Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Die strategische Bedeutung des Bedauerns von Anne Will für den Einfluss der Rechtskonservativen auf die Medien
Datum: 9. Juni 2008 um 15:02 Uhr
Rubrik: Finanzpolitik, Medien und Medienanalyse, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Dass Anne Will am Sonntag Abend bedauerte, die Verschuldung Berlins in der Sendung vom 1. Juni fehlerhaft dargestellt zu haben, wäre nicht der Erwähnung wert, wenn hierin nicht die nahezu totale Herrschaft der Union und der Oberschicht über die Medien sichtbar geworden wäre. Der Schachzug des CDU-Manns Friedbert Pflüger, diese Korrektur zu fordern und durchzusetzen, hat auch strategische Bedeutung. Die Union hat den Medienschaffenden klargemacht, dass sie auch bei kleinsten Verstößen sofort mit dem großen Schlag rechnen müssen. Übrigens auch dann, wenn die Aussage der Redaktion tendenziell sogar stimmt: Rot-rot hat über die Schulden bei Regierungsübernahme hinaus noch Lasten aus der von der Union verursachten Berliner Bankenkrise geerbt. Albrecht Müller.
Ich habe die Sendung vom 1. Juni gesehen. Die Passage über die Verschuldung der Stadt Berlin war die einzige Unfreundlichkeit von Seiten Anne Wills und der Redaktion gegenüber der Union. Ansonsten war die Sendung geprägt von Freundlichkeiten gegenüber der Union und wie üblich Unfreundlichkeiten gegenüber der Linken:
In den meisten anderen Talkshows und dem Gros der Sendungen insgesamt geben die konservativen Kreise einschließlich der Union und der Arbeitgeber den Ton an. Ich erinnere nur an Plasberg und seine vorletzte Sendung zum ähnlichen Thema, dem angeblichen Linksruck in der SPD, und an die neueste Sendung von Maybritt Illner.
Dass die Union, im konkreten Fall der Berliner Fraktionsvorsitzende der Union Pflüger, sofort interveniert, verfolgt zumindest zwei Ziele:
Erstens soll in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden, als gäbe es eine linke Schlagseite in den öffentlich-rechtlichen Medien. Das ist die alte Strategie der Union. Sie nannte früher die öffentlich-rechtlichen Sender pauschal und den WDR im besonderen „Rotfunk“. Jetzt versucht sie schon beim kleinsten Anlass einen ähnlichen Eindruck zu vermitteln. Das hat zur Folge, dass auch kleinste Kritik an der Union als einseitig und unberechtigt erscheint, jedenfalls eine Erklärung findet. Das dient auch der Immunisierung der Unionsanhänger gegen kritische Anmerkungen zur Union.
Zweitens führt die Verdächtigung der Medienschaffenden als einseitig dazu, dass diese im vorauseilenden oder nachfolgenden Gehorsam Korrekturen zu Gunsten der Konservativen machen.
Die wenigen Redaktionen beziehungsweise Redakteure und freischaffenden Journalisten, die noch gegen den Strich bürsten, machen immer wieder ähnliche Erfahrungen. Wenn etwas der Union und wenn etwas der Arbeitgeberseite und der Wirtschaft nicht passt, wird sofort interveniert – jedenfalls beim kleinsten Ansatzpunkt, bei kleinsten Fehlern und Unstimmigkeiten. Damit sind die wenigen verbliebenen progressiven Journalisten ständigem Druck ausgesetzt.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3269