Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 1. April 2008 um 9:12 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Kommentar: Öffentliche Gelder werden verzockt, obwohl es ein Spekulationsverbot für öffentliche Einrichtungen gibt. Dieses Verbot dürfte wohl auch die Städte Hagen, Pforzheim, etc. betreffen, denen die Deutsche Bank ebenfalls Zinstauschgeschäfte angedient hat.
Siehe hierzu auch einen Essay von Wieland Hempel in den NachDenkSeiten vom 14. Januar 2008:
Graf Lambsdorff hatte diese Richtung und die kleinen aber zielstrebigen Schritte bereits im September 1982 mit seinem berühmten “Scheidungspapier” zur Beendigung der Regierung Schmidt vorgezeichnet. Zwei seiner Forderungen waren auf längere Sicht besonders wirksam: Zum einen die “Verlagerung bisher öffentlich angebotener Leistungen auf den privaten Bereich mit dem Ziel einer effizienten Aufgabenerfüllung und einer Entlastung der Haushalte sowie einer Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik.” Und zum anderen die Forderung, die europäische Ebene systematisch zur Aushebelung nationaler Standards zu nutzen: “Ablehnung gemeinschaftlicher Regelungen, insbesondere Richtlinien, die bereits im Stadium der Beratung ……. das Investitionsklima belasten….” Ihre jüngste Bekräftigung hat diese Strategie einer ausgedünnten demokratischen Kontrolle im europäischen Verfassungsprozess erfahren. Der vom Bundestag bereits ratifizierte Entwurf war an den Volksentscheiden in Frankreich und den Niederlanden nicht zuletzt wegen der Verpflichtung auf eine neoliberale Politik gescheitert. Das hindert die Regierungen nicht, im Vertrag von Lissabon ihre Grundentscheidung für eine freie Marktwirtschaft aufrecht zu erhalten, sie aber über Verweisungen und Fußnoten hinter den Kulissen und einigen sozialen Feigenblättern zu verbergen.
…
Der “gewöhnliche Kapitalismus” begnügt sich mit einer wie auch immer zu seinem Vorteil verschobenen Balance von individueller, durchaus auch ökonomischer Freiheit und solidarischer Rücksicht, von materieller Bereicherung und Respekt vor den Verlierern. Damit bewegt er sich als eine von mehreren politisch möglichen Optionen innerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Der Neoliberalismus will sich von diesen Fesseln grundsätzlich befreien. The winner takes all. Die Zerstörung von Bindungen, Pflichten und Verantwortlichkeiten ist der Kern dieser “Philosophie der Freiheit” und sie ist der Kern ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Praxis bis hin zur Neuformierung bzw. Deformierung der Individuen. Sie bekennt sich unverschlüsselt zur Naturgegebenheit von Oben und Unten, von Herr und Knecht.
Claus Schäfer, Claudia Bogedan, Till Müller-Schoell: Editorial
Ute Klammer: Armut und Verteilung in Deutschland und Europa
Richard Hauser: Altersarmut in der Europäischen Union
Claudia Bogedan, Anika Rasner: Arbeitsmarkt x Rentenrefom = Altersarmut?
Irene Becker: Familienarmut – Bestandsaufnahme und Reformoption
Gerda Holz: Kinderarmut – Eine komplexe Herausforderung für staatliches Handeln
Emmerich Tálos: Armutspolitik am Beispiel Österreichs: Bedarfsorientierte Mindestsicherung
Michael Hartmann: Elitenstruktur und soziale Ungleichheit in Europa
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
Anmerkung von G.G.: Um die Häme auch richtig auszukosten, macht SPon in 24 Stunden gleich vier Aufgüsse aus der Meldung. Dabei schreckt man auch nicht davor zurück, regierungsamtlichen Unsinn zu verbreiten: “Nur eine Handvoll eher kleiner Branchen wollen sich einem staatlichem Lohndiktat unterwerfen.” Von Glos, Pofalla und Röttgen ist man ja einiges gewohnt, aber die sich durchsetzende “Vernunft” mit solchen Sätzen und weiteren, ähnlich Glos-kalibrigen Zitaten zu untermauern, ist schon eine Glanzleistung des Qualitätsjournalismus. Allerdings fehlt der Hinweis, dass es sich um eine Glosse handelt.
Anmerkung WL: Gabriel unternimmt nicht mehr als einen weiteren „Vermittlungsversuch“ für die Agenda-Politik. Er will uns einreden, gerade diese Politik stehe für „Wirtschafts- und Finanzkompetenz“. Aber genau die „Realität“, die sich in dieser Politik der Gerhard Schröders inzwischen für jedermann erkennbar „spiegelt“, ist das Problem für die SPD. Denn genau mit diesem „Realitätstest“ des Auseinanderdriftens der Gesellschaft, des Abstiegs der Mittelschicht und der Umverteilung von unten und von der Mitte nach oben haben die Sozialdemokraten das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler verloren.
Gabriel tut so, als könne man aus der Gesellschaft eine Gruppe „der tatsächlichen Leistungsträger“ gewissermaßen herauspräparieren und zum Ansprechpartner für die SPD machen. Eine solche künstliche Isolierung von gesellschaftlichen Gruppen verkennt oder leugnet die wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge zwischen den gesellschaftlichen Schichten. Die Mittelschicht „bröckelt“, weil sie im „Paternoster“ vielleicht ein paar Fahrkörbe höher steht, aber dennoch gemeinsam mit der Unterschicht wirtschaftlich und sozial nach unten befördert wurde. Mittel- und Unterschicht mussten hilf- und schutzlos mit ansehen, wie gleichzeitig eine kleine Gruppe von Agenda-Gewinnlern nach oben befördert wurde. Mit Hartz wurde doch keineswegs nur die Unterschicht getroffen, sondern das gesamte Lohniveau wurde nach unten gefahren. Mit den Arbeitsmarktreformen (von der Ausweitung des Niedriglohnsektors, den prekären Arbeitsverhältnissen bis hin zur Leiharbeit), mit der Ruinierung der gesetzlichen Rente, mit dem raschen Fall in die Sozialhilfe beim Verlust des Arbeitsplatzes wurde doch nicht ein unterer Rand der Gesellschaft oder gar die „Schmarotzer“ „gefordert“, sondern das Vertrauen gerade der Mittelschicht in „ihre“ Arbeitslosenversicherung, in „ihre“ Rentenversicherung, ja in die „soziale Marktwirtschaft“ überhaupt wurde zerstört.
„Sache ist“ doch, dass die „wahren Leistungsträger Deutschlands“ Opfer bringen mussten und dass sie von der angeblichen „Wirtschafts- und Finanzkompetenz“ als „Gegenstand sozialdemokratischen Regierungshandelns“ nichts zurückbekommen haben. Gabriels Hoffnung, die Mittelschicht gegen die Unterschicht ausspielen zu können, kann und wird nicht aufgehen.
Siehe dazu auch:
Franz Walter: Der beherzte Ratlose
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung: Walter hat Recht, wenn er Gabriel eine radikale Kritik an der gesellschaftlichen Entwicklung bescheinigt, dass sein Aufsatz aber ein typisches Dokument „sozialdemokratischer Ratlosigkeit und Verwirrung“ sei. Auf die Idee, dass gerade der wirtschafts- und gesellschaftspolitische Kurs der SPD zum „Neo-Feudalismus“ geführt hat, kommt Franz Walter leider auch nicht.
Anmerkung HF: In meinen Augen ist es schon fast erschütternd, auf welch niedriges Niveau der “ZEW Präsident” Wolfgang Franz mit seinem Artikel über “Gutmenschen” rutscht. Die zusammengestoppelte Aneinanderreihung von Plattitüden und Phrasen ergibt einen grauseligen Brei, der nur mit Dschungelkamp-Mentalität runtergewürgt werden kann.
Einen gewissen Erkenntnisgewinn kann man dann doch mitnehmen. Der Angriff auf sogenannte “Gutmenschen” offenbart wie bei einem Angriff üblich die Schwächen des Angreifers:
Das Soziale – egal!
Ob jemand vom Arbeitslosengeld II leben kann – egal!
Mindestlohn – egal!
Verteilungsgerechtigkeit – egal!
Armut – egal!
Umweltschutz – egal!
Globale Erwärmung – egal!
Bio-Energie – egal!
NichtRaucher – egal!
Dem überwiegenden Teil der Bevölkerung sind diese Themen nicht egal. Somit kommen wir zu des Pudels Kern. Was ist es, was überdeutlich aus diesem Artikel spricht? Meiner Meinung nach ist die Antwort eindeutig:
Demokratie – egal!
Anmerkung WL: Wolfgang Franz ist vom Bundeswirtschaftsministerium bis 2013 zu einem der „Wirtschaftsweisen“ erkoren. Nach diesem Beitrag können Sie sich selbst ein Bild machen, auf welchem Niveau in diesem „Sachverständigenrat“ diskutiert wird. Er ist Präsident des ZEW, man kann sich also auch ausmalen, welcher „Geist“ in diesem Wirtschaftsforschungsinstitut weht.
Anmerkung: Andere ausspionieren lassen, aber wenn es ums eigene Geld geht, hört der Spaß auf.
Anmerkung: Hochschulautonomie für den Alleinherrscher.
Dazu passt:
Von Untreue und Begünstigung: Strafanzeige gegen TU-Präsidenten
Die Juristen sprechen zwar erst einmal nur von einem Anfangsverdacht, doch der klingt schon wild: Der Präsident der TU Berlin, Kurt Kutzler, und der Leiter der Bauabteilung sollen sich der Untreue zum Nachteil des Landes Berlin schuldig gemacht haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sie ein Verfahren gegen die beiden einleitet.
Quelle: DLF
Anmerkung: Macht macht Missbrauch.
Anmerkung: Der Bankier stiftet 32 Millionen Euro, die „reichen“ Studierenden in Hessen 120 Millionen Euro. Unipräsident Steinberg will 33 Millionen Euro “für Exzellenzprojekte” verwenden.
Wollen seine Exzellenz einmal vergleichen:
Yale etwa verfügt über ein Stiftungsvermögen von rund 20 Milliarden Dollar, Stanford liegt mit 17 Milliarden knapp dahinter, Princeton kommt auf 13 Milliarden. Der ewige Klassenprimus: Harvard, 29 Milliarden Dollar schwer.
Anmerkung WL: Gert G. Wagners Einschätzung, dass z.B. Cambridge keine geschlossene Anstalt sei vermag ich nicht zu teilen. Sicher, die Universität Cambridge besteht aus einer Vielzahl von Colleges – übrigens ganz unterschiedlicher Qualität – , aber ins King`s College kommen z.B die Absolventen der elitären Eton-Schule sozusagen automatisch, während sich andere Schüler einem extrem harten Auswahltest stellen müssen. Dass da auch mal ein superbegabter Schüler aus der Arbeiterschaft durchkommen kann, mag zutreffen, aber die Darstellung, dass dort keine Eliteauswahl stattfinde, ist nach meiner Anschauung falsch.
Zum Beitrag “Kurt Beck wird zum Sündenbock für den Niedergang der SPD gemacht” kann ich eine Korrektur und eine Ergänzung liefern:
Unter Kurt Beck fanden noch 3 weitere Landtagswahlen statt: 2006 in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern und 2007 in Bremen. Lediglich in Berlin gab es Gewinne zu verzeichnen (nur der Vollständigkeit halber).
Als Ergänzung habe ich der Email eine Auswertung der Landtagswahlergebnisse seit dem 2. Dezember 1990 angehangen. Dabei habe ich nach jeder Wahl die Wählerstimmen aller zu diesem Zeitpunkt aktuellen Landtagswahlen zusammengerechnet. Ausgerechnet habe ich allerdings nicht den Anteil an den gültigen Stimmen, sondern an den Wahlberechtigten (den Verluste an das Nichtwählerlager sind letztendlich auch Stimmenverluste).
Dargestellt wurde nur der Anteil von CDU/CSU und SPD (der Nichtwähleranteil stieg im behandelten Zeitraum von 27,5 auf 41,4 Prozent). Für die SPD wurden die jeweiligen Bundesvorsitzenden eingetragen, wobei der rote Strich die letzte Landtagswahl unter der Führung des jeweiligen Vorsitzenden anzeigt.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die SPD-Verluste sich in drei Phasen einteilen lassen: Die erste Phase nach der verlorenen Bundestagswahl 1994 (dauerte bis 1996), die zweite Phase im Sommer und Herbst 1999 und die dritte Phase seit der Bundestagswahl 2002. Die Hälfte der knapp 10 Prozentpunkte Verluste rühren aus der Amtszeit Schröder!
Der CDU/CSU-Verlauf lässt sich leichter zusammenfassen: Bis zu Bundestagswahl 1994 und seit der Bundestagswahl 2005 verliert die Union Stimmen (und in diesen Zeiträumen auch jeweils stärker als die SPD); zwischen diesen Wahlen gab es im Wesentlichen eine Seitwärtsbewegung.
Lange Rede kurzer Sinn: Die Graphik dürfte schön zeigen, unter welchen Vorsitzenden große Verluste eingefahren wurden (unter Schröder, Müntefering und Platzeck wurde ein Viertel der SPD-Wähler verloren; während dieser Zeit wurden auch etwa ein Viertel der SPD-Mitglieder verloren) und unter welchen nicht (unter Lafontaine und unter Beck ist eine Seitwärtsbewegung mit leichten Verlusten zu verzeichnen).
Nikolai Scheuring
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3110