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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 13. Februar 2008 um 9:17 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
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Anmerkung: In dem Bericht heißt es: “Ab Oktober vergangenen Jahres habe er kein Arbeitslosengeld mehr bekommen. Daraufhin habe er seinen Entschluss gefasst, sich aufs Fahrrad gesetzt und sich 100 Kilometer von Hannover entfernt einen Platz zum Sterben gesucht.” Darf man annehmen, dass der Mann noch leben würde, wenn die ALGI-Bezugsdauer auch für ihn verlängert worden wäre?
Die INSM hat ganz andere Sorgen: [PDF – 116 KB]
Die Entscheidungsträger zeigen kaum Reformeifer oder Reformbereitschaft. Sie begegnen Reformen mit der gleichen Skepsis wie die Bürger im Lande. Bereits auf den Begriff Reform reagieren sie enttäuscht, widerwillig oder allergisch. Reform erscheint als ein Unwort …Das Dogma der Einzelfallgerechtigkeit eines jeden führt dazu, dass keine Entscheidung Endgültigkeit besitzt, sondern Reformen ständig nachgebessert werden müssen. … Persönlicher Wohlstand und Privilegien – der Arbeitsplatz, das Einkommen, Position, Status und Karriere – sollen durch Reformen nicht angetastet werden. Vom Staat wird daher in erster Linie die Wahrung persönlicher Interessen verlangt. … Die Reformbereitschaft wächst immer dann, wenn die Bedeutung der Reform-Projekte für die eigenen Lebensverhältnisse anschaulich und begreifbar wird. Gleichzeitig muss der Bürger die Überzeugung haben, den Reformprozess durch seine persönliche Mitwirkung tragen und vorantreiben zu können.
Anmerkung WL: Es wäre ja schön, wenn die Reformer den Reformen mit der gleichen Skepsis begegneten wir die Bürger im Lande.
Das Pikante beim DWS Vermögensbildungsfond I ist allerdings, dass er auch tragende Säule des Riester-Renten-Produkts DWS Toprente ist. Gleiches gilt auch für den Uniglobal von Union Investment (Fondsvolumen 4,5 Mrd. Euro). Der global investierende Aktienfonds beendete das Börsenjahr 2007 mit einem mageren Plus von 2,4 Prozent (mit Ausgabeaufschlag -2,6 Prozent) und belegt damit Rang 75. Die Abhängigkeit des Riester-Renten-Produkts UniProfi Rente ist hier noch viel größer: Das Geld, das in Aktien investiert wird, fließt ausschließlich in den Uniglobal.
Quelle: N-TV
Anmerkung: Dass Fondsmanagement ein Spiel mit dem Zufall ist und es keine Dauerfavoriten unter den Aktienfonds gibt, ist nichts Neues. Die Meldung kann aber als weiterer Beleg dafür dienen, wie verantwortungslos es ist, die Altersvorsorge auf dem Gesetzeswege von Kapitalanlagen abhängig zu machen.
Anmerkung WL: Zum Glück hält die FDP die SPD von einem Wortbruch gegenüber ihrem Wahlprogramm ab.
Anmerkung Orlando Pascheit: Ganz offensichtlich hat die Bundesregierung, egal welche, oft genug den Wählerwillen ignoriert, aber der Fall Afghanistan liegt doch etwas anders. In Fragen von Krieg und Frieden dürften die meisten deutschen Politiker doch sehr genau hinhören. Ich kann sehr wohl die nächtlichen Alarmsirenen, das Pfeifen der Bomben, die Detonationen der Einschläge aus den Erzählungen der Älteren heraushören, habe den Zustand unserer Städte in Erinnerung und kann diese Empfindung ohne weiteres auf die Schrecken übertragen, den unsere Kriegsmaschinerie einst ausgelöst hat.
Ich wundere mich immer sehr, wenn sich dann doch einige deutsche Politiker allzu schnell bereit finden, von Bündnistreue zu faseln, wo es um Zerstörung, Blut und Tod geht. Wir sind auf diesem Weg schon sehr weit gegangen und das Unbehagen wächst. Wenn viele Politiker das spüren, andererseits nicht so recht wissen, wie sie dies den Bündnispartner vermitteln sollen, so sollten wir in der Tat, allen voran die Medien, zu diskutieren beginnen, wie das mit dem Hindukush so sei. Die “guten und sachlichen Gründe” habe ich als intensiver Zeitungsleser noch nicht erschöpfend erläutert gesehen. Da fallen nur Schlagworte. Bevor man mit Etiketten wie Feigheit um sich wirft, sollte man als Zeitung mit gutem Beispiel voran gehen und umfassend
aufklären.
Auswirkungen auf die Zukunft unserer Enkel
(Zusammenfassender Bericht eines Artikels des französischen Ökonomen Jean-Paul Fitoussi in der Pariser Tageszeitung Le Monde vom 12.2.2008, Seite 2; Originaltitel: „Retour sur l’avenir de nos petits-enfants“, übertragen von Gerhard Kilper)
Nach Fitoussi wird die öffentliche Schulden-Debatte in Frankreich heute so geführt, dass sich in der öffentlichen Meinung das bittere Gefühl eines schlechten Gewissens gegenüber künftigen Generationen ausgebreitet hat – weil angeblich die gegenwärtig lebende Generation immer neue Lasten aufhäuft, für deren Begleichung eines Tages die Enkel-Generation aufzukommen habe, was schon heute absehbar deren wirtschaftliche Zukunft verdüstere.
Wenn man allerdings das Glück der Enkelgeneration am überkommenen Erbe von Schulden und Lebensstandard festmache, so meint Fitoussi, könne die Geschichte die düstere Prognose für die Enkelgeneration nicht bestätigen. Denn die Geschichte zeige, dass die Fortschreibung von Schulden im Zeitablauf variiere, dass jedoch Bruttosozialprodukt bzw. Lebensstandard (Konsumniveau, Vermögen) von Generation zu Generation kontinuierlich anwachse, auch weil in den letzten 60 Jahren Rezessionen eher die Ausnahme und stetiges Wirtschaftswachstum die Regel gewesen sei.
So sei in Frankreich das Sozialprodukt bzw. Volkseinkommen nur in den Jahren 1974 und 1993 um jeweils 1% geschrumpft. Zwischen 1950 und dem Jahr 2000 habe sich das durchschnittliche Bruttosozialprodukt je Einwohner in Großbritannien und in den USA fast verdreifacht, in Deutschland und Frankreich vervierfacht und in Italien habe es sich gar verfünffacht!
Keynes habe in einem 1928 geschriebenen Artikel („Die wirtschaftlichen Perspektiven unserer Enkel“) versucht, eine längerfristige Wachstumsprognose zu geben und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass auf lange Sicht in den reichen Industriegesellschaften mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 2% zu rechnen sei, was bezogen auf 1 Jahrhundert etwa eine Verachtfachung des Durchschnittseinkommens/Kopf bedeute. Keynes habe, so unglaublich das auch heute erscheine, mit seiner Prognose trotz der massiven Kriegszerstörungen für das vergangene 20. Jahrhundert Recht behalten!
Keynes selbst schloss aus seiner Prognose, mit dieser Wachstumsrate sei das Wirtschaftsproblem für die Menschen der Industriegesellschaften ein für allemal gelöst, denn mit „acht mal so reich als vor 100 Jahren“ hätten die Menschen endlich die Mittel in der Hand, ihre absolut notwendigen Bedürfnisse sicher befriedigen zu können und könnten ihre Energien jetzt darauf konzentrieren, den „Art de vivre“ zu entwickeln bzw. zu kultivieren.
Mit dieser Vorausschau habe Keynes aber – nach Fitoussi – Unrecht gehabt, denn „die Dynamik des Neuen“ – der eigentliche Motor jedes Wachstums – habe auch immer neue Bedürfnisse nach sich gezogen und es sei ein Charakteristikum der Menschen, in einer Art wetteifernder Konsum sich auch die neuen „relativen“ Bedürfnisse erfüllen zu wollen. Die Fortschritte in der Verbreitung von Wissen und Kenntnissen, in Forschung und Innovation führten kontinuierlich zur besseren Anpassung der erzeugten Produkte an die Lebensbedürfnisse der Menschen, man denke nur an die rasante Entwicklung der Medizin.
Die Verlängerung der Keynesschen Prognose hilft nach Fitoussi aber auch, besser die ökonomischen Perspektiven unserer Enkel abschätzen zu können. Nach Keynes wären sie in einem Jahrhundert durchschnittlich acht Mal reicher als wir heute oder 64 mal reicher als unsere Großeltern!
Zwar könne man sich angesichts der Erschöpfung nicht erneuerbarer Ressourcen und der zu bewältigenden Umwelt- und Klimaprobleme heute darüber streiten, ob ein durchschnittliches 2-Prozent-Einkommenswachstum pro Kopf fortgeschrieben werden könne. Diese Einschränkungen könnten jedoch schon morgen durch rasch fortschreitende Forschung und Innovation aufgehoben werden, wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt sei eben die Geschichte der Bewältigung von Hindernissen. Aber selbst wenn man annehme, unsere Enkelkinder seien nur fünf oder sechs mal reicher als wir heute (demnach 40 bis 48 mal reicher als Keynes’ Zeitgenossen) – könnten sie sich über ein solches Erbe beklagen?
Fitoussi stellt die Frage, ob die Enkel in einer späteren Retro-Perspektive unsere heutige ängstliche Rechnerei – die unter dem Vorzeichen von Generations-Altruismus rigoros Konten bereinige und künftige Ungleichgewichte zu beseitigen vorgebe – verstehen könnten, die zudem dazu führen könne, dass ihr künftiges Erbe beschnitten werde! Dies umso mehr als jeder doch aus eigener Erfahrung wisse, dass generationsübergreifender Altruismus in jeder Familie gang und gäbe sei.
Zum Schluss meint Fitoussi, die gesellschaftliche Zukunft sei ein öffentliches Gut und gegenwärtige Einschränkungen (gegenwärtiges Sparen) bedeuteten in keiner Weise künftige Leistungen. Die Menschen hätten da (heute) keine Wahl und zum Glück sei das Wohl von Eltern und Kindern mit komplementären und nicht mit substituierbaren Gütern vergleichbar – das lehre die Wirtschaftsgeschichte.
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