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Titel: Revolutionäre Situation? Oder die beruhigende Macht der Propaganda-Maschine!

Datum: 30. Mai 2008 um 15:33 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Strategien der Meinungsmache, Ungleichheit, Armut, Reichtum
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Vier Ereignisse in drei Tagen. Am vergangenen Dienstag „Neues aus der Anstalt“. Wieder eine vorzügliche Sendung. Eine Szene: Schramm schildert, was die Herrschenden unserem Volk so alles zumuten. Anlässe für eine Revolution. Priol kontert mit Umfrageergebnissen. Zeichen eines still gestellten Publikums. – Am frühen Abend des Sonntags zuvor saß ich mit dem Wirt meiner Eckkneipe zusammen. Jules, ein liebenswerter Elsässer, leider von der französischen konservativen Rechten geprägt, sprach über die unsicheren Jobs und Einkommensverluste in seiner südpfälzischen und elsässischen Umgebung und meinte, dies mache auch ihn noch zum Revolutionär. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass die heutige Führungsschicht anders als der französische Adel des Jahres 1789 über Fernsehen und andere Massenmedien verfügt. Drei Stunden später lief die nächste Illustration: Anne Will mit „Hungern muss hier keiner – Ein Land redet sich arm“. Ohne jegliches Fragezeichen. Drei Tage später die nächste Demonstration von Kampagnenjournalismus zu Gunsten der herrschenden Rechten in Deutschland: Plasberg mit einer massiven Agitation gegen alles Linke, in der SPD, soweit überhaupt noch vorhanden, und gegen Die Linke. Albrecht Müller.

Aus eigener Beobachtung und von den Mails unserer Leser weiß ich, dass die Einschätzung von Schramm und Jules dem entspricht, was viele Menschen heute so empfinden: Ungerechtigkeiten, Zumutungen, Wut, Ohnmacht. Die permanente Verletzung wichtiger Versprechen des Grundgesetzes wie etwa des Sozialstaatsgebots geben den Betroffenen sogar ausdrücklich das Recht auf Widerstand. Aber wir beobachten zugleich die unglaubliche Gleichrichtung der Medien – mit wenigen Ausnahmen. Das nimmt inzwischen dreiste Formen an wie etwa die Verharmlosung der ungerechten Einkommensverteilung und Verarmung bei Anne Will und die Tatsache, dass in dieser Sendung Gottfried Ludewig ein Forum bekam. Das ist jener Bundesvorsitzende des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), der ein doppeltes Wahlrecht für die arbeitende Bevölkerung fordert. Weder die verfassungsfeindliche Haltung dieses CDU-Mitglieds noch seine Dummheit (sein elitärer Vorschlag würde bei der Umsetzung schon daran scheitern, dass die Blöcke von arbeitenden und arbeitslosen Menschen nicht fest gefügt sind) haben einen öffentlich-rechtlichen Sender davon abgehalten, diesem Typen ein Forum zu bieten. Und natürlich wurde in dieser Sendung auch nicht gefragt, was eigentlich die CDU-Vorsitzende Merkel zu einem solchen Nachwuchspolitiker ihrer Partei sagt und wo denn das Ausschussverfahren bleibt.

In Plasbergs Sendung war erkennbar, dass seine Produktionsgesellschaft und er selbst offensichtlich voll in die Kampagnenplanung der Union eingebaut sind. Bis in letzte Details hatte man analysiert und aufbereitet, was die angebliche Linke in der SPD-Führung, Andrea Nahles, von sich gegeben hat, und penetrant wurde die hanebüchene Botschaft der rechten Führungselite, die SPD sei nach links gerückt, unter das Fernsehpublikum gebracht.

Die Macht der rechten Führungselite in Politik und Wirtschaft ist so ausgeprägt, dass es eine Gegenbewegung sehr schwer hat. Ohne Thematisierung des Phänomens der Mediendominanz der Neoliberalen und ihrer politischen Helfer, ohne Hinweis auf die unendliche Manipulationsabsicht und -fähigkeit, wird man die Gegenbewegung nicht aufbauen können. Das, der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit, ist der eigentliche Grund dafür, die NachDenkSeiten geschaffen zu haben. Andere Medien im Internet wie auch zum Beispiel der „Freitag“ und einige wenige Journalisten in anderen Medien leisten ihre wertvollen Beiträge dazu.
Wenn die SPD es übrigens nicht lernt, die Macht der Medien zum Thema zu machen und die Medienbarriere, vor der sie erkennbar steht, zu thematisieren, wird sie auf der Verliererstraße bleiben.

P.S.: Die Ergebnisse der neuen Politbarometer-Umfage zeigen, wie massiv die Meinungsmache wirkt und wie dämlich die SPD-Strategie ist. Mit ihrer Abgrenzung verschärft sie das Meinungsbild zu ihren Lasten. Hier SpiegelOnline dazu:

30. MAI 2008, 12:37 UHR

ROT-ROT-DEBATTE

Deutsche glauben Becks Beteuerungen nicht mehr

Die SPD-Spitze debattiert über eine schriftliche Absage an Rot-Rot – doch nur 32 Prozent der Wähler glauben noch, dass es im Bund keine Koalition mit der Linken geben wird. Ob Schwan-Plan, Kurt Beck und die Performance der Großen Koalition: Alles schneidet laut dem neuen Politbarometer bei den Bürgern schlecht ab.
Quelle: Spiegel-Online


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