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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 11. Januar 2008 um 8:45 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Aber reden nicht der Bundespräsident oder die Kanzlerin ständig so, als wäre die internationale Wettbewerbsfähigkeit unser größtes Problem?
Anmerkung Orlando Pascheit: Das ist doch eigentlich nicht weiter verwunderlich. Die laufende Berichterstattung berauscht sich leider meist nur an der ansteigenden Zahl der Jobs, ohne die Qualität der Stellen zu berücksichtigen. Für jeden aufmerksamen Leser von Arbeitsmarktstatistiken kann doch die Tatsache, dass z.Z. über 2 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob ausüben und über 1,3 Mio. geringfügig bezahlte Beschäftigte Hartz IV-Leistungen in Anspruch nehmen müssen, um über die Runden zu kommen, nur bedeuten, dass diese Jobzunahme nur geringfügig die Armut in den betroffenen Familien beseitigen kann. Ein Beschäftigungsverhältnis und ein existenzsicherndes Einkommen liegen heute nicht nur für Familien mit Kindern oft weit auseinander. Diesen Skandal nennt man Ausweitung des Niedriglohnbereichs und nicht “Stellenboom”.
Anmerkung eines NachDenkSeiten-Lesers: Als ich heute in der ZEIT von einer Studie las, die erkannte, dass die Riester-Rente ein volkswirtschaftlicher Rohrkrepierer sei, habe ich etwas unfroh gelacht. Heiner Flassbeck – und sicher nicht nur er – hat vor sieben Jahren vorausgesagt, dass sie genau das werden würde, und jeder Mensch, der bei Verstand war, konnte ihm nur zustimmen. Nun wurde also wieder einmal mit wissenschaftlicher Sorgfalt bewiesen, was ein gesunder Kopf durch Nachdenken am Kaffeetisch erkennen konnte:
Zitat aus einem Text von Flassbeck:
„Vollständig gelingen kann das zwar niemals, aber so leicht wie bei der Rentenreform wurde es „Mitnehmern“ der Subventionen bisher noch nie gemacht. Da wird der Rechnungshof in ein paar Jahrzehnten ganz schön ins Schwitzen kommen, um den Erfolg oder die Unbedenklichkeit der Subvention zu bescheinigen. In anderen Bereichen würde schon heute Zeter und Mordio geschrien. Man stelle sich einmal vor, der Landwirtschaftsminister wollte den Weizenanbau zur Sicherung der Ernährung der Bevölkerung durch Zuschüsse fördern, weil die Produktion von Weizen ständig zurückgeht. Die einzige Auflage aber, die er den Weizenbauern machte, wäre die Verpflichtung, in Zukunft 5 % „mehr“ Weizen anzubauen, ohne zu sagen, an welcher Produktionsmenge gemessen die 5 % zu errechnen sind.
Da bleibt uns nur der Trost, dass das gesamte Konzept der Rentenreform ohnehin nicht taugt.“
Quelle: Heiner Flassbeck, “Subventioniertes Sparen” [PDF – 16 KB]
Anmerkung KR: In dem ZEIT-Artikel wird behauptet: “Die staatliche Förderung ist deshalb verschwendet, weil kein neues Sparvolumen entsteht, das den Alten der Zukunft als Vorsorge dienen könnte.”
Zur Aufklärung über die private Altersvorsorge gibt es offenbar noch viel zu tun, und zwar leider auf einer sehr elementaren Ebene. Hier ein kleiner Vorschlag für eine Formulierung, um leichter verständlich zu machen, warum Sparen für das Alter für den Einzelnen sinnvoll sein mag, als Konzept zur gesamtgesellschaftlichen Altersvorsorge jedoch untauglich ist:
Wer spart, verschiebt seinen Konsum auf später. Statt sich gleich etwas zu kaufen, gibt er das Geld jemand anderem und tauscht es ein gegen Ansprüche auf Konsum zu einem späteren Zeitpunkt.
Wer viel spart, vergrößert seinen, ihm später zustehenden Anteil am Volkseinkommen: Er wird etwas mehr bekommen, alle anderen etwas weniger.
Alle zugleich können ihren Anteil aber nicht vergrößern. Der Wohlstand der Gesamtheit hängt nicht davon ab, wie viel gespart wurde, sondern wie groß das zu verteilende Volkseinkommen ist.
Bleibt die Frage, ob sich der Wohlstand durch mehr Sparen erhöht. Quelle des Wohlstands ist ein wachsendes Bruttosozialprodukt. Tatsächlich fürchten fast alle Ökonomen einen Wachstumseinbruch als Folge von zu wenig Konsum und empfehlen daher etwas höhere Lohnsteigerungen als in den letzten Jahren üblich. Doch dass die Riesterrente, würde sie das Sparen tatsächlich fördern, Konsum und Wachstum ebenfalls schwächt, erkennen sie scheinbar nicht.
Anmerkung WL: Man kann davon ausgehen, dass zunehmend mehr Menschen sich von der gesetzlichen Rente getäuscht fühlen, weil sie letztlich nicht viel besser dastehen als Sozialhilfeempfänger und alles, was sie zusätzlich erspart haben, nur noch vom Rentenanspruch abgerechnet wird. Wenn sich diese Erfahrung breit macht, wird sich der Zorn gegen die gesetzliche Rente richten. „Warum habe ich dann überhaupt einbezahlt“, diese Frage wird sich jeder stellen. Dann ist die Situation gekommen, wo es geradezu als eine soziale Rettungstat gelten wird, die gesetzliche Rente komplett abzuschaffen und die Arbeitnehmer gänzlich auf die private Vorsorge zu verweisen. Es ist leider zu befürchten, dass die von der Versicherungslobby vorangetriebene Ruinierung der gesetzlichen Rente exakt diesem Ziel dienen sollte.
Anmerkung WL: Ein paar ganz interessante Informationen. So liegt z.B. Deutschland mit einem Anteil der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von 11,4 Prozent an drittletzter Stelle nur noch vor Japan und Luxemburg.
Anmerkung Roger Strassburg: Darüber ist schon im vergangenen Jahr berichtet worden, jetzt wird er umgesetzt, der Etikettenschwindel. Ein Grund mehr, weshalb der Flickwerkmindestlohn durch einen allgemeinen Mindestlohn ersetzt werden muss.
Anmerkung WL: Bemerkenswert. Selbst im wirtschaftsfreundlichen Focus nimmt man allmählich eine distanziertere Haltung zum Bachelor ein.
Anmerkung: Siehe dazu die LobbyControl-Studie:
Als „Drehtür-Effekt“ – oder im Englischen „Revolving Door“ – wird der fliegende Wechsel von Führungspersonen zwischen Politik und Wirtschaft bezeichnet. Die Drehtür kreist in beide Richtungen – beide Richtungen sind im Hinblick auf demokratische Willensbildung problematisch, wenngleich meist nur der Wechsel aus der Politik in Unternehmen oder Lobbyorganisationen kritisch diskutiert wird.
Ehemalige Spitzenpolitiker/innen sind für Unternehmen als Lobbyisten, Berater oder Mitglieder im Vorstand oder Aufsichtsrat deshalb so beliebt, weil sie zwei unbezahlbare Ressourcen mitbringen: erstens detaillierte Kenntnisse über interne Abläufe in politischen Prozessen und zweitens noch warme Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern. Damit sichern sich die Unternehmen einen besonderen Zugang zur Politik, der sie gegenüber anderen Interessen privilegiert.
Dieser besondere Zugang zur Politik steht nur bestimmten ohnehin starken Interessengruppen offen, denn die für ehemalige Spitzenpolitiker/innen attraktive Jobs können nur finanzstarke und profilierte Akteure anbieten – dies sind in der Regel große Unternehmen oder Wirtschaftsverbände. Die bestehenden Machtstrukturen werden so verfestigt und verstärkt.
Durch die Möglichkeit, nach dem Ausscheiden aus der Politik direkt in einen lukrativen Job bei einem Unternehmen oder einer Lobby-Agentur zu wechseln, besteht für Politiker/innen der Anreiz, schon während ihrer politischen Tätigkeit ihre späteren Jobchancen zu optimieren. Entscheidungen zum Vorteil bestimmter Unternehmen sind dabei die direkteste Form der Begünstigung.
Quelle: LobbyControl [PDF – 244 KB]
Anmerkung: Und wenn Blair dann als Bankberater noch EU-Präsident werden sollte, dann passt das ja mit dem neuen Verfassungsvertrag zusammen.
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