aus den Panama Papers gelernt? Dass afrikanische, russische, ukrainische und asiatische „Eliten“ korrupt sind? Geschenkt, das sollte sich eigentlich auch ohne Panama Papers bereits herumgesprochen haben. Sicher, es ist immer gut, wenn Stories über derartige Verdunklungsmaschinerien im internationalen Finanzsystem die Runde machen und zumindest für wenige Tage auch politisch debattiert werden. Dass den Debatten keine politischen Schritte folgen, gehört dabei ebenfalls zur festen Choreographie. In der nächsten Woche geht es bereits wieder um ein anderes „Thema des Tages“ und bereits in einem Monat weiß niemand mehr, wie Mossack Fonseca eigentlich geschrieben wird. Dies sind feste Rituale in unserer Aufmerksamkeitsökonomie, an denen wir nicht rütteln können und es wäre unfair, sich nun ausgerechnet die Panama Papers herauszusuchen, um diese sinnfreien Rituale zu hinterfragen.

Gehen wir die Sache daher anders an: Was hätte ein funktionierender Journalismus mit diesen Daten anstellen können? Dazu sollte man sich vor allem noch einmal vor Augen halten, was eigentlich „investigativer Journalismus“ ist. Fest steht, dass das ICIJ, also das „Internationale Konsortium investigativer Journalisten“, das die Auswertung der Panama Papers verantwortet hat, investigativen Journalismus offenbar mit Datenjournalismus verwechselt. Diese neue Form des Journalismus nimmt sich eine Datenbank vor und sucht anhand von Filtern und Suchbegriffen nach Infohäppchen, die sich in Schlagzeilen packen lassen. Das ist preiswert und verspricht Quote und Klicks. Hintergründe, Zusammenhänge und Querverbindungen zu checken und aufzudecken ist hingegen teuer und auch Medienkonzerne müssen sparen.

Die 11,5 Millionen Dokumente der Panama Papers betreffen 214.488 Briefkastenfirmen, hinter denen rund 14.000 Personen stehen. Wie es momentan aussieht, wird keine einzige dieser 14.000 Personen sich jemals vor Gericht für ihre Taten rechtfertigen müssen. Und das hat natürlich auch seine Gründe. In vielen Fällen ist die Dienstleistung von Mossack Fonseca nun einmal überhaupt nicht illegal. Nehmen wir einmal einen der prominentesten Klienten als Beispiel. Salman Al Saud ist absolutistischer König von Saudi Arabien. Als solcher ist er getreu dem schönen Sprichwort „Der Staat bin ich“ der Staat und steht ohnehin über den Gesetzen Saudi Arabiens, die für Herrn Al Saud nicht gelten. Steuern hinterziehen kann er übrigens per Definition nicht, da er ja der Staat ist. Welchen Informationswert hat es also, wenn Süddeutsche und Co. melden, dass Salman Al Saud eine Briefkastenfirma auf den Jungferninseln kontrolliert? Aber auch in anderen Fällen ist der eigentliche Informationswert eher die Information selbst. Und das liegt vor allem am Umstand, dass wir es hier momentan lediglich mit Zeitungsberichten zu tun haben, deren Wahrheitsgehalt sicher ohne weiteres von keinem Gericht der Welt als Beweis gesehen wird. So lange die Daten der Panama Papers nicht in die Hände nationaler und internationaler Ermittler gelangen, werden die „Enthüllungen“ daher auch keine praktischen Folgen haben.

Geographische Verteilung der Mossfon-Kunden, die namentlich von den Medien gennat werden

Unter dem Strich sieht es also so aus, als ob die beteiligten Medienkonzerne den unverhofften Datenschatz nur verwendet haben, um ein wenig Quote und Auflage zu machen. Entscheidende Fragen bleiben dabei immer noch offen: Warum befindet sich denn nun kein namhafter US-Amerikaner unter den „Beschuldigten“? Warum haben die Süddeutsche Zeitung und der Guardian die Veröffentlichung vor allem genutzt, um auf unlautere Art und Weise gegen Wladimir Putin Propaganda zu machen? Warum werden die Rohdaten nicht veröffentlicht?

Man kann wirklich nur jedem Whistleblower raten, einen großen Bogen um die Enthüllungskonsortien der Medienkonzerne zu machen, die vom ICIJ verwaltet werden. Schon bei den Offshore-Leaks, den Luxemburg-Leaks und den Swissleaks haben ICIJ und Co. sich nicht mit Ruhm bekleckert und die „bösen Buben“ blieben ungeschoren. Wer was erreichen will, sollte seine Dokumente daher lieber bei Wikileaks veröffentlichen. Nur so ist eine wirklich transparente und demokratische Auswertung der Dokumente möglich.


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