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Titel: IKB: Sozialisierung der Verluste zur Stabilisierung des Bankenplatzes Deutschland
Datum: 15. Februar 2008 um 9:41 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
“Die IKB ist eine private Bank”, das sagte der Bundesfinanzminister nachdem ein weiteres „Rettungspaket“ von 1,5 Milliarden Euro geschnürt wurde. Warum aber trägt der Bund für eine private Bank 1,2 Milliarde der Lasten zur Abwendung ihrer Insolvenz und die Privatbanken „nur“ 300 Millionen
Die Politik ist deshalb erpressbar, weil „die Folgen eines Zusammenbruchs der IKB für den Finanzplatz Deutschland und Europa unabsehbar“ wären, meint der Finanzminister.
Wolfgang Lieb
Schon vor kurzem war die IKB schon einmal mit insgesamt gut sechs Milliarden Euro gestützt worden. Auch bei diesem Hilfspaket trug die staatliche KfW, die nur 38 Prozent der Anteile an der IKB hält, den Löwenanteil von 5 Milliarden für die Rettung, während die privaten Banken dagegen nur „Peanuts“ von rund 650 Millionen Euro beisteuerten.
Warum werden die Mehrheit der privaten Anteilseigner, etwa die Stiftung Industrieforschung mit 11,7 und das Bankhaus Sal. Oppenheim mit 5,0 Prozent oder warum werden die institutionellen und privaten Aktionäre mit 45,5 Prozent der Anteile nicht stärker zur Kasse gebeten?
Warum werden die „Kapitalvertreter“, die im Aufsichtsrat der IKB sitzen nicht stärker zur Verantwortung gezogen, sie sind doch mit großer Mehrheit die Vertreter der Shareholder?
Nicht der Staat oder die staatliche KfW haben doch mehrheitlich die Aufsicht geführt und die strategischen Entscheidungen für die Investmentbanking-Aktivitäten der IKB getroffen.
Es waren doch die Herren aus den Unternehmensverbänden und der Chefetagen der großen Konzerne, wie etwa
Hinzu kommt noch ein Beraterkreis, der sich gleichfalls liest wie das who is who der deutschen Wirtschaftselite, etwa Jürgen R. Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V, Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser, Graf von Krokow von Sal. Oppenheim, Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Jürgen Großmann, Aufsichtsratsvorsitzender der Georgsmarienhütte Holding GmbH oder Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.
Im 22-köpfigen Aufsichtsrat der IKB sitzen gerade 2 Staatsvertreter: Jörg Asmussen, Leiter der Abteilung VII im Bundesministerium der Finanzen und Dr. Jens Baganz, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Wie kann es dennoch dazu kommen, dass für eine private Mittelstandsbank, die sich bei Spekulationsgeschäften mit (derzeit bekannten) 5,9 Milliarden Euro „verzockt“ hat, der Staat und damit letztlich der Steuerzahler mit weit über 6 Milliarden Euro gerade stehen muss, während private Banken oder der Bundesverband deutscher Banken noch nicht einmal mit einem Sechstel davon haften? Obwohl nicht der Staat, sondern der von der Wirtschaftselite bestimmte Aufsichtsrat offenbar in seiner Kontrollfunktion völlig versagt hat?
Während gerade diese Wirtschaftselite und die vor allem auch die Banken ansonsten, den Staat möglichst aus allem heraushalten wollen und das hohe Lied auf die freien und ach so effizienten Finanzmärkte singen, wird nun plötzlich der Staat mit der Erpressung zur Kasse gebeten, dass der Finanzplatz Deutschland in Gefahr sei, wenn er nicht für die Verluste haftet. So effizient waren also die Finanzmärkte.
Würden aber nicht die Banken am meisten unter dieser Gefahr für den Finanzplatz Deutschland leiden? Da es um ihren Vertrauensverlust und um ihre Existenz geht, wäre doch vor allem die Finanzwirtschaft und der Bundesverband der Banken gefordert für einen Schadensausgleich zu sorgen.
Wie passt es eigentlich zusammen, dass am gleichen Tag, an dem der Staat den „Finanzplatz“ retten muss, die Commerzbank eine Gewinnsteigerung um knapp 20 Prozent vermeldet und auch die Deutsche Bank sich vor wenigen Tagen mit weiteren Rekordgewinnen brüsten durfte, ohne dass die Banken insgesamt für ihren Finanzplatz in Haftung genommen werden oder in die Pflicht genommen werden können?
Es drückt sich darin eine Erpressungssituation aus, die man in folgendes Bild fassen könnte:
Die Banken drohen, entweder es fliegt alles in die Luft oder Du Staat stehst für unsere kriminell herbeigeführten Verluste gerade und wir können dann nebenher weiter unsere Gewinne machen, so als wäre nichts gewesen.
Dass diese Erpressung Erfolg hat, beweist nur, wie abhängig der Staat und die Politik von der Finanzwirtschaft inzwischen sind. Das wirft zugleich ein Schlaglicht darauf, wie sehr auch in anderen Bereichen der Politik die Finanzinteressen durchschlagen. Man erinnere sich an die Riesterrente als Subventionsprogramm für die Finanzdiensleister oder die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen als Einladung and die „Heuschrecken“.
Die zugesagten Hilfen sollen – Steinbrück zufolge – den Bundeshaushalt von 2008 „zunächst“ nicht belasten. Künftige Auswirkungen seien aber nicht auszuschließen. Vermutlich rechnet der Finanzminister damit, dass er einen Teil der Zusagen über erhoffte Steuermehreinnahmen abdecken kann, ohne dass dafür Kürzungen anderswo im Haushalt nötig würden. Angeblich soll zur Finanzierung des Bundesanteils auch auf Reserven zurückgegriffen werden, „die sich durch Platzhaltergeschäfte der staatseigenen Förderbank KfW ergeben“. Aus Aktien der Post und der Telekom sollen Dividenden über vermutlich rund 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, die üblicherweise an den Fiskus geflossen wären. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hofft über den Verkauf der KfW-Anteile und die volle Rückprivatisierung der IKB noch Mittel hereinzuholen. Das aber zunächst über den Umweg, dass man die Anteile von 38 auf 43 Prozent erhöht. Auf den Gewinn aus dieser „Privatisierung“ darf man gespannt sein.
Wie die Verrechnung auch immer aussehen mag, letztlich stehen diese Mittel dem Staat (und der KfW) nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung bzw. müssen anderswo eingespart werden.
Um welche Größenordnungen es sich dabei handelt, kann man sich an ein paar Zahlenvergleichen deutlich machen:
Die 6 Milliarden-Stütze für den „Finanzplatz Deutschland“ liegen etwa in der Größenordnung der Steuermindereinnahmen durch die 2008 in Kraft getretene Unternehmensteuerreform. D.h. die Wirtschaft wird allein durch diese Maßnahmen um weitere 6 Milliarden, also insgesamt etwa um mehr als 12 Milliarden gestützt.
Das Rettungspaket des Staates liegt etwa in der Höhe, die 1 Prozent der den Konsum bremsenden Mehrwertsteuererhöhung ausmachen. Und der Konsum soll doch im laufenden Jahr die Konjunktur stützen.
Die Rettung einer einzelnen kleinen Bank aus der Insolvenz kann den Bund mehr kosten, als der gesamte Auf- und Ausbau der Kindertagesstätten bis zum Jahre 2013, wofür der Bund etwa 5 Milliarden zugesagt hat.
Für den Wissenschaftsstandort will der Bund etwa für den Hochschulpakt in vier Jahren bis 2010 gerade mal 565 Millionen ausgeben, um damit eine erwartete Steigerung der Studierendenzahlen um 40% auffangen zu können. Und für die Spitzenforschung an den Hochschulen will der Bund in den nächsten Jahren etwas über 1,4 Milliarden zur Verfügung stellen. So sehen also die finanziellen Relationen zwischen Finanzplatz und Wissenschaftsstandort Deutschland aus.
Die Haushaltsvorgabe für das gesamte Arbeitslosengeld II im Jahre 2008 liegt bei 21 Milliarden Euro und weitere Einsparungen am Sozialstaat stehen ins Haus. Für den „Finanzplatz Deutschland“ macht der Bundesfinanzminister aber mal gerade rund ein Drittel dieses Betrages locker.
Die Tarifforderungen im Öffentlichen Dienst würden nach Gewerkschaftsschätzungen rund 1,48 Milliarden Euro Mehrkosten für den Bund betragen. Es wird wochenlanger Streiks brauchen, um einen Teil dieser Forderungen durchzusetzen. Dagegen hat der Bund 1,2 Milliarden allein in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch für den Finanzplatz über den Tisch gereicht. Auch daran mag man die Kräfteverhältnisse zwischen Finanzwirtschaft und Gewerkschaften in diesem Land ablesen.
Wer einmal in den Haushaltsverhandlungen des Parlaments erfahren hat, wie da die Parlamentarier wochenlang um Hunderttausend-Euro-Beträge oder um ein paar Millionen bei einem Haushaltsansatz kämpfen müssen, das kann man das Ausmaß des Erpressungspotentials der Finanzwirtschaft gegenüber dem Staat im Vergleich zum nur noch geringfügigen politischen Einfluss des Parlaments auf die Gestaltung des Staatshaushaltes erkennen.
Ich will mit diesen Beispielen nur deutlich machen, um welche Relationen es geht, wenn sich Steinbrück und Glos zur Rettung einer einzigen relativ kleinen privaten Bank mit einem Risikovolumen von weit über 6 Milliarden in die Pflicht nehmen lassen.
Allen abwiegelnden Bemerkungen des Finanzministers zum Trotz, die Kosten gehen zu Lasten der Allgemeinheit. Aber man kann Gift darauf nehmen, dass, wenn der Finanzplatz Deutschland mit Steuergeldern gerettet sein wird, die nächste Forderung nach Steuersenkungen für die Gewinne der Banken folgen wird, dann wieder, um den „Finanzplatz“ Deutschland zu stärken.
Das Trostlose dabei ist, dass weder Steinbrück noch Glos auch nur mit einer Silbe andeuten, wie sich die Politik, nachdem sie jetzt teures Lehrgeld zahlen musste, aus dieser Erpressungssituation befreien könnte.
Die nächsten milliardenschweren „Rettungspakete“ dürfen also schon geschnürt werden. Ob der Steuerzahler auch künftig bereit sein wird, den Lastesel zu spielen und sein Päckchen ohne Murren weiter tragen wird?
Und noch etwas: BILD meldet, dass Stefan Ortseifen, der Ex-Chef der IKB, einen Anspruch auf monatlich 31.500 Euro Pension hat. Auch das sind natürlich, gemessen an der Milliardenhilfe, „Peanuts“. Dazu schreibt die KfW-Vorsitzende Ingrid Matthäus-Maier laut FAZ „Was die Zahlung von Boni angeht, so ist vorgesehen, im Rahmen von Schadenersatzansprüchen, hinsichtlich der variablen, erfolgsabhängigen Vergütung, die für das Geschäftsjahr 2006/2007 an die ausgeschiedenen Vorstände vor der Krise gezahlt wurde, die Rückzahlung geltend zu machen“. Die Bonuszahlung soll 1 Million Euro betragen haben. Außerdem weist sie in demselben Schreiben darauf hin, dass keinerlei Zahlungen über das Dienstende hinaus vereinbart wurden.
Da bliebe dem Steuerzahler wenigstens etwas erspart.
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