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Titel: Christoph Butterwegge: Niederlage für den Rechtspopulismus oder: Was ist eigentlich Populismus
Datum: 31. Januar 2008 um 10:45 Uhr
Rubrik: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechte Gefahr, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Durch die Stimmungsmache gegenüber jungen Migranten, die im hessischen Landtagswahlkampf 2007/08 von Ministerpräsident Roland Koch als potenzielle Gewalttäter verunglimpft, von der Bild-Zeitung über Wochen hinweg zum innenpolitischen Kardinalproblem emporstilisiert und von FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher der „Deutschenfeindlichkeit“ bezichtigt wurden, hat der Begriff „Rechtspopulismus“ wieder größere Aktualität gewonnen. Dass die rassistische Kampagne keinen Erfolg zeitigte, sondern der hessischen CDU enorme Stimmenverluste bescherte, ändert nichts an der Tatsache, dass sie die politische Kultur des Landes beschädigt und dem friedlichen Zusammenleben seiner Bewohner/innen einen Bärendienst erwiesen hat. Von Christoph Butterwegge.
Der zuletzt beinahe inflationär verwendete Populismusbegriff ist aus zwei Gründen schillernd und unscharf. Einerseits fallen darunter häufig link(sradikal)e genauso wie recht(sextrem)e und basis- bzw. radikaldemokratische genauso wie antidemokratische Strömungen, was seine Offenheit für unterschiedliche Strategien und Taktiken signalisiert, aber auch inhaltliche Mehrdeutigkeit, Verschwommenheit und Konturlosigkeit bedingt. Andererseits wird häufig so getan, als sei „Rechtspopulismus“ das demokratisch geläuterte, zumindest sehr viel moderatere Pendant zum Rechtsextremismus, nicht etwa nur eine Spezialform desselben. Dies bringt jedoch weitere Abgrenzungsprobleme mit sich, ohne gleichzeitig mehr terminologische Klarheit zu schaffen. Missverständlich ist der Populismusbegriff insofern, als dafür zwei unterschiedliche Deutungsmuster existieren, die wir nachfolgend darstellen und kommentieren wollen.
Das erste, in der Forschungslandschaft wie in der Fachliteratur klar dominante Deutungsmuster begreift Populismus als Politik(vermittlungs)form und Regierungsstil, welcher von Personen, Parteien oder Koalitionen ganz unterschiedlicher Couleur praktiziert werden kann, was man ggf. mittels der Differenzierung zwischen Links- und Rechtspopulismus zum Ausdruck bringt. Nach herrschender Lehre charakterisiert der Populismus gar nicht die Politik einer Partei, sondern nur die Art, wie sie gemacht und/oder „an den Mann gebracht“ wird.
Ein gewisses rhetorisches Talent und die argumentative Demagogie seiner führenden Repräsentanten sind auffällige Merkmale des Populismus, aber nicht für ihn konstitutiv. Nach größerer Popularität zu streben, „dem Volk aufs Maul zu schauen“ und komplexe Zusammenhänge leicht verständlich darzustellen, ist höchstens dann populistisch, wenn damit die Manipulation von Menschen zugunsten einer privilegierten Minderheit verbunden ist. Unbefriedigend bleibt eine bloße Formaldefinition für Populismus, wenn sie keinerlei inhaltliche Festlegung enthält. Die Bezeichnung eines Parteiprogramms als „populistisch“ ist sowenig aussagekräftig wie der Begriff „Protestpartei“, weil in beiden Fällen keine Aussage über die dahinter steckende Ideologie getroffen wird.
Das zweite Deutungsmuster versteht unter Populismus eine stärker inhaltlich bestimmte Konzeption. Sie ist aufgrund ihrer Konstruktion eines (ethnisch) homogenen Volkes, das sie den „korrupten Eliten“ gegenüberstellt, mit einer linken Weltanschauung bzw. deren Hauptströmungen (Sozialismus, Reformismus und Kommunismus) die Klassen und Schichten zu Basiskategorien ihrer Topografie der Gesellschaft machen, unvereinbar, aber mit den bürgerlichen Grundrichtungen (Liberalismus und Konservatismus), die zwischen den genannten Großgruppen keine Interessengegensätze zu erkennen vermögen, durchaus harmoniert. Rechtspopulismus wäre für diese Orientierung zwar der treffendere Begriff, was allerdings nicht ausschließt, dass sich auch Strömungen der „Mitte“ oder der Linken zumindest vorübergehend solcher Argumentationsmuster und entsprechender Agitationstechniken bedienen.
Populismus ist mehr als eine Stilfrage und eine Agitationstechnik, worauf schon die Etymologie des Terminus verweist, denn die ursprüngliche Wortbedeutung lässt den Anspruch damit Bezeichneter erkennen, nämlich Politik im Namen des Volkes und/oder für das Volk zu machen. Je nachdem, ob man diese Zielgruppe im Sinne von „ethnos“ oder „demos“ versteht, bildet das „eigene“ oder das „gemeine Volk“ den Fixpunkt. Zwar haben Rechtspopulisten nur wenig Hemmungen, ihrerseits – etwa als Parlamentsabgeordnete oder Minister – die Privilegien der Mächtigen und Regierenden in Anspruch zu nehmen, verlangen von diesen jedoch, sich nicht persönlich zu bereichern, sondern sich selbstlos „der Sache des Volkes“ anzunehmen. Rechtspopulisten stellen zwar die soziale Frage, ohne sie jedoch überzeugend zu beantworten. Meistens verknüpfen solche Gruppierungen die soziale mit der nationalen Frage, obwohl eine Verbindung von sozialer und demokratischer Frage nötig wäre, um sie zu lösen.
Da sich der Rechtsextremismus im Hinblick auf seine Ideologieproduktion und Strategiediskussion spürbar modernisiert, programmatisch erneuert und vom Nationalsozialismus mehr oder weniger überzeugend distanziert sowie aufgrund der Vielfalt von ihm mittlerweile besetzter Handlungsfelder, Aktionsformen und Organisationszusammenhänge erheblich ausdifferenziert hat, sollten nur jene (Partei-)Organisationen, Strömungen und Bestrebungen als rechtspopulistisch bezeichnet werden, die den Dualismus von „Volk“, „Bevölkerung“ bzw. „mündigen Bürgern“ und „Elite“, „Staatsbürokratie“ bzw. „politischer Klasse“ zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Agitation und Propaganda machen, ohne militante Züge aufzuweisen und Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele anzuwenden oder anzudrohen. Innerhalb des Rechtspopulismus kann man idealtypisch vier Grundvarianten unterscheiden:
Vom Verfasser überarbeiteter Auszug aus: Christoph Butterwegge, Definitionen, Einfallstore und Handlungsfelder des Rechtspopulismus, in: ders./Gudrun Hentges (Hrsg.), Rechtspopulismus, Arbeitswelt und Armut. Befunde aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, Opladen/Farmington Hills (Verlag Barbara Budrich) 2008, 306 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-86649-071-0
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