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Titel: Menschenverachtung bei RTL “Deutschland Sucht den Superstar”
Datum: 4. Februar 2008 um 8:44 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Medienkritik
Verantwortlich: Albrecht Müller
Roger Strassburg (US-Amerikaner in Deutschland und Freund der NachDenkSeiten) macht uns auf einen Vorgang aufmerksam, der sonst nicht im Brennpunkt der Recherchen und Berichte der NachDenkSeiten-Leser liegen dürfte. Den Hinweis finde ich interessant und gebe ihn gerne weiter. Albrecht Müller.
Roger Strassburg:
Die RTL Schrottsendung “Deutschland sucht den Superstar” (DSDS) ist sicherlich etwas, was die meisten NDS-Leser normalerweise nicht interessieren würde. Doch die Menschenverachtung und Verblödung, die diese Sendung verbreitet, kann einem nicht egal sein, auch wenn es in vergangenen Jahren ähnliche Berichte gegeben hat und kein neues Phänomen ist. Hier zunächst zwei Beiträge der letzten Tage von SPIEGEL-ONLINE:
Als Amerikaner bin ich mit dem Privatfernsehen aufgewachsen, und habe daher ein etwas entspannteres Verhältnis dazu, als Ihr. Fernsehen unterlag damals in den USA bestimmten Auflagen und dazu noch der Selbstkontrolle, was die Qualität bei weitem nicht auf das Niveau von RTL absinken ließ, wobei sie ebenfalls nie auch nur annährend das deutlich höhere Niveau der öffentlichen-rechtlichen Sender in Deutschland erreicht hat. Inzwischen ist es bei uns dank Deregulierung und laxer Kontrolle leider auch zu einer bloßen Volksverblödungsmaschine verkommen. Das aber nur nebenbei.
Sendungen wie DSDS tragen ganz bewusst zur Volksverblödung bei. Hauptsache, das Volk bekommt seine Unterhaltung. Im alten Rom wurde schon mit dem Prinzip “Brot und Spiele” das Volk ruhig gehalten. Hauptsache, man hat seinen Spaß, und denkt nicht darüber nach, was um ihn passiert und was mit ihm gemacht wird.
Dass bei DSDS Kandidaten herausgesucht werden, die in der Sendung lächerlich gemacht werden sollen (was RTL bestreitet), ist eindeutig, und trägt zur Belustigung des Publikums bei. Es mag ja sein, dass die Kandidaten gerade die Aufmerksamkeit suchen. Sie suchen Aufmerksamkeit, werden aber nur bloßgestellt. Und das Publikum lacht.
Im alten Rom lachte ein anderes Publikum darüber, dass Menschen den Löwen zum Fraß geworfen wurden. Die “bloße” Verhöhnung von DSDS-Kandidaten kann man zwar nicht damit vergleichen. Der gemeinsame Kern ist allerdings, dass das Leiden anderer Menschen zur Schau gestellt wird, damit die Zuschauer sich darüber lustig machen können. Dort, wo Mitleid und Mitgefühl abgestumpft oder gar durch Belustigung ersetzt wird, da fällt es leichter, andere Menschen auszugrenzen.
Es ist also nicht nur die Verblödung, die solche Sendungen gefährlich machen. Es ist die Entmenschlichung der “Versager”, also derjenigen, die die erwartete Leistung nicht zu erbringen vermögen. Sie werden zu Freiwild, das man beschimpfen, belästigen, schickanieren oder gar angreifen darf. Es handelt sich also nicht mehr um einen Menschen, dem Würde gebührt, sondern um ein Spaßobjekt, mit dem man machen kann, was man will.
Albrecht Müller zitiert gern folgendes aus dem Buch “1984” von George Orwell: „Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten -, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“.
Dieses Zitat ist ein zentrales Thema in dem Buch. Orwell sagte damit punktgenau das voraus, was wir heute in den öffentlichen Diskussionen beobachten können. (Nebenbei gemerkt: Viktor Klemperer beschrieb in seinem Buch “LTI” ein ähnliches Phänomen im Dritten Reich.)
Orwell schrieb in seinem Buch auch über eine Bevölkerungsgruppe, die er die “Prols” (Proletarier) nannte. Diese Gruppe bildete letztendlich den Großteil der Bevölkerung (die Hauptakteure des Buches bildeten eigentlich die bürgerliche bzw. gebildete Klasse). Während die Bürgerlichen mit der stets wiederholenden Propaganda überschüttet wurden, wurden die Prols mit dümmlicher Popkultur berieselt. Hauptsache, sie nehmen es auf, denken nicht darüber nach, und bleiben ruhig.
Sendungen wie DSDS erfüllen diese Aufgabe, und stumpfen durch die Verhöhnung einiger Kandidaten gleichzeitig das Mitgefühl für andere Menschen ab, damit sich keiner mehr aufregt, wenn diese – oder andere – vermeintlichen “Versager” ausgegrenzt werden.
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