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Titel: Der Abgasskandal wird zur Staatsaffäre
Datum: 22. März 2016 um 12:24 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Erosion der Demokratie, Lobbyismus und politische Korruption, Schadstoffe
Verantwortlich: Jens Berger
Gestern hat die Deutsche Umwelthilfe ihre Halbjahresbilanz zur Abgasaffäre gezogen und dabei scharfe Kritik am Bundesverkehrsministerium und der Automobilbranche geäußert. Die Aufarbeitung des Abgasskandals findet zugespitzt formuliert hinter verschlossenen Türen im Schneckentempo statt. Gleichzeitig übt die Automobilindustrie größtmöglichen Druck auf deutsche Hochschulen und Institute aus, auf keinen Fall unabhängige Abgastests vorzunehmen, die den Skandal ausweiten könnten. Kritiker, wie die Deutsche Umwelthilfe, werden derweil mit komplett geschwärzten Dokumenten ruhiggestellt. Man verhöhnt die Öffentlichkeit lieber, als ernsthafte Aufklärung zu betreiben. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Wenn Sie sich gestern Abend die Tagesschau angeschaut haben, wurden Sie umfassend informiert; zum Beispiel in einem ausführlichen Korrespondentenbericht darüber, dass ein russisches Gericht eine ukrainische Freischärlerin in Russland wegen des Mordes an zwei Journalisten schuldig gesprochen hat. Auf die gestern in Berlin stattgefundene Pressekonferenz der Deutschen Umwelthilfe zu ihrer „Dieselgate-Halbjahresbilanz“ hatte es kein Kamerateam der öffentlich-rechtlichen Sender geschafft. Hinsichtlich des Informationsauftrags der Öffentlich-Rechtlichen ist allein dies bereits ein Skandal, denn was die Deutsche Umwelthilfe zu berichten hatte, hätte sehr wohl in die Hauptnachrichtensendungen gehört.
Lesen Sie dazu bitte auch die gestrige Pressemeldung der Deutschen Umwelthilfe, auf die wir auch bereits heute morgen in unseren Hinweisen des Tages hingewiesen haben.
Zu diesen skandalösen Vorgängen kommt hinzu, dass sowohl die Automobilkonzerne als auch Kraftfahrtbundesamt und Bundesverkehrsministerium mit geballter Macht gegen die Umweltschützer vorgehen, die zu diesen Skandalen nicht schweigen wollen. Die Deutsche Umwelthilfe hat nach eigenen Angaben in Deutschland kein einziges Prüflabor gefunden, das bereit war, die Emissionen von Dieselfahrzeuge für sie zu testen. Schlussendlich fand man erst in der Schweiz ein Labor, das den offenen Drohungen der deutschen Automobilhersteller standgehalten hat. Ähnliche Erfahrungen haben auch die ZDF-Journalisten von Frontal 21 gemacht, die ihm Rahmen ihrer sehenswerten Doku „Die Abgaslüge“ dem Thema nachgegangen sind.
Frontal 21 – Die Abgaslüge – Wie Autoindustrie und Politik uns krank machen
Wir haben offensichtlich eine Situation, in der einerseits (fast?) alle Automobilhersteller systematisch die gesetzlichen Auflagen verletzen und andererseits die Gesetze löcheriger sind als jeder Schweizer Käse. Die ganz schöne Umweltschutzgesetzgebung scheint das Papier nicht wert zu sein, auf dem sie gedruckt ist. Laut Gesetz ist der Staat natürlich verpflichtet, hier tätig zu werden und dafür zu sorgen, dass seine Gesetze auch befolgt werden. Aber genau dies passiert anscheinend nicht. Daher hat die Deutsche Umwelthilfe gegen das dem Bundesverkehrsministerium unterstehende Kraftfahrtbundesamt eine Untätigkeitsklage eingereicht. Ein erster Teilerfolg war die Akteneinsicht im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes. Doch die Akten zur „VW-Affäre“, die die Deutsche Umwelthilfe zur Ansicht bekam, sahen nicht wirklich so aus, wie es sich die Umweltschützer gewünscht haben.
Auf Wunsch der Volkswagen AG wurde die 581-seitige VW-Akte, die der Deutschen Umwelthilfe laut Gerichtsentscheid eine Woche zur Ansicht stehen sollte, bis auf die Anschreiben und Adressdaten der Absender komplett geschwärzt. Auch wenn dies juristisch sicher legal ist, stellt ein derartiges Vorgehen natürlich eine Verhöhnung der Öffentlichkeit dar.
Doch die Öffentlichkeit merkt noch nicht einmal, dass sie verhöhnt wird. Von löblichen Ausnahmen wie Frontal 21 abgesehen, wird die gesamte Abgasaffäre in den deutschen Medien ohnehin so gut wie möglich totgeschwiegen. Hinter den Kulissen dürften auch hier die Automobilhersteller mächtig Druck machen. Und wer sich ein Ministerium „kaufen“ kann, der muss sich natürlich auch keine Sorgen vor der stets handzahmen Medienmaschinerie machen.
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