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Titel: Militärausgaben: Schöner manipulieren mit Christoph Sydow auf SPIEGEL Online
Datum: 10. Februar 2016 um 11:16 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Jens Berger
„Der Westen verliert seine militärische Überlegenheit“ – es ist schon starker Tobak, der einem da von der Startseite des Portals SPIEGEL Online entgegenspringt. Um diese fragwürdige These zu untermauern, zitiert SPIEGEL-Online-Autor Christoph Sydow eine einzige Quelle und die ist in diesem Kontext mehr als fragwürdig – das laut Sydow „renommierte“ Internationale Institut für Strategische Studien (IISS), das seit Jahrzehnten vor allem dafür bekannt ist, eine „militärische Überlegenheit“ des jeweiligen globalstrategischen Kontrahenten zu „belegen“, um höhere Rüstungsausgaben zu fordern. In dieses Konzept passt auch die aktuelle Meldung. Von Jens Berger.
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Und warum wählt man Asien als Konterpart? Streng genommen zählt hier doch ohnehin nur China zu den Staaten, die von NATO-Strategen als Konkurrenten gesehen werden. Auch hier ist die Antwort nicht eben komplex: Die Rüstungsausgaben der „Schurkenstaaten“ Russland und Iran sind nun einmal so gering, dass man damit dem Deutschen keine Angst machen kann. Da muss man schon China aus dem Hut zaubern und die Zahl mit unlauteren Mitteln zusätzlich aufblähen.
Es ist ohnehin Unsinn, sich in diesem Kontext über die Verteilung konventioneller Streitkräfte zu unterhalten. Die osteuropäischen Staaten stehen unter dem Schutz der gesamten NATO und damit auch dem nuklearen Schutzschirm der USA, Großbritanniens und Frankreichs und es gibt überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass Russland einen Atomkrieg gegen die NATO anzetteln will; ja, es gibt noch nicht einmal einen Grund, anzunehmen, dass Russland die Sicherheitsinteressen der osteuropäischen NATO-Staaten in welcher Form auch immer bedroht. Es geht hier nicht um eine „Bedrohung“, sondern – so wie SPIEGEL Online es formuliert – um „das Gefühl einer Bedrohung“.
Rational betrachtet geht es also darum, dieses „Gefühl“ aus der Welt zu schaffen, so dass auch die Osteuropäer sich sicher und zufrieden fühlen. Dafür gibt es natürlich verschiedene Mittel und Wege. Eine gnadenlose Aufrüstung in den europäischen NATO-Staaten ist jedoch der denkbar schlechteste Weg, um eine „gefühlte Bedrohung“ aus dem Weg zu schaffen. Wie wäre es stattdessen mit einer ernst gemeinten Annäherungspolitik? Das ist naiv? Illusorisch? Schließlich sei der Russe ja bekanntermaßen böse und stellt eine Gefahr für den Weltfrieden dar? Wenn man sich die jüngere europäische Geschichte einmal anschaut, gibt es genau einen einzigen Staat, der Europa in Schutt und Asche gelegt hat: Deutschland!
Heute haben aber weder die Franzosen, noch die Polen, die Niederländer oder die Dänen ernsthaft Angst davor, dass morgen deutsche Panzer ihre Grenzen überrollen. Franzosen, Polen, Niederländer und Dänen müssen daher zum Glück auch keine Panzerabwehrbataillone unterhalten und an ihren Grenzen zu Deutschland stationieren. So funktioniert Europa, so funktioniert die europäische Friedensordnung.
Ob Osteuropa wirklich einen Grund hat, den Russen zu misstrauen und sich vor Russland zu schützen, ist eine schwere Frage, die sich wohl kaum sachlich, sondern eher auf der Emotionsebene beantworten lässt. Wie haben es beispielsweise die Franzosen und die Deutschen in den 1950ern gelernt, sich nicht mehr als Erbfeinde zu betrachten und miteinander anstatt gegeneinander zu handeln? Was Franzosen und Deutsche gelernt haben, können Esten, Letten, Litauer und Russen auch lernen; gar kein Frage. Man muss die Völker nur lernen lassen. Und momentan passiert das genaue Gegenteil: Durch die Spannungspolitik werden die vorhandenen Gräben nicht überwunden, sondern es werden neue Gräben gezogen. Die ständigen Forderungen nach Aufrüstung und dem angeblichen Verlust unserer militärischen Überlegenheit tun ihr übriges dazu bei. Schade vor allem, dass SPIEGEL-Online-Redakteur Sydow es noch nicht einmal schafft, die reaktionären Argumente des IISS einzuordnen. Solche Artikel haben vor allem ein Ziel: Jegliche Annäherung an Russland zu unterbinden und die Öffentlichkeit auf höhere Rüstungsausgaben einzuschwören. Manipulation. Und dies noch nicht einmal subtil.
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