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Titel: Wes Geistes Kind Finanzminister Steinbrück ist, offenbaren seine „Beteiligungsberichte“: hinterwäldlerisch neoliberal.
Datum: 4. März 2008 um 9:12 Uhr
Rubrik: Finanzpolitik, Markt und Staat, Privatisierung
Verantwortlich: Albrecht Müller
Die Schlacht gegen die minimale Öffnung der SPD nach links wird wesentlich vom stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Steinbrück angeführt. Zur Einordnung dieses Mannes passt ganz gut, worauf uns ein Leser der NachDenkSeiten hinweist: Die Beteiligungsberichte des Bundesfinanzministeriums jeweils mit Vorwort einschließlich Foto des Bundesfinanzministers höchstpersönlich. Die Texte zeugen von dogmatischer Befürwortung der Privatisierungen, und auch davon, dass unser Bundesfinanzminister keineswegs auf der Höhe der Zeit ist. Von gescheiterten und teuren Privatisierungen im eigenen Land und anderen Ländern hat er offensichtlich noch nichts gehört. Albrecht Müller.
Hier zunächst die informative Mail des NachDenkSeiten-Lesers und dann einige weitere Gedanken zum Thema:
„Ein paar Einblicke zum Thema „Verscherbelung von öffentlichem Eigentum“
bieten die Beteiligungsberichte des Bundesfinanzministeriums.
Hier [PDF – 1,6 MB] 2007. (2006 [PDF – 1,3 MB], 2005 [PDF – 1,2 MB])
1. Von Seite 9 bis 16 des Berichtes von 2007 gibt es einen Überblick über die Privatisierungen seit 1999 des Bundes.
Eine Auflistung, allerdings ohne Geldbeträge, für den Bund seit Gründung der BRD findet sich auch hier [PDF – 92 KB].
Es fällt auf, dass Privatisierungen von 1965 bis 1984 nicht stattfanden. Danach geht’s dann richtig los. Paradigmenwechsel nennt man so etwas. Es mag ja richtig sein, dass Teilprivatisierungen richtig sein können, aber beispielsweise sind bei der Telekom und der Post diese bis heute ununterbrochen von Personal- und Kostenabbau begleitet, der über ein eventuell notwendiges Maß hinausgeht (Chaos in beiden volkwirtschaftlichen Sektoren ist deutlich zu beobachten). Nun die nüchterne Frage:
Wieso sollte es bei der Bahn anders sein, die ja nach Telekom und Post die letzte große Beteiligung des Bundes darstellt? Darüber lohnt es sich nachzudenken.
2. Zur Bahnprivatisierung findet sich auf Seite 5 folgendes:
„Für die Deutsche Bahn AG ist die politische Entscheidung gefallen, noch in dieser Legislaturperiode private Investoren an dem Unternehmen zu beteiligen. Aus der Sicht des Bundesfinanzministers steht dabei eindeutig im Vordergrund, die Wachstumsperspektive und den erfolgreichen Kurs des Unternehmens fortzusetzen. Parallel dazu sollen gleichermaßen mittel bis langfristig die laufenden Belastungen des Bundeshaushalts zurückgeführt werden und der Zuschussbedarf für Ausbau und Unterhalt der Infrastruktur sinken.“
Im Klartext: Steinbrück will weniger für die Schiene ausgeben (wer braucht die schon?) und die Deutsche Bahn soll sich auch nicht darum kümmern, sondern weltweit wachsen im Sinne von Mehdorns überdrehter Global-Player-Utopie. Deswegen wird privatisiert und wegen nichts anderem.
3. Fragwürdige Erkenntnisse verschaffen die jeweiligen Vorwörter zu den Berichten von SPD-Vize Steinbrück höchstpersönlich.
„Der weltweite Trend zur Finanzierung vormals staatlicher Infrastrukturen – etwa in den Bereichen Flughäfen, Autobahnen, Seehäfen bis hin zum Eisenbahnsektor – durch privates Kapital setzt neue Akzente zur Wiederherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit des Staates als oberstes Ziel der Finanzpolitik.“
“Vor diesem Hintergrund bleibt der „Reformansatz Privatisierung“ der Bundesregierung im Unternehmensbereich des Bundes die richtige Antwort auf die fortschreitende Änderung nationaler und internationaler ökonomischer Rahmenbedingungen. Privatisierung ist ein wirksamer Beitrag zur Modernisierung und Entbürokratisierung unseres Staatswesens und damit auch zur finanzwirtschaftlichen Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland durch Konzentration des Staates auf seine Kernaufgaben“.
Der Fokus von Steinbrück liegt durchgehend darauf, Beteiligungen des Bundes zurückzuführen, also zu privatisieren und nicht etwa darauf, mit den Beteiligungen vielleicht etwas sinnvolles anzufangen. Begründet wird dies mit dem gebetsmühlenartig vorgetragenen Ziel, die öffentlichen Finanzen zu konsolidieren, (wegen der Globalisierung, Demografie etc. usw. ….) Höhere Steuern für die Superreichen oder auf spekulative Finanzgeschäfte scheinen dabei kein infrage kommendes Mittel zu sein.
Allerdings: Im Gegensatz zu 2005 und 2006 wird Steinbrück 2007 im Text noch ziemlich pampig und spricht von „überholten und nicht mehr zeitgemäßen“ sowie „veralteten Strukturen“, denen er auch noch die Schuld an „vordergründig negative Auswirkungen dieser Reformprozesse“ gibt (Logik?) und von einer „unzureichend wahrgenomme[n] Erfolgsstory“ der Privatisierungen. Offenbar hat sich der öffentliche Wind doch etwas gedreht und weht den unter Schröder so erfolgsverwöhnten Privatisierungsanführern etwas entgegen.“
Danke für diese Einführung und Kommentierung.
Und hier einige ergänzende Anmerkungen:
Siehe dazu
auch einen gerade heute erschienenen Beitrag von Werner Rügemer in der „jungen Welt“: „Privat in die Pleite. Weltweit zeigt sich, daß der Ausverkauf öffentlichen Eigentums jene Probleme schafft, die er zu bekämpfen vorgibt. Inzwischen wird vielerorts zurückgerudert – selbst im neoliberalen Musterland Neuseeland“
Quelle: Jungewelt
Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Zunächst taucht das Trauma der Modernisierer auf: Sie werden missverstanden, eigentlich meinen sie es gut, eigentlich haben sie Erfolg. So meinen sie. Das Volk merkt es nur nicht. – Im konkreten Fall versucht der Bundesfinanzminister den Erfolg dadurch zu beschreiben, dass er auf den Anteil hinweist, die die verscherbelten Bundesunternehmen beim DAX 30 inzwischen haben. Kann man einen solchen Blödsinn wirklich glauben? Ist dieser Mann so ahnungslos beziehungsweise so bar jeder Werteorientierung, dass in seinen Augen eine solche Maßzahl (Anteil am DAX 30) überhaupt eine Bedeutung hat und noch dazu eine positive?
Dem Bundesfinanzminister wäre zu empfehlen, sich in die Rolle eines Familienvaters zu versetzen. Wenn dieser nämlich vor seine jugendlichen Kinder und seine Ehefrau treten würde und sich rühmte, gerade das Reihenhaus, in dem die Familie wohnt, verkauft zu haben, um Schulden abzubauen, dann würden ihn diese verwundert anschauen. Sie würden ihn fragen, ob er denn nicht beachtet habe,
Eine ähnliche Debatte wird – übertragen auf Bundesvermögen – bei uns zum Beispiel im Blick auf die Bundesdruckerei schon geführt. Die eigene Verfügungsgewalt war aus vielerlei Sicherheitsgründen gar nicht so schlecht, meinen inzwischen sogar Politiker-Kollegen des Herrn Bundesfinanzministers.
„Dumm, arglos oder politisch korrupt?“ Das ist auch nach Lektüre dieser Beteiligungsberichte die richtige Frage. Eine andere Alternative gibt es nicht.
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