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- Portugal: Linke stürzen portugiesische Regierung
Die linken Oppositionsparteien in Portugal setzen die Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho per Misstrauensvotum ab. Eine neue Regierung soll vor allem die Sparpolitik abschwächen.
Nur gut einen Monat nach der Parlamentswahl in Portugal hat die linke Opposition die Mitte-Rechts-Regierung per Misstrauensvotum gestürzt. Der Antrag der Sozialisten, das von einer Fortsetzung der strengen Sparpolitik getragene Programm von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho für die neue Legislaturperiode abzulehnen, wurde am Dienstag im Lissabonner Parlament mit 123 zu 107 Stimmen angenommen. Passos’ Zwei-Parteien-Bündnis war aus der Wahl vom 4. Oktober zwar als stärkste Kraft hervorgegangen, hatte die absolute Mehrheit in der “Assembleia da República” aber verloren.
Der marxistische Linksblock, die Kommunisten und die Grünen wollen nun eine Regierung von Sozialistenchef António Costa auch ohne Bildung einer Koalition im Parlament unterstützen. Vorgesehen ist vor allem eine Abschwächung der Spar- und Reformpolitik.
Quelle: Frankfurter Rundschau
Anmerkung JK: Es bleibt dabei, die “Qualitätsmedien” betreiben Meinungsmache. Dass der portugiesische Staatspräsident Cavaco unter Bruch der Verfassung den Wahlverlierer Passos einfach mit der Regierungsbildung beauftragt hat, weil ihm eine linke Regierung nicht passte und er diese in vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Troika und den Kreditgebern verhindern wollte, darüber wurde in den “Qualitätsmedien” nur am Rande berichtet. Wenn nun die parlamentarische Mehrheit von ihrem Recht gebraucht macht, wird sofort Staatsstreich geschrien. Die Minderheitsregierung des Pedro Passos Coelho wurde nicht gestürzt, sie wurde nach einer grundlegenden demokratischen Gepflogenheit durch ein Misstrauensvotum abgewählt.
Natürlich darf hier das Märchen des angeblichen Erfolges der Austeritätspolitk nicht fehlen. Nach Jahren brutaler Kürzungspolitik gab es es 2014 erstmals ein Wachstum von 0,9 Prozent, ein großartiger Erfolg. Über die sozialen Verwüstungen der Austeritätspolitik, über ein desolates Gesundheitssystem, hohe Jugendarbeitslosigkeit, hohe Auswanderungszahlen, der Verarmung eines großen Teils der Bevölkerung schweigt man aber lieber. Die neue linke Regierung will nun die Austeritätspolitik beenden. Man darf gespannt sein wie die Reaktion der Troika sein wird. Der Vorteil für Portugal, es befindet sich nicht mehr unter dem finanziellen Rettungsschirm der EU. Das Erpressungspotential ist also im Gegensatz zu Griechenland gering. Wesentlich spannender ist aber die Frage, ob Staatspräsident Cavaco den jetzigen Oppositionsführer Costa mit der Regierungsbildung beauftragen wird. Ein Szenario wie in der Türkei ist durchaus wahrscheinlich: ein über das Wahlergebnis erboster Präsident lässt einfach Neuwahlen ausschreiben. Bis dahin könnte dann Passos als geschäftsführender Regierungschef weiter regieren. Quo vadis Demokratie?
- “Still Broken” Bericht belegt: Konzerne prellen G20-Staaten um Milliardenbeträge
Nichtregierungsorganisationen fordern Umbau des internationalen Steuersystems
Durch Steuertricks und Gewinnverschiebungen international tätiger US-Konzerne entgehen den G20-Staaten jährlich Milliarden-Dollar-Beträge. Das geht aus dem Bericht „Still Broken“ hervor, den die Entwicklungsorganisation Oxfam am Montag gemeinsam mit dem Tax Justice Network, der Global Alliance for Tax Justice und dem Gewerkschaftsbund Public Services International vorgelegt hat. Hinzu kommen bisher nicht bezifferbare Verluste durch Steuertricks von Konzernen, die ihren Stammsitz nicht in den USA haben.
Im Vorfeld des G20-Gipfeltreffens in Antalya, bei dem auch internationale Steuerfragen diskutiert werden sollen, fordern die Nichtregierungsorganisationen Steuerschlupflöcher zu schließen und internationale Konzerne zu öffentlicher länderbezogener Berichterstattung über ihre Einnahmen und Steuerzahlungen zu verpflichten.
Deutschland verliert bis zu sieben Milliarden Dollar, aber die Hauptlast tragen die ärmsten Länder
Der Bericht „Still Broken“ zeigt, dass allein international operierende US-Konzerne im Jahr 2012 zwischen 500 und 700 Milliarden Dollar an den Steuerbehörden der Länder, in denen die Gewinne angefallen sind, vorbeigeschleust haben. In Ländern wie den USA, Deutschland, Indien und China wird der angefallene Gewinn kleingerechnet und in Steueroasen verschoben. So wurden auf den Bermudas 80 Milliarden Dollar Gewinn gemeldet – mehr als in Deutschland, Japan, Frankreich und China zusammen – obwohl dies nicht annähernd der wirtschaftlichen Aktivität dort entspricht. Während insgesamt die G20-Länder die höchsten Beträge verlieren, tragen die ärmsten Länder prozentual die höchste Last, weil hier Unternehmenssteuern einen höheren Anteil des Etats ausmachen. So könnte Honduras seine Budgets für Gesundheit und Bildung je um 10 bis 15 Prozent aufstocken, wenn US-Konzerne faire Steuern zahlen würden.
Nach Einschätzung der Nichtregierungsorganisationen gingen Deutschland durch Steuervermeidungstricks von US-Konzernen im Jahr 2012 bis zu sieben Milliarden Dollar Steuerzahlungen verloren.
Quelle: blog steuergerechtigkeit
- Flüchtlinge
- Flüchtlingsheuchelei: Nur arbeitsfähige Flüchtlinge sind erwünscht
Die derzeit überaus liberale Flüchtlingspolitik unter dem Stichwort Willkommenskultur wird uns damit erklärt, dass die Regierenden ein Herz für Verfolgte und Bürgerkriegsopfer entdeckt haben. Das ist schön, passt aber nicht dazu, dass sie dabei den alt-eingeführten Grundsatz „Frauen und Kinder zuerst“ in sein Gegenteil verkehren wollen. Das legt eine zynische Interpretation nahe.
Quelle: Norbert Häring
- Anwendung der Dublin-Regel provoziert humanitäre Katastrophe
“Man weiß wirklich nicht mehr, welche asylrechtlichen Verschärfungen hinter verschlossenen Türen von den Regierungsparteien schon längst auf den Weg gebracht worden sind”, kommentiert Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, die Meldung aus dem Bundesinnenministerium, das Dublin-Verfahren werde wieder für alle Herkunftsländer und alle Mitgliedstaaten außer Griechenland – also auch auf syrische Flüchtlinge – angewandt. Jelpke weiter:
“Diese Maßnahmen werden die sogenannte Flüchtlingskrise nicht entschärfen, sie stellen viele Flüchtlinge völlig schutzlos und verstoßen massiv gegen die Grundsätze einer menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik. In EU-Ländern wie Ungarn, Kroatien oder auch Österreich droht bei einer Durchsetzung der Dublin-Regelung eine humanitäre Katastrophe.
In Zukunft primär die Fluchtwege zu prüfen statt die Fluchtgründe, bedeutet einen faktischen Boykott des Rechts auf Asyl. Wo es nicht durch entsprechende Gesetzesänderungen ausgehebelt wird, wird einfach hintenherum ‘außer Vollzug’ gesetzt.”
Quelle: Linksfraktion
Dazu: Deutschland wendet wieder Dublin-Verfahren an
Politische Kehrtwende: Deutschland will syrische Asylbewerber wieder nach dem Dublin-Verfahren in andere EU-Länder zurückschicken. Dies hat das Bundesinnenministerium bestätigt.
Deutschland will syrische Asylbewerber wieder nach dem Dublin-Verfahren in andere EU-Länder zurückschicken, über die sie in die Europäische Union eingereist sind. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Dienstag bestätigte, wendet Deutschland das Dublin-Verfahren aktuell für alle Herkunftsländer und alle Mitgliedstaaten außer Griechenland an.
Quelle: Die WELT
- Boris Palmer: Sieben Leitlinien für die Flüchtlingskrise
In der Flüchtlingsdebatte scheint es nur Extreme zu geben. Dabei brauchen wir eine lösungsorientierte Debattenkultur in einer zutiefst strittigen und den Kern des menschlichen Daseins berührenden Frage. Sieben Punkte, die uns in der Flüchtlingskrise voranbringen.
n der Flüchtlingsdebatte scheint es nur Extreme zu geben. Zwischen Willkommens-Teddybären und Pegida-Galgen ist ein nüchtern-sachlicher Diskurs kaum noch möglich. Wer Zweifel daran äußert, dass Deutschland die immer weiter wachsenden Flüchtlingszahlen noch lange bewältigen kann, wird in einen Topf mit Rechtsradikalen geworfen, muss sich aber mindestens gefallen lassen, angeblich deren Geschäft zu besorgen. Wer Hilfe für Flüchtlinge weiterhin für moralisch geboten und in einer reichen Gesellschaft für leistbar hält, wird mindestens als Heuchler oder Gutmensch beschimpft und gefragt, wie viele Flüchtlinge man schon in der eigenen Wohnung aufgenommen habe. Unter die Räder gerät so die dringend nötige Suche nach einem hinreichend großen Konsens in dieser für unsere Gesellschaft mittlerweile existentiellen Frage. Was wir brauchen, ist eine lösungsorientierte Debattenkultur in einer zutiefst strittigen und den Kern des menschlichen Daseins berührenden Frage.
Quelle: FAZ
Anmerkung CW: Auch wenn Palmer wesentliche Fragen auslässt wie z. B. die nach den Fluchtursachen und deren Bekämpfung und stattdessen die eine oder andere Trivialität und auch einen Klops anführt („Wir dürfen unsere Definition von Humanität nicht so absolut setzen, dass Europa daran zerbricht.“), muss man schon froh sein, dass einer zumindest mal auch öffentlich den Dampf rausnimmt und Fragen statt aufgeregter Positionen formuliert, um Sachlichkeit und Struktur in die Debatte zu bringen. Kann das im Politbetrieb inzwischen nur noch ein Kommunalpolitiker, in dessen Verantwortungsgebiet der sprichwörtliche Kittel ganz konkret brennt?
- „Völker sind niemals gewandert“
Interview mit Historiker Michael Borgolte zu Flüchtlingsströmen
Europa wird von einer Völkerwanderung durchgerüttelt: So begründen viele Asylkritiker ihre Furcht vor den aktuellen Flüchtlingsströmen. Doch sie liegen falsch. Eine Völkerwanderung gibt es nicht – und hat es nie gegeben. Es sind immer kleine Gruppen, die vor Krieg und Vernichtung fliehen.
Was hat die „Völkerwanderung“ mit den heutigen Entwicklungen zu tun? Vergleichbar ist, dass es damals wie heute gerade keine Völkerwanderungen waren. Es machen sich heute und es machten sich damals politisch unorganisierte Gruppen auf den Weg, um bessere Lebensverhältnisse zu finden. Damals wie heute gibt es keine Führer, die große Verbände nach Europa bringen, sondern es fand damals und findet heute eine sogenannte Kettenmigration statt. Migrationsziele und -wege sprechen sich gewissermaßen rum. Das führte damals und führt heute dazu, dass nach einer Weile viele dieser kleinen Gruppen, die sich nach und nach aus ihren Herkunftsländern entfernt haben, in großer Zahl in den Zielländern wieder zusammentreffen.
So weit, so ähnlich. Was kann man nicht vergleichen? Den Zustand des Römischen Reiches mit dem des heutigen Europa. Das Römische Reich war ab dem Ende des 4. Jahrhunderts marode. Es war nicht in der Lage, die hineindrängenden Gruppen aufzunehmen. Davon kann bei uns heute nicht die Rede sein. Unser politisches System ist leistungsfähig. Es wird durch die Zuwanderung nicht erschüttert. Es gibt temporäre Probleme, aber es kann nicht im Ernst davon die Rede sein, dass die staatlichen Strukturen heute erschüttert wären.
Aber stehen wir nicht erst am Anfang einer Entwicklung? Wenn man etwas aus der sogenannten Völkerwanderung lernen sollte, dann die Einsicht, dass die Immigranten sich auf dem Boden des Römischen Reiches so organisieren konnten, dass sie in der Tat einen Umsturz des Römischen Reiches bewirkten. Aus meiner Sicht kommt es heute darum darauf an, die Integration so zu gestalten, dass die Migranten sich nicht in Diaspora- und Parallelgemeinschaften von der aufnehmenden Gesellschaft absetzen oder von ihr dorthin verdrängt werden. Es dürfen keine Ghettos entstehen. Vor allem dürfen die Migranten sich nicht als Migranten organisieren.
Quelle: Berliner Zeitung
- Verantwortungsloses Schauspiel der Aufklärung
Die Aufklärungssensibilität der VW-Oberen hält sich in engen Grenzen. Eine unabhängige Untersuchungskommission muss endlich die Skandalstruktur bei VW ausleuchten und Auswege erarbeiten.
Das Hinauszögern vorläufiger Untersuchungsergebnisse hat Methode und auch die oft widersprüchlichen Andeutungen der VW-Lenker, es handele sich bei den verdächtigen Personen um eine vergleichsweise kleine Gruppe von Tätern und Mitwissern. Die Belegschaft, das Bundesland Niedersachsen, die Gewerkschaft IG Metall und die Öffentlichkeit müssen es nach allen VW-Skandalen – Lustreisen, Korruption und einige andere mehr – für eine Zumutung halten, noch blauäugig anzunehmen, die durchtränkten Belasteten von Volkswagen (VW) seien die besten Aufklärer.
Eine interne Aufarbeitung bleibt strukturell blind, eine Privatisierung der Strafverfolgung mittels einer amerikanischen Anwaltskanzlei ist höchst problematisch und von der Staatsanwaltschaft Braunschweig ist nur eine enge strafrechtliche Aufarbeitung zu erwarten.
Quelle: Peter Grottian in der Frankfurter Rundschau
- Dagegen: Steuern auf Kapitalerträge
Schäuble plant Ende der Abgeltungsteuer.
Die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge steht vor dem Aus. Finanzminister Schäuble will Erträge aus Kapitalanlagen mit dem Einkommensteuersatz belasten.
In der deutschen Steuerpolitik deutet sich eine grundlegende Änderung an: Die pauschale Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge – zum Beispiel auf Zinsen von Sparbüchern oder auf Dividenden – wird es nicht mehr lange geben. In den Regierungsfraktionen von Union und SPD wächst die Bereitschaft, die pauschal erhobene Steuer von 25 Prozent auf Kapitaleinkünfte zu streichen. Stattdessen soll Kapitalerträge über den persönlichen Einkommensteuersatz abgegolten werden. Das würde faktisch für viele Betroffene Steuererhöhungen bedeuten. […]
Bereits im August hatte die SPD-Bundestagsfraktion ein Papier veröffentlicht, in dem sie forderte, die Abgeltungsteuer abzuschaffen. Damit gaben die Sozialdemokraten ihre frühere Position auf, die Steuer beizubehalten, aber den Satz von 25 auf 35 Prozent zu erhöhen. Die Bundestagsfraktion der Grünen legte jetzt eine Studie vor, welche die Steuer als “ungerecht und verfassungswidrig” einstuft. Vize-Fraktionschefin Kerstin Andreae forderte, diese “noch in dieser Legislaturperiode abzuschaffen”.
Quelle: SZ
Anmerkung unseres Lesers J. A.: Überfällig, aber auch überraschend. Wenn tatsächlich ausgerechnet ein neoliberaler Hardliner wie Wolfgang Schäuble diese ungerechte Besteuerung korrigieren will, dann zeigt das im Vergleich nur, wie schrecklich Steinbrück war bzw. ist. Anscheinend kommen jetzt sowohl Union als auch SPD wenigstens ein bißchen zur Besinnung.
- Armut: Fast jeder zehnte Deutsche ist überschuldet
Trotz anhaltend guter Konjunktur können rund 6,7 Millionen Menschen in Deutschland ihre Schulden nicht mehr abtragen. Vor allem Senioren geraten immer öfter in Zahlungsschwierigkeiten.
[…] Darunter sind auch immer mehr ältere Menschen. Zwischen 2013 und 2015 stieg die Zahl der betroffenen Senioren um mehr als 35 Prozent auf 150.000. Bei den 60- bis 69-Jährigen liege das Plus bei 12,4 Prozent. […] Damit Rentner mit einem schmalen Budget nicht in die Schuldenspirale geraten, sollten sie ihre Finanzen streng im Blick behalten, rät Christoph Zerhusen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen – Sparpotenzial gebe es fast immer. “Es lohnt sich, ein Haushaltsbuch zu führen, um einen Überblick über Ein- und Ausgaben zu bekommen.”
Quelle: SPIEGEL Online
Anmerkung unserer Leserin R. K.: Kein Wort über die Ursachen der Verschuldung, kein Wort dazu, wie ein höheres Rentenniveau dazu beitragen könnte, dass alte Menschen nach einem langen Arbeitsleben kein Haushaltsbuch führen und nicht jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Statt dessen ein erzieherisch wirkender Ratschlag, den halbwegs vernünftig denkende Menschen nicht brauchen und der daher eher wie eine Verhöhnung klingt. Erst wird diesen Menschen die Rente kaputt “gespart” und dann erzählt man ihnen etwas von Sparpotentialen.
Dazu passend: Generation 60plus im Minus: Immer mehr Ältere geraten in die Schuldenfalle
Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform verzeichnet eine alarmierende Zunahme der Überschuldung bei Senioren. Schulden sind für Ältere besonders dramatisch, denn sich noch aus dem Minus herauszuarbeiten, ist unwahrscheinlich.
Alt und überschuldet: Dieses Schicksal droht immer mehr Senioren in Deutschland. Nach dem am Dienstag von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform veröffentlichten „Schuldneratlas 2015“ stieg die Zahl der über 60-Jährigen mit Schulden, die sie nicht mehr vollständig bedienen können, in den vergangenen zwei Jahren drastisch an. Bei den 60 bis 69-Jährigen um 12,4 Prozent, bei den Senioren ab 70 sogar um 35,4 Prozent.
„Immer mehr ältere Menschen geraten in eine Schuldenfalle“, warnt Creditreform-Aufsichtsrat Helmut Rödl. Dabei sehen die Zahlen zur Finanzsituation der älteren Generation auf den ersten Blick eher undramatisch aus. Während von den 18 bis 59-Jährigen laut Creditreform 13,3 Prozent ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können, sind es bei der Generation 60plus „nur“ 2,7 Prozent. Doch die Zuwachsraten bei den Älteren seien „erschreckend“, betont Creditreform.
Quelle: FAZ
- Geisterflieger
Einmischung des Bundesverkehrsministers in die Tarifauseinandersetzungen bei der Lufthansa
Mit zwei Anträgen wollte die Lufthansa den Streik der Flugbegleiter von Arbeitsgerichten stoppen lassen. Der Tarifkonflikt dreht sich wie auch bei den Piloten in erster Linie um die Altersversorgung der Beschäftigten. Bundesverkehrsminister Dobrindt flankierte die Bemühungen des Konzerns damit, dass er über strengere Regeln für Streiks im Luftverkehr schwadronierte.
Oft würzen Streikgegner ihre Politik mit wohlfeilen Nebensätzen, dass ein Streik der Tarifautonomie schädigen könne, wenn er zu doll weh tut und dann keiner mehr mit den Gewerkschaften reden mag. Aber genau das ist Tarifautonomie: Löhne und Arbeitsbedingungen werden durch Tarifverträge geregelt und zwischen Kapital und Arbeit frei ausgehandelt. Wenn das nicht geht, kann auch gestreikt werden. Schwer genug. Doch im vorliegenden Fall legt sich ein Konzern mit fast allen Beschäftigten und mehreren Gewerkschaften an, weil ihm sein Konzerntarifvertrag die Profite verhagelt. Dass Lufthansa die Gerichte bemüht, weil sie keine Argumente hat und UFO in die Knie zwingen will, geschenkt … Dass sich aber Dobrindt als höchste zuständige Stelle in der Politik auf diese Weise einmischt, ist ein fieses Foul. Die Beschäftigten streiken nicht aus Jux und Dollerei, sondern führen einen Kampf um ihre Rechte, die die Lufthansa ihnen streitig machen möchte.
Quelle: neues deutschland
- Berufstätige Studierende stehen besonders unter Druck
Für die überwiegende Mehrheit der heutigen Studentinnen und Studenten sind Studieren und Arbeiten der Normalfall – und das nicht nur in den Semesterferien. Laut der letzten Studierenden-Sozialerhebung von 2011 sind rund 63 Prozent der Studentinnen und Studenten während des Semesters berufstätig. Studierende aus sozial schwächeren Haushalten und ohne akademischen Background arbeiten deutlich öfter über 20 Stunden pro Woche bzw. in Vollzeit.
Berufstätige Studierende sind keine homogene Gruppe, sondern eine „bunte Mischung“: Viele nehmen im Lauf des Studiums eine Berufstätigkeit auf, es gibt aber auch zahlreiche Erwerbstätige, die ein Studium mit der Motivation „Höherqualifizierung“ beginnen. Das Hauptmotiv für die studentische Erwerbstätigkeit ist – wenig überraschend – das Geldverdienen. Jedoch nur rund die Hälfte der berufstätigen Studierenden hat das Glück, einen studienadäquaten Job zu bekommen, eine Vielzahl lebt von den „klassischen Studentenjobs“, d.h. Babysitten, „Kellnern“ am Wochenende, Promotion etc.
Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at
Anmerkung C.R.: Vergleichbar dürfte die Situation von Studierenden in Deutschland sein.
- Umfrage: Mehrheit der EU-Bürger will Garantie sozialer Mindeststandards
Brüssel soll laut einer Umfrage Druck auf EU-Mitgliedsländer ausüben, um soziale Mindeststandards durchzusetzen. Das fordert ein Großteil der Befragten. Außerdem sollen reiche Länder ärmere unterstützen.
Die Europäische Union soll für soziale Mindeststandards in den Mitgliedstaaten sorgen – dieser Aussage hat eine große Mehrheit der EU-Bürger in einer Umfrage zugestimmt. Die Bertelsmann Stiftung befragte dazu Bürger in acht EU-Ländern. In diesen Staaten wünschen sich je nach Land 63 bis 86 Prozent der Teilnehmer, verbindliche soziale Regeln in der EU. In Deutschland wollen das demnach 77 Prozent der Befragten.
Brüssel solle Druck auf einzelne Mitgliedsländer ausüben, um Reformen voranzutreiben – da stimmen die Befragten zu. Auch soll es Transferleistungen von reichen zu ärmeren Ländern geben. Kritisch sehen die Befragten laut Studie die Renten und Pflegepolitik der EU. Weniger problematisch sehen sie demnach die Themen Kinderbetreuung, Bildung, Ausbildung und Leistungen für Arbeitslose.
Laut dem Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann Stiftung, Aart de Geus, zeige die Studie, dass die EU nationale Sozialpolitik nicht ersetzen solle. Vielmehr müsse die Staatengemeinschaft die Überlebensfähigkeit der Sozialsysteme und notwendige Reformen nach dem Willen der Bürger garantieren, so de Geus: “Die Befragten wollen, dass die EU einen Unterbietungswettlauf zwischen den Mitgliedsländern verhindert.”
Quelle: SPIEGEL Online
Anmerkung unseres Leser J. A.: “Verbindliche soziale Mindeststandards” können auch auf einem sehr niedrigen Niveau liegen, und wenn ich wieder das Diktum von den (angeblich) “notwendige[n] Reformen” lese, kringeln sich mir die Fußnägel. Aber der letzte Satz hat es in sich und dürfte der Bertelsmann-Agenda zuwiderlaufen: “Die Befragten wollen, dass die EU einen Unterbietungswettlauf zwischen den Mitgliedsländern verhindert.” In der Tat, das ist eine vernünftige Forderung an die EU.
- Beschluss der Koalition Die Flexi-Rente kommt
Rentner sollen künftig länger arbeiten dürfen – wenn sie wollen und können. Hierfür hat die Koalition sich auf eine so genannte Flexi-Rente geeinigt. Sie soll Ruheständlern die Möglichkeit geben, auch nach Beginn der Altersrente dazuzuverdienen.
Flexi-Rente soll Lust aufs Weiterarbeiten machen
“Die Flexi-Rente will erreichen, dass die Beschäftigten auch gegen Ende ihres Erwerbslebens mehr Lust auf Job haben, weil sie es sich besser einteilen können, die Unternehmer länger von Fachwissen und Erfahrung ihrer älteren Mitarbeiter profitieren und die Stärkung der Altersvorsorge auch in der letzten beruflichen Etappe klar im Blick haben”, so CDU-Politiker Schiewerling.
Damit mehr Menschen es auch gesundheitlich schaffen, lange zu arbeiten, will die Koalition Präventions- und Reha-Angebote ausbauen, sagt Katja Mast, Schiewerlings Kollegin von der SPD. “Weil wir wissen: Wenn wir früh investieren, können Erwerbstätige einfach länger im Erwerbsleben bleiben. Wir wollen die Fachkräfte für die Zukunft sichern.”
Quelle: Tagesschau
Anmerkung CW: Beim zweiten Mal lesen findet man die Botschaft. Ohne die bunten Girlanden lautet sie so: „Die Flexi-Rente will erreichen, dass die Beschäftigten … die Stärkung der Altersvorsorge auch in der letzten beruflichen Etappe klar im Blick haben.“ Die Lösung für die klare Sicht auf zu niedrige Renten heißt „einfach länger im Erwerbsleben bleiben.“
dazu entsprechend: Billige Ruheständler
Ist es nun eine gute Nachricht oder eine schlechte, dass Rentner demnächst nach dem offiziellen Berufsleben weiterarbeiten können? Einerseits ist es selbstverständlich jedem zu gönnen, der einen Teil seines Ruhestands an der Werkbank, auf der Baustelle oder im Büro verbringen möchte. Andererseits stellt sich angesichts rasant steigender Altersarmut die Frage, ob die Entscheidung für eine solche Nebenbeschäftigung wirklich immer freiwillig getroffen wird.
Viele Rentner wollen nämlich nicht etwa länger arbeiten – sie müssen. Der Zuverdienst ist besonders für Frauen mit kindererziehungsbedingten Lücken im Erwerbsleben oder Menschen, die lange im Niedriglohnsektor beschäftigt waren, oft die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie sollen künftig sogar die Möglichkeit bekommen, Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen und somit ihr Ruhestandsgeld auch nach dem offiziellen Arbeitsleben zu erhöhen.
Die Kehrseite der Medaille: Unternehmen, die Rentner beschäftigen, müssen für diese keine Sozialabgaben mehr leisten. Das könnte Arbeitgeber dazu verleiten, bei Bewerbungen die billigeren Ruheständler zu bevorzugen. Vermutlich hatte die Koalition weniger das Wohl der Rentner als vielmehr jenes der Wirtschaft im Sinn. Für die Union, die die Flexirente erzwungen hat, war Flexibilität ja immer schon eine Einbahnstraße und nur dann erstrebenswert, wenn sie den Unternehmen mehr Möglichkeiten zum Geldverdienen eröffnete.
Quelle: neues deutschland
- Einigung im Berliner Senat – Berlin holt Vattenfall und Eon ins Boot
Mit “industriellen Partnern” will der Berliner Senat zusammenarbeiten – und verabschiedet sich von der Idee, die Strom- und Gasnetze zurückzuholen. Bürger Energie spricht von einem “unglaublichen Vorgang” und “Mauscheleien”.
Den letzten Feinschliff bekam die Senatsvorlage zur Energiepolitik am Dienstag um 7.30 Uhr von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) im Roten Rathaus. Dann stand der Kompromiss zwischen SPD und CDU fest. Eine Energieplattform wird gegründet, und das Land will sich Industriepartner an die Seite holen, um die Energiewende und die Klimaneutralität von Berlin bis 2050 zu schaffen: Eon beim Gasnetz, Vattenfall beim Stromnetz. „Im Bereich Energie ist es überfällig, dass wir uns mehr engagieren“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Es gehe um eine Lösung für die nächsten Jahre.
Müller sprach von einer “einvernehmlichen Beschlussfassung” im Senat. Es geht um eine Lösung für die nächsten Jahre. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hätten Gespräche mit den Gasag-Eigentümern Vattenfall, Engie und Eon geführt. “Wir knüpfen an bisherige Beschlusslagen an”, sagte Müller. “Es geht um eine dauerhafte bezahlbare Energie für Berliner.”
Quelle: Tagesspiegel
- Syrien: Türkei stellt Bodentruppen in Aussicht
Eine Lösung der Flüchtlingskrise ist laut Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nur mit der Absetzung Assads möglich.Tatsächlich spricht vieles gegen diese Ansicht (…)
Im Weißen Haus scheint man darüber hinaus zur Zukunft Syriens inzwischen eingesehen zu haben, was Landis kurz und bündig erklärt: Jeder Regime-Wechsel führt zum Zusammenbruch des Staates. Die Unterstützung der “moderaten Milizen” führe zu nichts. Die kampfstärksten seien zugleich auch die extremsten. Mit dem militärischen Einsatz Russlands sei zudem klar, dass Assad bleiben wird. Die Frage sei, wie sich der Westen damit abfinde. (…)
Als Lösung für die Syrienkrise, und damit verbunden die Fluchtbewegungen, sieht Landis zwei Perspektiven. Die erste ist unwahrscheinlich: Sollten die Waffenlieferanten damit aufhören, Milizen zu unterstützen, die das Land ohnehin politisch nur zurückwerfen oder ins Chaos stürzen, würde es sehr viel weniger Tote geben und der Weg zu stabileren Verhältnissen wieder freier.
Die zweite Perspektive sieht Landis darin, dass die syrische Armee und ihre verbündeten Bodentruppen, die Hisbollah oder iranische Milizen, sich als stark genug erweisen, um große Teile des Landes oder das ganze Land wieder zurückzuerobern. Das ist genau das Gegenteil dessen, was die türkische Regierung oder auch Saudi-Arabien im Sinn haben.
Quelle: Telepolis
- Noam Chomsky: History Doesn’t Go In a Straight Line
Noam Chomsky on Bernie Sanders, Jeremy Corbyn, and the potential for ordinary people to make radical change.
Following a talk on power, ideology, and US foreign policy last weekend at the New School in New York City, freelance Italian journalist Tommaso Segantini sat down with the eighty-six-year-old to discuss some of the same themes, including how they relate to processes of social change.
For radicals, progress requires puncturing the bubble of inevitability: austerity, for instance, “is a policy decision undertaken by the designers for their own purposes.” It is not implemented, Chomsky says, “because of any economic laws.” American capitalism also benefits from ideological obfuscation: despite its association with free markets, capitalism is shot through with subsidies for some of the most powerful private actors. This bubble needs popping too.
In addition to discussing the prospects for radical change, Chomsky comments on the eurozone crisis, whether Syriza could’ve avoided submitting to Greece’s creditors, and the significance of Jeremy Corbyn and Bernie Sanders.
And he remains soberly optimistic. “Over time there’s a kind of a general trajectory towards a more just society, with regressions and reversals of course.”
Quelle: Jacobin
- “Um Haaresbreite”: USA geben Geheimbericht von 1990 zu Able Archer 83 frei
Nachdem Präsident Ronald Reagan Anfang der 1980er Jahre das Klima zwischen den Supermächten vom Tauwetter wieder zur Eiszeit gewandelt hatte, befürchteten die Strategen in Moskau einen nuklearen Überraschungsangriff. Lange war umstritten, wie real die sowjetische Kriegsangst von 1983 und damit das Risiko eines versehentlich eingeleiteten Gegen- oder gar Präventivschlags tatsächlich gewesen war. Eine nun freigegebene Studie für die außenpolitischen Berater der Regierung Bush von 1990, der alle geheimen US-Quellen zur Verfügung standen, kommentierte: “on a hair trigger”.
Dieser Tage jährt sich zum 32. Mal das Ende diverser NATO-Übungen vom Herbst 1983, die in Moskau als Tarnung zur Vorbereitung eines Überraschungsschlags der USA gedeutet wurden (vgl. Der letzte Tag). Den Historikern des National Security Archive der George Washington University gelang es nach zwölf Jahren Kampf, die Freigabe des ultrageheimen Berichts für das President’s Foreign Intelligence Advisory Board (PFIAB) aus dem Jahr 1990 zu erwirken. Damit liegt die bislang vollständigste Regierungsanalyse zu dem Drama vor, das selbst konservative US-Insider für gefährlicher als die Kubakrise halten. Dem PFIAB-Bericht ist ein Zitat des damaligen Politbüro-Mitglieds Michail Gorbatschow vorangestellt:
Wahrscheinlich niemals in den Nachkriegsjahrzehnten war die Weltlage explosiver und daher schwieriger und ungünstiger als in der ersten Hälfte der 1980er Jahre.
Quelle: Telepolis
- Linkfreiheit gefährdet? EU-Kommission strickt an der Urheberrechtsreform
Im Internet ist der Entwurf für eine Mitteilung der EU-Kommission aufgetaucht, in dem diese ihre Pläne zur Copyright-Reform umreißen will. Kritiker laufen Sturm dagegen wegen einer Passage zum Leistungsschutzrecht.
Einem jetzt publik gewordenen Entwurf der EU-Kommission nach wird die Urheberrechts-Reform nicht so umfassend ausfallen, wie sie Vertreter der EU-Kommission seit Langem in den Blick genommen haben. Trotzdem gehen Kritiker bereits auf die Barrikaden gegen das Vorhaben, das offiziell erst Anfang Dezember veröffentlicht werden soll. Grund sind Äußerungen zum heftig umstrittenen Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet und der davon möglicherweise bedrohten Linkfreiheit.
Quelle: heise.de
- Wir trauern um Helmut Schmidt
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands trauert um Helmut Schmidt. Sie weiß sich in ihrer Trauer einig mit vielen Menschen, die den Verstorbenen schätzen, bewundern und verehren.
Wir verneigen uns vor der Lebensleistung von Helmut Schmidt. Er lebte für die Politik und die Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger. Er hat sich um unser Land und seine Partei verdient gemacht.
Er hat sich immer dagegen gesträubt, ein Vorbild zu sein. In diesen Stunden des Abschieds wird uns allen jedoch sehr bewusst, wie viel wir ihm zu verdanken haben und was nachfolgende Generationen von ihm lernen können: Wille zur Übernahme politischer Verantwortung, Engagement für das öffentliche Wohl, wo nötig, unbeugsame Haltung auch wider den Zeitgeist, Unbeirrbarkeit in der Umsetzung von politischen Zielen. Leidenschaft in der Sache, aber Augenmaß und Gelassenheit im Handeln, Treue zu den als vernünftig erkannten ethischen Prinzipien und zum eigenen Gewissen.
Quelle: SPD
Anmerkung unseres Lesers H. K.: Dieser Text liest sich wie eine Seminararbeit. Gefühllos technokratisch und für eine erste “mitfühlende” Beileidsbekundung viel zu lang.
dazu auch: Albrecht Müller – „Wir hätten ihn noch ein bisschen länger gebraucht“
Quelle: Landesschau Rheinland Pfalz