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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Rürup-Rentner bitte beachten: Die normale Spar-Anlage könnte günstiger sein. Trotz Steuervergünstigung der Rürup-Rente.
Datum: 28. April 2008 um 15:16 Uhr
Rubrik: Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente
Verantwortlich: Albrecht Müller
Wir haben Finanztest wegen eines Beitrags zur Rürup-Rente kritisiert. Daraufhin meldete sich ein Versicherungsfachmann, dessen Expertise wir einstellten. Das wiederum war Anstoß für einen anderen Experten. Er hat die Rürup-Rente mit einer normalen SparAnlage verglichen. Das Ergebnis: Diese Altersvorsorge (=Spar-Anlage) hat unter den gegebenen Umständen Vorteile. Das Urteil von Finanztest wird noch unverständlicher. Prüfen Sie selbst. Es folgt der Beitrag unseres Lesers mit Excel-Dateien, die es Ihnen möglich machen, Ihre eigenen persönlichen Daten einzugeben. Albrecht Müller.
Hier der Text des NachDenkSeiten-Lesers samt Berechnungen:
Altersvorsorge mit Steuerkick[1]
Ich stieß auf den Artikel in der FINANZtest 5/2008 S. 21, habe ihn gelesen und festgestellt, es gibt sechs „sehr gute“ Angebote zur Rürup-Rente. Die in den Beispielen und Tabellen genannten Beträge machten mich dann etwas stutzig. Beträge von 6.000 € Einzahlung mit Laufzeiten von 25 Jahren Ansparzeit sollten bei „sehr guten“ Anbietern nur 741 € Monatsgarantierente erbringen (Tabelle Frauen S. 26). Meine geringen finanzmathematischen Kenntnisse sagten mir, das ist eigentlich keine gute Rendite auf die Anlage. Der Hinweis von Albrecht Müller auf den Nachdenkseiten vom 17.04. und 25.4.2008 setzte meinen Wissensdrang in Bewegung. Excel gestartet und mal nachgerechnet. Hier zeigen sich teilweise Beträge, die noch augenfälliger sind als die im Artikel der Nachdenkseiten dargestellten Werte.
Beispiel Rürup-Rente[XLS – 36 KB]
Die Modellkundin, eine 40-jährige ledige Rechtsanwältin, schließt 2009 einen Vertrag mit einem Beitrag von 6.000,- jährlich ab über eine Laufzeit von 25 Jahren. Ihre Lebenserwartung wird auf 90 Jahre angesetzt. Unterstellt wird ein derzeitiger Steuersatz von 35% in der Ansparphase und ein Steuersatz von 20% während der Rentenphase.
Gesamtbetrag der Anlagebeträge | 150.000,00 € |
Eigenanteil | 103.212,00 € |
Steuervorteil (35% EkSt-Satz) | 46.788,00 € |
Ergebnis Bruttogarantierente gesamte Laufzeit[2] | 222.300,00 € |
Ergebnis Nettogarantierente gesamte Laufzeit | 180.507,60 € |
[«1]FINANZtest 5/2008 S. 21 Überschrift des Artikels zur Rürup-Rente
[«2]FINANZtest 5/2008 S. 26 Betragsgrundlage: bester Anbieter für Bewertung „garantierte monatliche Rente“ klassische Rürup-Rentenversicherung für Frauen ( Betrag monatlich 741,00 €)
Steueranteil auf Rentenertrag (20% EkSt-Satz) | 41.792,40 € |
Ertrag der Nettogarantierente minus Eigenanteil | 77.295,60 € |
Steuervorteil minus Steueranteil auf Rentenertrag | 4.995,60 € |
Bruttogarantierente monatlich 25 Jahre Laufzeit | 741,00 € |
Nettogarantierente monatlich 25 Jahre Laufzeit | 601,69 € |
Die kleine Tabelle bedeutet in Worten ausgedrückt: Für eine Gesamtinvestition von 150.000 € (Eigenanteil + Steuervorteil) erhält die Anlegerin eine Nettoausschüttung von 180.507,60 € über 25 Jahre verteilt. Der Staat als Beteiligter hat über die Gesamtlaufzeit einen steuerlichen Verlust von 4.995,40 €.
Alle Aussagen beziehen sich auf Garantierenten der Anbieter, mögliche Bonuszahlungen können nicht berücksichtigt werden, da die Anbieter diese Zusatzerträge nicht beziffern wollen und von Marktlagen bzw. zukünftigen Entwicklungen abhängig machen. Dieses ist also reine Spekulation.
Die Erträge sind nicht besonders erfreulich, aber was soll man machen, getan werden muss ja was, hört man zumindest von morgens bis abends. Alle Medien bringen es mit Macht an den Mann und die Frau. Altersarmut soll ja praktisch unabwendbar sein, es sei denn, man tut etwas, siehe Beispiel oben.
Ich will Sie nicht im Regen stehen lassen. Es geht auch anders, sogar besser.
Sie können immer kurz bis mittelfristig Zugriff auf Ihr Geld haben, können umschichten, verbrauchen oder anders anlegen – so, wie Sie es für richtig halten. Dabei hilft Ihnen der Staat nicht, hier will er sogar Geld von Ihnen, in Form von Steuern. Dieses ist vollkommen legitim und fällt nicht übermäßig ins Gewicht (es sein denn, Sie zählen Gier zu einer Ihrer herausragenden Eigenschaften), denn auch Sie haben sehr brauchbare Erträge.
Nichts Kompliziertes mit Herauf- und Runterrechnen und Steuervorteilen oder allen möglichen Finanzmarktrisiken, die einem die Rendite verhageln. Nur ein, ich gebe dir Geld, du zahlst mir Zinsen und am Ende bekomme ich alles mit Zinseszins zurück. Klingt ganz einfach – ist es auch.
Alternative Überlegungen
Beispiel Sparmodell [XLS – 40 KB]
Die Beispielperson aus dem Rürup-Modell (siehe FINANZtest) legt Ihr Geld konservativ an. In einer Tabelle habe ich berechnet, welche Erträge erzielt werden könnten bei einer Festgeldanlage mit folgenden Parametern.
Aus meinen Berechnungen ergeben sich die folgenden Werte.
Gesamtbetrag der Anlagebeträge | 150.000,- € |
Eigenanteil | 150.000,- € |
Kapital nach 25 Jahren Sparphase | 226.570,- € |
Steuervorteil (35% EkSt-Satz)(gezahlte Abgeltungssteuer) | -25.220,- € |
Ergebnis Bruttogarantierente gesamte Laufzeit [3] | 314.375,- € |
Ergebnis Nettogarantierente gesamte Laufzeit | 314.375,- € |
Steueranteil auf Rentenertrag (20% EkSt-Satz)(gezahlte Abgeltungssteuer) | -30.303,43 € |
Ertrag der Nettogarantierente minus Eigenanteil | 164.375,- € |
Steuerzahlungen über die gesamte Laufzeit | -55.523,- € |
Bruttogarantierente monatlich 25 Jahre Laufzeit | 1.048,00 € |
Nettogarantierente monatlich 25 Jahre Laufzeit | 1.048,00 € |
Die Tabelle in Worten ausgedrückt bedeutet: für eine Gesamtinvestition von 150.000 € (Eigenanteil ohne Steuervorteil) erhält die Anlegerin eine Nettoausschüttung von 314.375,00 € über 25 Jahre verteilt. Der Staat als Beteiligter hat über die Gesamtlaufzeit der Anlage (Sparphase + Verzehrphase) einen steuerlichen Gewinn von 55.523,00 €.
Wenn ich also mit einem Zinssatz von 4% und Sparanlage einen Gesamtertrag (Anlegerin + Staat) von 369.898,64 € erwirtschaften kann, wieso gibt es dann im Rürup-Beispiel nur 222.300,00 € für beide Beteiligten (Anlegerin + Staat)? Ist zwar nur eine „kleine“ Differenz in beiden Fällen von 147.598,64 €, aber man darf ja mal fragen. Wo verbleibt beim Rürup-Modell diese kleine Differenz? Die bekommt das Anlage-Institut für seine Mühe. Da dieses Institut aber erheblich höhere Renditen anstrebt 5, 6 oder gar 8%, steigt die Differenz zwischen dem erwirtschafteten Ertrag des Instituts und dem an den Kunden ausgeschütteten Betrag noch stärker als oben dargestellt.
Nun stelle man sich vor, eine mutige Anlegerin scheut nicht das Risiko und bekommt eine Rendite/Zinssatz von 5, 6 oder gar 7 Prozent auf Ihre selbstverwaltete Anlage. Dann wird aus der Kleinen schon eine etwas größere Differenz zwischen der eigenen Anlage und einer Rürup-Rente. Bei 5% Verzinsung und 25 Jahren Anlagezeit hätte die Anlegerin schon 250.030,34 € Kapital zur Verfügung und 35.411,75 € Steuern (Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag) gezahlt. Dieser Betrag ist schon höher, als der gesamte Garan-tierentenbetrag aus der Rürup-Rente, wofür Sie 50 Jahre (25 Jahre Ansparung + 25 Jahre Rentenzahlung) braucht.
Betrachten wir noch kurz den Fall, dass die Modellfrau unseres Beispiels schon mit 80 Jahren statt mit 90 Jahren verstirbt.
Beim Rürup-Modell liegt damit der Gesamtertrag (Anlegerin + Staat) mit 8.892,00 € x 15 Jahre bei 133.380,00 €. Der Restbetrag von 88.920,00 €, fällt an den Versicherer. Es wurden aber immerhin 150.000,00 € angespart (Anlegerin + Steuervorteil). In diesem Fall ist nach 15 Jahren nicht einmal das eingezahlte Kapital zurückgeflossen.
Nun, der Finanzmarkt hat so seine Tücken, merken ja sogar die Global Player in diesem Bereich.
[«3]Diese ergibt sich aus einem Excel-Blatt
Wenn keine gesonderten Regelungen getroffen wurden, diese verursachen natürlich Extrakosten bzw. die Erträge sinken entsprechend, erlöschen die Ansprüche aus dem Vertrag im Normalfall und das Anlageinstitut freut sich doppelt.
Ein Vertrag mit einer Ansparzeit von 25 Jahren birgt darüber hinaus weitere Tücken. Denn es können Lebensumstände eintreten, die ein Weitersparen des Vertrages verhindern bzw. es kommt zu Zahlungsunterbrechungen.
In puncto Flexibilität haben wir unter anderem geschaut, wie viel es den Rürup-Sparer kostet, wenn er seine Beiträge nicht mehr zahlen kann oder will und den Vertrag beitragsfrei stellt. Das Ergebnis ist oft katastrophal. So legen die Versicherer fest, dass der Kunde wenigstens so viel Beträge bis zum Zeitpunkt der Beitragsfreistellung gezahlt haben muss, dass eine Mindestrente erreicht wird. Setzt er mit seinem Beitrag vorher aus, sieht er von seinem Geld nichts wieder.
Die LVM (Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G. d. Autor) bei-spielsweise verlangt, dass der Kunde einen Rentenanspruch von 50 Euro im Monat erwerben muss. Schafft er dies nicht bis zu dem Tag, an dem er seinen Vertrag beitragsfrei stellt, sind seine gesamten Beiträge verloren. Ein Kunde, der 25 Jahre lang jährlich 1200 Euro Beitrag zahlt, braucht bei der LVM acht Jahre, um auf diese jährliche Mindestrente zu kommen. Stellt er den Vertrag vorher beitragsfrei, ist das Geld weg.“ (FINANZtest 5/2008 S. 24)
Im geschilderten Fall aus dem Zitat verliert der Kunde sein Kapital von 9600 € plus die bisher erwirtschafteten Zinsen.
Wenn FINANZtest das auch so sieht, dann muss man sich dort fragen lassen, warum man so engagiert für die Rürup-Rente wirbt? Die Überschrift „Altersvorsorge mit Steuerkick“ stimmt viel zu positiv ein.
Dass Verträge nicht durchgespart werden ist keine Ausnahme, sondern für die Versiche-rungswirtschaft der Normalfall..
Die meisten Sparer halten nicht durch
Trotz dieser großen Nachteile bei der Kündigung halten die meisten Sparer nicht durch. Im Durchschnitt schafft das nicht einmal jeder zweite. Bei langlau-fenden Verträgen, die erst nach mehr als 30 Jahren enden, ist die Quote noch schlechter. Im Durchschnitt hält nach Daten der Deutschen Aktuarsvereinigung nur jeder vierte Versicherte die Langläufer bis zum Ende FAZ.NET26.09.2006
Dieses Zitat gilt für deutsche Lebensversicherungen, zeigt aber annäherungsweise, wie haltbar die Rürup-Rentenverträge sein werden.
Aus vielen kleinen Verträgen werden große Kapitalvolumen, Anlegergeld und Steuersub-ventionen und diese werden wandern – wohin, das können Sie nun beantworten. Es bleibt die Frage, was treibt die Politiker in Berlin, einen derartigen Wahnsinn auf den Weg zu bringen und steuerlich zu fördern. Die Sorge um das Wohl der Bürger kann es nicht sein, auch wenn es oberflächlich betrachtet so aussieht.
Aber denken wir den anderen Fall, den mit unserer Alternative, der Sparanlage mit glei-chen Vorgaben (80 Jahre Lebenserwartung) zu Ende. Die Anlegerin bekommt (12.575,00 € x 15 Jahre) 188.625,00 €, der Staat bekommt an Abgeltungssteuer 51.469,00 € und es werden noch 109.775,00 € vererbt. Ergibt zusammen einen Betrag von 349.869,00 € (für Anlegerin, Staat und Erben). Eine wie ich denke brauchbare Alternative.
Nachtrag: Preissteigerungen werden nicht berücksichtigt.
Bei allen Finanzangeboten der Banken und Versicherungen (Kapital-Lebens- und Rentenversicherung, Riester- oder Rürup-Rente) für langfristige laufende Verträge zeigt sich, dass angebotene oder genannte Garantierenten oder die Ablaufleistung nie unter dem Aspekt des Einflusses der Inflation betrachtet werden. Dieses halte ich für ein gravierendes Ärgernis und eine Verschleierung der Schwächen vieler Anlageprodukte.
Erläuterung:
Die Rente für die vierzigjährige Ledige aus dem Beispiel mit den zugrunde gelegten 741,-€ hat bei einer unterstellten Inflation von 2% nach 25 Jahren eine Kaufkraft von noch 447,-€ zum heutigen Wert (2008).
Somit sind 500,-€ aktuelle Kaufkraft (Anleger + Steuervorteil) (2008) in eine Kaufkraft von 447,-€ in 25 Jahren (2033) getauscht worden.
Weiteres Problem ist der fehlende Inflationsausgleich während der Rentenlaufzeit. Nach 25 Jahren Rentenbezug (bis 2058) liegt die Kaufkraft der heutigen 741,-€ bei gerade 270,-€ monatlich. Diese Tatsache wird im Allgemeinen unterschlagen und verleitet die Anleger dazu, mit Erwartungen zu arbeiten, die so nicht erfüllt werden.
Will der Anleger in diesem Beispiel im Jahre 2033 einen Kaufkraftwert von heute (2008) von 741,- € realisieren, so braucht er 2033 einen Betrag von 1215,- € monatlich, um die Inflationsverluste zu kompensieren. Diesen Betrag erzielt er aber in dem gewählten Rürup-Anlagemodell nur, wenn er heute jährlich ca 9.800,- € oder monatlich 820,- € einzahlt. In diesem Fall tauscht er 820,- € Kaufkraft (2008) in 741,- € Kaufkraft (2033) nach Werten von 2008. Das Argument, niemand könne wissen, wie sich die Inflation in Zeiträumen von 25 oder 30 Jahren entwickelt, trägt nicht, ich habe ja nur 2% unterstellt, meines Wissen ist das die Zielmarke der EZB. Außerdem wissen wir ja auch ganz genau(!), wie sich das Reproduktionsverhalten der Bevölkerung in der Bundesrepublik bis zum Jahre 2050 entwickeln wird. Genau darum brauchen wir ja die „sehr guten“ privaten Rentenvorsorgeprodukte. Vielleicht habe ich da auch nur einiges falsch verstanden. Ein bisschen Ironie muss erlaubt sein.
Würden solche Berechnungen für die angebotenen Verträge dargestellt, wären die Tücken sofort auch für Laien sichtbar. Ich erziele nicht einmal einen Inflationsausgleich mit meiner Anlage.
Warum derartige Produkte „sehr gut“ sein sollen, ist mir schleierhaft.
Und welcher „Steuerkick“ ist eigentlich gemeint, wenn FINANZtest davon scheibt? Im Beispiel der Rürup-Renten finde ich keinen, in dem von mir untersuchten Fall (=Sparmodell) sehe ich ihn schon. Ich gewinne, und die Allgemeinheit gewinnt, weil ich Steuern zahle. Steuersparen und Steuersenken ist ja eine Art Volkssport (mit Auswärtsspielen in Liechtenstein), und sobald diese Begriffe ins Spiel kommen, sind viele Menschen ganz begeistert und das NachDenken und Nachrechnen setzt aus. Dass diese Begeisterung aber zur Falle werden kann, ist oben deutlich aufgezeigt worden.
Nachtrag AM:
Wenn Sie eine Rürup-Rente abgeschlossen haben, dann reden Sie mal mit Ihrem Finanzdienstleister, mit Ihrer Versicherung oder mit Ihrer Bank. Und fragen Sie, ob und was unser Gewährsmann falsch gerechnet hat. Und warum man Sie gegebenenfalls so falsch beraten hat. Und fragen Sie, falls Sie es noch nicht getan haben, wie viel Euro und wie viel Prozent Ihrer Einzahlung als Anlagekosten, Provisionen etc. an diese Finanzdienstleister, Versicherungen und Banken abgezweigt wird.
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